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Evangelische Anmerkungen anlässlich des Todes von Benedikt XVI.

Anlässlich des Todes des emeritierten Papstes Benedikt XVI. soll an seine bibelnahe theologische Argumentation erinnert werden. Aber aus biblischer Sicht muss auch bedacht werden, dass das Papsttum nicht nur eine Kirchenleitung sein will, sondern eine autoritative Stellvertretung von Jesus Christus selbst.

Mit 95 Jahren ist Benedikt XVI. Ende 2022 gestorben. Gleich in mehrerer Hinsicht hatte dieser Papst von sich reden gemacht. Nach rund 500 Jahren war er das erste wieder aus Deutschland stammende Oberhaupt der katholischen Kirche. Außerdem war Benedikt nach Coelestin V. aus dem 13. Jahrhundert erst der zweite Papst, der freiwillig zu Lebzeiten von seinem Amt zurücktrat.

Benedikt wurde 1927 als Joseph Aloisius Ratzinger im bayrischen Landkreis Altötting geboren. In seiner Familie erlebte er ​„freudiges, farbiges und menschliches Christentum“, wie der Papst das später im Rückblick beschrieb. In Traunstein besuchte er das Studienseminar St. Michael. Alle Seminaristen wurden 1943 als Flakhelfer zwangsverpflichtet. Ratzinger erlebte die Zerstörung weiter Teile Münchens durch Fliegerangriffe am Ende des 2. Weltkriegs. Nach einer kurzen Zeit in amerikanischer Kriegsgefangenschaft studierte er Theologie in Freising und München. Ratzinger entschied sich nach der Priesterweihe für eine akademische Laufbahn und arbeitete als Professor für katholische Theologie in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. 1962 begleitete er den Kölner Kardinal Josef Frings zum II. Vatikanischen Konzil und wurde zu einem wichtigen Konzilsberater.

1977 wurde Josef Ratzinger Erzbischof von München und Freising. 1981 berief ihn Papst Johannes Paul II. als Kurienkardinal nach Rom und ernannte ihn zum Chef der Römischen Glaubenskongregation. In dieser Funktion war Ratzinger über zwei Jahrzehnte hinweg einer der wichtigsten Mitarbeiter des Papstes und Wächter über die Reinheit des katholischen Glaubens. 2005 wurde Ratzinger als Papst zum Nachfolger von Johannes Paul II. gewählt. In Erinnerung an den sozial und seelsorgerlich engagierten Ordensgründer aus dem 6. Jahrhundert entschied sich Ratzinger für Benedikt als Papstnamen.

Nach dem langjährigen und äußerst beliebten Johannes Paul II. galt Benedikt für viele lediglich als Übergangslösung. Tatsächlich war er mit 78 Jahren auch schon in recht fortgeschrittenem Alter. Allerdings verwaltete er sein Amt nicht nur, sondern setzte durchaus eigene Akzente.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger stellte Benedikt die Verehrung Marias hinter seine Hochachtung für Jesus Christus zurück. Sein mehr an der Bibel als an den Thesen universitärer Theologie orientiertes Buch über Jesus fand 2007 auch bei vielen konservativen evangelischen Christen Zustimmung. In offenen und wertschätzenden Gesprächen mit Vertretern des Islam und des Judentums ließ Benedikt keinen Zweifel daran, dass Gott sich zwar durch natürliche Offenbarung allen Menschen mitteile, dass seine eigentliche Erkenntnis aber nur im christlichen Glauben möglich sei. Den Islam kritisierte der Papst in seinem Vortrag an der Universität Regensburg als eine in ihrer Geschichte oft zur Gewalt tendierende Religion.

Gegenüber evangelischen Christen machte Benedikt deutlich, dass ihre Kirchen keinesfalls als gleichberechtigte Kirche neben der römisch-katholischen anerkannt werden könnten, weil es nur eine echte christliche Kirche gäbe, nämlich die katholische. Benedikt betonte ganz neu die große Bedeutung der katholischen Gottesdienstliturgie. Nur in ihrer traditionellen Form sei sie gültig und würde eine geistliche Stärkung des Gläubigen bewirken. Intensiv arbeitete der Papst an einer Annäherung zum Judentum. Benedikt bekannte eine Mitschuld am Holocaust und hob die „gemeinsame Wurzel“ des katholischen und jüdischen Glaubens hervor. Immer wieder kritisierte der Papst Abtreibung und Sterbehilfe als illegitime Zerstörung des von Gott geschenkten Lebens.

