ThemenWort- und Themenstudien

Jesus noch einmal für uns kreuzigen? – zu Heb 6,4-6

Man kann ohne den Zusammenhang Verse in der Bibel ganz anders verstehen als sie gemeint sind. In Hebräer 6 steht nicht eine angstmachende Drohung im Vordergrund, sondern eine frohmachende Ermutigung, die vor einen ersten Hintergrund ausgesprochen ist.

Kürzlich bekam ich eine etwas ängstliche Anfrage zu Hebräer 6,4-6. Das brachte mich dazu, den ganzen Abschnitt in seinem Zusammenhang noch einmal gründlicher zu durchdenken und auch den Text in meiner Über­setzung (Neu Evangelistische Übersetzung) genauer wiederzugeben. Gewöhnlich werden die Verse so interpretiert, dass ein Bekehrter sein Heil auch wieder verlieren kann. Aber danach wäre es unmöglich, ihn wieder zur Änderung seiner Einstellung (Buße) zu bewegen, wie Vers 6 sagt. Also wäre er auf immer verloren? Schauen wir uns das alles genauer an:

Der Hebräerbrief wurde ursprünglich an Juden gerichtet, die an Jesus Christus glaubten, offenbar schon in der zweiten Generation. Sie standen natürlich in der Gefahr, sich wieder ganz dem Judentum in ihrer Umgebung zuzuwenden. Damit glaubten sie zwar weiter an den Gott Israels, erklärten Jesus so aber zum falschen Messias.

Natürlich gilt der Hebräerbrief auch für uns Christen, damit wir das Bessere des Neuen Bundes gegenüber dem Alten Bund mit Israel verstehen und das Un­ver­gleichliche begreifen, was uns in Jesus Christus geschenkt ist.

Der Zusammenhang in Kapitel fünf er­klärt (besonders für Juden, die damals noch einen Hohepriester hatten) wie Jesus Hohe­pries­ter werden konnte, weil Gott selbst ihn ein­ge­setzt hatte wie auch den ersten Hohenpriester Aaron. Und nachdem Jesus durch Leiden und Gehorsam zur Vollendung gelangt war, wurde er für alle, die ihm gehorchen, Begründer eines ewigen Heils (5,1-10).

Kapitel 5, Verse 11 – 14 wenden sich dann an diese Judenchristen, die in ihrem Glauben noch nicht so richtig vorangekommen waren. Kapitel 6,1-3 setzt diese Belehrung fort und beginnt in 6,4 und 5 mit einer starken Ermutigung für alle Gläubigen.

4 Denn eins steht fest: Menschen, die einmal erleuchtet worden sind und die Gabe des Himmels gekostet haben, die ‹ihren› Anteil am Heiligen Geist erhielten, 5 und das gute Wort Gottes, also die Kräfte der kommenden Welt, geschmeckt haben …

Diese Menschen haben nicht nur ein bisschen gekostet und sind dann wieder weggegangen, sondern sie wurden erleuchtet, das heißt, sie wurden von Gottes Licht erfüllt, und sie haben die Gabe des Himmels gekostet, sie haben persönlich den Heiligen Geist empfangen und mit dem Wort Gottes sogar die Kräfte der kommenden Welt geschmeckt. Was dann folgt, ist eine Fiktion, also eine theoretische Über­legung. Der Leser soll sich einmal vorstellen, ob so etwas überhaupt möglich sein kann, Vers 6:

… und ‹doch› abgefallen wären, könnte man unmöglich wieder zur Änderung ihrer Einstellung bewegen. Damit würden sie den Sohn Gottes für sich noch einmal kreuzigen und ihn zum öffentlichen Gespött machen.

Als Begründung, beginnend mit „denn“, folgen jetzt in Vers 7 und 8 zwei bildhafte Vergleiche.

7 Denn ein Stück Land, das durch häufigen Regen gut bewässert wird und nützliche Pflanzen für die wachsen lässt, die es bebaut haben, ist von Gott gesegnet.

Gemeint sind von Gott gesegnete Menschen, die das Wort Gottes aufgenommen und Gutes hervorbrachten und die, die ihnen das Wort Gottes nahegebracht haben.

8 Wenn es aber nichts als Dornen und Disteln hervorbringt, ist es unbrauchbar. Es zieht den Fluch Gottes auf sich und wird am Ende abgebrannt.

Hier sind Menschen gemeint, die ihr Inneres vor dem Samen des Wortes Gottes verschlossen haben, obwohl sie es hörten. Und was da sichtbar wird, ist dem Fluch Gottes nahe und führt am Ende zur Verbrennung. Das ist gewiss eine Warnung vor falscher Sicherheit und Gleichgültigkeit in der Nachfolge, um träge Gläubige aufzurütteln.

In diesen Versen sind auf keinen Fall Gläubige gemeint, die noch nicht wirklich fassen, dass der Herr ihre Sünden längst vergeben hat.

Es meint aber in keinem Fall Gläubige, die sich fürchten vor Gottes Wort, die dem Herrn ihre Sünden bekannt haben und das auch immer wieder tun. Ängstliche, die an Jesus Christus glauben, aber noch nicht in der Gewissheit ihrer Rettung leben, die noch nicht wirklich fassen, dass der Herr ihre Sünden längst vergeben hat oder die gedanklich schwere Anfechtungen haben. Solche Gläubige sind nicht gemeint.

Die folgenden Verse im Hebräerbrief bestätigen genau das, wovon schon in den Anfangsversen (5,11-14 und 6,1-3) die Rede war. Gottes Geist will uns klar machen, wie absurd es ist, dass Menschen, die solche Dinge erfahren haben, vom Glauben abfallen können. Aber viele von ihnen sind offensichtlich träge geworden. Deshalb fährt der Autor in Kapitel 6,9-12 mit einer starken Ermutigung fort:

9 Doch wir sind trotz des Gesagten überzeugt, liebe Geschwister, dass für euch der bessere Teil ‹dieses Vergleichs› zutrifft und eure Rettung nicht in Frage steht.

Jetzt folgt wieder die Begründung:

10 Denn Gott ist nicht ungerecht. Er vergisst nicht, wie ihr ihm eure Liebe bewiesen und für ihn gearbeitet habt, indem ihr den anderen Gläubigen dientet und das noch immer tut.

Und dann die aufmunternde Ermahnung:

11 Wir wünschen nur, dass jeder von euch diesen Eifer bis ans Ende beweist, damit ihr voller Zuversicht an der Hoffnung festhalten könnt. 12 Dann werdet ihr auch nicht träge, sondern folgt dem Vorbild derer, die durch Glauben und Geduld empfingen, was Gott ihnen zugesagt hatte.

Wer diesen Zusammenhang außer Acht lässt, wird Hebräer 6,4-6 missverstehen und unter Umständen falsch auf sich und andere anwenden. Statt angstmachender Drohung sollen wir eine Ermutigung vor einem ernsten Hintergrund erkennen und die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen.