LiteraturBuchbesprechungen

Gott ist unkaputtbar. 12 Antworten auf die Relevanzkrise des Christentums

Christian Schwarz ist durch sein Institut für natürliche Gemeindeentwicklung bekannt geworden und will mit dem vorliegenden Buch eine Zusammenfassung der „Megatrends“ vorstellen, denen sich die Gemeinde seiner Meinung nach stellen muss. 12 Antworten auf „einige der drängendsten Fragen der Gesellschaft an die Christenheit“ sollen zur Diskussion gestellt werden.

An erster Stelle steht die These, die Kirche müsse „den epochalen Wandel begreifen“, weil traditionelle Formen kirchlichen Lebens nicht mehr funktionierten. Er empfiehlt dann „Arbeit an der gemeindlichen Qualität“, eine Entdeckung „wesentlicher Teile des ursprünglichen biblischen Erbes“, die angeblich nicht weitergegeben wurden, und (hier und später gestützt auf Bonhoeffer) „Kirche für andere zu sein“. Führung müsse neu definiert werden und dürfe sich nicht auf den Erfolg des Leiters, sondern auf Freiheit und Verantwortlichkeit der Gemeindemitglieder konzentrieren. Die europäische Christenheit solle von den Ostkirchen und deren mystischen Traditionen lernen, etwa dem Konzept der Theosis, einem zunehmendem Durchdrungensein von Gott. Auch in diese Richtung geht die Behauptung, wir müssten die „biblische Realität der Energie Gottes wiederentdecken“. Hier kritisiert Schwarz, dass das griechische „energeia“ mit Wirkung, Macht oder Vermögen statt mit „Energie“ übersetzt wird. Nachvollziehbar ist das höchstens im Hinblick darauf, dass eine einheitliche Übersetzung es erleichtern würde, den Wortgebrauch im Griechischen besser nachzuvollziehen. Falsch sind die genannten Übersetzungen deswegen nicht, „energeia“ kann eben auch „Wirkung“ oder „Kraft“ bedeuten. Dass die Relevanzkrise des Christentums zu einem erheblichen Teil das Resultat einer „Energiekrise“ sein soll, wirkt dann doch reichlich übertrieben, zumal Schwarz „Energie“ auch als Grundlage dafür verstehen will, gemeinsame spirituelle Erfahrungen mit Nichtchristen zu erkunden. Das wirkt dann eher esoterisch als biblisch.

Christian A. Schwarz. Gott ist unkaputtbar. 12 Antworten auf die Relevanzkrise des Christentums. Asslar: Gerth Medien 2020. 160 S., gebunden: 18,- €. ISBN: 978-3-9573464-1-4

Gleiches gilt für den Vorschlag, der „transpersonalen Dimension“ Gottes zu begegnen. Überzeugender ist dann schon der Vorschlag, unterschiedliche geistliche Stile zu fördern. Die „Wir/Ihr“-Trennung zu überwinden ist prinzipiell ebenfalls keine schlechte Idee. Allerdings scheint das bei Schwarz nur durch einen Dialog auf „Augenhöhe“ möglich zu sein, bei dem Christen „authentisch von Atheisten lernen“. Als „fundamentalistisch“ gilt ihm ein Mensch, der Umkehr propagiert, die kein anderes Ziel hat, „als dass alle so werden wie er“. Nichts anderes wünscht sich übrigens Paulus in Apg. 26,29. Solche fundamentalistischen Tendenzen will Schwarz austrocknen, wobei seine Defi­nition von „Fundamentalismus“ diffus bleibt. Er vergleicht ihn mit einer Brille, „durch die hindurch wir die Gesamtheit der Wirklichkeit betrachten“. Als Hauptkenn­zeichen nennt er das „Denken in Kategorien von binärer Opposition“, also in zweipoligen Gegensätzen wie gut und böse oder schwarz und weiß. Hier fragt man sich, ob die Aufforderung, „fundamentalistische Tendenzen“ auszutrocknen nicht ihrerseits ein „Denken in binärer Opposition“ verrät, wobei im Folgenden eingeräumt wird, dass solche Tendenzen als etwas gesehen werden sollten, „das in gewissem Grad in jedem Menschen steckt.“ Die Wahrheitsfrage bleibt hier leider völlig außen vor: hat nicht Jesus selbst sich sehr oft in Kategorien von „binärer Opposition“ geäußert? Zuzustimmen ist dem Autor darin, dass Rationalität ein wichtiges Kennzeichen gesunden Glaubens ist und dass Christen auch in den 90 % ihrer Existenz, die sie außerhalb der Gemeinde verbringen, „die Werte und die Kraft des Reiches Gottes zum Ausdruck zu bringen“. Und auch gegen fortwährendes Wachstum lässt sich theologisch nichts einwenden.

Insgesamt ist das Buch eine Mischung aus vernünftigen Thesen (motivierende Leiterschaft, fortwährendes Wachstum, Rationalität, Glauben im Alltag), prinzipiell guten Ansätzen, die inhaltlich bedenklich gefüllt werden (auf Augenhöhe kommunizieren, Wir/Ihr-Trennung überwinden, fundamentalistischen Tendenzen begegnen) und esoterischen Ideen, die mit biblischem Christen­tum nicht viel zu tun haben (die Energie Gottes wiederentdecken, der transpersonalen Dimension Gottes begegnen). Schwarz argumentiert dabei zumeist mit „neuesten Forschungsergebnissen“ aus seinen Umfragen anstatt biblisch-theologisch. Auch vor diesem Hintergrund ist das Buch im Ergebnis nicht wirklich überzeugend.