ThemenMission und Evangelisation

Nicht mit dem Schwert! – Die frühe Mission unter Muslimen im Mittelalter

Obwohl muslimische Herrscher die Mission durch Christen in ihrem Gebiet oft untersagten, gab es in der Zeit der Kreuzzüge auch zahlreiche christliche Missionare, die Muslime zum Glauben an Jesus Christus führen wollten. Die meisten von ihnen lehnten jede Gewaltandrohung ab. Sie erlernten die Sprache und die Kultur der Menschen, um ihnen die Wahrheit Gottes zu bringen. Über den Theologen und Missionar Ramon Lull (1232–1316) wissen wir aufgrund seiner Schriften und Berichte über ihn gut Bescheid. Er erlebte während seiner Reisen von Mallorca aus nach Spanien und Nordafrika viele Anfeindungen und wurde schließlich aufgrund einer Predigt gesteinigt.

Nachdem der Islam infolge der mutmaßlichen Offenbarungen Moham­meds in der arabischen Wüste entstanden war (Mit dem Einzug Mohammeds in Medina im Jahr 622 begann der Islam seine Zeitrechnung.), wussten führende Christen zeitweilig nicht, wie sie auf diese neue Bewegung angemessen reagieren sollten. Stellenweise betrachtete man den Islam zuerst als häretische Form des Christentums, zumal Mohammed selbst sich als Vertreter des Gottes proklamierte, der auch Mose und Jesus berufen hatte. Schon bald allerdings wurde man durch die kriegerische Expansion des Islam eines Besseren belehrt (ab 636). Immer mehr wurde der Islam zur großen Herausforderung christlich geprägter Länder. Innerhalb nur weniger Jahrzehnte eroberten die mus­li­mi­schen Heere große Gebiete des Nahen Ostens und Nord­afrikas, bis ihr Vormarsch in Süd­frankreich zum Stillstand kam (732).

Mohammed auf dem Pferd unterwirft die Juden in Medina nach 622.

In den Kreuz­zügen des Hoch­mit­tel­alters kam es zu einer überwiegend politischen Konfrontation katholischer und islamischer Mächte (1099-1291). Die Konversion von Muslimen hatte für die Kreuzfahrer eine eher nebensächliche Bedeutung. Weit mehr ging es ihnen um die Sicherung heiliger Stätten auf dem Gebiet des heutigen Staates Israel. Eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Islam fand nur sehr vereinzelt und vor allem in der Literatur statt. Trotzdem lassen sich durchaus auch erste wirklich missionarische Aktivitäten beobachten.

Franz von Assisi in Ägypten

Franz von Assisi wollte Sultan Al-Kamil zum christlichen Glauben bekehren. Er rechnete mit der Möglichkeit, ermordet zu werden.

Sehr früh plädierte Franz von Assisi (1181-1226) für eine friedliche, allein auf Verkündigung beruhende Muslim-Mission. 1219 reiste er nach Palästina und zog mit dem Tross der Kreuzfahrer Richtung Ägypten. Nach der Schlacht von Damiette, bei der 5000 Christen den Tod fanden, predigte Franz im Lager des muslimischen Heeres vor Sultan Al-Kamil (1177-1238). Primär wollte Franz den Sultan zum christlichen Glauben bekehren. Außerdem hoffte er mit seinem Auftritt, den weiteren Kampf zwischen Kreuzfahrern und Muslimen verhindern zu können. Er machte sich aber auch keine großen Illusionen und rechnete durchaus mit der Möglichkeit, von feindlichen Ägyptern ermordet zu werden.

Zuerst wurde Franz gefangengenommen und geschlagen, weil man ihn fälschlich für einen feindlichen Spion hielt. Schließlich wurde er vor den Sultan gebracht, dem er sich als Botschafter Gottes vorstellte. „Dann bezeugte er seine Liebe zu Jesus und sagte, dass er die Seelen des Sultans und seiner Leute retten wolle.“ Während seiner Ansprache redete Franz viel von Jesus und der Vergebung der Sünden. Direkte Angriffe auf den Islam suchte er zu vermeiden. Beeindruckt vom Mut und der Glaubwürdigkeit des Mönchs schenkte ihm der Sultan ein kostbares Signalhorn und ließ ihn gehen. Größere Auswirkungen hatte dieser Missionsversuch keine. In den folgenden Jahren begaben sich noch einige Franziskaner nach Nordafrika, um den dort lebenden Muslimen das Evangelium zu predigen. Die meisten endeten schon bald als christliche Märtyrer.

Christlich-islamische Konkurrenz bei den Mongolen

Zu einer längerfristigen religiösen Konfrontation kam es während der konkurrierenden islamischen und christlichen Mission unter den Mongolen. 1253 brach Wilhelm von Rubruck (1220-1293) zu den Mongolen auf, nachdem er Berichte von ihrer Offenheit dem Evangelium gegenüber gehört hatte. Ihm folgten weitere Franziskaner ins Reich Kiptschak, zwischen Don, Schwarzem Meer und Ural. Tatsächlich ließen sich in den nächsten Jahren auch einige höhergestellte Mongolen taufen. Allerdings musste man sich schon bald mit konkurrierenden islamischen Predigern aus­einandersetzen. Über längere Zeit hinweg gab es auch unter den mongolischen Herrschern des persischen Reiches eine große Offenheit dem christlichen Glauben gegenüber (1262). Dann favorisierte man allerdings doch den Islam.

Durch die Reisen der Gebrüder Polo kam es seit 1270 zu langjährigen missionarischen Kontakten am Hof des Kublai Khan in China. Durchaus erfolgreich war hier insbesondere der Franziskaner Johannes von Montecorvino (1247-1328) tätig. In mehreren Jahrzehnten entstanden zahlreiche christliche Gemeinden. Auch wurden verschiedene Bibelteile und andere religiöse Schriften in die einheimischen Sprachen übersetzt. Dann kam es allerdings zu einem religiösen Wettstreit mit muslimischen Missionaren, die ihren Einfluss auf die mongolischen Herrscher ausbauen konnten. War das Land aber erst einmal islamischem Recht unterworfen, war es fast aussichtslos, Menschen vom christlichen Glauben zu überzeugen, weil das gewöhnlich eine sofortige Ermordung oder Flucht aus der Heimat zur Folge hatte.

Unter Muslimen in Spanien und Indien

Der Dominikaner Wilhelm von Tripolis missionierte vor allem unter Muslimen in Spanien. Seine Abhandlung De Statu Saracenorum gibt allerdings nur wenig Auskunft über die konkreten Einzelheiten seiner Arbeit. Immerhin gibt er hier an, über 1000 Muslime christlich getauft zu haben.

Mönche gründeten Sprachschulen in Nordafrika, um die Mission unter Muslimen voranzu­bringen. Nicht selten endete die Mission mit dem Tod der Christen.

Um die Mission unter Muslimen voranzubringen, gründeten Dominikaner Sprach­schulen in Tunis, Murcia und Valencia, wo Kandidaten in Arabisch und islamischer Theologie unterrichtet wurden. Vereinzelte Missio­nare zogen daraufhin mit bescheidenem Erfolg nach Nord­afrika. Die meisten konzentrierten sich allerdings auf die Bekehrung der unter spanischer Herrschaft lebenden Muslimen.

Nicht selten endeten Missions­bestrebungen für die beteiligten Christen tödlich. 1321 wurden einige Franziskaner in der Nähe von Bombay / Indien (heute: Mumbai) zu einem öffentlichen Streitgespräch eingeladen. Weil sie, nach Auffassung der muslimischen Partei, während der Gespräche den Propheten Mohammed beleidigt haben sollten, wurden die Missionare kurzerhand auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Insbesondere franziskanische und dominikanische Mönche beteiligten sich im 14. Jahrhundert an der Muslim-Mission. Beide Orden gründeten für diesen Zweck eigene Missionsorganisationen.

Unterschiedliche Missionsstrategie

In ihrer konkreten Missions­strategie unterschieden sich die mittelalterlichen Muslim-Missionare deutlich. Ramón Lull empfahl in seinem De modo convertendi infideles (1292) vor allem eine gute Kenntnis des Arabischen und des Korans.

Der im Gebiet des heutigen Irak tätige Ricoldo da Monte Croce (1242-1320) ließ sich von muslimischen Gelehrten schulen, um islamisches Denken besser verstehen und innerislamische Widersprüche in den Diskussionen sachgerecht anführen zu können (Contra legem Saracenorum). Besonders aussichtsreich erschien es ihm auch, die Überlegenheit des christlichen Glaubens mit den außerordentlichen Wundern Jesu und der Jünger zu belegen.

Wilhelm von Tripolis (1220-1273) empfahl, zuerst über die gemeinsamen Glaubensinhalte von Muslimen und Christen zu sprechen; beispielsweise über die Schöpfung, die Berufung Abrahams, die Wunder Jesu und das Weltgericht. Wenn sich dadurch eine stabile Beziehung ergab, sollte man auch strittige Fragen wie die Gottheit Jesu, den Sühnetod am Kreuz und die Trinität diskutieren.

