ThemenThemen der Bibel, Wort- und Themenstudien

Zur Hölle mit der Hölle?

Ob ein höllisch guter Film, ein Höllentrip oder eine Feuerhölle: Wir schreiben am laufenden Band über die Hölle. Doch so viel wir Europäer darüber schreiben, so wenig glauben wir an ihre reale Präsenz. Doch wenn der Tod uns gegenübertritt, kann die Konfrontation mit dem Jenseits dennoch unangenehm ausfallen.

Tod, Jenseits und Teufel – zwischen Mythos, Strategiespiel und realer Angst

Gunther Sachs, dessen selbst gewählter Ausstieg aus dem Leben kürzlich Schlagzeilen machte, hatte fünf Jahre vor seinem Tod ein Interview gegeben. Die Antwort auf die letzte Frage ist bezeichnend:

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein. Wie alle Menschen hoffe ich, dass er schnell kommt. Lieber Formel 1 als SBB. Im Übrigen: Ich glaube nicht an ein zweites Leben und an die Transzendenz der Seele – so wenig wie die meisten meiner Freunde aus der Naturwissenschaft. Alles ist endlich. Warum sollten gerade wir unsterblich sein? Der Gedanke vom ewigen Leben wäre mir unbehaglich.1

Das ist eine ehrliche Antwort: Weil wir uns unbehaglich fühlen, blenden wir den Gedanken vom ewigen Leben – und erst recht von einer ewigen Hölle – aus. Mit diesem Aufsatz verfolge ich deshalb ein doppeltes Ziel:

Zuerst und in der Hauptsache verteidige ich darin die Existenz einer realen, physischen Hölle – einem Ort der Qual für alle, „die Gott nicht kennen“ und „dem Evangelium unseres Herrn Jesus nicht gehorchen“ (2Thes 1,8).

Zweitens ist es mein Anliegen aufzuzeigen, wie mit einer Frage wie dieser überhaupt umgegangen werden kann.

Das sind die fünf wesentlichen Fragen

Aus meinem Berufs­alltag der Er­wach­senen­bil­dung und Beratung heraus weiß ich, dass es für die Klä­rung einer Frage zunächst einmal wesentlich ist, zu wissen, was die genaue Fragestellung ist. Dafür braucht es in der Regel mehrere Anläufe. Was sich am Anfang als Hauptproblem gezeigt hat, rückt oft in den Hintergrund.

Ich habe fünf wesentliche Fragen identifiziert:

  • Die Frage nach Gottes Absicht: Hat Gott über Tausende von Jahren hinweg tatsächlich Milliarden von Menschen geschaffen, um nur einige wenige für den Himmel zu erwählen, während alle anderen ewige Höllenqualen leiden müssen? Wäre das eines Gottes würdig? Wo soll man da von einer guten Nachricht sprechen?2
  • Die Frage nach der Zeit: Was heißt „ewig“?
  • Die Frage nach dem Raum: Ist die Hölle ein realer Ort? Oder ist sie symbolisch zu verstehen?
  • Die Frage nach der zweiten Chance: Wenn Christus in die Hölle hinabstieg und predigte (1Petr 3,19) – gibt es eine zweite Chance nach dem Tod?3
  • Die Frage nach dem Ende: Werden die Unbußfertigen keine ewige Strafe erleiden, sondern vernichtet werden?

Wer sich diese Batterie von Fragen näher ansieht, merkt schnell: Da sind wir auf der ganzen Ebene gefordert. Ich stimme Wittmer zu, der meint: „Es ist unmöglich das Thema der Hölle zu untersuchen, ohne unsere Überzeugungen zur Bibel, über Gott, Sünde, Jesus und die Erlösung zu hinterfragen.”4

Die beiden hilfreichsten Instrumente, um dies zu tun, sind für mich das Zwiebel­modell und der sechsfache Filter.

Die Bibel als Zwiebel

Das Zwiebelmodell bettet Aussagen sorgsam in ihrem biblischen Zusammen­hang ein:

  • Wort, Begriff
  • im Satz
  • im Abschnitt (Sinneinheit)
  • im Buch
  • im Werk des Autors
  • im Alten bzw. Neuen Testament
  • in der Bibel bzw. Heilsgeschichte

Oft geht es um kleine Worte wie z. B. das Wörtchen „ewig“. Bedeutet es einen unabsehbaren, aber begrenzten Zeitraum? Oder trägt es den Sinn von „endlos?“ Nehmen wir als Beispiel den wichtigen Abschnitt Matthäus 25,31-46. Jesus beschreibt dort das Kommen des Menschensohnes zum Gericht („Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm“, V. 31). Er sortiert die Völker wie ein Hirte Schafe und Böcke aus (V. 32), indem er die einen zu seiner Linken, die anderen zu seiner Rechten aufstellt. Zu der einen Gruppe spricht er diese Worte: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ (V. 41)

