ThemenSchöpfungsglaube

Das Design-Argument und der Bastler-Lückenbüßer-Gott

Gegen den Design-Ansatz in der Biologie werden häufig theologische Argumente angeführt: Gott werde zum Lücken­büßer degradiert, der immer kleiner werde, je mehr man erklären könne; er werde zum Handwerker- oder Bastler-Gott, der korrigierend in den Evolutionsprozess eingreife, und er habe stümperhaft geschaffen, wenn die Lebewesen direkt von ihm erschaffen worden seien, da es viele Mängel in der Schöpfung gebe. Diese Kritik wird zunächst anhand von Zitaten erläutert, anschließend wird darauf eingegangen und schließlich der Frage nachgegangen, welches Gottesbild und Schöpfungsverständnis die theologischen Kritiker des Design-Arguments vertreten. Zunächst muss aber in aller Kürze das Design-Argument vorgestellt werden.

1. Das Design-Argument

Kann unter Berufung auf wissenschaftliche Befunde und Argumente begründet werden, dass ein Naturgegenstand wie z.B. eine molekulare Maschine ursprünglich erschaffen wurde? Nach dem Design-Argument wird wie folgt in zwei Schritten argumentiert (nach Junker 2010):

1. Der Naturgegenstand zeigt definierte Kennzeichen von Planung bzw. Zielorientierung (Teleologie), die wir in vergleichbaren bekannten Fällen (Technik, Kunst) auf einen willentlich und zielorientiert handelnden Urheber zurückführen. Solche Kennzeichen werden als „Design-Indizien“ bezeichnet und orientieren sich an Kriterien für Design, wie wir es auch aus unseren Erfahrungen kennen.

2. Ein natürlicher Entstehungsvorgang des betrachteten Naturgegenstandes ist unbekannt und Erklärungsversuche scheitern trotz Wissenszuwachs.

Design-Indizien können durch eine naturwissenschaftliche Untersuchung ermittelt werden. Das Design-Argument ist widerlegt, wenn ein natürlicher Entstehungs­vorgang nachgewiesen wird, weil dadurch das Design-Indiz seine Kraft verliert. Da eine solche Erklärung prinzipiell nie ausgeschlossen werden kann (zukünftige Forschungs­ergebnisse könnten eine Erklä­rung liefern), gibt es keinen naturwissenschaftlichen Beweis für „Design“, sondern es ist nur ein plausibler Schluss auf Design als vorläufig beste oder einzige Erklärung möglich.

Entsprechend ist mit Design-Ansatz gemeint, dass erstens eine Erschaffung des zur Disposition stehenden Merkmals angenommen wird und dass zweitens der teleologische Ursprung dieses Merkmals anhand geeigneter Kriterien durch eine naturwissenschaftliche Untersuchung erkennbar ist oder wenigstens wahrscheinlich gemacht werden kann. Dazu müssen die beiden oben genannten Bedingungen erfüllt sein: Zum einen ist mindestens ein definiertes Design-Indiz nachweisbar, und zum anderen sind nicht-teleologische, naturalistische Erklärungsversuche der Entstehung des betreffenden Merkmals trotz Wissenszuwachs bisher gescheitert.

Auf wissenschaftstheoretische Kri­tik des hier in aller Kürze dargestellten Design-Arguments wird detailliert in Junker (2010) eingegangen. In diesem Artikel geht es um theologische Einwände.

2. Die Kritik

Der Lückenbüßer-Gott. Drossel & Schütz (2007, 5) schreiben über den Ansatz des „Intelligent Design“ („ID“):

„Gottes Handeln und das Wirken der Naturgesetze werden hier als sich gegenseitig ausschließend gesehen. Gott ist dann nur noch für das zuständig, was Wissenschaft nicht erklären kann. Er ist ein ‚Lückenbüßergott’. Kritiker weisen mit Recht darauf hin, dass solch ein Gott mit dem Fortschritt der Wissenschaft immer weiter zurückgedrängt wird.“

ID müsse „als missglückter Versuch erscheinen, einen göttlichen Designer in den Erklärungslücken einer empirischen Theorie unterzubringen“, schreibt Kreiner (2007, 563).

