Matthäus stellt uns in seinem beeindruckenden Evangelium Jesus als den Nachkommen von Abraham und David vor Augen. Er erzählt von seiner wundersamen Empfängnis und Geburt von einer Jungfrau und berichtet von seiner Flucht nach Ägypten und der Rückkehr nach Nazareth. Am Beginn des öffentlichen Wirkens von Jesus ruft Johannes der Täufer aus: „Kehrt um, denn das Königreich des Himmels ist nahe!“ (Mt 3,2). Als Jesus wenig später von der Inhaftierung von Johannes hört, fängt er mit der identischen Botschaft sein Predigen an. Jesus sammelte eine wachsende Gefolgschaft, reiste umher und „predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk“ (4,23).
Nach dieser Einleitung eröffnet Matthäus die erste von fünf großen Lehrreden von Jesus zu seinem Evangelium. Die Zahl Fünf ist ein absichtlicher Anklang an den Pentateuch, die 5 Bücher Mose. Auch dass Jesus für seine erste Rede auf einen Berg steigt, soll daran erinnern, dass Mose auf den Berg Sinai stieg, als er das Gesetz in Empfang nahm. Diese Verbindung zu Mose wird dann auch verstärkt in den sich wiederholenden Einleitungen „Ihr habt gehört, dass gesagt ist …. ich aber sage euch“ (5,21-22, 27-28, 31-32, 33-34, 38-39, 43-44). Die Botschaft des Matthäus ist klar: Jesus ist der neue und der größere Moses, der mit Autorität lehrt und das Gesetz Gottes richtig anwendet (vgl. 7,28-29).
Mit seiner Eröffnungsrede im Matthäusevangelium, der Bergpredigt, lehrt Jesus seine Nachfolger über den Charakter der Bürger des Königreiches Gottes. Als der Meisterlehrer entfaltet Jesus die Charakteristika in Form der merkbaren Seligpreisungen. Jede wird eingeleitet mit dem Ausruf des Segens für diejenigen, die einen bestimmten Charakter haben. Dazu kommen mit Salz und Licht noch zwei bildhafte Attribute. Auf diese Weise lässt Jesus die 10 Gebote des mosaischen Gesetzes anklingen, indem er 10 Charakteristika derer hervorhebt, die das ewige Königreich Gottes ererben und bewohnen werden. Es ist zu beachten, dass sich Jesus mit Blick auf die Menschenmenge mit seinen Worten an seine Jünger wendet (5,1-2).
Matthäus 5:3 Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel.
Jesus beginnt sein Porträt des Bürgers des Königreiches Gottes mit einer wohl überraschenden Eigenschaft: Armut des Geistes. „Glückselig“ – das heißt hier, ewig in der Gunst Gottes zu stehen – das sind diejenigen, die sich selbst als geistlich arm und bedürftig erkannt haben. Ganz so wie der Mann in dem Gleichnis von Jesus vom Pharisäer und Zolleinnehmer im Tempel. Der Pharisäer ist überheblich, arrogant und stolz auf alle seine religiösen Leistungen, während der Zolleinnehmer abseits steht und sich nicht wagt, seine Augen zum Himmel zu erheben, „sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!“ (Lukas 18,13). Diejenigen, die sich als geistlich arm erkannt haben, empfinden es stark, dass sie Gott brauchen und ganz von ihm abhängen. Sie bitten herzlich um Gottes Gnade, weil sie wissen, dass sie niemals vor dem gerechten und heiligen Gott aufgrund ihrer Eigenschaften und Verdienste bestehen können.
Matthäus 5,4 Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.
