ThemenWort- und Themenstudien

Das Liederbuch der Bibel. Eine kurze Einführung in den Psalter

Auch im Neuen Testament wird die Gemeinde aufgefordert, Gott mit Psalmen zu singen. Das Psalmbuch ist keine zufällige Sammlung von Liedern und Gebeten, sondern ähnlich wie wir es in manchen Gesangbüchern finden, sind die Psalmen teilweise thematisch zusammengestellt. Darüber hinaus zieht sich aber auch ein inhaltlicher roter Faden durch die fünf Bücher der Psalmen. Dabei geht es zum Beispiel um das davidische Königtum, das einerseits die große Verheißung auf den kommenden Messias erhalten hat, aber andererseits doch durch äußere Verfolgung, Versagen und Sünde in Krisen gerät. Aber die Hoffnung auf den versprochenen Retter, die in Jesus Christus Wirklichkeit wurde, stirbt doch nicht, weil Gott der Herr über die Schöpfung, die Völker, die Geschichte und jedes Einzelnen bleibt.

Benennung

Die hebr. Überschrift heißt Tehillim: „Lobgesänge“. Auch wenn nicht alle 150 Psalmen Lobgesänge im engeren Sinne sind, so dienen sie doch alle zum Lob und zur Verherrlichung Gottes. In der gr. Übersetzung des AT und in Lk 20,42; 24,44 und Apg 1,20 wird das Psalmbuch als biblos psalmoi (bzw. nur psalmoi) bezeichnet. Von daher kommt die deutsche Bezeichnung „Psalmen“. Psalmoi sind Lieder, die zum Saitenspiel gesungen werden.

Verfasserschaft und Abfassungszeit

Die Psalmen 2-9; 11-32; 34-41; 51-65; 68-70; 86; 95; 101; 103; 108-110; 122; 124; 131; 133; 138-145 sind von David (75 Psalmen); die Psalmen 50 und 73-83 von Asaph (12 Psalmen); die Psalmen 42-49, sowie 84,85,87,88 sind von den Söhnen Korachs (12 Psalmen; Psalm 43 wird wegen seiner Verbindung mit Psalm 42 als Korachpsalm gerechnet, inkl. Psalm 88 von Heman, dem Haupt der Söhne Korachs); Psalm 89 ist von Ethan, dem Esrachiter, Psalm 90 von Mose; die Psalmen 72 und 127 sind von Salomo.

Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Kolosser 3,16b

50 Psalmen sind ohne Überschrift, ohne Verfasserangabe. Von zweien unter ihnen erfahren wir im NT, dass David ihr Verfasser ist (von Psalm 2 in Apg 4,25; von Psalm 95 in Heb 4,7). Psalm 10 scheint zu Psalm 9 zu gehören und vom selben Verfasser (David) zu sein. Somit bleiben 47 Psalmen, deren Verfasserschaft unbekannt ist.

Die Psalmen entstanden in einem Zeitraum von über 900 Jahren (von der Zeit Moses, Ende 15. Jh., bis nach dem Exil, 6./5. Jh.).

Zum Aufbau des Psalmbuchs1

Wie die fünf Bücher Mose ist das Psalmen­buch (auch „Psalter“ genannt) in fünf Bücher eingeteilt: Ps 1-41; 42-72; 73-89; 90-106; 107-150.

Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! Psalm 1,1+2

Die Psalmen 1 und 2 sind ohne Überschrift. Sie dienen als Einleitung zum gesamten Psalter und werden durch eine „Klammer“ (1,1 und 2,12: „Selig“) zusammengehalten. Beide Psalmen zeigen, welcher Mensch „selig“ ist: der, der seine Lust hat am Wort Gottes (Psalm 1), und der, der beim Sohn Zuflucht nimmt (Psalm 2). Psalm 1 gibt die Grundlage an, Psalm 2 das Ziel (die Erfüllung des göttlichen Bundes mit David).

