Im deutschsprachigen evangelikalen Kontext haben wissenschaftliche Bibelkommentare durchaus Seltenheitswert. Insofern war die Reihe „Historisch-Theologische Auslegung“ von R.Brockhaus/Brunnen längst überfällig und wir wünschen dem Unternehmen größtmöglichen Erfolg.
Gerhard Maier, bisher vorwiegend bekannt als praxisnaher Kommentator (Edition C), ist in diesem handlichen Jakobus-Kommentar eine Synthese aus Wissenschaftlichkeit und Lesbarkeit gelungen. Im Vergleich mit anderen, in mancherlei Hinsicht „erschlagenden Kommentarwerken“ ist es wohltuend, hier bewiesen zu sehen, dass exegetische Präzision und geistliche Anwendung in einem Handkommentar zusammenfließen können. Maier erörtert alle relevanten W-Fragen in einem Vorspann, der etwa ein Fünftel des Buches ausmacht. Nach Textübersetzung, Kontext-, Form- und Gattungsanalyse erfolgt die Exegese jedes Abschnitts im Vers-für-Vers-Rhythmus, wobei der exegetische Ansatz primär historisch zu nennen ist.
Wichtige Praxisanwendungen werden meist in den laufenden Text eingeflochten, die entscheidenden theologischen Fragen (z.B. „Glaube und Werke“) dagegen in drei Exkursen abgehandelt. Maier sucht das Gespräch mit Forschern unterschiedlicher Ausrichtung, bringt die wesentlichen Argumente auf den Punkt und gibt so einen guten Überblick über die exegetische Diskussion. Leider ist die Auseinandersetzung mit der Forschung, die nach 1995 geschah, recht schmal ausgefallen (das verrät auch die Bibliografie am Schluss des Buches). Wer sich für einen knappen Abriss der Auslegungsgeschichte zum Jakobusbrief interessiert, bekommt hier jedoch einen guten Überblick. Und weil linguistische Ausflüge in die griechische und hebräische Sprache überschaubar gehalten sind, dürften auch solche Leser den Roten Faden behalten können, die dieser Sprachen nicht sonderlich mächtig sind.
Gerhard Maier. Der Brief des Jakobus. Wuppertal: Brockhaus 2004. 253 S. Gebunden: 19,90€. ISBN 3-417-29722-2 (Brockhaus) ISBN 3-7655-9722-8 (Brunnen)
Gut gelungen ist die Erörterung der komplizierten Verfasserfrage des Jakobusbriefs. Dabei stellt Maier die wichtigsten Argumente gegen die Verfasserschaft des Herrenbruders fair dar, votiert aber dann gut begründet für den leiblichen Bruder Jesu. Damit entsteht eine wichtige Basis für den historischen „Sitz im Leben“ dieses Briefes. So kann Maier z.B. in der Auslegung von Jak 1 auf die plastische Fischersprache verweisen („Vielmehr wird jeder so versucht, dass er von seiner eigenen Begierde fortgerissen und geködert wird.“ S.77), die ein Verfasser benutzte, der in der Nähe des Sees Genezareth aufwuchs. Im Blick auf die theologische Kernfrage des Jakobusbriefs, dem Verhältnis zu Paulus, wehrt Maier der vielfach wiederholten Kritik, dass Jakobus „stracks wider Paulum und alle anderen Schriften den wercken die Gerechtigkeit“ zuschreibe (so Luther), sondern dass er vielmehr die Zusammengehörigkeit von Glauben und Werken betone.
Von einigen „Kinderkrankheiten“ – wie einer unnötigen Wiederholung (im Exkurs zur Auslegungsgeschichte von Jak 2,14-26 werden etliche Fakten, die bereits in der Einleitung zur Sprache kamen, wiederholt) und kleineren Problemen beim Buchsatz (zweimal der gleiche Satz: S.32f) – abgesehen, haben wir einen handlichen, guten und brauchbaren Kommentar vor uns. Er empfiehlt sich allen, die mit der Verkündigung der Bibel beschäftigt sind (zur Vorbereitung von Predigten, Bibelarbeiten usw.) und dabei nicht nach Seicht-Erbaulichem, sondern klaren biblischen Fakten suchen. Sehr hilfreich ist der Kommentar aber auch für solche, die sich (z.B. als Studenten) eine historisch-biblische Orientierung im Wirrwarr der wissenschaftlichen Auslegungen wünschen.