Der Bastler-Gott. Der zweite Kritikpunkt am Gottesbild von „Intelligent Design“ ist die mutmaßliche Vorstellung von einem Bastler- oder Handwerker-Gott. Peitz (2010, 35) ist der Auffassung:

„Sowohl Kreationismus als auch der neue Atheismus … beziehen sich … unhermeneutisch auf ein wörtliches Bibelverständnis, beide arbeiten mit (aus aktueller theologischer Sicht) naiven Gottes- und Schöpfungs­vorstellungen, die in die schlagwortartige Rubrik eines Handwerker- und Lückenbüßergottes gehören.“

Die Argumentation mache deutlich, dass Gott an Erklärungsdefizite geknüpft werde und punktuell auf der Ebene innerweltlicher Ursachen in die Weltentwicklung eingreife; als Lückenbüßer- und Hand­werker-­Gott mache er einzelne Dinge (z. B. die Grundtypen). Beuttler (2009, 331f.) bringt die Kritik so auf den Punkt: „Gott wird vom Intelligent Design nicht als Schöpfer im umfassenden Sinn, sondern als Techniker gesehen, als Nachrichten­ingenieur und architektonischer Kal­­kulator.“

Der Pfuscher-Gott. Das Argument, es gebe Konstruktionsfehler bei den Lebewesen, ist mindestens so alt wie Darwins Theorie, denn auch Charles Darwin hat sich seiner bedient. Dieses Argument wird als Kritik gegen den Design-Ansatz noch verstärkt, indem argumentiert wird, dass wenn Gott direkt erschaffen habe, er auch direkt für die Design-Fehler verantwortlich sei. Typisch für diese Kritik ist dieses Zitat von Michael Blume:

„Denn was wäre eigentlich von einem Schöpfer zu halten, der ein großartiges Universum mit grandiosen Naturgesetzen schafft – dabei aber so stümperhaft vorgeht, dass er allerorten quasi mit der Zange nachhelfen muss? Ist ein solcher, seiner Schöpfung hinterher reparierender ID-Gott nicht eigentlich eine recht komische Vorstellung? Evolutionäre Theisten halten dagegen die Evolution selbst für einen Weg, über den sich Gott das Universum schafft und in ihm offenbart.“

Zwei weitere Beispiele: Der britische Genetiker Steve Jones (2005) schrieb in der ZEIT unter der Überschrift „Gott pfuscht auch“ über unser Linsenauge:

„Bevor das Licht in unseren Augen auf die Sensoren in der Netzhaut trifft, muss es jedoch erst die Schicht der Nervenfasern passieren, die die visuelle Information zum Gehirn leiten. Das entspräche einer Kamera, bei der die lichtempfindliche Seite des Films auf der falschen Seite liegt. Im Geschäft wäre diese Konstruktion ein Ladenhüter“

und folgert:

„Ob es einen großen Designer da draußen gibt, ist nicht Gegenstand der Wissenschaft. Wenn es ihn geben sollte, beweist die Evolution vor allem eins: Er erledigt seinen Job miserabel.“

Der Philosoph Daniel Dennett meint dazu: „Kein intelligenter Designer würde so plumpes Flickwerk wie den blinden Fleck in die Netzhaut packen (Dennett 2005,111).“ Beispiele dieser Art gibt es in Hülle und Fülle. Manch einer geht so weit, von Blasphemie zu sprechen, wenn man Gott als herumflickenden Handwerker betrachte.

3. Antworten

Zum Lückenbüßer-Gott. Keine Frage: Ein Lückenbüßer-Gott ist extrem unattraktiv. Daher gibt wohl niemanden, der diese Vorstellung in einer Weise vertritt, wie es die Kritiker suggerieren. Einer der bereits zitierten Kritiker, Heinz-Hermann Peitz, deutet selber die Antwort auf die Kritik am Lückenbüßer-Gott an, wenn er schreibt:

„Nicht nur der Kurzzeitkrea­tionismus …, sondern auch der … Intelligent-­Design-Ansatz … set­zen in ihrer evolutions­kritischen Ausrichtung auf Lücken, die dann letztlich einen Indikator auf Gottes Wirken darstellen“ (Peitz 2010, 35; Hervorhebung nicht im Original).

Eine Erklärungslücke dient nicht einfach als Indiz für Schöpfung.

Der wichtige Begriff ist „Indikator“. Lücken zeigen nicht an, wo und wie Gott gehandelt, eingegriffen, nachgeholfen oder gar geflickschustert hat, sondern sie können unter bestimmten Bedingungen ein Indiz dafür sein, dass Gott schöpferisch gehandelt hat. Sie können auf die Grenzen dessen hinweisen, was durch regelhaft ablaufende und durch Gesetzmäßigkeiten beschreibbare Naturvorgänge möglich ist und in Verbindung mit einem Design-Indiz Schöpfung nahelegen (vgl. die beiden o. g. Bedingungen für das Design-Argument). Damit ist Gott keinesfalls aus den gesetzmäßig verlaufenden Prozessen herausgenommen; diese Prozesse stellen aber keinen vergleichbaren „Indikator“ für Gottes Wirken dar, der naturwissenschaftlich plausibel gemacht werden könnte. Es muss betont werden, dass nicht einfach eine Erklärungslücke als Indiz für Schöpfung fungiert, sondern die eingangs genannten Bedingungen erfüllt sein müssen, damit das „Design-Argument“ sticht.

Aus den genannten Gründen ist die Ein­schät­zung von Peitz (2010, 35) zu hinter­­fragen:

„Ist die makroevolutive Erklärungslücke ein Argument für einen Schöpfer, dann ist das künftige Schließen dieser Lücke ein Argument gegen den Schöpfer.“

Das ist logisch nicht korrekt, höchstens psychologisch nachvollziehbar. Das Schließen der Lücke bedeutet nämlich nur, dass ein Indikator wegfällt, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Das Design-Argument wäre in diesem Fall hinfällig – ohne Wenn und Aber. Aber mit dem Argument fällt nicht zugleich Gottes Handeln, sondern nur ein Hinweis darauf, dass seine Plausibilität als Schöpfer durch naturwissenschaftliche Forschung erhöht werden kann.

Viele Phänomene können besser verstanden werden, wenn man einen Schöpfer annimmt.

Ich möchte versuchen, diesen Punkt nochmals zu verdeutlichen: Beim Design-Argument geht es nicht darum, Platz für Gottes Schöpfung zu schaffen, sondern die Argumentation lautet umgekehrt: Weil zuerst dem biblischen Schöpfungszeugnis geglaubt wird, stellt sich als zweites die Frage, ob und wie Gottes Schöpfungshandeln an den Dingen erkennbar ist, die er durch sein Wort, durch Kraft, Weisheit und Einsicht geschaffen hat. Diese Design-Indizien sind kommunizierbar, unabhängig von weltanschaulichen Überzeugungen und dadurch als apologetische Argumente nützlich – sprich: Die Behauptung, man sehe in der Schöpfung gar nichts von Gottes Schöpferhandeln, kann zurückgewiesen werden. Oder positiv gewendet: Das biblische Zeugnis von Gott als Schöpfer bewährt sich angesichts dessen, was sich bei der Erforschung seiner Schöpfung zeigt. Viele Phänomene können besser verstanden werden, wenn man einen Schöpfer annimmt, als wenn es nur ungerichtete Naturprozesse gäbe.

Um ein verbreitetes Missverständnis zu korrigieren: Nein, es handelt sich dabei nicht um einen naturwissenschaftlichen Gottesbeweis; naturwissenschaftlich nachweisbar sind Design-Indizien und naturwissenschaftlich begründbar ist das Design-Argument (s. o.). Beides kann eine Schöpfung plausibel machen, aber nicht beweisen.

Irreführend ist folgendes Zitat: „Sie [die Befürworter des Design-Arguments] behaupten, man könne Gott wissenschaftlich erfassen als den Designer derjenigen Dinge, die nicht durch die natürlichen Faktoren ‚Naturgesetze’ und ‚Zufall’ entstanden sein können“ (Drossel & Schütz 2007, 5). Wissenschaftlich erfasst werden können nur die Design-Indizien und eventuelle Grenzen gesetzmäßig verlaufender Prozesse. Das kann dann als Hinweis auf das Wirken eines Schöpfers interpretiert werden, nicht aber als wissenschaftliches Erfassen des Schöpfers.

Einen weiteren Gesichtspunkt möchte ich noch kurz nennen, den ich in meinem Buch „Spuren Gottes in der Schöpfung“ ausführe: Wenn man davon ausgeht, dass Gott willentlich und zielgerichtet durch sein Wort geschaffen hat, und wenn man davon ausgeht, dass bestimmte Phänomene nur durch zielgerichtete Erschaffung entstehen, dann wird man erwarten dürfen, dass sich das in der Perspektive des Naturwissenschaftlers durch Lücken bemerkbar macht. Gott ist dann kein Lückenbüßer, sondern seine Tätigkeit wirkt sich so aus, dass sich für den Naturwissenschaftler Lücken zeigen: Bestimmte Prozesse laufen eben von alleine nicht ab, weil sie ein zielorientiertes Handeln erfordern.

Wichtig ist schließlich noch Fol­gendes: Der Design-Ansatz beinhaltet keine Aussage darüber, wie Gott geschaffen hat, sondern nur, dass Ziel­orientierung bei der Entstehung der Geschöpfe erkennbar im Spiel war (erkennbar anhand der Design-Indizien und den Grenzen natürlicher Prozesse). Damit kommen wir zum zweiten Kritikpunkt.

Durch Gottes Schöpfungswort geschehen Dinge, die regelhaft verlaufende Vorgänge eindeutig überschreiten.

Zum Bastler-Gott. Die Vorstellung vom Bastler- oder Handwerker-Gott kommt vermutlich daher, dass Gottes schöpferisches Wirken als ein Zusatz zu einem sonst gesetzmäßig verlaufenden Prozess angesehen wird. Doch diese Position wird den Befürwortern des Design-Ansatzes fälschlich von ihren Kritikern unterstellt. Wald (2010, 193) schreibt dazu: „Eine dem ID häufig unterstellte interventionistische Konzeption einer punktuell eingreifenden Vernunft …. liegt außerhalb seines Erklärungsanspruchs.“ Die Kritiker werden sich schwer tun, Belege für eine Bastler-Gott-Vorstellung zu finden; nach meiner Kenntnis gibt es solche Belege gar nicht. Die Vorstellung von einem Schöpfer, der im Evolutionsprozess herumbastelt und dabei womöglich noch pfuscht, wurde von den Kritikern entwickelt. Daran sind aber die Befürworter des Design-Arguments, die zugleich Evolution akzeptieren, möglicherweise insofern nicht ganz unschuldig, als sie sich häufig nicht dazu äußern, wie man sich Gottes Designer-Tätigkeit im Verlauf der Evolution vorzustellen habe: Greift Gott in den Evolutionsprozess ein oder steckt das Design in einer ausgeklügelten Vorprogrammierung? Im letzteren Fall löst sich das Argument vom Bastler-Gott auf (weil Gott dann gar nicht im Prozess herumbastelt), im ersteren scheint die Anfrage berechtigt. Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit: die direkte Erschaffung durch Gottes Wort. Auch in diesem Fall ist die Kritik an der Vorstellung eines Handwerker-Gottes fehl am Platz. Vielmehr bleibt in diesem Fall Gottes konkretes Schöpfungshandeln insofern verborgen, als der Schöpfungsvorgang unserer Erfahrung, Untersuchung und Vorstellung entzogen ist – anders als bei vielen Spielarten einer sich durch Evolution vollziehenden Schöpfung. Diese Sicht hat zahlreiche biblische Texte auf ihrer Seite: Gottes Schöpfungshandeln wird einerseits nie konkret beschrieben, sondern nur mit allgemeinen Kennzeichen charakterisiert: durch das Wort (Hebr 11,3; Ps 33,9; 1Mo 1, von Jesus Taten nach dem Zeugnis der Evangelien), augenblicklich (Psalm 33,9; von Jesus Taten, beispielhaft dafür Mk 1,40-42), durch „Kraft“, „Weisheit“ und „Einsicht“ (Jer 10,12). Andererseits ist dennoch klar, dass durch Gottes Schöpfungswort Dinge geschehen, die regelhaft verlaufende Vorgänge eindeutig überschreiten.

Um es zu wiederholen: Damit wird nicht gesagt, dass sich Gottes schöpferisches und erhaltendes Wirken auf Vorgänge beschränkt, die unsere Erfahrung übersteigen. Nach dem vielfältigen biblischen Zeugnis wirkt Gott auch in den alltäglich erfahrbaren und teilweise regelhaft verlaufenden Prozessen. Beides darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Zum Pfuscher-Gott. Die Kri­tiker des Design-­Ansatzes bestreiten Gottes direktes Wirken in der Schöpfung und behaupten, damit das Problem des Bösen in der Schöpfung entschärfen oder gar lösen zu können. Ein direkt erschaffender Gott sei nämlich auch direkt für das Böse in der Schöpfung verantwortlich; das sei nicht der Fall, wenn er durch natürliche Selektion geschaffen habe. Für das Böse sei gleichsam der Prozess verantwortlich, der die Geschöpfe hervorbringt. Der bekannte Darwinist und frühere katholische Priester Francisco Ayala schreibt:

„Wenn man behaupten würde, dass die Lebewesen und ihre Teile direkt von Gott erschaffen worden seien, dann wäre er auch für das inkompetente Design verantwortlich wie etwas die Enge des Geburtskanals oder Mängel der Wirbelsäule“ (nach Demb­ski 2010, 96).

So argumentiert auch Kessler (2009, 153): Wäre Gott ein Designer, müsste man ihm alles Unvollkommene zuschreiben, er wäre dann ein „Pfuscher“, der „seinen Job miserabel“ erledige (nach Steve Jones).

Dass in diesen Fällen inkompetentes oder miserables Design vorliegt, kann mit guten Gründen bestritten werden, doch das ist hier nicht unser Thema. Es stellt sich aber die Frage, weshalb ein indirekt erschaffender Gott weniger Verantwortung trage. Warum sollten die (vermeintlichen!) Unvollkommenheiten nicht auf Gottes Konto gehen, wenn er durch Evolution erschafft? Wird hier das Unvollkommene auf einen Demiurgen geschoben (West 2010)? Entweder ist Gott der Schöp­fer, dann trägt er in jedem Fall die „Verantwortung“ (er muss sich allerdings nicht vor uns verantworten), oder er ist gar nicht der Schöp­fer und die Frage nach Gottes Rolle erübrigt sich. Wenn Gott sich selbst gleichsam die Hände bindet, indem er einen natürlichen Prozess ermächtigt, durch Versuch und Irrtum die Vielfalt der Lebewesen hervorzubringen, ist er für das Ergebnis nicht weniger verantwortlich.

Das Pfuscher-Argument ist in vielen Fällen bereits durch die Forschung widerlegt worden, etwa beim Bau des Linsenauges, der Wirbelsäule, beim Wurmfortsatz oder auch bei der vermeintlichen „Junk DNA“ („Abfall-DNA“).

So gesehen muss man die Kritik, der Design-Ansatz führe zur Vorstellung eines Pfuscher-Gottes, an die Kritiker zurückgeben: Aus dieser Aporie kommen sie nicht heraus. Die Kritik ist aber schon aus naturwissenschaftlichen und wissenschaftstheoretischen Gründen zurückzuweisen. In vielen Fällen sind nämlich durch den Fortschritt der Forschung Be­haup­­tungen widerlegt worden, es gebe Designer-Pfusch, etwa beim Bau des Linsen­auges, der Wirbelsäule, beim klassischen Beispiel des Wurmfortsatzes oder auch bei der oft zitierten vermeintlichen „Junk DNA“ („Abfall-DNA“). Hier muss man den Kritikern zum Vorwurf machen, dass sie wider besseres Wissen weiter am Pfuscher-Argument festhalten, vielleicht weil es einfach zu schön und zu eingängig ist und weil man meint, damit schnell und einfach punkten zu können.

Wissenschaftstheoretisch ist das Argument zurückzuweisen, weil die Be­haup­tung von Pfusch nicht sicher bewiesen werden kann, auch in den Fällen, wo sie noch nicht widerlegt wurde. Die For­schungs­geschichte sollte mindestens zur Vorsicht mahnen. Denn die Behauptung, es gebe Pfusch am Bau der Lebewesen, hat sich schon oft als vorschnell erwiesen, da sie auf der Basis ungenügender Kenntnisse erhoben wurde. Hier handelt es wirklich um ein Wissenslücken-Argument: Weil man eine passende Funktion für eine vielleicht seltsam erscheinende Struktur noch nicht gefunden hat, schließt man, es gebe keine angemessene Funktion, sondern es liege Pfusch vor. Hier muss derselbe Vorbehalt des gegenwärtigen Kenntnisstandes wie beim Design-Argument gemacht werden. Und auch hier muss sich zeigen, in welche Richtung weitere Forschungsergebnisse weisen: Erhärtet sich der Verdacht eines Konstruktionsfehlers oder wird er durch Wissenszuwachs über die Struktur-Funktions-Beziehungen zerstreut?

Eine ausführlichere Auseinander­set­zung mit dem Argument der Unvoll­kommenheit bietet Junker (2002, Kapitel 4) und Junker (2010, Abschnitt 9.5).

4. Die Alternative der Design-Kritiker

Wenn der Design-Ansatz abgelehnt wird, bedeutet dies, dass sowohl eine direkte Erschaffung als auch ein zielorientiertes Eingreifen Gottes in den Evolutionsprozess und eine Vorprogrammierung der Evo­lution abgelehnt werden. Denn diese drei Vorstellungen sind Spielarten des Design-Ansatzes. Tatsächlich wird nicht nur von den meisten Naturwissen­schaftlern, sondern auch von Theologen heute in der Regel Evolution als rein natürlicher, nicht-teleologischer Prozess verstanden, der im Prinzip naturwissenschaftlich erklärbar sei, sprich als Folge von Naturgesetzen und zufälligen Randbedingungen. So schreibt beispielsweise der Theologe Lars Klinnert (2007, 11):