Der letzte Jubelpsalm (150) dient als Abschluss und Schlussdoxologie des gesamten Psalters.

Jedes der fünf Bücher schließt mit einer Doxologie – einem Lobpreis Gottes – ab (41,14; 72,18.19; 89,53; 106,48; 150).

Aufbau des ersten Buches: Psalm 1-41

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. Psalm 42,6

Das Buch besteht aus 41 Psalmen (40, wenn man 9 u. 10 als einen zählt), 37 davon mit „Von David“ überschrieben. Die Psalmen 1, 2, 10 und 33 sind unbenannt. Psalm 2 ist gemäß Ag 4,25 von David.

Als Einleitung dienen Psalm 1 u. 2 (eingerahmt von zwei Seligpreisungen: 1,1 u. 2,12): der zweifache Lebensgrund des Weisen, das Gesetz und der Sohn. Als Abschluss steht Psalm 41 (beginnend mit einer Seligpreisung: 41,1).

Das Buch beginnt, wenn man die Einleitungspsalmen nicht mitrechnet, mit einem Tiefpunkt. Das Bild ist bedrückend: Davids Königtum wird bedroht, und zwar durch seinen eigenen Sohn Absalom (Ps 3), obwohl doch Psalm 2,12 zum Sich-Bergen bei dem „Sohn“ – dem gesalbten Sohn des Königs – aufruft. Das Buch endet ebenfalls mit großer Not: Davids Königtum ist durch einen aus den eigenen Reihen (41,10) bedroht, und zwar vom Ratgeber Ahitophel, der zu Absalom übergelaufen ist. Das Elend und die Bedrohung des davidischen Königtums kann als Thema des ersten Buches betrachtet werden.

Die Gliederung scheint eine dreiteilige zu sein:

1. Gruppe: Psalm 1-8 (7 Davidpsalmen, 1 unbenannter Psalm)

2. Gruppe: Psalm 9-29 (20 Davidpsalmen, wenn man 9+10 als einen zählt): Innerer „Ring“ um Psalm 19 herum: 24 parallel zu 15; 23 parallel zu 16; 22 parallel zu 17; 20 u. 21 parallel zu 18. Der Weisheitspsalm 19 über die Schöpfung und das Gesetz bildet die Mitte des ersten Psalmbuches.

Die mittlere Gruppe könnte auch anders eingeteilt werden:

Psalm 9-18: 9 Davidpsalmen (Ps 9.10 als einer); Zentrum: Psalm 14. Am Beginn und am Ende jeweils ein langer Psalm: Psalm 9 u. 10 (Gebet um Rettung) und Psalm 18 (Dank für Rettung).

Psalm 19-29: 11 Davidpsalmen; Zentrum: Psalm 24

3. Gruppe: Psalm 30-41 (11 Davidpsalmen, 1 unbenannter Ps.)

Das Buch endet mit einer Doxologie: 41,14.

Aufbau des zweiten Buches: Psalm 42-72

Dieses besteht aus 31 Psalmen (30, wenn man 42 u. 43 als einen zählt), sieben von den Söhnen Korachs (42-49), 18 von David (51-65; 68 u. 69), Psalm 50 von Asaph, Psalm 72 von Salomo, drei (Ps 66, 67 u. 71) unbenannt.

Das Buch beginnt (in Ps 42 u. 43) mit dem Verlangen nach Gott in einer Erfahrung der Gottverlassenheit. Weisheit kann auf Gott warten, auch wenn man sich in großer Not befindet. Und die Not im Buch II ist größer als die im Buch I.

Zu Anfang stehen die Gruppe der Korachpsalmen (42-49) und der einzige Asaphpsalm des Buches (Ps 50). Danach folgt die Gruppe von 21 Davidpsalmen (51-71; möglicherweise sind die drei unbenannten Psalmen 66, 67 und 71 ebenfalls von David). Den Abschluss bildet der einzige Salomopsalm des Buches (Ps 72).

