Hast du dich jemals darüber gewundert, dass das Apostolische Glaubensbekenntnis Pontius Pilatus erwähnt? Obwohl das Glaubensbekenntnis sehr knapp formuliert ist, enthält der zweite Artikel über den Herrn Jesus Christus eine kurze Aussage über das Leiden von Christus „unter Pontius Pilatus“. Warum ist das so wichtig? Kurz gesagt: Der Grund liegt darin, dass der christliche Glaube eine historische Religion ist. Die Ereignisse, die in der Bibel berichtet werden, sind Teil der echten Weltgeschichte, die an definierten Orten auf der Welt stattfanden mit echten Menschen, von denen einer Pontius Pilatus war.
Die Ereignisse der Bibel fanden nicht in imaginären Welten wie Narnia oder Oz statt. Sie tauchten ebenso wenig in Märchenwelten auf. Die Welt, in der Abraham, Isaak und Jakob lebten, war die gleiche Welt, in der du und ich leben. Die Flüsse und Seen, die Berge und Täler, die Städte und Reiche, die in der Bibel genannt werden, existierten in der realen Welt.
Biblische Archäologie ist deswegen für uns relevant, weil die Ereignisse der Bibel in der realen Welt passiert sind. Archäologie ist nämlich nach dem Lexikoneintrag aus Oxford Languages das „Studium der Geschichte und Frühgeschichte des Menschen durch die Ausgrabung von alten Stätten und die Analyse der gefundenen Artefakte und anderer Überreste“. Viele aus meiner Generation hatten ihre erste Begegnung mit der Archäologie durch den ersten Indiana Jones Film „Jäger des verlorenen Schatzes“. Die fiktive Figur des Dr. Henry Jones ist darin ein Archäologe, der ein Talent dafür hat, in Abenteuer zu geraten, die ihn um den Globus führen. Ich schätze allerdings, dass die meisten Archäologen kaum in derart aufregende Situationen geraten werden.
Die echten Archäologen untersuchen Grabungsstätten, wo früher Menschen lebten und arbeiteten. Es ist eine Menge vorlaufende Forschung notwendig, um überhaupt solche Stätten zu finden. Wenn aber eine solche wahrscheinliche Stätte lokalisiert wurde, beginnt die schmutzige Arbeit. Es werden Voruntersuchungen und Testgrabungen unternommen. Erst wenn diese erfolgreich abgeschlossen wurden, beginnen die Archäologen mit der weiteren Suche nach Artefakten. Jeder Fund wird dann eingehend analysiert mit dem Ziel, etwas über die Lebensweise der Menschen herauszufinden, die dort früher lebten.
Biblische Archäologie beschränkt sich darauf, dass man sich auf solche Fundorte konzentriert, die im weitesten Sinne in der Bibel erwähnt werden. Deswegen geht es hauptsächlich um Israel und seine Nachbarländer. Archäologen, die das betreiben, suchen also nach Fundstücken, die ein Licht auf das Leben der Menschen werfen können, die an solchen biblisch relevanten Orten lebten.
Die Bibel besser verstehen
Biblische Archäologie dient uns hauptsächlich auf zwei Gebieten. Erstens kann sie wichtige Informationen für die biblische Hermeneutik liefern. Mit anderen Worten: Die Archäologie kann Zusatzinformationen liefern, die hilft, die Bibel genauer zu verstehen und auszulegen. Wir sind im 21. Jahrhundert tausende Jahre von der biblischen Kultur entfernt. Dinge, die für die ersten Leser der Bibel Alltag waren, sind unserer Erfahrung und unserem Wissen vielleicht völlig fremd.
Die Archäologie hilft uns, bestimmte Gegebenheiten vergangener Kulturen besser zu verstehen. Das wirft auch öfter ein Licht auf biblische Aussagen.
Zum Beispiel heißt es in 5Mose 22,8: „Wenn du ein neues Haus baust, so mache ein Geländer ringsum auf deinem Dache, damit du nicht Blutschuld auf dein Haus ladest, wenn jemand herabfällt.“ Viele moderne Leser mögen verwirrt über die Aufforderung sein, ein Geländer zur Sicherheit auf das Dach zu bauen, weil heute die meisten Häuser Schrägdächer haben, auf denen sich selten Menschen aufhalten. Aber es macht natürlich Sinn für eine Zeit, in der die Hausdächer meist flach waren und die Familie und Gäste regelmäßig viel Zeit auf dem Dach verbrachten. Archäologische Funde helfen uns, solche Einzelheiten des antiken Lebens besser zu verstehen.
Damit in Zusammenhang steht, dass die Archäologie auch Auswirkungen auf unser Verständnis der alten Sprache der Bibel hat. Archäologen haben viele Tontafeln entdeckt und auch andere Fundstücke mit Schriftzeichen. Stehen diese Schriftzeichen in Zusammenhang zum Hebräischen, dann können sie uns helfen, unser Wissen über die Sprache des Alten Testaments zu verbessern. Haben sie keine Beziehung zum Hebräischen, können sie uns helfen, die Kulturen der angrenzenden Regionen zu verstehen.
Die Wahrheit der Bibel untermauern
Biblische Archäologie dient aber auch dem Anliegen der christlichen Apologetik. Das ist heute so wichtig wie vielleicht nie zuvor. In früheren Jahrhunderten haben viel weniger Menschen die Geschichtlichkeit der Bibel in Zweifel gezogen, als das heute der Fall ist. Heute missverstehen viele Menschen – mindestens in den westlichen Kulturen – die Bibel als Legende oder als Mythos. Viele nehmen an, dass die Geschichten des Alten Testaments von Juden in der nachexilischen Zeit erfunden wurden, um sich und ihr Volk zu legitimieren. Die Geschichten von Jesus Christus seien dann später genauso von den ersten Christen erfunden worden, um ihren Glauben an einen Retter nachträglich als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Es wird dann behauptet, dass die Geschichten in der Bibel nicht mehr mit der wirklichen Geschichte zu tun haben als Rudolf, das Rentier von Santa Claus mit der roten Nase.