„In jedem Fall aber müssen und können nach dem Selbstverständnis der modernen Naturwissenschaften alle natürlichen Vorgänge ohne die Vorstellung übernatürlicher Eingriffe erklärt werden. Die Entstehung des Menschen ist unter diesen Voraussetzungen als ungesteuertes Ergebnis von Zufall und Notwendigkeit anzuerkennen.“

Hans Kessler (2009, 160) akzeptiert das „naturwissenschaftlich-evo­lu­tions­the­oretische Konzept der ‚Selbst­orga­nisa­tion’.“ Hansjörg Hemminger, Welt­an­schauungsbeauftragter der Württem­ber­gischen Landeskirche schreibt (2007, 22):

„Die Frage ist, ob das Wechselspiel von genetischen Veränderungen und Selektion eine hinreichende naturwissenschaftliche Erklärung für die Evolution der irdischen Lebenswelt liefert! Die gegenwärtige Biologie beantwortet diese Frage mit Ja.“

Richards (2010, 25) stellt die Akzeptanz einer natürlichen, nicht-teleologischen Evolution auch bei Christen in den USA fest:

„Heutzutage versuchen die meisten theistischen Evolutionisten den Theismus irgendwie mit Darwinscher Evolution zu versöhnen. … Obwohl es nicht immer einfach zu verstehen ist, was sie sagen, wollen viele theistische Evolutionisten die These vom ‚blinden Uhrmacher’ in ihre Theologie integrieren.“

Wenn aber Evolution als rein natürlicher Prozess angesehen wird, alleine bedingt durch das Wechselspiel von Mutation und Selektion, ohne jede Steuerung (denn sonst wäre es eine Spielart von „Intelligent Design“), inwiefern ist dieser Prozess dann „Schöpfung“? Dazu folgen einige Zitate aus neueren Artikeln und Büchern.

Wolfgang Huber: Kreationismus sei eine „Verkehrung des Glaubens“.

Wolfgang Huber (2007), der frühere Ratsvorsitzende der EKD, bezeichne Kreationismus als „Verkehrung des Glaubens“. Er sagt allerdings sehr wenig über den Inhalt des Schöpfungsglaubens. Im Ka­pitel über Schöpfung in seinem Buch „Der christliche Glaube“ grenzt er sich hauptsächlich ab: gegen Kreationismus, gegen „Intelligent Design“, gegen den neuen Atheismus. Was vom Schöpfungs­glauben bleibt, sind Aussagen ohne Fundament. Der Spitzensatz im Schöpfungs­kapitel in seinem Buch lautet (Huber 2008, 37):

„Der Glaube an Gott als den Schöpfer vermittelt die Gewissheit, dass diese Welt die Möglichkeit zum Guten in sich enthält; er erschließt einen Zugang zur Welt, der sich auf diese Güte verlässt und zu ihr beizutragen bereit ist. Dass Gott es mit der Welt im Ganzen ebenso wie mit meinem persönlichen Leben gut meint, ist der Grundsinn des Schöpfungsglaubens.“

Ein Bezug zur gegenständlichen Wirk­lichkeit ist hier nicht erkennbar. Dieser Schöpfungsglaube ist in Wirk­lichkeit leer. Hubers Behauptung hat keine Basis in der gegenständlichen Welt; wie er sie begründet, ist unklar. Es stellt sich die einfache Frage: Was hat Gott denn getan? (vgl. Kaiser 2008). Nach Huber (2007) ist es eine Verkehrung des Schöp­fungs­glaubens, wenn man von ihm „zutreffende[s] Wissen über die Entstehung und Ent­wick­lung der Welt“ erwartet. Die bib­lischen Schöpfungsberichte dürften nicht zu einer quasiwissenschaftlichen Welterklärungstheorie gemacht werden. Gott dürfe nicht wie (vermeintlich) beim Ansatz des Intelligent Design den Ursachen in Raum und Zeit gleichgesetzt werden. Es sei außerdem ein „grundlegender Fehler“, den Schöpfungsgedanken nicht als Thema des Glaubens, sondern des Wissens anzusehen. Was aber ist positiv zu sagen? In dem hier zitierten Bericht des Rates der EKD (Huber 2007) wird nur gesagt:

„Der Glaube richtet sich auf die Wirk­lichkeit im Ganzen; er hat es mit dem Grund der Welt wie meines persönlichen Lebens zu tun. Ihm verdanke ich die Weltgewissheit wie die Daseins­gewissheit, die meinem Leben Sinn verleihen.“

Aber was ist die Basis einer solchen Gewissheit und des Lebenssinns? Worin bestehen diese Gewissheit und dieser Sinn überhaupt? Immerhin wird in dem Bericht noch gesagt:

„Zwar bleibt der Glaube auf das Wissen bezogen, ja angewiesen. Aber er ist nicht mit ihm identisch – das ist der entscheidende Punkt.“

Letzteres behauptet auch niemand. Weiter wird gesagt:

„Glaube und Wissen sind also bewusst voneinander zu unterscheiden; sie treten aber damit nicht beziehungslos auseinander, werden also nicht voneinander getrennt.“

In Hubers Glaubensbuch werden alte Vorurteile aufgetischt.