So gliedert sich das Buch in zwei Hauptteile, wobei sich an jeden Hauptteil ein Einzelpsalm anschließt:

a. Psalm 42-49: Der Teil beginnt mit Elend (42.43) und endet mit Herrlichkeit und Gewissheit (49). Psalm 50 hat einen Sonderstatus in diesem Buch.

b. Psalm 51-71: Auch der zweite Teil beginnt mit Elend (51) und endet mit Herrlichkeit und Gewissheit (71). Psalm 72 handelt von der ewigen Weltherrschaft des gesalbten Sohnes des Königs.

Buch I hatte von der Tatsache des Elends des davidischen Königtums gehandelt, erlebt im Aufstand Absaloms, des Königssohnes. In Buch II wird die Ursache des Elends aufgezeigt: die Sünde Davids (Ps 51) gegen Urija und Bathseba. (Vgl. Ps 50,16-20.)

Der Asaphpsalm 50 bildet eine Mitte und gleichsam einen Schlüssel. Er spricht allgemein Gottes Volk an, darf aber vor allem als an den König gerichtet aufgefasst werden. Mit dem „Ehrfurchtslosen“ in V. 16 (hebr. rascha; d. i. einer, der sich außerhalb der Wege Gottes befindet; einer der schlimmsten Titel für ein Glied des Volkes Gottes) scheint mitunter und vor allem David gemeint zu sein. Diebstahl, Ehebruch und Betrug (50,16-20) sind seine Sünden gegen Urija. Es besteht nun die Gefahr, dass er von Gott zerrissen wird (V. 22), wenn er nicht Buße tut; daher soll er Lob opfern, Gott ehren (V. 23).

Es folgt Davids Bußpsalm (Ps 51), der zeigt, wie man aus dem Elend der Sünde herauskommt. Buße, ein zerbrochener Geist (51,19), ist das „rechte“ (51,21) Lobopfer, das Gott haben möchte [sucht?] (50,8; 51,18). Eben dieses bringt David, und so gelangt Buch II zu einem neuen Höhepunkt: Psalm 72.

Das Ende des Buches zeigt auf, dass die Anfechtung durch den Königssohn Absalom überwunden ist und Salomo, der alternative Sohn von David und Bathseba, an Absaloms Stelle auf dem Königsthron sitzt. Salomo ist der universelle König, dem die Völker, von denen in Psalm 2 die Rede war, dienen werden.

So gehören die Bücher I und II zusammen, eingeklammert durch Psalm 2,8 und 72,17.

Thema des zweiten Buches ist die Ursache für das Elend des davidischen Königtums.

Das Buch endet mit einer Doxologie: 72,18-20.

Aufbau des dritten Buches: Psalm 73-89

Dieses Buch besteht aus 17 Psalmen und ist chiastisch aufgebaut, so dass in der Mitte ein Davidpsalm von jeweils zwei Korachpsalmen umgeben ist:

11 Asaphpsalmen (73-83)

2 Korachpsalmen (84; 85)

In der Mitte der einzige Davidpsalm des Buches: Psalm 86

2 Korachpsalmen (87; 88)

Abschluss und Höhepunkt: der Psalm Ethans (89)

Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Psalm 73,25-26

Psalm 73 leitet das Buch ein: Weisheit ist nicht eifersüchtig auf das Wohlergehen des Gottlosen.

Das Buch beginnt mit der Frage nach dem Wohlergehen der Gottlosen (73,3) und endet mit der Frage an Gott über die Verwüstung und Verstoßung Israels und seines Gesalbten durch Jahweh, obschon ewige Verheißungen an David und seinen Samen gelten. Das „Elend“ ist die Erfahrung im babylonischen Exil. Mit dem „Gesalbten“ ist Jojachin gemeint. Asaph schrieb zwar zur Zeit Davids bzw. Salomos, aber er spricht als „Seher“ (2Chr 29,30) prophetisch von der Zerstörung Jerusalems und dem Exil. (Vgl. auch Ps 74,7 u. 79,1, wo die Tempelzerstörung prophezeit ist und prophetisch der Standpunkt des Exils eingenommen wird.)

Der gesalbte König ist verworfen. Warum? Wie passt dieses mit der davidischen Verheißung zusammen?

Am Ende von Buch III bleiben zwei Fragen unbeantwortet. Die erste Frage wird in 89,47 gestellt: Wie lange wird Jahweh sich verbergen und seinen Grimm wie Feuer brennen lassen? Der Mensch ist vergänglich. Daran muss sich der Psalmist erinnern (V. 48 u. 49). Die zweite Frage ist in V. 51: Wo sind die unverbrüchlichen davidischen Gnadenverheißungen (2S 7; Jes 55,3) geblieben? „Gedenke, dass Israel geschmäht und der Gesalbte verhöhnt wird.“

Das Problem am Ende von Buch III ist größer als das am Ende von Buch I. Das messianische Königtum ist nicht nur intern angefochten (Ps 3 und 41), sondern extern vernichtet. Anstatt dass der Gesalbte („der König“) über die Völker herrscht (Ps 2), haben die Völker den Gesalbten (Jojachin) ausgeschaltet. Buch II endete zwar mit einer großen Hoffnung in einem gewissen Höhepunkt des davidischen Königtums (Ps 72), aber der Tiefpunkt in Buch III ist tiefer denn je zuvor.

Das Leben des Gläubigen ist eingebaut in Gottes Heilsplan, und zwar kraft seines Gesalbten, des Königs. Das Volk ist gleichsam in dem Gesalbten: So wie es dem Gesalbten ergeht, so ergeht es dem Volk. Der König ist des HERRN, gehört Ihm (89,19). Wenn nun der gesalbte König gefangen und weggeführt ist, wie kann das Volk Gottes leben? Und wie kann die göttliche Verheißung an David in Erfüllung gehen?

Thema des dritten Buches ist also die Vernichtung des davidischen Königtums und die Frage nach seiner Wiederherstellung.

Das Buch endet mit einer Doxologie: 89,53.

Aufbau des vierten Buches: Psalm 90-106

Dieses Buch besteht ebenfalls aus 17 Psalmen. Psalm 90 ist als einziger von Mose. Die weiteren zwei benannten Psalmen sind davidisch (101; 103). Die anderen 14 (Ps 91-100; 102; 104-106) sind unbenannt, wobei der Königspsalm 95 durch Heb 3,7ff als davidisch deklariert wird.

Buch IV scheint in drei Gruppen eingeteilt zu sein:

  1. Der einzige Mosepsalm und ein unbenannter Psalm über die Zuflucht bei Gott (90; 91)
  2. Die „Jahweh ist König“-Psalmen (96-99) mit den umgebenden Psalmen (insges. 92-102)
  3. Lob Gottes für seine Taten und sein Wesen (103-106)

Den Abschluss bilden die zwei Geschichtspsalmen 105 und 106 (mit dem Höhepunkt in V. 47). Im Zentrum stehen die Königspsalmen 96-99.

Herr, du bist unsre Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Psalm 90,1-2

Psalm 90 (ein Weisheitspsalm über die Vergänglichkeit des Lebens) greift die Frage von 89,47-49 auf. Des Menschen Vergänglichkeit ist auf seine Sünde zurückzuführen (V. 7.8). Psalm 90 endet (ähnlich wie Ps 89) mit der Frage: Wie lange? (V. 13). Aber es folgt der Gebetsruf an Gott: Erbarme dich über deine Knechte, über Israel! (V. 13-15) Am Ende von Buch III (89,51) wagten die Knechte nicht, um Erbarmen für sich zu beten. Mose, der Fürbitter, wagt es.

