Woran denkt Paulus, wenn er das Bild vom Wohlgeruch Christus in 2Kor 2,14-16 benutzt? Ist hier an die Opfer gedacht, die öfter ein „lieblicher Geruch“ genannt werden (z.B. 3Mo 1,9, Hes 20,41 u.ö.) und worauf Paulus auch in Eph 5,2 und Phil 4,18 anspielt?
Schaut man sich die Verse im 2Korintherbrief genau an, dann ist offensichtlich, dass Paulus an dieser Stelle mindestens nicht ausschließlich den lieblichen Geruch der Opfer, die in der Rede des Alten Testaments angesprochen sind, im Sinn haben kann. Das wird daran deutlich, dass die verschiedenen Ausdrücke „Duft seiner Erkenntnis“, „Wohlgeruch Christus“, „Geruch des Todes“ und „Geruch des Lebens“ noch ganz andere Aspekte ansprechen. Der angenehme Geruch des Opfers im Alten Testament ist allein für Gott selbst bestimmt. Darum steht der Räucheraltar auch im heiligen Bereich, der nur für den Priester zugänglich ist. Auch das Räucherwerk in Offenbarung 5,8, das die Ältesten im Himmel bringen und das die Gebete der Heiligen darstellt, richtet sich allein an Gott.
Das Bild des siegreichen Feldherrn im Triumphzug
Der gute Geruch der Erkenntnis Christus aber soll sich überall ausbreiten und ist dazu bestimmt, dass Menschen erkennen, dass Christus der Retter ist und seine wunderbare Rettungstat der einzige Weg zu Gott. So spricht ja Paulus in diesem Zusammenhang eindeutig von seinem und unserem Auftrag der Verkündigung in dieser Welt. Paulus hat hier also offenbar noch ein anderes Bild im Sinn. Am ehesten scheint mir das, das Bild des siegreichen Feldherrn zu sein, der mit seinen Soldaten nach der entscheidenden Schlacht zurückkehrt. Vor den Toren Roms etwa sammelte sich das zurückgekehrte Heer, um sich vom Schmutz des Kampfes und der Wegstrecke zu reinigen und dann in der besten Uniform in die Stadt einzuziehen. Im Zug wurden Gefangene mitgeführt, die entweder ihre Ehrerbietung und Unterwerfung zum Ausdruck brachten oder auch, weil sie zu Unterwerfung nicht bereit waren, am Ende des Triumphzuges hingerichtet wurden. Den römischen Zug umgab eine Wolke von guten Gerüchen und sein Ziel war ein Opfer am Jupitertempel.
Wie Paulus in Epheser 6 die römische Rüstung zum Vorbild der geistlichen Waffenrüstung nimmt, so wird auch der römische Triumphzug zu einem Bild für den Sieg Christus. Nach seiner Auferstehung ist auch Christus im Triumphzug über diese Erde unterwegs. Es ist der Triumphzug des Evangeliums, das Tote zu Lebenden macht und Menschen aus der Verlorenheit der Sünde herausrettet. In diesem Triumphzug gehen alle Geretteten mit und sind dabei selbst Überwundene (Kol 2,15) und als solche zugleich Verkünder des Sieges ihres Herren Jesus Christus über Hölle, Tod und Teufel. Vielleicht spielt Paulus hier auf den Geruch an, weil dieser sich unaufhaltsam und durchdringend verbreitet. Er kann von Mauern nicht aufgehalten werden und erreicht jeden Menschen. Den Wohlgeruch, der vom Sieg des Christus ausgeht, identifiziert Paulus mit sich und seinen Mitchristen. Jeden, denen der Geruch erreicht, fordert er zur Stellungnahme heraus. Beugt er sich für den Sieger Jesus Christus und erkennt sein Rettungswerk an, dann ist ihm der Geruch ein Geruch zum Leben. Bleibt er aber im Widerstand, dann verkündigt ihm der Geruch den kommenden Tod im Gericht Gottes. Dass Paulus an dieses Bild vom römischen Triumphzug denkt, wird auch daran deutlich, dass er vor der Konsequenz seiner Gedanken erschrickt. „Wer aber ist dazu fähig?“.