Mit der nächsten Seligpreisung bekräftigt Jesus einen Aspekt der alttestamentlichen Weisheit, wie er z.B. im Buch Prediger ausgesprochen ist (7,2): „Besser, ins Haus der Trauer zu gehen, als ins Haus des Gastmahls zu gehen; denn jenes ist das Ende aller Menschen, und der Lebende nimmt es sich zu Herzen.“ Im Angesicht dessen, dass wir alle eines Tages sterben werden, sollten wir im Licht unserer ewigen Bestimmung leben. Darum gilt auch (Vers 4): „Das Herz der Weisen ist im Haus der Trauer, das Herz der Toren aber im Haus der Freude.“ Diejenigen, die unaufhörlich nach Vergnügen suchen, sind letztlich damit beschäftigt, die ewigen Realitäten zu verneinen. Der weise Mensch ist sich seiner ewigen Bestimmung bewusst und wird über seine eigene Sünde und die Sünde um ihn her traurig sein. Während sie sich ihrer eigenen Versäumnisse und der Rebellion gegen Gott bewusst sind, vertrauen sie sich der Gnade Gottes an und empfangen hier Trost und Vergebung.
Matthäus 5,5 Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.
Sanfmut ist ein seltenes Gut in unserer Zeit geworden, in der Selbstvermarktung und geschickte Selbstdarstellung in den sozialen Medien zählen.
Sanftmut ist ein seltenes Gut in unserer Zeit, wo die Selbstvermarktung regiert, das Geschick der Selbstdarstellung in den „sozialen Medien“ hoch geschätzt wird und jemandem nachzugeben, ist als Schwäche verpönt. Nach der üblichen Weisheit gilt: Wer sich nicht selbst behauptet, der kommt unter die Räder. Jesus selbst ist dagegen „sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Er will sich den Demütigen offenbaren, aber den Arroganten und Selbstgewissen wird er widerstehen. Er will den Erschöpften Ruhe geben während die Stolzen allein bleiben mit ihren eigenen schweren Lasten. Gott ist der souveräne Herrscher und Jesus der König der Könige und Herr aller Herren. Wir sind nichts ohne das, was uns Gott gegeben hat und gibt. Darum werden die Weisen sanftmütig und demütig auf ihren allmächtigen Herrn in seiner Güte, Gnade und Fürsorge schauen. Sie bergen sich unter dem Schatten seiner Flügel und suchen seinen Schutz im Vertrauen darauf, dass es viel eher der Demütige sein wird, dem die Erde gehört, als dem Selbstsicheren und Selbstdarsteller.
Matthäus 5,6 Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden.
Gottes Königreich – sein Bereich unter seiner Kontrolle – ist ein Ort, an dem Gerechtigkeit regiert, weil Gott selber in seinem unfehlbaren Charakter völlig gerecht ist. Deswegen werden diejenigen, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, bei ihm gesättigt. Später sagt Jesus seinen Jüngern, dass, wenn nicht ihre Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer übertrifft, sie nicht ins Himmelskönigreich kommen werden (V. 20). Sie sollen zuerst nach dem Königreich Gottes streben und nach seiner Gerechtigkeit und die anderen Dinge – wie Essen, Kleidung und Schutz – werden ihnen hinzugefügt werden (6,33). Suchen wir wirklich Gerechtigkeit und schätzen Integrität? Oder wünschen wir uns eine Vorzugsbehandlung und finden raffinierte Wege, wie wir andere kontrollieren und manipulieren können? Wieder kommt Jesus auf den Kern der Sache, wenn er ein Herz erwartet, das an Gerechtigkeit erfreut ist. Nichts davon erreichen wir ohne Christus, der um unseretwillen zur Sünde gemacht wurde, obwohl er keine Sünde kannte, „damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm“ (2Kor 5,21).
Matthäus 5,7 Glückselig die Barmherzigen, denn ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren.
Barmherzig ist derjenige, der weiß, dass er selber Barmherzigkeit braucht und auch empfängt.
Jeder, der barmherzig ist, weiß, dass er selber Barmherzigkeit benötigt und sie in Christus auch empfangen hat (Röm 12,1). Als Empfänger von Barmherzigkeit weitet er die Barmherzigkeit bis zu anderen aus, indem er sie freundlich und mit Mitgefühl behandelt. Auf diese Weise entsteht ein Zusammenspiel zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Barmherzigkeit kann als Schwäche erscheinen. Tatsächlich kommt für die, die Barmherzigkeit weitergeben, das aus einer inneren Kraft. Denn sie sind sich der Liebe Gottes völlig gewiss und innerlich überzeugt, dass sie in Christus Annahme und das Gefallen Gottes gefunden haben. Aber zugleich sind sie sich ihrer eigenen Zerbrechlichkeit und Schwachheit bewusst und das macht sie empfindsam für Andere. Jesus bietet das Vorbild dafür, wenn er die messianische Prophetie des Jesaja erfüllt: „Ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen …“ (Mt 12,20; vgl. Jes 42,3). Jesus brachte den Menschen warme, liebevolle Fürsorge und Mitgefühl entgegen. In der gleichen Weise sind die Bürger von Gottes Königreich nicht aufgeblasen und arrogant, sondern demütig und freundlich.
Matthäus 5,8 Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
Wer kann schon von sich behaupten, dass er ein reines Herz hat? Wie es Jesus von den Pharisäern sagt, so sind wir alle unrein in unserem Inneren. Dann aber gilt die Mahnung von Jesus über sie auch uns allen: „Reinige zuerst das Inwendige des Bechers, damit auch sein Auswendiges rein werde“ (Mt 23,26). Aber eine solche Reinigung kann nur durch den Heiligen Geist geschehen. Wiederum: dieser Gedanke ist nicht neu in der Heiligen Schrift. Wir sehen ihn bereits bei David, der nach seiner ungeheuerlichen Sünde betet: „Entsündige mich mit Ysop, und ich werde rein sein; wasche mich, und ich werde weißer sein als Schnee. … Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in mir einen festen Geist!“ (Psalm 51,9+12). David hatte sehr gut verstanden, dass Sünde den Menschen von Gott trennt und deswegen auch gebeten: „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir!“ (13). Gott wird seinen Heiligen Geist heute niemals von echten Glaubenden wegnehmen, aber wir müssen uns weiterhin mit der Hilfe des Heiligen Geistes reinigen lassen, damit wir im Herzen rein werden und so fähig werden, einmal Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen (2Kor 7,1; 1Joh 3,2).
Matthäus 5,9 Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.
Jeder will Frieden, aber wo sind die Friedensstifter? Das Wort „Friedensstifter“ wird im Neuen Testament nur hier gebraucht. Als Verbform „friedenstiften“ wird es auch nur noch einmal in den Paulusbriefen benutzt: „Denn es gefiel der ganzen Fülle, in ihm [Jesus] zu wohnen und durch ihn alles mit sich zu versöhnen – indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes“ (Kol 1,19-20). Das zeigt uns, dass Jesus der wahre Friedensstifter ist und er uns durch seinen Tod am Kreuz mit Gott versöhnt hat. Da wir jetzt Frieden mit Gott haben, werden wir dazu gerufen, Frieden zu stiften, was zur Folge haben soll, dass wir wie der ewige Sohn Gottes auch Söhne Gottes genannt werden. Die Seligpreisung von Jesus gilt an dieser Stelle nicht nur denen, die Frieden hochschätzen. Sie gilt für solche, die aktiv daran arbeiten, mit Gott und anderen Menschen Frieden zu haben. Solche Friedensstifter sehnen sich nach Versöhnung und Frieden in Beziehungen, wo Streit herrscht. Sie streben danach, Streit zu schlichten und nicht Streit zu entfachen, wollen viel eher befrieden als verschärfen. Sprüche 15,18 sagt: „Ein hitziger Mann erregt Zank, aber ein Langmütiger beschwichtigt den Rechtsstreit.“ Darum gilt für die Gläubigen: „Jagt dem Frieden mit allen nach und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn schauen wird“ (Heb 12,14). Auf diese Weise spiegeln die Söhne Gottes Gott, ihren Vater, wider, der sich ganz für Friedensstiftung eingesetzt hat, als sein geliebter Sohn am Kreuz starb.
Matthäus 5,10 Glückselig die um Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihrer ist das Reich der Himmel.