In Buch III schien es so, dass der davidische Bund misslungen sei. Ist es so? Buch IV gibt Antworten:

1. Das Buch enthält mehrere „Jahweh ist König“-Psalmen (93; 95; 96-99; 103,19). Am Ende von Buch III trafen wir die Situation an, dass das messianische Königtum verschwunden schien. Buch IV zeigt nun, dass das Jahweh-Königtum jedoch noch vorhanden ist – ein Trost für Israel. Jahweh selbst hat das messianische Königtum „übernommen“. Aber Jahwehs Königtum gilt für alle Völker (96,10), nicht nur für Israel. In einem bestimmten Sinne ist er immer schon König gewesen. Wenn Jahweh König ist, ist das Königtum Israels nicht dahin, sofern Israel Jahweh als König huldigt (95,6; 96,9; 97,7; 99,5.9).

2. Jahweh war schon in der Vergangenheit (bereits im mosaischen Zeitalter, Ps 90,1) Israels Zuflucht gewesen, lange bevor das messianische Königtum bestanden hatte (Ps 90; 91; 94,22; usw.). Und Jahweh wird weiter seines Volkes Zuflucht sein, auch jetzt (Buch III), da das messianische Königtum verschwunden ist. Gesegnet sind diejenigen, die auf Jahweh vertrauen, ihn fürchten, ihn lieben, ihn suchen, sich von ihm belehren lassen. (Vgl. 91,1.2.14.15; 94,12; 97,10-12; 103,13.17.18; 106,3.)

Gelobt sei der HERR, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und alles Volk spreche: Amen! Halleluja! Psalm 106,48

Buch IV beginnt mit einem Gebet (90,13-17) und endet mit einem Gebet (106,47). Beide Male geht es um dasselbe: Erbarme dich! Erlöse uns! Sammle uns aus den Völkern! Aber vor dem Gebetsruf von 106,47 lesen wir von einem Schuldbekenntnis des Psalmisten zusammen mit seinen Zeitgenossen. Sie identifizieren sich mit Israels Schuld in der Geschichte (106,6). Veränderung kommt durch Schuldbekenntnis des Volkes! Es ist also noch nicht alles zu Ende in Bezug auf die Erfüllung der Verheißung des Bundes Gottes mit David.

Bereits in der Vergangenheit hatte Jahweh Erbarmen gezeigt (106,46); darum ist Israel nun ermutigt, um Erbarmen zu flehen (auch ermutigt durch das Gebet des Mose, Ps 90,13-15). Somit befinden sie sich in der Linie Moses, einer Linie, die älter als der davidische Bund ist. Sie sind „in“ Mose (vgl. 106,32; verbunden mit ihm, versetzt in ihn, den großen Fürbitter des Volkes). Gott möge sich nun erbarmen in Form einer Sammlung des Volkes hin zum Lande Kanaan mit dem Ziel, dass Gottes Name gelobt werde.

Thema des vierten Buches ist die Erfüllung der davidischen Königtumsverheißungen im Königtum Jahwehs.

Das Buch endet mit einer Doxologie: 106,48.

Aufbau des fünften Buches: Psalm 107-150

Das fünfte und längste Psalmenbuch besteht aus 44 Psalmen. 15 sind von David (Ps 108-110; 122; 124; 131; 132; 138-145); einer ist von Salomo (Ps 127), der einzige nicht davidisch benannte Psalm im letzten Buch; er steht im Zentrum der Stufenlieder (120-134). Die restlichen 28 Psalmen sind unbenannt.

