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Das kann nicht ohne ­Folgen bleiben: Die christliche Lehre vom Menschen und das moralische Leben

Die ersten Seiten der Bibel setzen in ihrem Entwurf von Schöpfung, Sündenfall und Anfang der Völkergeschichte wesentliche Standard für ein gutes Leben. Folgen wir diesen Maßstäben, so wird der Sinn von Arbeit und Ruhe, der unterschiedlichen Geschlechter und der Verschiedenheit von Völkern und Kulturen aufgezeigt. Daraus gehen Grundlagen für eine gute christliche Ethik hervor.

Gelegentlich stellen christliche Autoren fest, dass die Lehre und die Ethik voneinander abhängen. Es gilt zwar, dass jeder Bereich der Theologie auch moralische Konsequenzen hat, aber die Lehre vom Menschen, die Anthropologie, hat doch besonders weitreichende Auswirkungen für das moralische Leben. Wer wir sind, ist untrennbar verbunden damit, wie wir leben sollten. Außerdem gilt: Wie Gott will, dass wir handeln, korrespondiert mit der menschlichen Natur, mit der er uns ausgestattet hat.

Diese Einsichten fordern viele Menschen heraus, wenn sie christliche Ethik verstehen wollen. Selbst viele Christen sind versucht, Gottes Gesetz einfach als ein Haufen Regeln anzusehen, die Gott uns auferlegt hat, um uns von Dingen abzuhalten, die eine Menge Spaß, Vergnügen und Vorteil bringen können. Gottes Gesetz ist aber nicht willkürlich. Es befiehlt, was es fordert, aus guten Gründen. Gottes Gesetz spiegelt nicht nur seine Heiligkeit und seine eigene Natur wider, sondern ebenso unsere Natur. Gottes moralische Maßstäbe werden zu der Art passen, wie er uns geschaffen hat und zu den Aufgaben, die zu erfüllen er uns gemacht hat. Das bedeutet, dass Gottes Gesetz wohl kaum eine Zwangsjacke sein kann, die uns von erfreulichen Dingen abhält. Gottes Gesetz muss vielmehr wesenhaft gut für uns sein.

Ein Pferd kann unmöglich glücklich sein, wenn es versucht, wie ein Fisch zu leben. So ist es mit allen Menschen, die versuchen gegen göttliche Ordnungen zu leben, die bestens zu ihrer Natur und dem Sinn ihres Lebens passen.

Es ist allerdings so, dass wir in einer sündigen Welt oft deswegen leiden müssen, weil wir unserem Herrn treu leben wollen. Es gilt jedoch trotzdem, dass Gottes Gesetz dazu passt, wie er uns gestaltet hat, und es deswegen auch mitten in den Herausforderungen und Verlusten des Lebens wirkliche Zufriedenheit bringen kann. Vielmehr kann ein Leben gegen Gottes Gesetz den Menschen nur tief unglücklich und unzufrieden machen, weil solch ein Leben dem entgegenstehen würde, wozu Gott uns geschaffen hat. Ein Vogel kann keine Befriedigung darin finden, zu versuchen, wie ein Pferd zu leben, ein Pferd kann unmöglich glücklich sein, wenn es versucht, wie ein Fisch zu leben. So ist es mit allen Menschen, die versuchen gegen göttliche Ordnungen zu leben, die bestens zu ihrer Natur und dem Sinn ihres Lebens passen.

Im Folgenden will ich diese Dinge an vier wichtigen und umstrittenen Bereichen menschlicher Moral konkreter darlegen: am Thema Arbeit, an der Diskussion um das biologische und soziale Geschlecht, an der Rassenfrage und dem Wert des menschlichen Lebens.

Arbeit

Ob wir nun zuhause oder außerhalb arbeiten, ob wir bezahlter Arbeit nachgehen oder nicht, unsere Arbeit nimmt in aller Regel einen großen Anteil unserer Lebenszeit ein. Wir mögen das nur in Kategorien der Notwendigkeit einordnen – wir müssen Rechnungen bezahlen, viele Münder wollen satt werden oder Windeln gewechselt werden. Vielleicht beurteilen wir die Arbeit aber auch von der moralischen Notwendigkeit her, dass wir tätig sein sollen und Faulheit vermeiden, woran uns die Bibel erinnert (z.B. Spr 6,6-11; 1Thess 4,11-12; 2Thess 3,6-12) Notwendigkeit und moralischer Wert sind ohne Zweifel legitime Motive für Arbeit, aber es gibt etwas, was grundlegender ist. Gott hat nämlich den Menschen von Anfang an als arbeitendes Wesen erschaffen. Arbeit passt zu der Natur, die Gott uns gegeben hat.

Gott hat uns Arbeit aufgetragen, weil er uns eine Natur gab, die arbeiten will.

Eine der überraschenden Aussagen aus 1Mose 1 ist, dass Gott dort als Arbeiter beschrieben wird. Seine Arbeit ist, die Dinge in ihre Existenz zu rufen, sie in eine gute Ordnung zu bringen, ihnen Bezeichnungen zu geben und ihnen Aufgaben zu übertragen. Gott ist kein untätig netter Herrscher, sondern ein beschäftigter und produktiver Werktätiger. Deswegen ist es nicht überraschend, dass, als er Menschen nach seinem Bild und ihm ähnlich erschaffen hat, er ihnen sofort Arbeit zu tun gab: Sie sollten Herrschaft ausüben, fruchtbar sein und sich vermehren und so die Erde füllen und sie sich untertan machen (1Mo 1,26.28). Mensch zu sein, heißt, Gottes Bild zu tragen, und zu Gottes Bild tragen gehört die Berufung zu produktiver Arbeit. Wenn uns dann Gottes Gesetz auch das Arbeiten befiehlt, dann, weil das eine wirklich menschliche Sache ist, dass wir arbeiten.

Das kann auch erklären, warum Menschen, die aus dem einen oder anderen Grund nicht mehr arbeiten, von einem Gefühl der Verlorenheit und Orientierungslosigkeit ergriffen werden. Wer seine Arbeitskraft verliert und unfähig zum Arbeiten wird, der hat nicht selten mit Depressionen zu kämpfen. Viele, die erwartungsvoll auf ihren Ruhestand zugingen, empfinden kurz nach dem Beginn nicht selten einen Mangel an Sinn im Leben. Auch wer mit Hingabe im Haushalt tätig war, empfindet oft, wenn die Kinder erwachsen sind und das Haus verlassen, ein Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit. Ein Leben ohne Arbeit mag aus der Distanz attraktiv erscheinen, wenn man selbst mitten in Stress und Hektik lebt, aber in der Realität erweist es sich als Leere.

In der ganzen Welt waren viele mit diesen Realitäten konfrontiert, als sie in den vergangenen Jahren durch die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 aus dem Wirtschaftsleben gerissen wurden. Arbeitsplätze gingen verloren oder wurden unsicher oder ungewöhnlich stressig. Finan­zielle Hilfen der Regierung und ein Leben mit Online-Streaming erwiesen sich als schwacher Ersatz für ein produktives Leben. Es ist wohl nicht zufällig, dass die Zahl psychischer Erkrankungen und Drogen- und Medikamentenmissbrauch stark zugenommen haben. Auch nach der Lockerung der Einschränkungen durch die Pandemie ist im Hinblick auf die Arbeitssituation nicht alles wieder normalisiert. In den USA ist besonders besorgniserregend, dass viele Männer im mittleren Alter aus dem Arbeits­prozess ausgeschieden sind.

Das sind nicht allein Fragen der Wirtschaft oder der Politik, denn sie betreffen das Herz unserer menschlichen Existenz. Gott hat uns Arbeit aufgetragen, weil er uns eine Natur gab, die arbeiten will. Wenn Menschen nicht arbeiten wollen oder können, dann kann mit großem Schaden verbunden sein.

Biologisches und soziales Geschlecht

Wenn Christen darüber nachdenken, dass sie sich zunehmend vom Mainstream westlicher Gesellschaften entfremden, dann sind die Themen von Sex und Gender kaum außen vor. Christen fragen sich manchmal, ob es sich lohnt, die traditionellen Ansichten zu verteidigen, wo das mit so viel Spott und Verachtung verbunden ist. Aber die Fragen nach Sex (biologisches Geschlecht) und Gender (sozialem Geschlecht) sind wirklich bedeutend. Einer der wichtigesten Gründe dafür ist, dass es um die menschliche Natur geht. Die gegenwärtige Revolution im Zusammenhang mit der Diskussion um Sex und Gender ist beides: eine Rebellion gegen Gottes Gesetz und eine Verneinung der Realität, der Realität, innerhalb der uns Gott geschaffen hat.

Alle Menschen tragen die Gottebenbildlichkeit als Mann oder als Frau. Genau diese beiden Geschlechter sind perfekt aufeinander bezogen erschaffen.

„Von Anbeginn an“, so hat es Jesus festgestellt, „hat Gott sie männlich und weiblich gemacht“ (Mt 19,4). Das sagte Jesus im Zusammenhang seiner Lehre über die Ehe, wie sie in den Evangelien entfaltet ist, (Mt 19,4-12; Mk 10,1-12). Er hat das dabei Alte Testament nicht einfach als Beleg für die Dauer­haftigkeit der Ehe und gegen die Scheidung unter den meisten Umständen angeführt. Er zeigt auch an, dass Gottes Gesetz im Hinblick auf Sexualität und Ehe seine Grundlage in der Ordnung der Schöpfung hat. Gott erwartet deswegen, dass eine Ehe dauerhaft, vertrauensvoll, auf Kinder angelegt und zwischen Mann und Frau besteht, weil er uns so geschaffen hat. Das erste, was uns Gott über uns Menschen sagt, ist, dass er uns nach seinem Bild und Ihm ähnlich erschaffen hat (1Mo 1,26). Das zweite ist dann, dass die Träger der Gottebenbildlichkeit männlich und weiblich sind. Alle Menschen tragen die Ebenbildlichkeit, aber auf genau zwei Weisen als Mann oder als Frau. Diese Unterscheidung formt unser Leben auf viele Arten, manche sind offensichtlich andere geheimnisvoll. 1Mose 2 hebt vielleicht die wichtigste hervor: Gott erschuf die Frau in einer Weise, dass sie perfekt zum Mann passt (2,18). So können sich Mann und Frau in der Ehe dauerhaft verbinden und sexuell fruchtbar sein in ihrer Vereinigung zu „einem Fleisch“ (22-24). Nur die Beziehung von einem Mann und einer Frau hat die Möglichkeit dazu.

Diese einfachen Überlegungen sind entscheidend, wenn wir die heranwachsende Generation vorbereiten wollen. Unsere Kinder und die jungen Erwachsenen sehen sich großem Druck ausgesetzt, dem sie entweder widerstehen oder sie werden die christliche Lehre über die Sexualität abschwächen. Dabei ist es sehr wichtig für sie, dass sie wissen, dass Gott keine strengen Regeln aufgestellt hat, um unsere Wünsche zu unterdrücken und uns unglücklich zu machen. Vielmehr zeigen seine Gebote im Zusammenhang mit der Sexualität, wie wir an dieser Stelle wirklich menschlich leben. Die Gebote zeigen den einen Weg auf, wie wir unser sexuelles Begehren leben können, ohne die Schuld, Reue und Verbitterung, die andere Wege meistens mit sich bringen. Zuviel zu essen oder zu trinken oder seinem Zorn freien Lauf zu lassen, kann sich zuerst belebend anfühlen, am Ende macht es eine Person und oft andere ebenso unglücklich. Im Leben mit unserer Sexualität ist das nicht anders. Es mag ein Gefühl von Macht und Freiheit mit sich bringen, das vorübergehend befriedigend ist, wenn ein Mensch sich sein Geschlecht selber auswählen oder formen kann. Sein sexuelles Begehren außerhalb einer ehelichen Beziehung zu befriedigen, mag zeitweise Freude vermitteln. Das kann aber keine wirkliche Erfüllung bringen, weil es gegen unsere menschliche Natur geht, die wir nicht wirklich verändern können.

Rassismus

In der gegenwärtigen Kultur gehört die Frage nach der Gerechtigkeit für Menschen aller „Rassen“, wie die Diskussion um Sex und Gender, zu den umstrittensten Themen. In diesem Fall finden sich die Christen aber nicht außerhalb der Über­ein­stimmung mit dem kulturellen Mainstream, sogar im Gegenteil. Wenn die Breite unserer Kultur ihre Opposition gegen jede Form von Rassismus verkündet, dann können Christen gern zustimmen, sie können auch ihr tiefes Bedauern für die früheren Irrwege der Kirche zum Ausdruck bringen. Auch die sogenannte Rassenfrage ist moralisch fest mit der Natur des Menschen verbunden. Sie aus der Perspektive christlicher Anthropologie zu betrachten, verspricht zusätzliche Einsichten.

Ein erster Hinsicht bringt die christliche Anthropologie eine eindeutige und offensichtliche Ablehnung jedes Rassismus mit sich. Gott hat jeden Menschen nach seinem Bild und Ihm ähnlich erschaffen. Einen anderen Menschen wegen seiner Hautfarbe zu verachten oder sich das Recht zu nehmen, einen anderen wegen seiner Vorfahren aus einem Volk zu unterdrücken, missachtet die Tatsache unseres Wesens und beleidigt den einen Gott, dessen Bild wir tragen. Wie „klug“ auch der Rassismus begründet werden mag, er kann niemals diesem vernichtenden Widerspruch entgehen. Viele Nicht-Christen verdammen den Rassismus auf der Grundlage der universellen menschlichen Würde, Christen kennen jedoch den eigentlichen Grund dafür.

Das erkennen wir bei einer tieferen Betrachtung christlicher Anthropologie. Die Bibel hält nicht nur fest, dass alle Menschen nach Gottes Bild erschaffen wurden, sondern bezeugt auch, dass sie letztlich alle die gleiche Abstammung haben. Gott hat alle Völker aus „einem Blut“ kommen lassen (das wäre die wörtliche Übersetzung von Apg 17,26). Er hat sie alle von Geburt an im Bund des ersten Adam sein lassen. Und sie haben nur eine Hoffnung auf Rettung, nämlich im Bund mit dem letzten Adam, Christus (Röm 5,12-19; 1Kor 15,21-22.45-49). Wir teilen also alle die gleiche Natur, so dass es nach den Heiligen Schriften nur eine menschliche Rasse gibt. Die Bibel faßt Menschen in Gruppen von Völkern, Sprachen oder Nationen zusammen (z.B. Ägypter, Hethiter, Assyrer, Babylonier), beschreibt aber niemals ein Volk als zu einer eigenen Rasse im modernen Sinn gehörig. Um es klar zu sagen: die Bibel kennt keine „weiße Rasse“ oder eine „schwarze Rasse“ oder so etwas.

Es lohnt sich, wahrzunehmen, dass die moderne Genetik zu exakt dem gleichen Ergebnis gekommen ist. Als Wissen­schaftler immer mehr genetische Untersuchungen aus verschiedenen Völkern rund um die Welt miteinander verglichen haben und dabei auch Ergebnisse von Menschen, die lang vor uns lebten, mit einbezogen, haben sie die frühere Idee, dass es eine gewisse Anzahl von biologisch unterschiedlichen Rassen gibt, völlig verworfen. Alle Menschen stehen in genetischer Hinsicht so eng miteinander in Beziehung, dass wir nur eine „Rasse“ sein können.

Die Menschen in getrennte Rassen zu unterteilen, widerspricht der Realität der menschlichen Natur, ob das nun theologisch oder wissenschaftlich betrachtet wird. Menschen nach Rassen zu unterteilen, ist genauso falsch, wie weitere Geschlechter außer dem männlichen und weiblichen zu erfinden.

Die Menschen in getrennte Rassen zu unterteilen, widerspricht der Realität der menschlichen Natur, ob das nun theologisch oder wissenschaftlich betrachtet wird. Men­schen nach Rassen zu unterteilen, ist genauso falsch, wie weitere Geschlechter außer dem männlichen und weiblichen zu erfinden. Die eigentliche schwierige und umstrittene Frage ist, wie die Wunden des Unrechts geheilt werden können, die Jahrhunderte des Rassismus verursacht haben. Hier kommen auch Christen nicht immer in allen Einzelheiten zu den gleichen Antworten. Aber eine christliche Anthropologie legt nahe, dass das Ziel eine Gesellschaft und insbesondere zuerst eine Kirche sein muss, in der wir nicht länger miteinander umgehen, als ob wir zu unterschiedlichen „Rassen“ gehörten.

Der Wert des menschlichen Lebens

Auch wenn die bisherigen Themen natürlich sehr wichtig sind, ist das bedeutendste und wohl auch grundlegendste der Wert des menschlichen Lebens. Wir tun einander unzählige Male an jedem Tag Unrecht, wobei die Schwere des Unrechts variiert. Aber kein Unrecht ist größer als die Zerstörung, letztlich die Tötung des Lebens eines Menschen. Es ist also angemessen, dass die Überlegungen zur Anthropologie in dieses Thema münden.

Während ich das schreibe, ist der größte Teil der Welt alarmiert von Berichten und Bildern, die aus der Ukraine kommen. Ich selbst und wahrscheinlich die meisten Leser haben selbst nie inmitten eines Krieges leben müssen. Das ist ein großer Segen, aber kann uns auch zu einer falschen Wahrnehmung der Realität führen. Diese gefallene Welt ist ein Platz voller Gewalt. Die Sünde ist so umfassend, dass Menschen einander sogar das Leben nehmen, oft auf bösartige und schamlose Weise. Und jeder Mord, besonders auch unter Kriegsbedingungen, betrifft nicht nur das individuelle Leben, sondern zerstört Familien, Gemeinschaften, das wirtschaftliche Leben und die Lebenswelt.

Wie bei den vorhergehenden Themen gibt uns auch hier schon 1Mose 1 viele notwendige Informationen. Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen, männlich und weiblich (1Mo 1,26-27). Alle Menschen besitzen diese grundlegende Würde der Ebenbildlichkeit. Den Menschen anzugreifen, heißt immer, Gott selbst anzugreifen. 1Mo 9,6 ergänzt dazu Wichtiges. Nach der großen Flut, die Gott auch wegen der Gewalt kommen ließ (6,11), machte Gott einen Bund mit Noah und der ganzen Welt für den Rest der Weltgeschichte: Er würde alle Dinge bewahren und regieren (8,21-9,17). Als Teil dieses Bundes erklärt Gott: „Wer das Blut von Menschen vergießt – durch Menschen werde vergossen sein Blut! Denn der Mensch ist zum Abbild Gottes gemacht.“ Gemäß dieser Bestimmung hat das Blut / Leben jedes Menschen den gleichen Wert. Wer immer das Blut irgendeiner anderen Person vergießt, der soll mit seinem eigenen Blut / Leben bezahlen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter ein König ist und sein Opfer ein Sklave oder umgekehrt. Selbst das Leben des Schwächsten und des Übersehenen muss beschützt werden. Hier muss man etwa an die Schuld der Abtreibung denken. Niemand ist verletzlicher als das Ungeborene und das Recht von 1Mo 9,6 gilt ihm genauso.

Die Wertschätzung des Menschen ist in der Bibel praktisch mit einem guten Rechtssystem verbunden, das ihn vor Gewalt und Ausbeutung schützen soll.

Der Zusammenhang von 1Mo 9,6 ist es wert, genauer betrachtet zu werden, denn Gott sagt in Vers 5, dass er selbst das menschliche Blutvergießen rächen wird. Menschen können aber durch staatliche bzw. richterliche Gewalt Instrumente für die Ausübung der Gerechtigkeit sein. Diese Tatsache wirft ein Licht darauf, dass Gott selbst den gefallenen Menschen diese Aufgabe aufgrund ihrer Würde anvertraut. Das erinnert uns daran, dass die Wertschätzung des menschlichen Lebens mit einem guten Rechtssystem verbunden ist, das Menschen vor Gewalt schützt und Verbrecher bestraft. Das würde auch Krieg regeln und nur Verteidigung erlauben. Das Ebenbild Gottes zu tragen, heißt sehr wohl, dass wir Herrschaft ausüben (1,26), was in der gefallenen Welt verlangt, dass wir Recht fördern im Angesicht des Bösen.

Obwohl wir schrecklich dabei versagt haben, Gottes Ziel zu erreichen, hat Gott seinen Sohn in unsere Umstände gesandt, damit wir einmal mit ihm an der Herrlichkeit der neuen Schöpfung teilhaben können.

Eine weitere Sache verlangt unsere Aufmerksamkeit, die die wichtigste ist. Wir haben die Ziele bedacht, für die Gott uns erschaffen hat. Das höchste ist den ewigen Segen zu empfangen, der darin liegt, Gemeinschaft mit Gott selbst zu leben. Gott will nicht nur, dass wir in dieser gegenwärtigen Welt Herrschaft ausüben, auch die kommende Welt macht er uns untertan (Heb 2,5). Obwohl wir schrecklich dabei versagt haben, Gottes Ziel zu erreichen, hat Gott seinen Sohn in unsere Umstände gesandt, damit wir einmal mit ihm an der Herrlichkeit der neuen Schöpfung teilhaben (2,5-10). Gott bewahrt nicht nur unser gegenwärtiges Leben gemäß dem Versprechen der allgemeinen Gnade im Bund Noahs, sondern er schenkt uns ewiges Leben durch das Blut des neuen Bundes. Das bedeutet auch, dass wir bei aller Wertschätzung des gegenwärtigen Lebens nicht meinen sollen, es sei das Wichtigste. Wir verleugnen uns selbst, nehmen unser Kreuz auf uns und folgen Jesus nach (Mt 16,24). Wir sollen uns treu bis zum Tod erweisen, wissend, dass Christus uns die „Krone des Lebens“ (Offb 2,10) geben wird. Keine christliche Anthropologie ist ohne die Verherrlichung dieser, unserer höchsten Bestimmung vollständig. Lasst uns also „selbst eine gute Grundlage auf die Zukunft sammeln, um das wirkliche Leben zu ergreifen“ (1Tim 6,19).

Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries