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Die Prophezeiungen des Nostradamus: zuverlässig oder zweifelhaft?

Die Zukunft ist eines der spannendsten Themen überhaupt. Die einen fürchten sie, die anderen sehnen sie herbei. Die einen erwarten, dass alles immer schlimmer wird. Die anderen erhoffen eine kontinuierlich bessere Welt. Man kann nun einfach blind in die Zukunft hineinleben, neugierig auf das was da kommen mag. In einem gewissen Rahmen ist es aber auch möglich, seine Zukunft und die seiner Umwelt mitzugestalten, beispielsweise durch Entscheidungen, die man heute trifft und umsetzt. Entscheidungen für eine Ausbildung, ein Studium, einen Wohnort oder eine Ehe werden die Zukunft zweifellos stark beeinflussen. Politisches und gesellschaftliches Engagement ist zumeist ebenso auf die Zukunft ausgerichtet, wie der Einsatz in der Gemeinde oder die Erziehung der eigenen Kinder.

Um möglichst alles richtig zu machen, um Fehler zu vermeiden oder um einfach auf zukünftige Herausforderungen eingestellt zu sein, ist es natürlich hilfreich diese zu kennen. Trendforschung, Futurologie oder einfach die täglichen Meldungen der Medien geben Auskunft darüber, was uns allen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft bevorsteht. Manches plant man selbst, manches wird einem durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vorgegeben. Vieles ist naheliegend und absehbar, weil man gegenwärtige Trends einfach in die Zukunft weiterdenken kann. So ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die Mobilität weiter zunimmt, die Kinderzahlen in Europa stagnieren, der Einfluss von Computern und durch Programme künstlicher Intelligenz zunimmt, dass neue Krankheiten auftreten und dass der Einsatz von Verbrennungsmotoren zurückgeht. Bei den nicht ganz so deutlich absehbaren Entwicklungen ist man auf andere Quellen angewiesen. Manche bauen auf Orakel, Astrologie oder Träume. Christen vertrauen den Aussagen biblischer Propheten, was das große Ganze der Zukunft betrifft. Viele Menschen halten auch „Seher“, wie Nostradamus, für zuverlässige Informanten.

Jedes Jahr erscheinen neue Bücher und Artikel über Nostradamus und seine Prognosen für das nächste Jahr und das kommende Jahrzehnt. Zumeist werden dann zuerst der Prophet selbst und seine Lebensgeschichte vorgestellt. Gewöhnlich führt man dann einige verblüffende Beispiele an, wo Nostradamus die Ereignisse seiner Zeit und auch die der jüngsten Vergangenheit erstaunlich exakt vorhergesehen haben soll. Das passt auch irgendwie immer. Wobei wahrscheinlich kaum jemand auf diese Deutungen gekommen wäre, wüsste man nicht schon von den entsprechenden Ereignissen der letzten Jahre. Wer in den häufig rätselhaften, mysteriösen und deutungsoffenen Sprüchen des Nostradamus auf die Suche geht, der findet sicher irgendetwas, das irgendwie mit einem Namen, einem Ort, einer wichtigen Zahl oder einer Erfindung der letzten Jahre in Verbindung gebracht werden kann. Fast immer hat das aber nichts damit zu tun, dass Nostradamus wirklich in die Zukunft schauen konnte, sondern damit, dass man in einem sehr unkonkreten, metaphorischen Text schnell all das finden kann, wonach man sucht. Die erstaunliche Trefferquote des Nostradamus funktioniert deshalb fast ausschließlich für die schon zurückliegenden Ereignisse. Wenn man im längerfristigen Rückblick auswertet, was der französische Seher angekündigt hat, dann tritt sein offensichtliches Scheitern ganz klar zutage.

Der französische Apotheker und Sterndeuter Michel de Nostredame (Nostradamus) lebte zwischen 1503 und 1566. Heute ist er vor allem noch durch seine prophetischen Gedichte bekannt. Schon von Jugend auf interessierte sich Nostradamus für Magie, Okkultismus und Astrologie. Obwohl er sich lebenslang intensiv mit der Sternendeutung beschäftigte, unterliefen ihm bei der konkreten Beobachtung der Planeten und der Erstellung von persönlichen Horoskopen immer wieder grobe fachliche Fehler. Er erlebte mehrere schwere Schicksalsschläge, beispielsweise als seine ganze Familie innerhalb weniger Wochen an der Pest starb. Gelegentlich äußerte er sich kritisch gegen die damaligen Glaubens­vor­stellungen der katholischen Kirche und gegen einzelne Herrscher. Deshalb wurde er auch vor ein Inquisitions­gericht zitiert. In seinen sehr kryptisch formulierten Ge­dichten, die bis heute immer wieder neu gedeutet werden, formu­lierte er klug verschlüsselt seine Kritik an der Kirche und der Politik seiner Zeit. Wahrscheinlich sagen seine Prophe­zeiungen deshalb deutlich mehr über die damalige Welt als über die Gegenwart aus. Manche seiner Verse hatte Nostradamus ohne große Veränderungen aus anderen damals verbreiteten Dichtungen und Prophezeiungen übernommen. Sogar eine zu seiner Zeit vielgelesene Sammlung prophetischer Aussagen katholischer Heiliger, der Mirabilis Liber, lieferte ihm passende Formulierungen. Mit seiner Feststellung „wenn ich tot bin, wird mein Name weltweit leben“, hatte Nostradamus aber eine offensichtlich richtige Prophezeiung abgegeben.1

Ein kleiner Faktencheck

Spannender als die gerade neu herausgegebenen Zukunfts­prognosen des Nostradamus sind die schon zehn oder zwanzig Jahre zurückliegenden Ansagen. Zwischenzeitlich liegt die damalige Zukunft hinter uns und wir können ziemlich genau überprüfen, ob und wo Nostradamus in seiner Deutung der Zukunft recht hatte und wo nicht. Genau zu diesem Zweck möchte ich jetzt aus einem Buch zitieren, dass im Jahr 1999 erschienen ist.2 Darin schreibt Manfred Dimde über die Prophezeiungen des Nostradamus für das 21.Jahrundert. Der Autor wird vorgestellt als „führender deutscher Nostradamus- Experte“. Obwohl Nostradamus als zuverlässige Informations­quelle für die Zukunft präsentiert wird, will man allerdings keinesfalls eine Garantie für die im Buch geäußerten Aussagen übernehmen. Deshalb heißt es schon ganz zu Beginn: „Die Ratschläge in diesem Buch sind vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlages […] ist ausgeschlossen“ (4). Solche Aussagen lassen natürlich auch beim Leser gewisse Zweifel aufkommen – ganz zurecht übrigens, wie sich später zeigt. Wer sich in seinen Entscheidungen während der letzten 20 Jahre nach den im genannten Buch vorgestellten Aussagen gerichtet hätte, der hätte häufig deutlich danebengelegen. Manche Aussagen der Nostradamus in den Mund gelegten Deutungen sind natürlich eingetroffen – vor allem weil sie bereits 1999 absehbar waren. Dazu gehört der islamische Terrorismus oder die zunehmende Technisierung der Gesellschaft.

Deutlich interessanter ist die Weltgeschichte ab 1999, wie sie Nostradamus zufolge hätte ablaufen sollen. Dabei muss man dem Buch zugutehalten, dass es auch vor ganz konkreten Ankün­digungen nicht zurückschreckt.

Schon zu Beginn des 21.Jahrhunders solle demnach ein Zeitalter unbeschränkter Bewegungsfreiheit anbrechen. Jeder könne dann relativ kostengünstig in jedes beliebige Land reisen (43). Die Corona-Einschränkungen der Jahre 2020/21 hatte Nostradamus bei seiner Prognose aber offensichtlich übersehen. Reisen würde, so Nostradamus, zukünftig immer billiger. Schon bald würden die Passagiere mit Flugzeugen von mehr als 1000 Sitzplätzen transportiert (44f.). Zwischenzeitlich aber werden Flugreisen eher teurer und die sehr großen Flugzeuge werden ausgemustert.

Schon bald würden vor allem die europäischen Staaten dazu übergehen, ihren Bürgern alles Lebensnotwendige zum Nulltarif anzubieten, prognostiziert Nostradamus in Dimdes Buch (46). Darauf warten viele Menschen bis heute allerdings vergeblich. Etwa in der Mitte des Jahrhunderts solle die Medizin ein Durchschnittsalter von 120 Jahren ermöglichen. Bereits wenig später könnten die Menschen 300 bis 400 Jahre alt werden und das bei großer geistiger und körperlicher Fitness (48f.). Bis dahin würde man alle Organe des menschlichen Körpers bei Bedarf einfach austauschen können. Ein so rasanter Zuwachs des Lebensalters konnte bislang allerdings, trotz deutlichen medizinischen Fortschritten, nicht beobachtet werden.3 Nostradamus verspricht dann auch, dass es in Europa zukünftig keine Epidemien mehr geben würde (49). Dabei scheint der Prophet Corona entweder übersehen zu haben oder dessen Relevanz zu leugnen.