Es gäbe nun einige Fragen zu beantworten: Wer sind diese Verfluchten? Aufgrund von welchen Kriterien werden sie verurteilt? Wann wird dies geschehen? Eine detaillierte Erörterung sprengt den Rahmen des Aufsatzes. Stellen wir uns einmal auf den Standpunkt: Es ist eine symbolische Darstellung. Die Hölle ist eine Wirklichkeit in uns, wenn wir uns unseren Nächsten verweigern. Das Gericht findet im Jetzt statt. Sie vollzieht sich durch unsere eigene Entscheidung. Um zu diesen Schlussfolgerungen zu gelangen, waren eine Menge an Vorentscheidungen nötig:

  • Das Wort „ewig“ bedeutet hier „einen unabsehbaren Zeitraum“ (wie ist dann aber V. 46 zu verstehen? „Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.“ In diesem Falle wäre auch das ewige Leben im Jetzt und irgendwann einmal zu Ende.)
  • Die Erzählung ist symbolisch aufzufassen. (Das wäre ein Entscheid über die Art und Weise der Erzählung von Jesus, der den Auftritt des Menschensohnes zum Gericht beschreibt. Dabei zieht er das Bild des Hirten als Vergleich heran.)
  • Sie ist in der Gegenwart anzusiedeln. (Schon der weitere Kontext, die Redeeinheit von Matthäus 24+25 mit dem Fokus „Endzeitrede“, ganz zu schweigen vom neutestamentlichen Zeugnis eines Endgerichts, ergäbe dann jede Menge Erklärungsbedarf.)

Diese kurze und unvollständige Behand­lung zeigt auf: Wir müssen einen Begriff in seinem unmittelbaren Zusammenhang, in der ihn umgebenden Sinneinheit, im Buch, im ständigen Vergleich mit dem Werk des Autors, dem Alten und dem Neuen Testament sowie dem gesamten Zeugnis der Heilsgeschichte sorgfältig einbetten. Sonst laufen wir Gefahr, unsere eigene Meinung (die wiederum oft von verschiedenen Impulsen unseres Umfelds geprägt ist) in den Text hineinzulesen.

Das bringt uns zum sechsfachen Filter.

Der sechsfache Filter5

Jede Fragestellung, auch die zur Hölle, können wir durch einen sechsfachen Filter laufen lassen. Jede dieser Filterkriterien (Fragen) trägt etwas zur Lösung bei. Die unterschiedliche Beantwortung der Fragestellungen führen jedoch zu unterschiedlichen Lösungen. Besonders die beiden ersten Fragen beeinflussen das Ergebnis maßgeblich.

  1. Frage: Was steht genau geschrieben?
  2. Frage: Mit welchen Grundannahmen habe ich meinen Filter eingestellt?
  3. Frage: Was sagt die Bibel insgesamt zum Thema?
  4. Frage: Wo gab es in der (Kirchen-)Geschichte schon mal eine identische oder ähnliche Fragestellung? Weshalb? Von wem initiiert? Was waren die mittel- und langfristigen Auswirkungen?
  5. Frage: Was bedeutet dies für die verschiedenen Lebensbereiche (Familie, Beruf, Staat, Kirche)?
  6. Frage: Wie können wir anderen Denkansätzen gegenüber sanftmütig (1Petr 3,15) Rechenschaft ablegen?

Zur Bearbeitung der ersten Frage empfiehlt sich wie oben aufgezeigt das Zwiebelmodell. Die zweite Frage erarbeite ich wiederum beispielhaft.

Die Psychologie hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich Muster bilden. Etwas vereinfacht und schematisiert läuft das so ab: Wir nehmen eine Menge an Impulsen bzw. Reizen auf. Das kann auf verschiedene Weise geschehen, zum Beispiel:

  • Ich sehe mir einen Weltuntergangs-Film an. Irgendwann muss er kommen, der große Tornado. Er wird angekündigt via Fernsehen, und die Leute werden fliehen. Doch sie werden ihm nicht entkommen. So sieht der Topos eines zeitgemäßen Untergangsszenarios aus. Oder lieber etwas „Ice Age“? Die Eiszeit kommt, doch meistens gibt es einen Ausweg.

Solche Impulse, die täglich auf uns einprasseln (und unterschätzen wir die medialen Impulse nicht – der Schweizer schaut täglich zwei Stunden fern) werden gespeichert. Und sie werden – das ist wesentlich – mit Bewertungen versehen. Wir bewerten laufend das, was wir erleben. Das eine ist für uns unangenehm, das andere prickelnd. Etwas langweilt uns, das andere verärgert. Die Menge der Impulse und Erlebnisse verdichten sich in unserem Hirn zu Reaktionsmustern. Ja, sie prägen unser gesamtes Lebensgefühl.

Und jetzt kommt das Wichtigste: Sie prägen nicht nur unser Lebensgefühl, sie entscheiden auch über unsere Handlungen. Sie beeinflussen, wie wir mit anderen reden; welche weiteren Filme wir uns ansehen; wo wir unseren Urlaub verbringen; ob wir die neue Stelle annehmen; ob wir bei der Hausverwaltung Beschwerde einlegen; ob wir weiterhin in den Gottesdienst gehen. Und: Sie prägen unsere Bilder von der Hölle.

Unsere Verstehens­voraussetzungen beeinflussen unsere Handlungen.

Aus diesem Kreislauf Impulse – Be­wertungen – Handlungen speist sich unser Leben. Ich bin von der Feststellung ausgegangen, dass unsere Verstehens­vor­aus­setzungen letztlich unsere Handlungen beeinflussen. Jetzt stelle man sich vor: Du hörst von klein auf, dass nur Fakten objektiv sind. Diese Fakten sind streng von den Bewertungen getrennt. Die Brücke zwischen Fakten und Bewertungen ist nur noch individuell zu schlagen. Das bedeutet für die Hölle: Ob es eine Hölle gibt, ist kein Faktum (weil nicht überprüfbar). Also bleibt nur noch die Seite der Bewertungen, der Gefühle. Und diese Gefühle müssen letztlich positiv-stimmig sein. Warum? Weil wir Glaube vor allem mit positiv-stimmigen Gefühlen in Verbindung bringen. Unser Glaube hat (leider) wenig mit Fakten, sondern mehr mit inneren Erlebnissen zu tun. Darum müssen wir die Bibeltexte, die uns begegnen, mit diesen Gefühlen harmonisieren. So wird die Hölle diesseitig (denn wir hängen an unserem Luxus), jetzig (denn der Spaß im Heute zählt), vorläufig (denn das andere würde unseren freien Willen beschneiden) und damit von uns beeinflussbar.

Das bringt uns zur dritten Frage des sechsfachen Filters: Was sagt die Bibel insgesamt zum Thema?

Das große Bild: Die biblische Heilsgeschichte6

Wir sind eingestiegen mit der Feststellung, dass unsere Vorstellungen von der Hölle von apokalyptischen Vorstellungen, die wir uns im Spiel ausmalen oder im Fernsehen ansehen, gespeist werden. Der Tod naht sich aber jedem von uns, und das macht die Vorstellung von der Hölle unbequem. Wir haben dann die wesentlichen Fragen zur Hölle aus christlicher Sicht zusammengetragen, um zwei Modelle zur Beantwortung dieser Fragen einzuführen. Das Zwiebelmodell verdeutlicht, dass ein sorgfältiger Umgang mit dem Bibeltext unumgänglich ist, um Begriffe, Sätze und ganze Geschichten nicht aus ihrem Zusammenhang zu lösen. Allerdings setzt dies voraus, dass wir in der Bibel objektive Fakten und auch normative Bewertungsmuster erkennen und anerkennen. Das führte uns zur Frage unserer Verstehensvoraussetzungen. Die dritte Frage im sechsfachen Filter beschäftigt sich mit dem großen Bild und damit zur biblischen Heilsgeschichte.

Gott hat uns einen überzeitlichen, überkulturellen, universellen Rahmen zur Deutung der gesamten Geschichte an die Hand gegeben. Es ist sein Drama in vier Akten: Schöpfung, Fall, Erlösung und Vollendung.

Akt 1: Schöpfung

Die Bibel offenbart den Gott, der den Kosmos zu seiner Ehre schuf. Er schuf ihn durch sein Wort aus dem Nichts heraus.

Akt 2: Sünde

Das einzige Geschöpf, das in Gottes eigenem Bild geschaffen worden war, rebellierte gegen ihn und wollte ihm seine Herrlichkeit rauben. Durch diese Rebellion fiel es aus der Gemeinschaft mit Gott und ist in seinem Sein, seinen Gedanken, Worten und Taten verdorben. Allerdings hat es seine Würde nicht gänzlich verloren. Aber in seiner Beziehung zu Gott ist es tot.

Akt 3: Erlösung

Der Kosmos wurde als das Theater für Gottes erlösende Taten geschaffen. Damit steht fest: Die Rebellion gegen Gott war nicht das Enddatum des Menschen. Das Evangelium erklärt, dass Gott, um seine eigene Gerechtigkeit aufrecht zu erhalten, adäquate Bestrafung für Sünde einfordern musste. Während wir noch Feinde waren, errettete Gott uns, indem er ein Opfer darbrachte, das seinen Rechtsansprüchen genügte. Diejenigen, die durch den Glauben Jesus Christus kennenlernen, werden in das Leben der Kirche eingefügt – als Vorgeschmack der Fülle des Lebens in seinem Reich, dessen Erscheinung noch aussteht.

Akt 4: Vollendung

Die Bibel präsentiert die Gewissheit eines Endgerichts, das die Perfektion Gottes und die Herrlichkeit seiner Gerechtigkeit demonstriert. Die Bestimmung des unbußfertigen Sünders ist ewige Bestrafung. Gottes Gerechtigkeit stellt aber auch wieder her. Diejenigen, die „in Christus“ sind, werden absolute Zufriedenheit, Frieden, Ganzheit und Wiederherstellung erfahren.

Dieses große Bild zeigt: Dass Gott Menschen schafft, hat mit seiner eigenen Herrlichkeit zu tun. Er ist Hauptakteur der Geschichte, er schickt sich dem Menschen nach. Er wählt Menschen aus, die er begnadigt. Er hat Geduld, bis er diesen Kosmos richtet. In einem solchen Bild hat eine reale, physische Hölle Platz.

Entspricht dieses Verständnis auch der Sichtweise der Kirchenväter und der Reformatoren? Damit beschäftigen wir uns im nächsten Abschnitt.

Die Hölle in der Geschichte der christlichen Kirche

Nehmen wir es vorweg: Bis ins 19. Jahr­hundert existierte eine einheitliche Sicht­weise.7 Hier und da, außerhalb der theologischen Haupt­strömungen, gab es solche, die davon ausgingen, dass die Bösen letztlich ausgelöscht würden. Noch seltener waren die Vertreter einer universellen Erlösung. Dazu gehörten allerdings einige der wichtigsten Theologen der ersten Jahrhunderte. Der mit Abstand wichtigste davon war Origenes (3. Jh.). Seine Lehre wurde 533 auf dem Konzil von Konstantinopel als Irrlehre verworfen.

Augustinus (354 – 430) war rund 200 Jahre später ein gewichtiger Verfechter einer realen, ewig andauernden Höllenqual. Ein Rezensent aus neuester Zeit fasst es so zusammen:

„Augustinus zeigt sich als überzeugter Fundamentalist, indem er ausführlich jedes Mitleid mit ewig Gequälten zurückweist und wortreich die Ewigkeit der Höllenstrafen verteidigt.“8

In seinem voluminösen Werk „Der Gottesstaat“9, das als erstes geschichts-philosophisches Werk gilt, beschreibt er den Verlauf von zwei Staaten, des Gottes- und des Weltstaats. Im Schluss zeigt er deren Vollendung auf: Das jüngste Gericht (20. Buch), die ewige Höllenstrafe (21. Buch) und die ewige Seligkeit (22. Buch). Neben ausführlichen exegetischen Erläuterungen beschäftigt er sich mit verschiedenen Einwänden v. a. aus den Reihen der Neuplatoniker, welche die Hölle vergeistigten.

Die reformierten Bekenntnisse knüp­fen nahtlos an Augustinus an. Zwei Bei­spiele:

  • Aus der Confessio Augustana von 1539, Art. 17 „Von der Wiederkunft Christus zum Gericht“: „Auch wird gelehrt, daß unser Herr Jesus Christus am jüngsten Tage kommen wird, um zu richten und alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude zu geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und ewige Strafe zu verdammen.“
  • Aus dem Confessio Helvetica Posterior, das 1563 unter der Hauptmitwirkung des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger entstand, Art. 7: „…Wir erklären aber, dass der Mensch aus zwei, und zwar verschiedenen, Elementen bestehe, doch in einer Person: nämlich aus der unsterblichen Seele, die, wenn sie vom Leibe getrennt wird, weder schläft noch stirbt, und aus dem sterblichen Leibe, der immerhin am jüngsten Gericht wieder von den Toten auferweckt werden wird, so dass der ganze Mensch von da an, sei’s im Leben, sei’s im Tode, ewig bleibt.“

Damit liegt es auf der Hand: Die Hölle wurde erst in der Moderne ins Diesseits verlagert:

Die Bibelauslegung – im aufklärerischen Stil – meint keineswegs endlose Strafen, wenn im Hebräischen oder Griechischen „ewig“ stehe; es ist halt als lange Dauer zu verstehen. Und Aussagen über ein künftiges Leben lassen sich nicht machen (Schleiermacher). Diese Einflüsse der Bibelkritik zeigen sich in der Abkehr von den räumlichen Höllenvorstellungen. Ein immer mehr symbolisch-bildhaftes Verständnis der Texte wird sichtbar. Die alten Höllenvorstellungen kommen so nicht oder kaum noch zur Sprache. Es wird nun zunehmend von der Hölle im Diesseits die Rede sein.10

Damit steht fest: Sobald wir die modernen Denkvoraussetzungen übernommen haben, landen wir bei einem symbolisch-diesseitigen Verständnis der Hölle – im Widerspruch zu den altkirchlichen und den reformierten Bekenntnissen.

In den nächsten Abschnitten werden wir Altes und Neues Testament noch detaillierter abklopfen, die wesentlichen systematisch-biblischen Entscheidungen zu­sam­menführen und dann die Fragen grund­sätzlich und im Hinblick auf unsere Gespräche mit Nichtchristen und Christen beantworten.

Altes Testament – eine unklare Vorstellung der Hölle?11

Wer die Bibel sorgfältig liest, merkt, dass Gottes Offenbarung in der Bibel progressiv verläuft. Je weiter sich die Heilsgeschichte entfaltet, desto deutlicher treten die Konturen von Gottes Handeln hervor. Der heilsgeschichtliche Wendepunkt ist im Alten Testament zwar verheißen und angekündigt. Doch erst die Sendung seines Sohnes, sein Opfertod, seine Auferstehung und die dann vom Heiligen Geist in Gang gesetzte Mission machten deutlich, welche Gottes umfassende Absichten waren. So hätten die Propheten gerne gewusst, für welche Zeit sie ihre Voraussagen machten (1Petr 1,10), und Jesus öffnete den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus buchstäblich die Augen, als er erklärte, wie sich das ganze Alte Testament auf ihn bezog (Lk 24).

Das Prinzip der progressiven Offen­barung Gottes lässt sich auch auf unser Thema von Sterben, Tod und Hölle anwenden. In den Grundrissen finden wir sämtliche Themen abgebildet. Schauen wir uns dies anhand von mehreren Beispielen an:

Der Tor, der nicht mit Gott rechnet, stirbt. Das war dem Sänger Asaph, der zur Zeit Davids lebte, klar geworden. Er stellt die Perspektive des Gottesfürchtigen der des Gottlosen gegenüber. Was er zuerst als kaum erträgliche Ungerechtigkeit taxiert hatte, gewinnt erst vom Ende her gesehen ihre wahren Proportionen:

„Wie sind sie so plötzlich zum Entsetzen geworden! Sie haben ein Ende gefunden, sind umgekommen in Schrecken. Wie einen Traum nach dem Erwachen, so verachtest du, Herr, beim Aufstehen ihr Bild. … Doch ich bin stets bei dir. Du hast meine rechte Hand gefasst. Nach deinem Rat leitest du mich, und nachher nimmst du mich in Herrlichkeit auf. Wen habe ich im Himmel? Und außer dir habe ich an nichts Gefallen auf der Erde. Mag auch mein Leib und mein Herz vergehen – meines Herzens Fels und mein Teil ist Gott auf ewig. Denn siehe, es werden umkommen die, die sich von dir fernhalten. Du bringst zum Schweigen jeden, der dir die Treue bricht. Ich aber: Gott zu nahen ist mir gut. Ich habe meine Zuversicht auf den Herrn, HERRN, gesetzt, zu erzählen alle deine Taten.“ (Ps 73,19-28)

Aus diesem Abschnitt geht hervor, dass

  • das Ende des Gottlosen ein schreckliches ist, also nicht alle dasselbe Los ereilen wird.
  • es ein Erwachen nach dem Tod gibt.
  • das Teil des Gottesfürchtigen Gott „auf ewig“ ist.
  • die Gottlosen zum Schweigen gebracht werden (unklar ist dabei, ob damit einfach eine Vernichtung gemeint ist; das lässt sich jedoch nicht schlüssig aus diesem Abschnitt allein ableiten).

Jesaja malt im Rahmen seiner Visionen über die Nachbarvölker Israels ein eindrückliches Bild vom König Babylons, der im Scheol empfangen wird.

„Der Scheol drunten ist in Bewegung deinetwegen, in Erwartung deiner Ankunft. Er stört deinetwegen die Schatten auf, alle Mächtigen der Erde, er lässt von ihren Thronen alle Könige der Nationen aufstehen. Sie alle beginnen und sagen zu dir: „Auch du bist kraftlos geworden wie wir, bist uns gleich!“ In den Scheol hinabgestürzt ist deine Pracht und der Klang deiner Harfen. Maden sind unter dir zum Lager ausgebreitet, und Würmer sind deine Decke.“ (Jes 14,9-11)

Diesem Abschnitt entnehmen wir, dass

  • das Leben nach dem Tod weitergeht.
  • die Gestorbenen sehr wohl wissen, wer ihr Reich aufstört.
  • die Unterschiede jetzt ausgeglichen sind.
  • das Los ein unangenehmes ist.

Was wir aus diesem Auszug nicht eindeutig entnehmen können, ist eine definitive Information, ob sich im Scheol nur die Gottlosen oder auch die Gottesfürchtigen aufhalten.12

Hiob hatte mitten in seiner großen Prüfung (über deren Hintergrund er nicht aufgeklärt war) Auferstehungshoffnung:

„Wenn ein Mann stirbt, wird er etwa wieder leben? – Alle Tage meines Dienstes wollte ich harren, bis meine Ablösung käme! Du würdest rufen, und ich würde dir antworten, nach dem Werk deiner Hände würdest du dich sehnen. Denn dann würdest du zwar meine Schritte zählen, aber gäbest nicht acht auf meine Sünde! Mein Verbrechen wäre versiegelt in einem Bündel, und du würdest meine Schuld zudecken.“ (Hiob 14,13-17, vgl. 19,26)

Noch klarer formuliert es Daniel:

„Und viele, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.“ (Daniel 12,2)

Es gibt zugegebenermaßen wenig Stellen im Alten Testament, die so klar und deutlich von der Auferstehung sprechen. Natürlich muss hier untersucht werden, von wem und von welcher Zeit gesprochen wird. Doch unabhängig davon wird hier a) von einer Auferstehung der Toten und b) von zwei unterschiedlichen Bestimmungsorten und c) von einer ewigen Weiterexistenz gesprochen.

Die schönste Ankündigung ist indessen diese, dass der Tod des Gottesknechts viele zum Leben führen wird:

„Doch dem HERRN gefiel es, ihn zu zerschlagen. Er hat ihn leiden lassen. Wenn er sein Leben als Schuldopfer eingesetzt hat, wird er Nachkommen sehen, er wird seine Tage verlängern. Und was dem HERRN gefällt, wird durch seine Hand gelingen. Um der Mühsal seiner Seele willen wird er Frucht sehen, er wird sich sättigen. Durch seine Erkenntnis wird der Gerechte, mein Knecht, den Vielen zur Gerechtigkeit verhelfen, und ihre Sünden wird er sich selbst aufladen.“ (Jes 53,10-11; vgl. Ps 22)

Damit sind wir an der Schwelle des Neuen Testaments angelangt. Auch hier nehmen wir keine umfassende Analyse vor, sondern beschränken uns auf einige Aussagen von Jesus und auf die letzten Seiten der Bibel.

Jesus sprach am meisten von der Hölle

Der Sohn Gottes, der „um unsertwillen arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden“ (2Kor 8,9), entäußerte sich völlig und nahm die Gestalt eines Sklaven an (Phil 2,7). Er lernte an dem, was er litt, den Gehorsam (Hebr 5,7+8) und flehte darum, dass der Todeskelch an ihm vorübergehe (Mt 26,39). Doch er tat den Willen seines Vaters und ging ans Kreuz, wo er das unvorstellbar Schmerzliche erleiden musste: Von seinem Gott und Vater verlassen zu werden. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46) Mit dem Blick auf das Ziel, viele Söhne zur Herrlichkeit zu führen, ertrug er das Kreuz (Hebr 12,2 + 2,10).

Es war Jesus, der im Blick auf seinen eigenen Kreuzestod am meisten von der Hölle sprach. Sehen wir uns zuerst einen Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium an. Das Evangelium ist von dem Jünger geschrieben, der auf eine einzigartige Weise über die Liebe schreiben konnte.

Denn wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will. Denn der Vater richtet auch niemand, sondern das ganze Gericht hat er dem Sohn gegeben, damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod in das Leben übergegangen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass die Stunde kommt und jetzt da ist, wo die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben. Denn wie der Vater Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, Leben zu haben in sich selbst; und er hat ihm Vollmacht gegeben, Gericht zu halten, weil er des Menschen Sohn ist. Wundert euch darüber nicht, denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorkommen werden; die das Gute getan haben zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben zur Auferstehung des Gerichts. (Joh 5,21-27)

Führen wir uns diese Aussagen klar vor Augen:

  • Es steht im Willen des Vaters, tot und lebendig zu machen.
  • Der Vater plant ein Gericht, das er dem Sohn übergeben hat.
  • Wer glaubt, hat ewiges Leben, und ist vom Tod ins Leben über gegangen.
  • Es gibt eine Auferstehung zum Leben und eine Auferstehung zum Gericht.

Greifen wir noch kurz auf das 3. Kapitel zurück, wo Johannes in einzigartiger Weise Gottes Heilsratschluss darstellt:

Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. (Joh 3,16+17)

So weit sein Heilsratschluss. Alle, die an ihn glauben, werden das ewige Leben haben. Doch dann fährt Jesus fort:

Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. …

Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm. (Joh 3,18+36)

Über allen Men­schen steht der Zorn Gottes. Die einzige Heilsmöglichkeit ist der Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Wer diesem Ruf nicht gehorcht, auf dem bleibt Gottes Zorn. Ein deutliches Zeugnis, das keinen Spielraum für eine Versöhnung aller Menschen lässt.

Jetzt noch zu der Frage, ob die Hölle wirklich ewig sei. Jesus nimmt auch dazu Stellung, am deutlichsten im Mar­kus-­Evangelium:

Und wer einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anlass zur Sünde gibt, für den wäre es besser, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde. Und wenn deine Hand dir Anlass zur Sünde gibt, so hau sie ab! Es ist besser für dich, als Krüppel in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das unauslöschliche Feuer. Und wenn dein Fuß dir Anlass zur Sünde gibt, so hau ihn ab! Es ist besser für dich, lahm in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dein Auge dir Anlass zur Sünde gibt, so wirf es weg! Es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes hineinzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, „wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“. (Mk 9,42-48)

Es gehört zu den häufig zitierten Irrtümern, dass mit dem Ausdruck „gehenna“ die rauchende Abfallhalde im Tal Himnon gemeint sei.

Wiederum ist zu fragen, was genau mit „Hölle“ gemeint ist. Es gehört zu den häufig ­zitierten Auslegungs­irr­tü­­­­­­mern, dass mit diesem Aus­druck „gehenna“ die rau­chende Abfall­halde im Tal Hinnon gemeint sei. Das Bild des Abfalls könnte ein langes, doch nicht ein endloses Qualmen suggerieren. Abgesehen davon, dass der historische Bezug als widerlegt gilt13, schiebt Jesus im Abschnitt selbst dieser Auslegungsakrobatik den Riegel vor: Er spricht deutlich vom „unauslöschlichen Feuer“.

Wir halten fest: Jesus spricht von einem realen Ort der Qual, dessen Schmerz kein Ende kennt. Es gibt insgesamt wenige Stellen, die aber deutlich von einem ewigen Ort der Qual sprechen (Mk 9,48; Mt 25,41+46; 2Thes 1,8; Hebr 9,27; Offb 14,9-13; Offb 20,10-15 vgl. 21,8). Doch dass dem so ist, daran lässt das Neue Testament keinen Zweifel. Vorsichtig sein müssen wir mit den Details. Darüber schweigt die Bibel. Und deshalb müssen wir auch schweigen, ganz unabhängig von den Filmen, Bildern und Assoziationen, die wir entwickeln.

Ende gut, alle(s) gut?

Wir lassen die Briefe außen vor14 und gehen zu den letzten Seiten der Bibel. Die letzte Vision ist die des neuen Himmels und der neuen Erde. Es funkelt von Gold und Edelsteinen. Leid und Schmerz sind gebannt. Wonne und Freude werden Wirklichkeit. Die Frage ist nun: Gilt das für alle?

Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den Feuer- und Schwefelsee geworfen, wo sowohl das Tier als auch der falsche Prophet sind; und sie werden Tag und Nacht gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und ich sah einen großen weißen Thron und den, der darauf saß, vor dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel, und keine Stätte wurde für sie gefunden. Und ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, vor dem Thron stehen, und Bücher wurden geöffnet; und ein anderes Buch wurde geöffnet, welches das des Lebens ist. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben war, nach ihren Werken. Und das Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken. Und der Tod und der Hades wurden in den Feuersee geworfen. Dies ist der zweite Tod, der Feuersee. Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buch des Lebens, so wurde er in den Feuersee geworfen. (Offb 20,10-15)

Ausdrücklich wird hinzugefügt, dass sie dort in Ewigkeit gepeinigt werden.

Der endgültige Bestimmungsort für den Widersacher Gottes und seine Helfer ist der Feuersee. Ausdrück­lich wird hinzugefügt, dass sie dort in Ewigkeit gepeinigt werden (V. 10). Ebenso deutlich ist die Tatsache eines Endgerichts. Alle Toten werden nach ihren Werken gerichtet. Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet ist, kommt ebenfalls in den Feuersee. Einzige Unklarheit: Wird der Tod vernichtet – und damit auch all diejenigen, die darin sind?15

Wer weiter liest, sieht sich damit konfrontiert:

Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein. Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod. (Offb 21,6-8)

Die Bibel lässt keinen Raum für Ende gut, alles gut. Bis zur letzten Seite warnt sie unaufhörlich. Neben dem Angebot der freien Gnade Gottes stellt sie den Sündern einen detaillierten Lasterkatalog und eine definitive Destination vor: Ein ewiges Schicksal im Feuersee (vgl. Offb 20,10).

Aufgrund des Gesamtzeugnisses der Heiligen Schrift verteidige ich deshalb eine physische, qualvolle, ewige Hölle.

Warum wir den Zorn Gottes nicht ausklammern dürfen

Kevin DeYoung hat den Spieß umgedreht und sagt deutlich: Wir brauchen die Lehre der ewigen Bestrafung. Wieder und wieder fänden wir im Neuen Testament die göttliche Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil unserer Heiligung. An Gottes Gericht zu glauben helfe uns mehr wie Jesus zu werden. Er führt acht Argumente an:16

1. Wir brauchen Gottes Zorn, um ehrlich zu bleiben bei der Verkündigung von Gottes Botschaft. Paulus unterhielt sich mit dem Landpfleger Felix über Gerechtigkeit, Selbstbeherrschung und das kommende Gericht (Apg 24,25).

2. Wir brauchen Gottes Zorn, um unseren Feinden zu vergeben. Paulus sagt, wir sollten dem Zorn Gottes Raum geben und nicht uns die Vergeltung anmassen (Röm 12,19).

3. Wir brauchen Gottes Zorn, um unser Leben für Jesus zu riskieren. Die Märtyrer, die ihr Leben für Jesus ließen, schreien zu ihrem souveränen Herrn und fragen, wie lange es noch dauere, bis ihr Blut gerächt werde (Offb 6,10).

4. Wir brauchen Gottes Zorn, um heilig zu leben. Gott lässt sich nicht spotten (Gal 6,6-7).

5. Wir brauchen Gottes Zorn um zu verstehen, was Gnade ist. Göttliche Gnade ohne göttlichen Zorn ist bedeutungslos (siehe Eph 2,3; Joh 3,18; Röm 5,10).

6. Wir brauchen Gottes Zorn, um zu erahnen, wie wundervoll der Himmel ist. Es ist unwahrscheinlich, dass wir nach diesem Ort verlangen, wenn wir nicht wissen, wovon wir gerettet worden sind.

7. Wir brauchen den Zorn Gottes, um motiviert unseren armen Brüdern und Schwestern nachzugehen. Was wir ihnen tun, haben wir Jesus getan (Mt 25,31-46; 1Joh 2,17).

8. Wir brauchen Gottes Zorn, um bereit zu sein für die Rückkehr unseres Herrn.

Fazit: Es geht um die Botschaft des Evangeliums

Ich gehe mit dem Anglikaner J. I. Packer einig. Wir haben das Evangelium zu stark auf den Menschen und seine Befindlichkeit umgedeutet.17 Unsere Harmonisierungsbestrebungen haben eine sanfte Umdeutung des Evangeliums zur Folge gehabt. Inwiefern?18

1. Es geht um unser Got­tes­bild:

Machen wir uns zum Richter über Gott, oder ist er Richter über uns? Wenn es den göttlichen Zorn und die Hölle nicht mehr gibt, dann gibt es nicht mehr viel, außer dass Gott nett zu jedem ist.

2. Es geht um unser Verständnis von Sünde:

Wenn wir sagen, dass ein liebender Gott niemals jemanden für ewig in die Hölle schickt, nehmen wir damit an, dass niemand verdient dort zu sein. Gott ist berechtigterweise zornig über unsere Sünde. Wir stehen unter seinem Zorn, wenn nicht das stellvertretende Opfer von Jesus uns vor diesem Zorn schützt.

3. Es geht um unser Verständnis von Gnade:

Wir benötigen seine spezielle Gnade – um ihn zu erkennen und gerettet zu werden.

Diese Kontroverse ist wichtig

Bei der Frage der Hölle geht es um viel; es geht um den Kern des Evangeliums. Michael Horton bringt es auf den Punkt:

Du brauchst nur dann einen großen Erlöser, wenn Gott wirklich so heilig ist; sonst benötigst du einen Coach, einen Therapeuten oder einen CEO.19

Weil es ums Eingemachte geht, lohnt sich die Kontroverse. Spener hat gesagt:

Obwohl die Kontroversen weder das einzige noch das wichtigste sind; sie gehören freilich mit zur Theologie und wir sollen nicht nur wissen, was wahr ist, um demselben folgen zu können, sondern auch, was falsch ist, um demselben zu begegnen.20


  1. Ich glaube nicht an ein zweites Leben. Tages-Anzeiger vom 9. Mai 2011. http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/leute/-Ich-glaube-nicht-an-ein-zweites-Leben/story/14659583 

  2. Tim Challies. Die Liebe siegt? http://www.theoblog.de/die-liebe-siegt-eine-buch­besprechung-uber-%C2%BBlove-wins%C2%AB-von-rob-bell/11676/ (11.05.2011)  

  3. Auf diese Frage gehe ich in diesem Aufsatz nicht ein. Eine gute Analyse liefert Jürgen Kuberski. Eine „Höllenfahrt Jesu?“ Bibel­bund-Verlag: Gefell 2008. 

  4. Michael E. Wittmer. Christ alone: An Evangelical Response to Rob Bell’s Love Wins. Edenridge Press 2011. S. 3. 

  5. Abgeleitet aus Thomas Schirrmacher. Plädoyer für eine alternative Ausbildung. MBS Texte 13. Martin Bucer Seminar: Bonn 2004. 

  6. Für diesen Abschnitt habe ich Anleihen gemacht bei Albert Mohler. The Christian Worldview as Master Narrative (Serie). http://www.albertmohler.com (11.05.2011). 

  7. Vgl. Richard Baukham. Universalim: A Historical Survey. http://www.theologicalstudies.org.uk/article_universalism_bauckham.html (11.05.2011). 

  8. Christian Köllerer. Augustinus „Der Gottesstaat“. http://www.koellerer.de/augustinus.html (12.05.2011). 

  9. Aurelius Augustinus. Der Gottesstaat. dtv: München 2007. Weiter noch als Augustinus geht Gregor der Grosse. Er entwickelt unter Rückgriff auf Schrift und Vernunft sowie Visionen konkrete Vorstellungen der Hölle mit Schwefel etc. Siehe Gerhard (Theologe) Krause, Gerhard (Bischof) Müller. Theolo­gische Realenzyklopädie. Bd. 8. De Gruy­ter: Berlin/New York 1993. S. 450. 

  10. Antje Rösler. Die Frage nach der Hölle. http://www.seggeluchbecken.de/projekt/pro-02.htm (11.05.2011); Hervorhebung von mir. 

  11. Einen guten Einblick in „Leben und Sterben im Alten Testament“ gibt Hans Walter Wolff. Anthropologie des Alten Testamentes. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2010. S. 152-176 

  12. Die Frage, was mit „Scheol“ gemeint ist, kann nur mit einer Wortstudie beantwortet werden. Eine gute Übersicht wird in Kenneth D. Boa. Rober M. Bowman Jr. Himmel und Hölle. Cap-books: Haiterbach-Beihingen 2010, S. 33-46, gegeben. 

  13. Siehe Kenneth D. Boa. Rober M. Bowman Jr. Himmel und Hölle. A. a. O. S. 44. 

  14. Wer sich näher damit auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich folgende Abschnitte zum genaueren Studium: 1. Korinther 15,12-28; 2. Thessalonicher 1,3-10; 2. Petrus 3,7-14. 

  15. Wer sich näher damit beschäftigen möchte, der lese die Zusammenfassung der bri­tischen Evangelischen Allianz. Nach jahrelangem Streit wurde der Konsens der Theologen in wenigen Zeilen festgehalten. Besonders lesenswert sind die letzten Punkte, die zu einer achtsamen Kommunikation mahnen. http://www.eauk.org/theology/acute/upload/THE%20NATURE%20OF%20HELL%20Concusions%20&%20recommendations%20(final).pdf (22.06.2011). 

  16. Kevin DeYoung. To Hell With Hell. http://thegospelcoalition.org/blogs/kevindeyoung/2011/02/26/to-hell-with-hell/ (25.05.2011). 

  17. J. I. Packer. A Quest For Godliness. Crossway: Wheaton 1990. S. 130. 

  18. Vgl. Trevin Wax. http://trevinwax.com/ 2011/05/04/christ-alone-mike-wittmers-response-to-love-wins/ (16.05.2011). 

  19. Collin Hansen. Young, Restless, Reformed. Crossways: Wheation 2008. S. 82. 

  20. Philipp J. Spener. Pia desideria. Brunnen-Verlag: Giessen 1995. S. 16.