Mit dem Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter und seine schwindenden Kräfte trat Benedikt 2013 als Papst zurück, um die Leitung der katholischen Kirche in jüngere Hände zu legen. Am 31.12.2022 starb Benedikt XVI. nach längerer Krankheit im Vatikan.

Wenn man kein Katholik ist, steht man der Idee des Papsttums wohl eher distanziert gegenüber. Sicher, die meisten Päpste der vergangenen Jahrzehnte waren moralische Männer, plädierten für Frieden und Menschenrechte, sprachen sich immer wieder für die Interessen der Schwachen und der Ungeborenen aus. Mancher Christ würde wünschen, dass auch evangelische oder anglikanische Kirchenleiter sich in ihren Äußerungen deutlich vom gerade herrschenden Mainstream abheben. Gerade in ethischen Fragen können viele Evangelische die moralischen Maßstäbe der Bibel gar nicht schnell genug wegerklären und an den momentanen Zeitgeschmack anpassen. Hier erinnert die römische und auch die orthodoxen Kirchen immer wieder zu Recht an den bleibenden Maßstab des göttlichen Gebotes.

Auf der anderen Seite steht der Papst auch für eine Organisation, die über Jahrhunderte viel Leid verursacht hat und sich meist sehr schwer tat, diese Schuld einzugestehen und beim Namen zu nennen. Der Papst ist nicht nur Garant einer aus der Bibel begründeten Ethik, sondern auch ein Hüter katholischer Dogmen, die in offenem Widerspruch zu den Lehren Jesu stehen. Dazu gehört der Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche, das erfundene Fegefeuer, die jenseitige Hilfe durch Heilige, die Verwandlung geweihter Oblaten in das reale Fleisch Jesu, die Verehrung Marias als ewig sündlose und jungfräuliche „Mutter Gottes“ und anderes mehr.

In der katholischen Tradition beruft man sich vor allem auf die erst im Nachhinein konstruierte Kontinuität des Papsttums. Dabei war der Gemeindeleiter von Rom über Jahrhunderte hinweg nur ein wichtiger Vertreter der Christen neben anderen. Erst nach der islamischen Eroberung des Ostens und verschiedenen politischen Intrigen konnte sich der römische Gemeindeleiter als Papst aller Christen etablieren. Von Vertretern der orthodoxen Kirche wurde dieser Anspruch von Anfang an infrage gestellt.

In der Bibel findet sich eigentlich nur ein Hinweis auf die besondere Stellung des Jüngers Petrus. Nachdem er Jesus als von Gott gesandten Messias anerkannte, hatte ihn dieser als Gründer der christlichen Kirche berufen. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und keine Todesmacht wird sie jemals vernichten.“ (Mt 16, 18) Das hat sich dann, nach dem Tod Jesu auch so erfüllt. Petrus hielt die entscheidende Predigt zum ersten Pfingstfest, bei der sich 3000 Menschen bekehrten. Zusammen mit dem Apostel Johannes und Jakobus gehörte Petrus in Jerusalem zum Leitungsteam der damals wichtigsten Gemeinde im römischen Reich. Die Berufung des Petrus galt allerdings nur ihm alleine. Von einem möglichen Nachfolger, der dann auch noch in Rom, statt in Jerusalem residieren sollte, ist in der Bibel kein einziges Wort zu lesen.

Vor Gott gelten menschliche Ämter und Titel wie, Papst, König oder Präsident nur wenig. Am Ende kommt es allein darauf an, Vergebung seiner Sünden bei Jesus Christus bekommen zu haben oder nicht. Nach den Worten der Bibel legitimiert alleine das grundsätzliche Vertrauen auf Gott zum Leben in der Ewigkeit Gottes.

Mit seinem häufigen Verweis auf die Bibel als authentische und vertrauenswürdige Mitteilung Gottes und mit seinem deutlichen Hinweis auf Jesus als dem menschgewordenen Gott, dem Sündenbefreier und eigentlichen Herrn der Christenheit, fordert Benedikt auch noch nach seinem Tod heraus.