Spanien würde, Nostradamus zufolge, in der ersten Hälfte des 21.Jahrhunderts eine herausragende wirtschaftliche und politische Stellung einnehmen, in enger Kooperation mit den Ländern Südamerikas. (53, 82f., 88f.). Bislang aber entwickelte sich das Land allerdings eher zu einem Problemfall.4 Auch Weißrussland und die Ukraine sollten in diesen Jahren einen Aufschwung erleben, wovon bisher nichts zu erkennen ist.

Bis 2020 solle sich die UNO in einen westlichen und einen islamischen Völkerbund aufspalten (54). Auch wenn das Datum bereits vorüber ist, deutet sich keine solche Entwicklung an. Bis 2029 solle in Frankreich eine neue Technologie entwickelt werden, die den Menschen Energie in beliebiger Menge fast kostenlos zur Verfügung stellt (62-66). Auch diese Prophezeiung des Nostradamus ist bislang noch nicht absehbar. Bei der derzeitigen kontinuierlichen Verteuerung der Energie würde das sicher begrüßt. Mit einer neuen Technologie solle bis 2011 eine bemannte Raumexpedition zum Mars stattgefunden haben, die das Tor zur weiteren Besiedlung des Weltraums aufstoßen würde, prognostizierte Nostradamus angeblich (70-73). Auch zehn Jahre nach diesem Datum liegt eine von Menschen durchgeführte Reise zum Mars noch immer in der ferneren Zukunft.

2011 hätte es, nach Nostradamus, zu einem kriegerischen Konflikt zwischen Frankreich und England kommen sollen, ausgelöst durch tödliche Attentate auf den amerikanischen Präsi­denten und drei europäische Staatschefs (92). Zwischen 2011 und 2014 sollte es dann, Nostradamus zufolge, zu einem weiteren schwerwiegenden Weltkrieg zwischen den islamischen Ländern auf der einen und den USA sowie Europa auf der anderen Seite kommen (84, 99f.). Dabei sollten die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung, Zweidrittel der Europäer und Dreiviertel der Muslime ums Leben kommen. Besonders hart würde es Großbritannien treffen, wo chemische und atomare Waffen zum Einsatz kämen. Tiere und Pflanzen würden dadurch langfristig verseucht (100f.). Die überlebende Bevölkerung würde infolge der Vergiftungen und Verstrahlungen an kaum zu behandelnden Hauterkrankungen leiden. Japan würde einen Atomschlag knapp überleben, weil noch kurz zuvor eine Raketenabwehr im Weltraum installiert werden konnte (104).

2017 sollte, der Nostradamus-Prophezeiung zufolge, in England das Königtum abgeschafft oder eine neue Königin eingesetzt werden (80). Obwohl die derzeitige Amtsinhaberin Elisabeth II. schon 1999 in recht fortgeschrittenem Alter war und es deshalb eine durchaus große Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung einer solchen Prognose gegeben hatte, ist bisher keines der beiden angekündigten Ereignisse eingetreten.

2018 sollte dann eine grundlegende Neueinteilung Europas vorgenommen werden (84f.). Die Italiener würden ihre Heimat den Muslimen überlassen und fast geschlossen nach Nordeuropa umziehen (81). Gleichzeitig solle der Papst zu einem Kreuzzug gegen die Muslime aufrufen, der zur Zerstörung der Kaaba in Mekka führen würde (102). Bald nach den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen 2011 und 2014 würde der Papst seinen Sitz nach Deutschland verlegen, sagt angeblich die Prophezeiung von Nostradamus. Auch der Staat Israel würde so stark von muslimischen Ländern bedroht, dass die meisten Juden ihren Wohnsitz in Deutschland nehmen würden (105).

Von vielen Prophezeiungen des Nostradamus kann man froh sein, dass sie offenbar nicht eingetreten sind. Die Erfüllung der noch offenen biblischen Prophezeiungen können wir freudig erwarten.

Nostradamus und sein aktueller Interpret, Manfred Dimde, entwarfen in dem hier besprochenen Buch eine durchaus spannende Geschichte der vor der Jahrtausendwende nahen Zukunft. Die phantasiereichen Prognosen haben sich glücklicherweise fast alle nicht erfüllt. Diese weitgehend falschen Zukunfts-Ansagen betreffen übrigens nicht nur Dimes Nostradamus-Interpretation. Auch die meisten anderen Nostradamus-Deuter liegen regelmäßig daneben. V. J. Hewitt und Peter Lorie veröffentlichten beispielsweise 1991 ihre Nostradamus-Prophezeiungen für die 1990er Jahre.5 Demnach hätte 1994 das ganze Nachtleben der französischen Hauptstadt Paris eingestellt werden sollen (52), was nicht stattfand. Der irakische Staatschef Saddam Hussein würde zwischen 1996 und 1999 seine Macht im Nahen Osten ausbauen und Israel bedrohen, wurde vorausgesagt (65). Der Diktator starb allerdings bereits 1996 nach dem Einmarsch der amerikanischen Armee. Zwischen 1996 und 1998 hätte Israel durch arabische Armeen verwüstet werden sollen (70). Für 1993 hatte Nostradamus in Kalifornien ein äußerst schweres Erdbeben angekündigt, an dem hunderttausende Menschen sterben würden (74-85). Wenig später würden riesige Flutwellen weitere Gebiete des Landes verwüsten. Millionen Flüchtlinge würden dann in die angrenzenden US-Staaten fliehen (84-99). Auch das blieb glücklicherweise aus. Im Jahr 1998 würden, dieser Nostradamus- Interpretation zufolge, Außerirdische regelmäßig auf der Erde landen und sich im Fernsehen an die Weltbevölkerung wenden (133f.).

Für die Zuverlässigkeit der „Prophezeiungen“ des Nostra­damus muss man aufgrund dieser und ähnlicher Aus­sagen zu einem eindeutig negativen Urteil kommen. Die bis heute jedes Jahr wieder neu erscheinenden Prophezeiungen des Nostradamus für die jeweils nähere Zukunft sollte deshalb besser gar nicht oder nur mit größter Skepsis zur Kenntnis genommen werden.6

Die Qualität biblischer Prophetie

Im Vergleich zu Nostradamus haben sich zahlreiche biblische Prophezeiungen ziemlich zuverlässig erfüllt.7 Beispielsweise kündigte Daniel zutreffend die zukünftige Herrschaft der Griechen an (Dan 11,1-4; vgl. Sach 9,13). Jesaja sagte den Messias voraus, der ohne Sünde sein würde, für die Schuld der Menschen sterben und trotzdem von ihnen abgelehnt werden würde (Jes 53). Jesus warnte vorausschauend von der nahe bevorstehenden Zerstörung des Tempels in Jerusalem (Mt 24,1+2). Das alles spricht für große Zuverlässigkeit und rechtfertigt ein Vertrauen in die heute noch ausstehenden biblischen Prophetien bezüglich der weltgeschichtlichen Zukunft. Jesus hat versprochen, ein zweites Mal leibhaftig auf die Erde zu kommen, um eine irdische Herrschaft mit einer langen Frie­dens­zeit aufzurichten (Sach 14, 8+9; Mt 29-31; Off 20, 4-6). Schlussendlich spricht er von einem Gericht über alle Menschen. Diejenigen, die von ihm Vergebung der Sünden erbeten haben und mit ihm leben wollen, werden das dann auch für alle Ewigkeit machen (Offb 21). Alle anderen werden an einem gottfernen Ort leiden, weil es ohne Gott keine dauerhaft glückliche und erfüllte Existenz geben kann.


  1. Vgl. Allan Hall: Die geheimen Offenbarungen. Nostradamus, Tosa Verlag Wien 2003, S. 8-23 / Elmar Gruber, Nostradamus: sein Leben, sein Werk und die wahre Bedeutung seiner Prophezeiungen, Scherz Verlag, München 2003, S. 314–348. 

  2. Vgl. Manfred Dimde: Nostradamus. Prophezeiungen für das 21. Jahrhundert, Falken Verlag, Niedernhausen 1997/1999. 

  3. Statistisches Bundesamt: Lebenserwartung in Deutschland nahezu unverändert, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/07/PD21_331_12621.html, 9.7.2021. 

  4. Vgl. Sandra Louven: Krise in Spanien: Warum EU-Milliarden allein nicht zu Wachstum führen, in: Handelsblatt vom 24.2.2021, https://www.handelsblatt.com/politik/international/wirtschaft-in-not-krise-in-spanien-warum-eu-milliarden-allein-nicht-zu-wachstum-fuehren/26933690.html?ticket=ST-505350-rYru5O23iLGhbgIGJBfK-ap3. 

  5. V.J. Hewitt / Peter Lorie: Die unglaublichen Weissagungen des Nostradamus zur Jahrtausendwende, Bertelsmann, Gütersloh 1991. 

  6. Vgl. z.B. Kurt Allgeier: Nostradamus – Was uns in den nächsten Monaten und Jahren bevorsteht, Kopp Verlag, Rottenburg a. N. 2020. 

  7. vgl. z.B. Arnold G. Fruchtenbaum: Handbuch der biblischen Prophetie, Gerth Medien, Aßlar 1993.