Wie sollen wir als Christen Menschen das Evangelium sagen, die so etwas zuhause, in der Schule oder im Internet gelernt haben? Das Evangelium ist verwurzelt in der biblischen Geschichte. Wie also kann man antworten, wenn die Person, der du das Evangelium bezeugen willst, kaum richtig zuhört und dich abweist, indem sie sagt, die Bibel sei doch nur eine Sammlung von Mythen, Legenden und Märchen? Die Ergebnisse der biblischen Archäologie können in einer solchen Situation eine enorme Hilfe darstellen. Sie können die Überzeugung deines Gegenübers untergraben und zeigen, dass die Bibel doch ein historisch zuverlässiges Buch ist.
Allerdings wirft das ein paar Fragen über apologetische Vorgehensweisen auf. Es gibt nämlich einige Diskussionen unter Christen darüber, wie wir auf die Herausforderungen durch Ungläubige am besten antworten sollen. In der klassischen Apologetik würde man die Information aus der biblischen Archäologie benutzen, um die Behauptung des Nichtglaubenden zu entkräften, die Bibel sei mythologisch. Andere aber widersprechen, weil sie der Ansicht sind, dass wir damit implizit selbst unseren Glauben an die Autorität der Schrift untergraben.
In dieser Hinsicht stellt z.B. das Westminsterbekenntnis heraus: „Die Autorität der Heiligen Schrift, derentwegen man ihr glauben und gehorchen soll, beruht nicht auf dem Zeugnis irgendeines Menschen oder irgendeiner Kirche, sondern gänzlich auf Gott (der die Wahrheit selbst ist) als ihrem Autor, und sie ist deswegen anzunehmen, weil sie das Wort Gottes ist.“ (Art. 1). Schließt das aber den Gebrauch von äußeren Belegen wie den archäologischen Funden im Gespräch mit Ungläubigen aus? Die Antwort ist „Nein!“ Und es lohnt sich, zu verstehen, warum.
Gottes Wort bringt Gottes letztgültige Autorität mit sich, ob es nun ausgesprochen wurde oder aufgeschrieben. Das Bekenntnis zielt ursprünglich auf die römisch-katholische Behauptung, dass die Heilige Schrift ihre Autorität erst von der römischen Kirche erhält. Deswegen fährt es auch fort, dass uns „das Zeugnis der Kirche zu einer Hochschätzung und Ehrerbietung der Heiligen Schrift gegenüber bewegen und anleiten“ kann, aber schließt dann: „Trotzdem stammt unsere volle Überzeugung und Gewissheit bezüglich ihrer unfehlbaren Wahrheit und göttlichen Autorität vom inwendigen Werk des Heiligen Geistes, der es durch das Wort und mit dem Wort in unseren Herzen bezeugt.“ Das ist alles eine Antwort auf die Lehren aus Rom.
Die Autorität der Heiligen Schrift kommt von Gott selbst und nicht durch archäologische Funde. Diese können aber die Glaubwürdigkeit der Bibel unterstreichen.
Außerdem sollten wir beachten, dass dieses Glaubensbekenntnis ist, was es ist: ein Bekenntnis des Glaubens von denen, die glauben, dass die Bibel Gottes Wort ist und die ihre göttliche Autorität anerkennen. Der jedoch, der noch nicht glaubt, fragt, ob die Bibel wirklich Gottes geschriebenes Wort ist. Denn er hat doch gehört, dass alles nur Mythen und Legenden seien.
Wir begegnen dem Ungläubigen in einer ähnlichen Weise wie Mose den Israeliten in Ägypten. Mose fragte, was er tun sollte, falls ihm das Volk nicht glauben sollte, wenn er Gottes Worte zu ihnen sagt (2Mo 4,1). Gott versprach Mose deswegen, dass er ihm Beweise geben werde, die seinen Anspruch belegen. Die Beweise selbst geben Gottes Wort nicht seine Autorität, sondern belegen nur, dass es tatsächlich Gottes Wort ist. Mit den archäologischen Belegen ist das ganz ähnlich. Sie können die Autorität der Bibel weder beweisen noch die Grundlage dafür sein. Sie dienen nur als Gründe, den Widerspruch gegen die Bibel zu entkräften und sind zugleich Gründe, dem Anspruch der Bibel zu glauben.
Wenn also ein Ungläubiger deinen Versuch, ihm das Evangelium zu sagen, damit abwehrt, dass er sagt, die Bibel bestehe nur aus Mythen, Legenden und Märchen, dann kannst du dieser Person sagen, dass seine Ansicht im Widerspruch zu zahlreichen archäologischen Funden steht. Du kannst herausstellen, dass zahlreiche Artefakte gefunden wurden, die die grundlegende Geschichtlichkeit und Zuverlässigkeit der Bibel stützen. Wenn dir dann entgegengehalten wird, dass die historische Zuverlässigkeit dadurch beeinträchtigt wird, dass auch von Wundern Gottes und seinem direkten Reden berichtet wird, dann kannst du herausstellen, dass auch sonst die historische Vertrauenswürdigkeit antiker Schriften nicht einfach damit hinfällig wird, dass ihre Autoren auch von ihren „Göttern“ schreiben. Das Ziel ist also gar nicht, die Autorität der Bibel zu beweisen, sondern nur Hindernisse abzubauen, die aus falschen Annahmen über die Bibel in der modernen Kultur herrühren.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries