Hans-Werner Deppe wuchs in einem katholischen Elternhaus auf und fand während seines Informatik-Studiums zum Glauben an Jesus Christus. Als Mitarbeiter des Verlags Christliche Literatur-Verbreitung (Bielefeld) arbeitete er u.a. als Übersetzer englischer Bücher. Im Jahr 2000 gründete er den Betanien Verlag, den er bis heute leitet. Deppe stand früher dem Dispensationalismus nah, vertritt aber heute eher eine amillennialistische Position.
In der vorliegenden Broschüre setzt er sich vor allem mit dem Begriff Drangsal/Trübsal auseinander und zeigt, dass die Gemeinde Jesu seit 2.000 Jahren durch Drangsale (Verfolgung und Verführung) zu gehen hat. Auf den Seiten 15ff. distanziert er sich von der Vorentrückungs-These, nach der die Christen vor der großen Trübsal zu Jesus in den Himmel entrückt werden. Auch kann er nicht erkennen, dass die Offenbarung in den Kapiteln 6 bis 20 chronologisch aufeinander folgende Ereignisse, die noch in der Zukunft liegen, schildert. Vielmehr vertritt er die Rekapitulationsthese, nach der z. B. die Gerichte der sieben Siegel, Posaunen und Schalen letztlich dieselben Ereignisse beschreiben, die sich im Verlauf der ganzen Kirchengeschichte ereignet haben und „mit steigender Zuspitzung und Eskalation“ (S. 25) vor der Parusie auftreten. Ob in Zukunft noch ein Antichrist kommen wird, der alle bisherigen Vorläufer in den Schatten stellen und ein Beherrscher der gesamten Erde sein wird, wie ihn Offb 13 schildert, kann der Autor nicht mit Sicherheit sagen (S. 26). Die in Offb 7,14 genannte „große Trübsal“ verortet Deppe nicht in der Zukunft, sondern glaubt, dass damit die Zeit der ganzen Kirchengeschichte „oder vielleicht sogar die gesamte Geschichte seit dem Sündenfall“ (S. 30) gemeint ist. Daher sind die Erlösten in Offb 7,9ff. auch nicht jene Gläubigen, die als Märtyrer während der 3,5-jährigen Herrschaftszeit des Tieres aus Offb 13 sterben, sondern es handelt sich – nach Meinung des Autors – um die Gesamtheit aller durch Jesu Tod und Auferstehung Erlösten. Wenn Jesus in Mt 24,21 von einer „großen Drangsal“ spricht, so glaubt Deppe, dass hier zunächst die Belagerung Jerusalems durch Titus 66 bis 70 n. Chr. gemeint ist; zugleich ist der Autor aber auch der Meinung, dass Jesus „die gesamte Zeit bis zu seiner Wiederkunft“ (S. 33) beschreibt. Die 3,5-jährige Herrschaft des Tieres aus Offb 13 vermag Deppe auch nicht, wie der Text eigentlich nahelegt, auf die Wirksamkeit des zukünftigen Antichristen zu beziehen, sondern meint hier die gesamte Kirchengeschichte hineinlesen zu können. Bei all diesen eschatologischen Deutungen ist ihm jedoch wichtig zu betonen, dass unterschiedliche Standpunkte zu endzeitlichen Spezialfragen nicht zu Spaltungen und Streitereien unter den Christen führen sollten, da eschatologische Themen keine heilsentscheidenden Fragen seien.
Deppe, Hans-Werner: Die große Drangsal. Was sind die „dreieinhalb Jahre“ und was ist mit der Entrückung? Augustdorf: Betanien Verlag 2022. 45 S. Pb: 3,90 €. ISBN: 978-3-945716-71-7
Hans-Werner Deppe gibt sich in seinem Büchlein als entschiedener Christ zu erkennen, für den die Bibel das Wort Gottes darstellt. Gleichwohl dürfen seine eschatologischen Überzeugungen kritisch hinterfragt werden. Zunächst bemerkt der aufmerksame Bibelleser, dass Jesus in Mt 24,29 den Begriff „Trübsal“ aus Vers 21 wieder aufnimmt und in einen Zusammenhang mit seiner Wiederkunft stellt, die in Vers 30 geschildert wird. Daher darf die in Vers 21 angekündigte Trübsal nicht nur auf die Belagerung unter Titus 70 n. Chr. gedeutet werden, sondern bezeichnet zusätzlich eine Drangsalszeit unmittelbar vor der Parusie. Außerdem zeigt Offb 19,11-21, dass der wiederkommende Christus das Tier aus Offb 13 eliminiert. Daher muss dieses Tier unmittelbar vor der Wiederkunft Christi regieren und somit zukünftig sein und kann nicht auf Nero oder irgendeinen anderen Tyrannen der Geschichte bezogen werden; denn alle bisherigen Tyrannen wurden nicht von dem wiederkommenden Christus besiegt, können also höchstens als Vorläufer des Antichristen bezeichnet werden. Und schließlich ist die Rekapitulationshypothese kaum zu halten; dem unvoreingenommenen Bibelleser drängt sich bei der Lektüre von Offb 6ff unweigerlich die Überzeugung auf, dass hier chronologisch aufeinander folgende Ereignisse berichtet werden, die noch in der Zukunft liegen. Denn das zerstörerische Potential dieser Gerichtsserien hat die Erde bisher noch nicht gesehen, sieht man einmal von der Sintflut ab.
Auf S. 24 ist dem Autor ein sachlicher Fehler unterlaufen: Im Schaubild muss unter Punkt 3 „Posaunen“ und unter Punkt 5 „Schalen“ stehen. Auf S. 7 muss es in der drittletzten Zeile 2Thes 2,3-4, auf S. 19 in der 12. Zeile von oben „auf den Leim zu gehen“ und auf S. 44, vorletzte Zeile, „an Gottes Geboten“ heißen.