Buch V enthält verschiedene Sammlun­gen: Auffallend sind die Anordnung und Anzahl der Psalmen in den einzelnen Gruppen:

1 + 11 (3 + 8) + 1 + 15 + 11 (3 + 8) + 5

107: Einleitungspsalm (Hoodu-Ps., an 106 anschließend)

108-110: drei David­psalmen

111-118: acht unbenannte Psalmen (mit dem Doppel-Akrostichon 111+112 als Hinführung zum „ägyptischen Hallel“; 113-118: das ägyptische Hallel, endend mit dem Hoodu-Psalm 118 als Hinführung zu Psalm 119)

119: langes alphabetisches Akrostichon über das Wort Gottes, Zentrum von Buch V

120-134: 15 Wallfahrtspsalmen /Stufen­lieder

135-137: drei unbenannte Psalmen: das „große Hallel“ (in der Mitte der Hoodu-Psalm 136) (Nach anderen Rabbinern bilden das große Hallel die Psalmen 120-136.)

138-145: acht Davidpsalmen (mit dem alphabetischen Akrostichon 145 als Hinführung zum kleinen Hallel)

146-150: das kleine Hallel (5 unbenannte Hallelu-Jah-Ps.)

Der Hallelu-Jah-Psalm 150 bildet den Abschluss und Höhepunkt des Psalters.

Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN, die er aus der Not erlöst hat. Psalm 107,1-2

Das Buch V wendet sich zuerst mit dem Aufruf an die zurückgekehrten Exilanten, die Frommen (hebr. chassidim, die Gottergebenen, die Heiligen). Sie sollen Gott für seine Wundertaten der Vergangenheit loben (Ps 107,1-3a). Im Verlauf des Buches wird klar, dass Jahweh nicht nur von Israel angebetet werden soll, sondern dass unter allen Völkern sein Lob erklingen und sein Königtum anerkannt werden soll.

Das Buch stellt die Situation des Volkes nach der Rückkehr aus dem Exil dar und gibt Antwort auf Buch IV, wo sich vor allem die Situation des Volkes während des Exils widerspiegelte. (Man beachte die Brücke von 106,47 zu 107,3.)

Buch V beginnt mit einem Aufruf zum Lobpreisen (Psalm 107: Weisheitspsalm über die Erbarmungen Gottes in der Vergangenheit, die man erfuhr, als man zu ihm rief) und endet mit dem Gericht über die Völker durch die chassidim, die Frommen, das Volk Gottes (Psalm 149). Damit ist das Reich Gottes zu seinem Ziel gekommen: Der Schöpfer (wörtl. „Macher“) Israels ist König (149,2), und die Völker werden gerichtet (149,4-9). Das Endziel des Psalters ist erreicht.

Thema des fünften Buches ist das Endziel des davidischen Königtums und das Lob Jahwehs unter den Völkern.

Das Buch schließt mit einem großen Hallelu-Jah.

Die Frage nach dem davidischen Königtum

Wenn Jahweh selbst als universeller König die Antwort auf die Frage von Psalm 89 (Buch III) ist (s. Buch IV), stellt sich die Frage, was demnach aus Davids Königtum geworden ist und aus der göttlichen Verheißung, dass der Sohn Davids (ein Mensch!) ewiglich auf Israels Thron sitzen werde.

Der HERR sprach zu meinem Herrn: »Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache.« Psalm 110,1

Einen Hinweis für die Antwort auf diese Frage gibt Buch V, das Buch, in dem wieder eine Reihe von Davidpsalmen und wieder ein Salomopsalm zu finden sind. David und Davids Sohn tauchen wieder auf! Und Gott bestätigt seine Verheißung an David (132,17). Wie kann das sein, wenn doch im vierten Psalmbuch Jahweh das messianische Königtum übernommen hat? Buch V offenbart: Das Jahweh-Königtum steht nicht im Widerspruch zum davidischen Königtum, sondern der verheißene ewige König aus dem Samen Davids, als „Gott“ (45,7.8) und als Davids „Herr“ (110,1) betitelt, wird in Psalm 110 aufgefordert, sich zur Rechten Jahwehs zu setzen.

Die Endredaktion des Psalters

Wer sind diejenigen, die dem Psalmbuch seine Endgestalt gegeben haben? Jedenfalls waren es Leute mit großer Autorität, die darüber wachten, dass es so für Israel bewahrt wurde. Wahrscheinlich waren es dieselben Männer, die das Alte Testament schließlich (um 400 v. Chr. zur Zeit des Esra und Nehemia) abschlossen. Das Buch Chronika (1Ch u. 2Ch) steht am Ende des hebräischen alttestamentlichen Kanons. Es wurde geschrieben, um den Kanon des Alten Testamentes abzuschließen und zu versiegeln. Es ist das jüngste Buch des AT und fasst dieses zusammen, beginnend mit Adam und endend mit dem Edikt des Kores (Cyrus), welches deshalb erwähnt wird, weil es der Anfang des vorletzten Buches, nämlich Esra, ist. Der nachexilische Chronist hat zwei Hauptthemen, David und den Tempel, und will sagen, dass Esra und Nehemia vom persischen König einen Staatsauftrag erhalten haben, in Jerusalem wieder Ordnung zu schaffen. Diese Männer setzten sich auch dafür ein, dass die Tempelgesänge wiederhergestellt wurden. Das bedeutet, dass sie auch mit der Endredaktion des Psalters zu tun hatten. Der Psalter in seiner Endform gehört daher mit 1/2Chronika, Esra und Nehemia zu den jüngsten Büchern des AT.

Das Thema des Psalters

Das Psalmbuch ist ein Weisheitsbuch, worin ersichtlich wird, dass das Leben in Weisheit (für den Einzelnen und für das Volk) seine Endperspektive im Gesalbten hat: Jahweh, ist König!

Halleluja! Lobet Gott in seinem Heiligtum, lobet ihn in der Feste seiner Macht! Lobet ihn für seine Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen! Lobet ihn mit Pauken und Reigen, lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! Lobet ihn mit hellen Zimbeln, lobet ihn mit klingenden Zimbeln! Alles, was Odem hat, lobe den HERRN! Halleluja!.Psalm 150,1-6

Die Bücher I und II gehören zusammen (Seligpreisung als Klammer: 2,12 und 72,17). Buch III hat starken eigenen Charakter; es ist das Mittelbuch des Psalters und stellt die Frage nach dem davidischen messianischen Königtum, das in Ewigkeit bestehen soll (Psalm 89). Dieses ist das Hauptthema des gesamten Psalters. In allen fünf Büchern kommt David vor. Als Überschrift zum Psalter könnte man also setzen: „Eine Liedersammlung über den davidischen Bund“.

Die davidische Messianität wird im AT immer wieder bedroht. Es gibt ein ständiges Auf und Nieder. Der Gläubige ist mit dem Gesalbten, dem König, seinem „David“ (jeder König Judas war ein Davidnachkomme), verbunden. Er ist in den „Gesalbten“ – den jeweiligen König Israels – hineinversetzt worden und ringt gemeinsam mit dem Gesalbten. Aber dieses Ringen tut er „weisheitlich“; d. h., er hat die verschiedenen Zeugnisse und sucht, sie zu verstehen. Er ist verbunden mit einer geschichtlichen Linie des Heilshandelns Gottes, aber durch die Weisheit lebt er es nun aus.

Die Antwort Moses in Psalm 90 auf die Frage von 89,47ff ist die Hauptantwort (Weisheit denkt an die Vergänglichkeit des irdischen Lebens). Sie mündet in der Sicht, dass Jahweh selbst König, der „Gesalbte“, ist: die Erfüllung der davidischen Verheißung. In diesem Glauben, in dieser Schau, lebt der Gläubige weislich mit dem Gesetz und legt Zeugnis ab an die Völker.


  1. Zum Folgenden vgl. Dr. H. J. Koorevaar, Vorlesung in Riehen-Basel 1996. Zur Struktur des Psalters vgl. Casper J. Labuschagne, Compositional Structure of the Psalter, 2008. www.labuschagne.nl