Nur wenige Theologen befürworteten Gewalt als Mittel der Muslim-Mission. Wenn, dann beabsichtigte man, die islamische Herrschaft abzusetzen, um danach ungehindert das Evangelium verbreiten zu können.

Ramón Lull als Missionar

Ramon Lull mit seinem Wahlspruch: Mein Licht ist der Herr selbst!

Am besten lassen sich heute wahrscheinlich die langjährigen missionarischen Aktivitäten des Spaniers Ramón Lull (latinisiert auch: Raimundus Lullus) nachzeichnen. Geboren wurde der aus einem katalonischen Rittergeschlecht stammende Lull (1232–1316) auf Mallorca. Wenige Jahre zuvor war sein Vater an der Rückeroberung der Insel von den Muslimen beteiligt. Nach seiner Ausbildung am Hof Jakob II. (1267-1327) wurde er dessen enger Mitarbeiter und Minister. Durch mehrere Visionen fühlte sich der bisher eher als oberflächlicher Lebemann bekannte Lull zum geistlichen Dienst berufen. Im Alter von 32 Jahren ließ er seine Frau Blanca Picany und die beiden Kinder gut versorgt zurück, um sich zur geistlichen Kontemplation in die Einsamkeit der spanischen Berge zurückzuziehen.

Lulls Vorbereitungen als Muslim-Missionar

Nach neun Jahren war sich Lull sicher, von Gott als Missionar zu den Muslimen berufen worden zu sein. Zur Vorbereitung für diese Arbeit las er die wenigen damals zugänglichen Abhandlungen über den Islam und lernte gründlich Arabisch. Schließlich beherrschte er die Sprache so gut, dass er sogar eigene Bücher in Arabisch verfassen konnte. Mit seinem Sklaven, der ihm als Sprachlehrer diente, kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung um den richtigen Glauben, der in einer Schlägerei ausartete. Aus Angst vor Bestrafung nahm sich der Diener wenig später das Leben, wofür Lull sich indirekt verantwortlich fühlte.

Nach einer weiteren theologischen und medizinischen Ausbildung lehrte Lull zeitweilig an den Universitäten von Paris und Montpellier. Dabei entfaltete er sein Konzept zukünftiger Mission unter Muslimen.

Mission als Aufgabe der Kirche

Nicht sehr erfolgreich bemühte Lull sich in Rom, die katholische Kir­chen­leitung von der Notwendigkeit einer eigenen Mis­sions­schule zu überzeugen. Dort sollten die Kan­didaten neben Theologie auch in Sprache und Kultur ihres zukünftigen Missionslandes unterrichtet werden.

Ramon Lull hielt Mission für eine wichtige Aufgabe der Kirche. Dafür sollten die fähigsten Theologen ausgebildet werden und auch Sprache und Kultur des Missionslandes kennenlernen.

Überhaupt warb Lull dafür, dass Mission zu einer selbstverständlichen Aufgabe der ganzen Kirche erklärt würde. Die besten und fähigsten Theologen solle man für diesen Zweck ausbilden. Lull schlug sogar eine allgemeine Kirchensteuer vor, mit der man die geplanten Missions­aktivitäten finanzieren könne. Auch wenn der Papst ihm nur wenig Aufmerksamkeit schenkte, konnte er doch einige Verantwortliche bei den Franzis­kanern und Domi­ni­kanern für seine Sicht der Dinge gewinnen. Lull betete damals: „Herr bewirke, […] dass aus der Milde deiner großen Weisheit eine Kunst erwachse, mit deren Hilfe den Ungläubigen die Wahrheit der Göttlichkeit deines Sohnes gezeigt werden kann.“

Bei Muslimen in Spanien und Nordafrika

Ramon Lull wurde nach seinen Predigten in Tunis verhaftet. Wenn er Kritik an Mohammed oder dem Koran übte, wurde er oft mit Steinen beworfen und einmal fast gelyncht. Er wollte aber Muslime ohne Gewalt gewinnen.

In den folgenden Jahren besuchte Lull Synagogen und Moscheen in Spanien, um dort über den Glauben zu diskutieren. In dieser politisch sicheren Atmosphäre wollte er seine Kenntnisse über das Judentum und den Islam vervollständigen. Mit 56 Jahren begab sich Lull auf seine erste Missionsreise ins islamisch geprägte Nordafrika. Doch schon bald nach seinen ersten öffentlichen Predigten in Tunis wurde er verhaftet und des Landes verwiesen. Aus Ärger über seine Kritik an Mohammed und dem Koran bewarfen ihn die Zuhörer mit Steinen. Wären die Ordnungskräfte nicht eingeschritten, hätte ihn die Bevölkerung womöglich gelyncht.

Während er verschiedene europäische Universitäten bereiste, warb Lull weiterhin begeistert für die Mission unter Muslimen. Allerdings musste er enttäuscht feststellen, dass daran nur wenig Interesse bestand. Einige französische Theologen hatten sich sogar für Thesen islamischer Theologie geöffnet. Nach Lulls fester Überzeugung aber sollte die ganze Wissenschaft schlussendlich dazu dienen, Gott zu verherrlichen und geistliche Irrtümer zu widerlegen.

„Der Hauptgrund, weshalb die Wissenschaft entwickelt wurde, besteht darin, dass Gott von seinem Volk tiefer erinnert, verstanden und geliebt werde; und dass die Irrtümer und Schismen und die falschen Meinungen, die auf dieser Welt vorherrschen, zerstört werden.“

An der von Lull gegründeten Missions­schule im Kloster Miramar bei Valldemossa (Mallorca) wurden zukünftige Muslim-Missionare ausgebildet. Dabei konzentrierte man sich auf die Vermittlung von sprachlichen, kulturellen und religiösen Hin­tergründen. Wenn irgend möglich, soll­ten Christen Muslime ohne Gewaltanwendung, allein durch Liebe und die Macht der Worte, für die biblische Wahrheit gewinnen.

Märtyrer der Muslim-Mission

Zwischen 1301 und 1309 setzte Lull seine Mission unter Muslimen mit bescheidenem Erfolg fort; obwohl es durchaus auch zu vereinzelten Bekehrungen kam. Seine praktischen Erfahrungen veröffentlichte er für künftige Missionare. In Bugia, nahe Algier, wurde Lull verhaftet, nachdem er in einer öffentlichen Disputation behauptete, Mohammed hätte offensichtlich die Gebote Gottes übertreten und fiele damit auch unter das himmlische Gericht. Nach einer halbjährigen Haftzeit wurde Lull wiederum des Landes verwiesen. Durch einen schweren Sturm während der Überfahrt gingen die Bücher und auch der Rest seines Besitzes verloren.

Im Jahr 1314 begab sich Lull illegal wieder nach Bugia. Zuerst beschränkte er sich nur auf private Glaubensgespräche. Nach einigen Monaten fühlte er sich aber so sicher, dass er wieder offen zu predigen begann. Verärgerte Muslime schlugen den inzwischen Achtzigjährigen daraufhin, schleiften ihn aus der Stadt und steinigten ihn. Freunde brachten seinen Leichnam nach Mallorca, wo er dann in Palma beerdigt wurde. Einige Historiker gehen auch davon aus, dass der schwerverletzte Lull erst während der Überfahrt starb.

Ramon Lull ließ sich von Gefängnis und Verboten nicht abhalten, Muslimen vom Glauben zu erzählen. Er starb, weil verärgerte Muslime den 80-jährigen steinigten.

Überliefert sind 265 Schriften Lulls in lateinischer, arabischer und altkatalanischer Sprache. Neben Gedichten umfasst sein Werk vor allem spekulativ-theologische und missions­theoretische Ab­hand­lungen. Seine philo­sophischen Überlegungen beeinflussten unter anderem Blaise Pascal (1623-1662) und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716).

Eine größere Wirkungsbreite entfaltete die Muslim-Mission erst wieder im Gefolge der spanisch-portugiesischen Expan­sion auf islamische Territorien in Afrika und Asien ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Weiterführende Literatur:

Ramón Lull: Das Buch vom Heiden und den drei Weisen, Theodor Pindl Hrsg., Reclam Verlag, Ditzingen 1998 .

Anne Müller: Bettelorden in islamischer Fremde. Institutionelle Rahmen­bedingungen franziskanischer und dominikanischer Mission in muslimischen Räumen des 13. Jahrhunderts, LIT Verlag, Münster 2002.

Jean Richard: Die römische Kirche und die Nichtchristen außerhalb der Christenheit: Kreuzzüge und Mission, in: Michel Mollat du Jourdin / André Vauchez Hrsg.: Die Geschichte des Christentums, Bd. 6 Die Zeit der Zerreissproben, Herder Verlag, Freiburg 1991, S. 871-887.

Detlef Schäfer: Ramon Lull. Zwischen Bibel und Koran, Imhof, Petersberg 2002.