Die in der Reihe „Historisch-Theologische Auslegung“ (HTA) bisher erschienenen Kommentare zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Bibel als Wort Gottes ernst nehmen und sich dem heilsgeschichtlichen Auslegungsgrundsatz verpflichtet fühlen. Die Autoren bekennen sich zwar in der Regel nicht zur Irrtumslosigkeit der Bibel, vertreten aber ein Schriftverständnis, das mit der Glaubensbasis der Deutschen Evangelischen Allianz in Einklang steht. Daher kann man die HTA durchaus als wissenschaftliche Kommentarreihe aus evangelikaler Feder bezeichnen. Bei aller Wissenschaftlichkeit sind die einzelnen Bände jedoch keineswegs abgehoben, sondern allgemein verständlich gehalten; es wird durchgehend mit dem biblischen Grundtext gearbeitet, aber alle griechischen und hebräischen Wörter werden in Umschrift und deutscher Übersetzung angegeben, sodass auch der des Griechischen oder Hebräischen nicht kundige Leser die Bände gewinnbringend studieren kann.
Wilfrid Haubeck hat evangelische Theologie am Theologischen Seminar des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Ewersbach und an den Universitäten Marburg, Tübingen und Münster studiert. Er promovierte in Tübingen über das Thema „Loskauf durch Christus“, wurde Dozent am Theologischen Seminar Ewersbach, später Professor für Neues Testament sowie Rektor der Theologischen Hochschule Ewersbach und lebt heute im Ruhestand.
Bevor der Verfasser zur eigentlichen Auslegung übergeht, behandelt er auf den ersten 85 Seiten Einleitungsfragen zum Epheserbrief. Da viele Ausleger bestreiten, dass der Epheserbrief von Paulus geschrieben wurde, widmet sich Haubeck besonders ausführlich der Frage der Verfasserschaft und des Verhältnisses vom Epheser- zum Kolosserbrief. Nachdem der Autor die Argumente gegen und für eine paulinische Verfasserschaft aufgelistet und abgewogen hat, kommt er zu dem Ergebnis, dass „eine höhere historische Wahrscheinlichkeit“ (S. 76) für Paulus als Verfasser spricht. Haubeck geht davon aus, dass Paulus den Brief 60/61 n. Chr. in einem Gefängnis in Rom verfasst hat. Dabei bediente er sich vermutlich eines Sekretärs, der den Brief niederschrieb, wie wir dies auch vom Römerbrief (Kap 16,22) kennen. Wichtige Themen des Epheserbriefes sind die Einheit von an Christus gläubigen Juden und Heiden in einer Gemeinde und der Aufruf zum Wandel nach den Maßstäben christlicher Moralvorstellungen und Werte.
Die auf Seite 87 beginnende Auslegung ist in 18 große Abschnitte unterteilt, die alle nach demselben Muster gegliedert sind: I. Übersetzung; II. Kontext/Struktur; III. Einzelexegese und IV. Zusammenfassung.
Haubeck, Wilfrid: Der Brief des Paulus an die Epheser. Historisch-Theologische Auslegung (HTA), hrsg. von Gerhard Maier u.a. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus 2023. 837 S. Hardcover: 69 €. ISBN: 978-3-417-29740-9
In der sorgfältig vorgenommenen Einzelexegese, die natürlich den größten Raum einnimmt, geht der Verfasser auch auf umstrittene theologische Themen ein. So distanziert er sich etwa bei der Auslegung von Kap 1,4 („erwählt vor Grundlegung der Welt“) vom reformierten Erwählungsverständnis und behauptet, dass „die Erwählung in Christus allen Menschen“ gilt (S. 105). Bei der Auslegung von Kap 1,7 erörtert Haubeck ausführlich das Sühnegeschehen durch Christi Blut und zeigt zugleich die Unterschiede auf, die zwischen der alttestamentlichen Sühne durch Opfertiere und der neutestamentlichen Sühne durch Christi Tod bestehen. Immer wieder wird die Einzelexegese durch Exkurse in Kleindruck unterbrochen, in denen der Verfasser Hintergrundinformationen zu speziellen Themen aus der Zeit- und Umweltgeschichte wie auch aus dem Judentum gibt. So behandelt er zum Beispiel auf den Seiten 261 bis 267 den Glaubensbegriff in der Bibel und auf den Seiten 614 bis 617 die soziale Stellung der Frau in der Antike.
Auf den Seiten 747 bis 805 findet sich ein umfassendes Literaturverzeichnis, das sowohl die wichtigsten Kommentare zum Epheserbrief als auch hilfreiche Sekundärliteratur bietet. Anschließend folgen noch ein Autoren- und Stichwortverzeichnis sowie eine Auflistung der im Buch vorkommenden griechischen Wörter.
Der Kommentar von Haubeck ist ein wertvoller Beitrag zum Verständnis des Epheserbriefs und wird über den evangelikalen Raum hinaus Beachtung finden.