ThemenFrage & Antwort, Wort- und Themenstudien

Waren Gläubige vor Pfingsten wiedergeboren?

Heilsgeschichte ist die Geschichte des Heils. Der Mensch hat seit dem Sündenfall kein Heil. Er ist darauf angewiesen, dass Gott es ihm vermittelt. Gottes Weg, dem Menschen das Heil zu vermitteln, war der Heiland. Er in Person ist das Heil des Menschen (Jes 49,6; 52,10; Lk 2,29-32; 3,6; Apg 13,47; 28,28).

Kann es auch vor der Ausgießung des Heiligen Geistes schon Wiedergeborene geben, die doch aus dem Geist neu geboren werden müssen?

Antwort:

Im Alten Testament ist nichts davon zu lesen, dass Menschen eine Wiedergeburt erlebten.1 Aber als Verheißung wird sie (sinngemäß) erwähnt in Hes 36,26.27:

„Und ich gebe euch ein neues Herz, und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres, und das Herz von Stein nehme ich aus eurem Fleisch weg, und ich gebe euch ein Herz von Fleisch. Und meinen Geist gebe ich in euer Inneres. Und ich mache, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte wahrt und sie tun werdet.“

Offensichtlich war die Wiedergeburt selbst zu jenem späten Zeitpunkt alttestamentlicher Geschichte2 immer noch keine Wirklichkeit, immer noch Hoffnungsgut.

Paulus nimmt in 2Kor 3,2.3.6 auf Hes 36,26.27 (und 11,19; vgl. Jer 31,33.) Bezug. Der neue Dienst ist der Dienst des Geistes. Er steht im Gegensatz zum Dienst des Buchstabens. Ähnlich Röm 7,6: Wir „dienen im Neuen, im Geist, nicht im Alten, dem geschriebenen [Gesetz].“

Wenn Paulus Hes 36 mit dem neuen Dienst des Geistes in Verbindung bringt, wird deutlich, dass Hes 36 seine Erfüllung erst im NT hat. Folglich können das „neue Herz“ und der „neue Geist“ nicht etwas sein, das der alttestamentliche Heilige bereits hatte.3

In Gal 3,11, Röm 1,17 und Hebr 10,38 nimmt der neutestamentliche Schreiber auf Hab 2,4 Bezug, wo vom Leben die Rede ist: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“

Das Gesetz konnte nicht Leben vermitteln (Gal 3,11.12.21.22). Das alttestamentliche Volk Gottes stand zu Gott in einer Beziehung der Knechtschaft. Erst als die Zeit erfüllt war (Gal 4,4), sandte Gott den Heiland, den Heilsbringer, der kam, um von der Knechtschaft der Sünde freizukaufen (Gal 4,5; Joh 8,31-36) und in die Sohnesstellung zu versetzen. In ihm haben sie das Leben, in ihm sind sie Söhne (Gal 3,26; 4,5-7; Röm 8,15).

Das Leben ist im AT noch Gegenstand der Verheißung. Göttliches Leben zu haben, war im AT etwas Zukünftiges (Hab 2,4). Im Gesetz war Leben nicht zu erlangen (Gal 3,21). Das Leben ist „in Christus Jesus“ (2Tim 1,1.10). Die Verheißung Habakuks hat sich in der guten Botschaft des Christus erfüllt, sagt Paulus (Röm 1,16.17): Die gute Botschaft „ist Kraft Gottes zum Heil einem jeden, der glaubt, … denn die Gerechtigkeit Gottes wird darin geoffenbart: aus Glauben zu Glauben, so wie geschrieben ist: Der Gerechte wird aus Glauben leben“.

Das Heil kann nur dem gegeben werden, der mit der Heils-Person verbunden ist.

Das Heil, das Leben, kann nur dem gegeben werden, der mit der Heils-Person verbunden ist. Wie muss die Verbindung aussehen? – Es muss eine Lebensverbindung sein, das heißt, das Leben der Heils-Person muss in dem glaubenden Menschen gleichsam „pulsieren“. Anders kann man nicht Leben aus Gott haben. Jesus sagte in Joh 6 und 14, dass diese Lebensverbindung für den Glaubenden noch zukünftig sei. Erst ab Pfingsten sollte sie für den Jünger von Jesus Wirklichkeit werden. Joh 14,19.20:

„Noch ein Kleines, und die Welt schaut mich nicht mehr. Aber ihr schaut mich: Weil ich lebe, werdet auch ihr leben. An jenem Tage werdet ihr in Kenntnis sein, dass ich in meinem Vater [bin] und ihr in mir [seid] und ich in euch [bin].“

Wären die Jünger von Jesus schon vor Pfingsten wiedergeboren gewesen, hätte Jesus Christus nicht sagen können: „Ihr werdet leben“ (V. 19). Sie hätten das Leben bereits gehabt.

Joh 6,51-58 erklärt der Herr den Jüngern, dass sie ihn, das lebende Brot, erst essen könnten, sobald er sein Fleisch gegeben hätte für das Leben der Welt. Erst derjenige, der von diesem Brot gegessen hat, „wird leben“ (V. 51).

Dieses Leben war für die Jünger von Jesus noch zukünftig. „So wie der lebende Vater mich sandte und ich des Vaters wegen lebe, [so] auch der, der mich isst: Auch derjenige wird leben um meinetwillen.“ (6,57, vgl. 6,58; 5,40; 4,14.)

Wie sollte dieses Leben möglich werden? – Durch den Geist, „der lebend macht“ (Joh 6,63; vgl. 7,37-39; 2Kor 3,6).

Um Leben und Heil zu haben, muss man mit dem, der das Leben und Heil ist, gleichsam „organisch“ verbunden sein. So mit Gottes Leben verbunden sein kann nur der, der durch den Glauben zusammen mit der Heils-Person mit-gestorben und mit-auferstanden ist. (Vgl. Röm 6,6-10; Gal 2,19.20.) Gottes Leben kann nur mitgeteilt werden durch den, der selber im Tode war und auferstanden ist, der Erstling der Entschlafenen. Daher kann der Mensch nur in Christus Leben haben.

Wiedergeburt ist Eingang ins Leben. Das Leben – und das Heil – wurde durch die Heilstat des Christus erwirkt. Ohne Heiland kein Heil. Ohne Auferstehung des Christus kein Auferstehungsleben. Die alttestamentlichen Gläubigen waren nicht in Christus.

Heilsvorbereitung und Heilsvollendung

In Christus sein kann man erst seit Pfingsten. Das ist der große Unterschied zwischen der Zeit der Heilsvorbereitung und der Zeit der Heilsvollendung.

Die Zeit des alten Bundes vor dem Kreuz ist die Zeit der Heilsvorbereitung. Mit dem Kommen des Messias kam die Zeit der Heilsvollendung. Jetzt – seit Pfingsten – ist die Zeit des Heils (2Kor 6,2), die im AT vorausgesagt worden war (Jes 12,2.3; 51,6.8; 52,10; 62,1.11; Ps 98,2.3). Als Simeon Jesus sah, sah er Gottes Heil (Lk 2,29-32). Mit dem Kommen von Christus brach der Tag des Heils an. Der Erhöhte goss den verheißenen Geist aus (Apg 2,33), der das am Kreuz erwirkte Heil nun auf die Glaubenden anwendet. Die Propheten hatten diese Zeit vorausgesehen: „Ich werde euch ein neues Herz geben“ (Hes 11,19; 36,26). Ab Pfingsten wird das Heil verkündet (Jes 52,7; Röm 10,12-15; Joel 3,5). Alle können das Heil in ihm haben, alle können durch Glauben und aus Gnaden das göttliche Leben empfangen, „in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Röm 6,23). Wer den Sohn hat, hat das Leben. Wer den Sohn nicht hat, hat nicht das Leben. (1Joh 5,12)

Leben, Wiedergeburt, „Erneuerung“ geschehen durch den Geist (Joh 3,3.5; Tit 3,5-7). Der kam erst, als Jesus verherrlicht war (Joh 7,39). Wer nicht im Geist ist, kann nicht Leben haben, nicht wiedergeboren sein (Röm 8,9.10.15).

Der Geist kam zwar auch im AT, aber beschränkt: nur auf wenige einzelne Heilige, nicht bleibend, nicht in vollem Maße; und vor allem: er kam nicht in dem Sinn, wie er zu Pfingsten kam, nämlich, um das am Kreuz erwirkte Heil im Gläubigen zu bewirken und Leben zu vermitteln. Deshalb ist Pfingsten ein entscheidendes Ereignis in der Heilsgeschichte.

Hätte der Geist schon im AT wie seit Pfingsten die Wiedergeburt geschenkt, hätte Pfingsten seine Bedeutung als Erfüllung der Verheißung des Vaters (Apg 1,4; 2,33), die von Jesaja bis Jesus angekündigt wurde (Jes 32,1.15; 44,3; Hes 39,29; Joel 3,1-5), verloren.

Wahres Leben vor Pfingsten war Hoffnungsgut.

Wahres Leben war vor Pfingsten Hoffnungsgut, Verheißungsgut. (Vgl. Mk 10,17; Lk 10,25; 18,18; Tt 1,2; 2Tim 1,10.) Das Gesetz konnte weder Leben (Gal 3,21) noch Sohnesstellung (Gal 3,26; 4,5-7; Röm 8,15) verleihen. Als Christus auferstanden war, sandte er den „Geist, der lebend macht“ (Joh 6,63; 2Kor 3,6).

Das Spezifische an der Zeit der Heilsvollendung ist, dass das Leben Gottes, und damit das Heil Gottes, nun erschienen ist (1Joh 1,1.2):

„Das, was von Anfang war, das, was wir gehört haben, das, was wir mit unseren Augen gesehen haben, das, was wir anschauten und unsere Hände betasteten, – [es betrifft] das Wort des Lebens, und das Leben wurde geoffenbart, und wir haben gesehen und bezeugen und berichten euch: das ewige Leben, das beim Vater war und uns geoffenbart wurde“.

Das Spezifische an der neutestamentlichen Zeit, der Zeit der Heilsvollendung, ist, dass der Mensch, der in Christus ist, lebt (Eph 2,5), und zwar im Himmlischen (2,6). Das konnten vorher nur diejenigen, die bereits gestorben (also im Himmel angekommen) waren, nicht aber die Heiligen auf Erden.

Alttestamentliche Heilige wie Simeon hatten zwar Vergebung, aber weder Leben noch Heil.

Die alttestamentlichen Gläubigen

Hebr 10 ist eine wichtige Stelle, um alttestamentliche Gläubige zu verstehen. Die Verse 10,1.2.11 zeigen, dass echte Vergebung – und damit tatsächliche Rechtfertigung – damals nicht möglich war.

Blut von Böcken und Stieren kann nicht Sünde wegnehmen. Das betont der Hebräerbrief immer wieder, um zu zeigen, wie wichtig das Selbstopfer von Jesus war. Bis dahin bleiben die Sünden. Nun argumentiert der Schreiber: Wenn die Sünde nie richtig weggetan wurde, kann man auch nicht von einem wirklich gereinigten Gewissen sprechen. Nach V. 2 ist es unerheblich, wie viel man geopfert hat. Man erlebte nicht ein gereinigtes Gewissen, wie wir es heute kennen.

Wie verhält es sich dann mit der Rechtfertigung Abrahams?

Wie verhält sich aber eine solche Stelle zu Ps 32 oder etwa 1Mo 15,6, wo es heißt, dass Abraham gerechtfertigt wurde? – Solche Texte muss man alle zusammennehmen. Nach Röm 3 ist die Rechtfertigung erst mit dem Tod von Christus möglich (und gemäß Röm 4 ist Vergebung Rechtfertigung). Und nach Hebr 10,2 ist Vergebung nur möglich, nachdem Jesus gestorben ist. Folglich ist die Vergebung, die David in Ps 32 erlebt, prophetischer Art, ebenfalls die Rechtfertigung von Abraham in Röm 4. „Prophetischer Art“ heißt, die Vergebung wird ihnen gutgeschrieben. Man kann es mit einem Bankkonto vergleichen, auf dem ein Betrag gutgeschrieben wird. Die eigentliche Sünde ist zu jener Zeit noch nicht weggenommen; doch auf Grund ihres Glaubens wird ihnen die rechtfertigende Vergebung zugesichert. Das Eigentliche sollte noch kommen. Gott zeigte Langmut, bis der Sündenträger kam (Röm 3,25.26).

Davids „Vergebung“ – und Zurechnung von Gerechtigkeit – in Ps 32 ist eine duldende Haltung Gottes im Blick auf seinen Glauben, dass der Messias kommen werde. Auf Grund der Messiasverheißung hatte David – im vorläufigen Sinne – Vergebung und konnte sich damals schon freuen.

Bedenken wir aber: Was der Hebräerbrief dazu sagt, ist Tatsache: Die alttestamentlichen Gläubigen haben nicht erlebt, was wir Neutestamentliche erleben. Wir sollten dieses große Vorrecht der Entlastung unseres Gewissens nie geringschätzen! Das konnte der Heilige Geist erst bringen, nachdem das Opfer von Jesus Christus wirklich geschehen war.

Dem Glaubensvater Abraham wurde die Gerechtigkeit auf Grund seines Glaubens zuerkannt. Er wurde als ein bei Gott in Gnaden Stehender behandelt, als einer, der eines Tages das Heil erben würde. Heil und Leben gehörten zu dem künftigen verheißenen Erbe. Heil und Leben waren für ihn noch Hoffnungsgut, nach dem er sich „ausstreckte“ (Hebr 11,15; vgl. 6,12ff.). Er hatte kein Heil im messianischen Sinne.

Auch Jakob hatte das Heil nicht, obwohl Gott ihm seine Sünden vergeben und aus Jakob „Israel“ gemacht hatte: „Herr, ich warte auf dein Heil“ (1Mo 49,18). Wahres Heil war im AT Gegenstand der sehnlichen Erwartung. (Vgl. Ps 14,7; 53,7; 119,123.166.174; Jes 25,9; 26,18.)

Der „Heiland“ wurde erst in Bethlehem geboren und bekanntgegeben. Erst mit ihm kam „das Heil“. (Vgl. Lk 1,68-79; 2,29-32; 3,6; Joh 8,31-36; 2Tim 2,10.)

Das „Eingehen ins Leben“

Für den alttestamentlich Gläubigen bedeutete „ins Leben eingehen“ (Mt 18,8.9; 19,17; Mk 9,45) so viel wie zukünftig „Leben“ zu haben (Mt 19,16; Lk 10,28) bzw. Leben zu erben (Mk 10,17; Lk 10,25; 18,18). Leben zu haben war für ihn nur durch das Sterben möglich. Der Begriff „ins Leben eingehen“ (Mt 18,8.9; 19,17; Mk 9,45) bedeutete so viel wie „ins Königreich eingehen“ (Mt 19,23-25; Mk 9,47). Das „Erben des Lebens“ wird hier gleichgesetzt mit dem Eingang „ins Leben“ und das wiederum mit dem Eingang „ins Königreich“; auch mit „gerettet werden“ (19,26) und Empfangen des „ewigen Lebens“ (19,30).

Wenn Menschen vor Pfingsten vom „Erben des Lebens“ sprachen, meinten sie also einen zukünftigen Zustand bzw. ein zukünftiges Empfangen des Lebens. Der Eingang in die Ewigkeit ist für glaubende Menschen, die vor Pfingsten leben, der „Eingang ins Leben“ bzw. ins „Königreich Gottes“.

Aus diesen Versen wird ersichtlich, dass das Eingehen ins Leben (und damit auch die Erneuerung/Wiedergeburt) für die Jünger von Jesus noch in der Zukunft lag. Folglich konnten sie zu jenem Zeitpunkt nicht wiedergeboren sein. Die Erneuerung des inneren Menschen liegt für den vor Golgotha lebenden Gläubigen in einer Zukunft, die der Messias bringen würde. Die Bedingung zum Eingehen ins Leben ist die Geburt aus Gott (Joh 3,5). Nikodemus hätte darüber Bescheid wissen müssen (3,10), da er Hes 11,19 und 36,26.27 kannte.

Wann bekamen alttestamentliche Gläubige das Leben?

Solange sie auf Erden lebten, hatten sie es nicht. Dass sie aber zum Zeitpunkt ihres Todes nicht verloren gingen, zeigt Hebr 11,40. In Lk 20,38 sagt Jesus, dass die verstorbenen Heiligen „Lebende“ sind, solche, die „ihm leben“: „Er ist aber nicht Gott von Toten, sondern von Lebenden, denn alle leben ihm.“

Die frommen Verstorbenen kamen ins Paradies.

Die frommen Verstorbenen kamen ins Paradies. (Vgl. Lk 23,43; vgl. 16,22-26.) Im Paradies zu sein, bedeutet, zu leben. (Siehe die Beweisführung oben.) Das Leben, das sie dort haben, ist das wahre Leben. Es gibt im Himmel kein anderes Leben. Es gibt dort nicht zwei verschiedene Qualitäten von Leben. Also kann nur gemeint sein, dass jene verstorbenen Heiligen das ewige Leben haben. Im Himmel leben alle ihm (Lk 20,38). Dort kann der Mensch – auch der alttestamentliche – nur leben, wenn er Teil hat am Leben Gottes, der die Quelle des Lebens ist (Offb 22,1.2). Wer im Himmel angekommen ist – auch der alttestamentliche Heilige –, hat das Heil und damit auch das Leben.

Wiedergeburt ist Eingang ins Leben. Die alttestamentlichen Heiligen gingen ins Leben ein, als sie zum Herrn gingen, im Augenblick des Todes. Ihr Eingang ins Leben war ihre Erneuerung. Daher war Lazarus im Schoß Abrahams bereits wiedergeboren, aber als er noch auf Erden lebte, noch nicht.

Wir – die neutestamentlichen Heiligen – leben vor dem Sterben schon im Himmlischen (Eph 2,1.4-6), die alttestamentlichen erst mit dem Sterben.

Wiedergeburt ist das spezifisch Messianische, das Neue, das zum messianischen Königreich Gehörende. Dieses Neue, das Heil in Christus, wird erst durch die Ausgießung des Geistes am Pfingsttag verwirklicht – und seither in jedem Menschen, auf (und in) welchen der Geist ausgegossen wird.

Hatte Israel nicht schon im AT die Sohnschaft und war daher wiedergeboren?

Hatte Israel nicht schon im AT die Sohnesstellung? Die Sohnesstellung (Röm 9,4) hatte Israel als gesamtes Volk: 2Mo 4,22; Hos 11,1. In diesem Sinne waren sie kollektiv Gottes „Sohn“ und er Israels Vater (5Mo 32,6.7); nicht aber waren sie individuell wiedergeboren. Der Israelit konnte Gott nicht seinen persönlichen Vater nennen. Und Gott nannte den Israeliten nicht seinen Sohn. Die Sohnesstellung4 empfängt der einzelne Israelit erst durch den Messias: Gal 4,3-5; Eph 1,5; Röm 8,15. Insofern hat die alttestamentliche „Sohnesstellung“ des Gottesvolkes nichts mit dem Thema „Wiedergeburt“ zu tun.

Spricht nicht Joh 5,24.25 von einer gegenwärtigen Stunde?

„Wahrlich! Wahrlich! Ich sage euch: Der, der mein Wort hört und dem glaubt, der mich schickte, hat ewiges Leben. Und er kommt nicht in Gericht, sondern ist hinübergegangen aus dem Tode in das Leben. Wahrlich! Wahrlich! Ich sage euch: Die Stunde kommt – und sie ist nun da –, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die, die sie gehört haben, werden leben“

Welchen Zeitpunkt meinte unser Herr? Meinte er, dass Menschen bereits vor Pfingsten aus dem Tode ins Leben hinübergehen würden? Konnten die an ihn Glaubenden aus dem Tode ins Leben gehen, ehe der Herr den Tod überwand und der „Erstgeborene von den Toten“ (Off 1,5) wurde?

Der weitere Kontext gibt Aufschluss:

Joh 6,27 spricht er von der Zukunft („geben wird“): „Wirkt … für die Speise, die ins ewige Leben bleibt, die der Sohn des Menschen euch geben wird ….“ Wie wird Jesus für die Welt Lebensbrot?

6,50.51: „Dieses ist das Brot, …, damit man von ihm esse und nicht sterbe. 51 Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel niederkam. Wenn jemand von diesem Brot gegessen hat, wird er leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt. … 53 … Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst und sein Blut trinkt, habt ihr nicht Leben in euch selbst. … 57 So wie der lebende Vater mich sandte und ich des Vaters wegen lebe, [so] auch der, der mich isst: Auch derjenige wird leben um meinetwillen.“

Wann kann man essen und leben? – Erst, nachdem der Herr sein Fleisch und sein Blut gegeben hat und der Heilige Geist (6,63) gekommen ist (7,38.39).

Was bedeutet das für Joh 1,12?

„So viele ihn aber annahmen, denen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben“.

Die Tatsache, dass man in der Zeit vor Pfingsten nicht von neuem geboren werden konnte, ist wohl der Grund dafür, warum in Joh 1,12 von einem Kinder-Gottes-Werden die Rede ist. Damals, als Jesus kam, gab er denen, die ihn annahmen, die Vollmacht, Gottes Kinder zu werden. Es ist ein großes Vorrecht, das der Messias dem Menschen hier gibt. Aber es lag damals noch in der Zukunft.

Wer Christus vor Pfingsten aufnahm, wurde nicht zu jenem Zeitpunkt Gottes Kind, sondern erst, als der Geist kam.

Diejenigen, die ihn vor Pfingsten annahmen, wurden nicht zu jenem Zeitpunkt Gottes Kinder, sondern erst, als der Geist kam. Hätte Nikodemus schon zurzeit von Joh 3 geglaubt, wäre er nicht sofort wiedergeboren worden; erst zu Pfingsten. Für alle Jünger von Jesus war Pfingsten der Zeitpunkt ihrer Wiedergeburt.

Heute ist es so, dass man den Geist mit dem Gläubig-Werden erhält (Röm 5,5; 8,9; 1Kor 6,19 iVm. 1,2; 12,13; Gal 3,2.5; Eph 1,13.14) – und somit das Leben, die neue Geburt.

„… denen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen die an seinen Namen glauben, die … aus Gott geboren wurden“ (Joh 1,12.13)

Der Zeitraum zwischen dem Erhalt der „Vollmacht“ und dem „Kind-Gottes-Werden“ muss nicht groß sein. Dennoch ist einer da! Hätte Johannes die Zeitpunkte zusammenbringen wollen, hätte er gesagt: „So viele ihn aber aufnahmen, die wurden (o. waren in dem Moment) Gottes Kinder.“ Doch das Entscheidende für die Frage, ob sie sofort Kinder Gottes wurden oder erst später, ist der Unterschied der Zeitform zwischen V. 12 („Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, den an seinen Namen Glaubenden“) und V. 13 („die … aus Gott geboren wurden“).

Der Ausdruck „Kinder Gottes“ kann in Joh 1,12 nicht in einem allgemeinen kollektiven Sinne gemeint sein (wie etwa in 5Mo 32,5 und Jes 45,11). Im NT wird „Kind Gottes sein“ gleichgesetzt mit „aus Gott geboren sein“. Jeder aus Gott Geborene hat Gottes Leben.

Es geht in Joh 1,12 um den Augenblick der Wiedergeburt. Und Johannes, sagt, dass damals, als Jesus in sein Eigentum kam, er denen, die ihn annahmen, die Vollmacht gab, Kinder Gottes zu werden.

Wie konnten die alttestamentlichen Frommen mit Gott leben?

Wie konnten dann aber alttestamentliche Fromme mit Gott leben, wenn sie kein neues Leben aus Gott hatten? Zwischen AT-Heiligen und NT-Heiligen gab es Unterschiede:

  • Der Heilige Geist wohnte nicht bleibend im AT-Heiligen.
  • Er war keine „neue Schöpfung“ 2Kor 5,17; Gal 6,15; Eph 4,24. „Neue Schöpfung“ gibt es erst seit der Auferstehung von Christus. Er ist der Erstling der neuen Schöpfung, der Erstling der aus den Toten lebend Gewordenen. (Kol 1,15.18; 1Kor 15,20; Off 1,5.18; 2Tim 1,10. Jesus Christus wurde in der Auferstehung von Gott, „von oben“, gezeugt. Apg 13,33; Hebr 1,5.6. Neue Schöpfung gab es im AT nur als Zukunftshoffnung: Jes 65,17.)
  • In Christus ist der ntl. Glaubende ein „Lebender aus den Toten“ (Röm 6,13). Das ist der AT-Heilige nicht.
  • Die Neugezeugten, die aus Gott Geborenen sind „Erstlingsfrüchte“ seiner Geschöpfe. Der AT-Heilige auf Erden war das nicht. Jak 1,18; Hebr 12,23.
  • Davids größtes Verlangen war es, alle Tage seines Lebens im Haus Jahwes zu wohnen, nach Gott zu forschen in seinem Tempel (Ps 27,4; 84,2-5.11). Gott zu nahen, bedeutete so viel wie in den Vorhöfen sich aufzuhalten – wie die von Jahwe erwählten Priester (Ps 65,5). Die Neutestamentlichen hingegen sind allezeit im Allerheiligsten (Eph 2,6; vgl. Hebr 10,19.).
  • Beim AT-Heiligen war das Gesetz nicht „ins Herz geschrieben“ wie beim NT-Heiligen durch den Heiligen Geist und die Neugeburt. Andernfalls wäre He 8,10 nicht etwas Neues.
  • Auch ein David musste Tieropfer bringen, hatte also nicht ein vollkommenes Gewissen (Hebr 9,14; 10,2.18). David kannte nicht die Erfahrung von Eph 2,10 „geschaffen in Christus Jesus“, auch nicht die tägliche Erneuerung des inneren Menschen (2Kor 4,16).
  • David konnte nicht sagen: Weil er lebt, lebe auch ich. (Vgl. Joh 14,19; Gal 2,20.) Er kannte das Auferstehungsleben nicht.

Bestimmte alttestamentliche Gläubige konnten eine ähnliche Qualität von geistlichem Leben erreichen wie neutestamentliche, denn sie hatten Wort Gottes, das Wort des Geistes Gottes.

Trotzdem darf gesagt werden: Gewisse alttestamentliche Gläubige wie Henoch, Noah, Josef, Samuel, Hiob, David und Daniel konnten eine ähnliche Qualität von geistlichem Leben erfahren wie neutestamentliche, denn sie hatten Wort Gottes: das Wort des Geistes Gottes. In dem Maß, in dem das Wort Gottes in Menschen wohnt und lebt, haben sie eine entsprechende Beziehung zu Gott (Jos 1,7-9). Die Beziehung bleibt im AT aber etwas Unsicheres, ein Schmecken, ist noch nicht das, was Gott vorhat zu bringen.

Jesus sagt: „Die Worte, die ich zu euch rede, sind Geist und sind Leben.“ (Joh 6,63). Das kann man aber auch von den Worten sagen, die er durch die Propheten im Alten Testament gab. Diese sind auch Rede des Sohnes Gottes. Und, ob alttestamentlich oder neutestamentlich, seine Worte sind Sprechen des Geistes. Auf diesem Hintergrund ist Psalm 119 gut zu verstehen.

Alttestamentliche Gläubige konnten also große geistliche Höhen erreichen, auch wenn sie nicht im neutestamentlichen Sinn Leben und Heil hatten.

Wie viel man schon aus reinem Glauben erleben, wie groß die Freude sein konnte, ersehen wir aus Hebr 11,13: „Sie grüßten die Verheißung“, wie wenn sie schon da wäre. Sie sahen sie von fern und „winkten“ schon, wie man jemandem, den man schon von weitem sieht und erkennt, zuwinkt und grüßt. Obwohl sie die Verheißung selbst noch nicht hatten, waren sie so von der Wirklichkeit überzeugt, dass es ihnen damals schon Freude bereitete.

Das sollte für uns eine Lehre sein. Trotz dessen, dass wir schon ein gewisses Maß an Rettung besitzen, haben auch wir noch nicht alles, denn Jesus wird noch kommen und den Rest bringen. Wir dürfen uns aber heute schon auf das freuen, das noch kommen wird. Und wenn auch alles um uns herum sehr düster zu werden scheint, können wir – ebenso wie die alttestamentlichen Gläubigen – davon wegsehen und unseren Blick auf den Herrn richten (s. a. Hebr 12,1.2).

z. T. nach Gedanken von Herbert Jantzen


  1. Wenn es in 1Sam 10,6.9.10 heißt, dass Saul „ein anderer Mann“ wurde, muss das nicht heißen, dass er im neutestamentlichen Sinne wiedergeboren wurde. Wenn der Heilige Geist über Menschen kommt, ist es verständlich, dass sich etwas ändert. Eine derartige Änderung war aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Wiedergeburt. 

  2. ca. 500 v. Chr. 

  3. Dann kann mit Ps 51,12 nicht die Wiedergeburt des David gemeint sein. Gott hat Davids Herz gereinigt und sein Inneres gefestigt, aber nicht das Leben Gottes in ihm gezeugt. Würde man meinen, David wäre damals wiedergeboren worden, müsste Wiedergeburt im AT etwas gewesen sein, das man bei jedem Sündigen wieder abgeben und dann wieder neu bekommen müsste. Das ist nicht das, was das NT und Hes 36 [u.a.] über Wiedergeburt lehrt. 

  4. „Sohnesstellung“ darf nicht mit Adoption verwechselt werden. Die Sohnesstellung ist die Einsetzung in die Vorrechte und in die Verantwortung eines erwachsenen Sohnes – im Unterschied zu der Stellung des unreifen, nicht erwachsenen Sohnes, die derjenigen eines Sklaven ähnlich war.