Wieder einmal widersprechen die Worte von Jesus der Intuition. Niemand, der klar denkt, würde sich selbst für gesegnet halten, wenn er verfolgt wird. Jesus hat allerdings die Segnung speziell für diejenigen ausgesprochen, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Während die Seligpreisungen bis hierher immer in der dritten Person formuliert waren, wendet sich Jesus jetzt direkt an seine Nachfolger und fügt diese Sätze an (5,11-12): „Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren.“ Damit, dass sie gehasst und geschmäht werden, treten sie in die edle Gemeinschaft der alttestamentlichen Propheten ein, die auch solche Verfolgung und Misshandlungen erduldet haben. Sie erleiden wohl auf der Erde einen Verlust, aber sie werden eine große himmlische Belohnung erhalten.
Matthäus 5,13 Ihr seid das Salz der Erde.
Für die Jünger, die weiter in dieser Welt leben, gibt Jesus Anweisungen mit der Verwendung der beiden unterschiedlichen Bildworte vom Salz und Licht. Vom Salz erklärt Jesus: „Wenn aber das Salz fade geworden ist, womit soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu werden.“ Wenn die Nachfolger von Jesus sich von der übrigen Welt nicht unterscheiden, wofür wären sie gut? Vergleichbar damit, dass Salz ein Essen würzen kann, sind die Glaubenden dazu berufen, guten Geschmack in eine verdorbene Kultur zu bringen und sogar vor den Folgen der Verdorbenheit Schutz zu bieten. In der ernüchternden Ergänzung hält Jesus fest, dass Salz, das diese Fähigkeiten verloren hätte, völlig nutzlos geworden wäre. Christen sind ein Segen für die Welt. Lasst uns keine unnützen Christen werden!
Matthäus 5,14 Ihr seid das Licht der Welt.
Schließlich vergleicht Jesus die Glaubenden mit Licht. Im Johannesevangelium sagt Jesus „Ich bin das Licht der Welt!“ (8,12; 9,5), hier aber spricht er zu seinen Nachfolgern „Ihr seid das Licht der Welt“. Das ist kein Widerspruch. Vielmehr sind die Jünger des Christus dazu berufen, als Licht für die Welt zu dienen, weil sie selbst im Licht lebend „Söhne des Lichts“ (Joh 12,36) werden. Jesus legt den Zusammenhang genauer dar:
„Eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie unter den Scheffel, sondern auf das Lampengestell, und sie leuchtet allen, die im Hause sind. So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen“ (Mt 5,14-16).
Wir sind zwar nicht durch unsere eigenen Werke errettet, aber wir sind für gute Werke errettet, solche Taten, die unseren himmlischen Vater verherrlichen.
Das wunderbare Mosaik von Qualitäten, die die Nachfolger von Jesus Christus auszeichnet, unterscheidet sich erheblich von den Werten, die in dieser Welt gefordert werden.
Am Beginn der Bergpredigt entfaltet Jesus seinen Nachfolgern ein wunderbares Mosaik von Qualitäten, die seine Jünger auszeichnen: geistliche Armut, Trauer über Sünde, Sanftmut, eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Reinheit des Herzens, ein Bemühen um Friedensstiftung und Geduld, die notwendig ist in Verfolgung um der Gerechtigkeit willen. Dieser Katalog unterscheidet sich bemerkenswert von den Werten dieser Welt, zu denen gehört: stolze Selbstgewissheit, Leben für das eigene Wohlergehen, aggressive Selbstbehauptung, zu fast jedem Preis Erster sein, Härte und Pöbelei, moralischer Verfall, Streitlust und ein empfindliches Achten darauf, dass die eigenen Rechte von niemandem verletzt werden. Dazu kommt, dass die Jünger von Christus ihrer Kultur einen guten Geschmack geben sollen und als Gottes Licht in die Welt scheinen. Indem sie diese zehn Charaktereigenschaften mit der Hilfe des innewohnenden Heiligen Geistes herausbilden, erweisen sich die Nachfolger von Jesus als die Bürger von Gottes Königreich, und das schon im Hier und Jetzt, aber auch für alle Ewigkeit.
Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries