Manuel Schmid, der mit einer Arbeit über den „Offenen Theismus“ promoviert wurde, zeichnet in diesem Buch die Entstehungsgeschichte dieser Lehre nach. Vertreter des „Offenen Theismus“ gehen von der Grundannahme aus, dass Gott die Welt und den Menschen aus seiner Liebe heraus erschaffen hat – und dass die Verwirklichung authentischer Liebe nur möglich ist, wenn Gott dem Menschen Freiheit zugesteht. Daraus soll folgen, dass Gott ein Risiko, ein Wagnis eingeht, das nicht einmal er selbst völlig überschauen kann, da zukünftige freie Entscheidungen von Menschen nicht „wissbar“ sind. Der Verlauf der Weltgeschichte, die Gott dementsprechend nicht im Voraus kennen kann, wird für ihn so „unkalkulierbar“. Nach einer Einführung zeichnet Schmid die Bewegung des „Offenen Theismus“ von ihren Anfängen in den 1970er Jahren bis in die Gegenwart nach. Ein Schwerpunkt liegt dabei naturgemäß im US-amerikanischen Bereich, wo mit Clark Pinnock, Richard Rice und John Sanders die Pioniere der Bewegung beheimatet sind. Der „verzögerten Kenntnisnahme im deutschen Raum“ widmet der Autor nur wenige Seiten. Schmid lässt dabei nicht nur die Vertreter des Offenen Theismus zu Wort kommen, sondern zeichnet akribisch auch die zum Teil vernichtende Kritik der evangelikalen Prominenz (zum Beispiel Albert Mohler, John Piper, Thomas Oden, John Frame) an dem Entwurf nach. Die Darstellung ist dabei ausgewogen und fair. Neben den theologischen Fragen werden dabei auch praktische Folgen – wie etwa die Debatte über einen Ausschluss einiger „Offener Theisten“ aus Organisationen wie der Evangelical Theological Society – erörtert.
Erstaunlich ist dann die kurze Einordnung des Phänomens durch den Autor selbst. Durchaus richtig erkennt Schmid, dass sich der „Offene Theismus“ nicht frei davon machen kann, eine „zeitgeistige Modeerscheinung“ zu sein, die Frucht eines individualisierten, rationalisierten Verständnisses von Freiheit. Er verbindet das mit der Feststellung, dass jeder theologische Entwurf unhintergehbar die Signatur der jeweiligen Zeit trägt. Besonders bedenkenswert ist die zum Schluss vorgetragene Forderung nach einer größeren „Ambiguitätstoleranz“. Der Autor wirbt dafür, Positionen von den dahinterliegenden Motiven zu trennen, um so mehr Verständnis auch für Vertreter von Thesen zu entwickeln, die man selbst ablehnt oder gar für gefährlich hält. So sei für Offene Theisten klar, dass ein calvinistisches Gottesbild „die Verwirklichung von Liebe unmöglich macht, das Bekenntnis zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen Lügen straft, den Sinn des Gebets unterläuft, missionarischen Bemühungen jeden Sinn raubt, menschliche Verantwortungsfähigkeit leugnet und die Herrlichkeit Gottes nicht hochhält, sondern gerade gefährdet“ (314). Trotzdem solle man anerkennen, dass calvinistische Theologen lobenswerte Motive für ihre Thesen haben, etwa „die christliche Hoffnung auf ein gutes Ende der Geschichte abzusichern, Gott als Herrn seiner Schöpfung bekennen zu können oder dem Menschen Grund zur Heilsgewissheit zu geben“ (316). Auf diese Weise könnten theologische Konflikte auch bei fundamentalen Differenzen differenzierter und kultivierter ausgetragen werden, als es der Autor am Beispiel des Offenen Theismus beobachtet hat.
Manuel Schmid. Kämpfen um den Gott der Bibel. Die bewegte Geschichte des Offenen Theismus. (TVG Monografien) Gießen: Brunnen Verlag 2021 384 S., gebunden: 40,00 € ISBN: 978-3-7655-9114-3
Insgesamt ist das Buch empfehlenswert, wobei theologische und philosophische Grundkenntnisse Voraussetzung für eine Lektüre mit Gewinn sind. Wer einen Überblick über die Geschichte des „Offenen Theismus“, seine Protagonisten und deren Thesen sucht, der wird schwerlich eine bessere, kenntnisreichere Darstellung finden als die von Schmid. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Rezensent die Kernthese des „Offenen Theismus“, Gott habe keine sichere Kenntnis der Zukunft, für klar unbiblisch hält.