Aber das Bezogensein des Glaubens auf das Wissen wird nicht weiter erklärt, auch nicht in Hubers Glaubensbuch. Stattdessen werden alte Vorurteile aufgetischt:

„Weder ist die Bibel ein Naturkundebuch, noch vermag die Natur­wissenschaft Aussagen über Gott zu machen. Gott ist kein naturwissenschaftliches Postulat. Wer Gott allein mit den Mitteln der Naturwissenschaft zu erfassen sucht, bringt sich um die Möglichkeit einer Begegnung mit dem befreienden Wort Gottes.“

Wer vertritt solche Positionen? Wo sind die Belege dafür? – Und wieder werden nur Negativaussagen gemacht.

Nachdem dieses Beispiel etwas ausführlicher gebracht wurde, sollen weitere Belege des Abkoppelns des Schöpfungsglaubens von der gegenständlichen Welt dokumentiert werden. So schreibt Beuttler (2009a, 331f.), dass Gott größer als nach dem Intelligent Design-Ansatz gedacht werden müsse.

„Gott wird vom Intelligent Design nicht als Schöpfer im umfassenden Sinn, sondern als Techniker gesehen, als Nachrichteningenieur und architektonischer Kalkulator.“

Die Schöpfertätigkeit sei der Welt innerlich und wirke mit und an den evolutiven Prozessen der Natur (Beuttler 2009b, 80). Seine Schöpfertätigkeit ereigne sich „von innen heraus, mit und an den Prozessen und Entwicklungen der Natur“ (Beuttler 2009a, 332). Was aber ist mit „umfassend“ gemeint und was bedeutet „innerlich“ oder „von innen heraus“, wenn man Gott nicht einmal zugesteht, dass er in seine Schöpfung eingreift? Ohne Inhalt sind diese Kennzeichnungen leere Worte. Beuttler kritisiert andererseits am Materialismus, dass er annehme, die Welt sei „ganz ohne inneren Zielprozess“ entstanden (Beuttler 2009, 331). Aber wie kann Beuttler überhaupt von einem Zielprozess sprechen, wenn er den Design-Ansatz ablehnt? Dieser Zielprozess müsste doch irgendwie nachvollziehbar sein.

Auch der EKD-Text „Weltentstehung, Evo­­lutions­theorie und Schöpfungsglaube in der Schule“ (2008) macht vor allem Negativ­aussagen und existentialisiert den Schöpfungs­glauben:

„Das eigentliche Interesse der biblischen Schöpfungstexte ist kein kosmologisches oder gar metaphysisches. … Der Dank für das gegenwärtige Wirken Gottes ist die in der Bibel bei weitem dominante Form des Bekenntnisses zum Schöpfer.“

Dass der Schöpfungsglaube existentielle Bedeutung hat und den Gläubigen stärken soll, ist unbestritten und wichtig, wie aber kann eine solche Aussage getroffen werden, wenn der Schöpfungsglaube keinen Bezug zur gegenständlichen Welt hat?

Als weiteres Beispiel soll Hans Kess­lers Buch „Evolution und Schöpfung in neuer Sicht“ genannt werden. Kessler sagt einerseits in Anlehnung an Teilhard de Chardin, dass Gott mache, „dass die Dinge sich selber machen“ (S. 153), dass die Evolution dabei aber auch ihre eigenen Wege gehe, auch „Umwege und Abwege“. Gott sei der Urgrund alles Seins, aus dem alles hervorgeht (S. 125), er sei in allem „ganz tief verborgen als das, was allem Sein verleiht“ (S. 127). Das All und jedes Wesen werde von ihm „umfangen“, „bejaht/geliebt“ und „erfüllt/durchatmet“ (S. 130). Als Designer, der ein fertiges Design schaffe, dürfe man Gott dabei aber nicht denken (S. 132, 161). Stattdessen beschreibt Kessler Schöpfung als „tastende Interaktion“ (S. 151), als „göttlich ermöglichte Selbstüberschreitung“ (S. 151; nach Rahner). Gott sei der innere Grund der Eigendynamik der Geschöpfe (S. 159), 161), es gebe ein dialogisches Wirken von innen her (S. 161). Der Design-Ansatz, der mit zielgerichtetem Wirken Gottes rechnet, wird von Kessler abgelehnt; er akzeptiert vielmehr das „naturwissenschaftlich-evolutionstheoretische Konzept der ‚Selbstorganisation’“ (S. 160). Was aber ist unter diesen Umständen nun Gottes Rolle? Einerseits wird eine rein natürliche Evolution bejaht, andererseits soll sich darin auch Gottes Schöpfung zeigen (S. 162).

Dass Gott sich als Schöpfer zurückhält, wird auch in den Worten von Klinnert (2007, 18, 19) deutlich:

Es gilt „aufzuzeigen, wie im sinnentleerten Naturgeschehen dennoch redlicherweise an den verborgenen Schöpfergott geglaubt werden kann“.

„Deshalb kann es nicht darum gehen, ateleologisch erklärbaren Naturvorgängen eine auf den zweiten Blick dann doch erkennbare Sinnhaftigkeit unterzuschieben; vielmehr gilt es aufzuzeigen, wie im sinnentleerten Natur­geschehen dennoch redlicherweise an den verborgenen Schöpfergott geglaubt werden kann. … Unbestreitbar ist für eine konsistente Rekonstruktion weltimmanenter Geschehensabläufe die zusätzliche Annahme einer in diese eingreifenden göttlichen Instanz ‚schlichtweg überflüssig’.“

Ein innerweltlich verstehbarer, nicht zielorientierter Vorgang soll also Schöpfung repräsentieren, ein Eingreifen ist überflüssig.

Hemminger (2009, 161) ordnet Gottes schöpferisches Wirken und das Medium seiner Erschaffung zwei verschiedenen Ebenen zu:

„Dass die Selektionsvorstellung häufig als Widerspruch zum Schöpfungsglauben verstanden wird, und zwar von Nicht­christen und Christen, beruht darauf, dass sie scheinbar einen plan- und absichtslosen Naturprozess an die Stelle Gottes setzt. In Wirklichkeit liegen die beiden Aussagen nicht auf einer Ebene und können sich nicht widersprechen.“

Also bringt der „scheinbar“ plan- und absichtslose Prozess die Geschöpfe hervor, nicht Gott direkt. Und wieso „scheinbar“? Ist der Evolutionsprozess doch nicht absichtslos? Wenn darin eine Zielorientierung steckt, worin liegt dann der Unterschied zum verschmähten „Intelligent Design“?

Kreiner (2007, 563) fragt, wie ein Prozess „auf der natürlichen Ebene zufällig, auf der theologischen Ebene hingegen providentiell“, d.h. von der Vorsehung bestimmt sein könne und antwortet:

„Gott könnte eine Welt erschaffen haben, in der anscheinend ‚blinde’ Mechanismen einem bestimmten Zweck dienen, nämlich dem Zweck, Leben in seiner ganzen wunderbaren Vielfalt hervorzubringen. Ein in diesem Sinne verstandener ‚Zufall’ wäre mit einem providentiellen Handeln Gottes durchaus vereinbar“ (S. 564).

Dann aber sollte man den schillernden Begriff „Zufall“ besser nicht verwenden. Der Punkt ist ohnehin ein anderer: Evolution ist nach gängiger Vorstellung richtungslos und läuft ausschließlich naturgesetzmäßig ab. Kreiner (2008, 565) betrachtet Gott als den „Schöpfer einer sich selbst organisierenden Welt.“ Wieder stellt sich hier die Frage: Was tut Gott eigentlich? Versteckt er sein Schöpfungshandeln hinter einem Prozess, der aus menschlicher, empirischer Perspektive ungerichtet und gesetzmäßig erscheint? Ähnliche Gedanken äußerte der durch das Human Genome Project bekannt gewordenen Humangenetiker Francis Collins (2007, 168): „Die Evolution könnte für uns nach einem zufälligen Prozess aussehen, aber aus Gottes Perspektive wäre es ein Prozess mit einem genau definierten Ergebnis.“ Gott habe die Welt so erschaffen, dass sie natürlich entstanden erscheint, obwohl es nicht so ist.

Schließlich sei noch ein Zitat aus der Fernsehsendung „Wer erschuf Darwin? Evolution oder Kreation“ der Reihe „Faszination Wissen“ des Bayerischen Fernsehens angeführt. In dem am 14. 11. 2010 erstmals ausgestrahlten Filmbeitrag äußert sich der Fundamentaltheologe und Philosoph Prof. Ulrich Willers von der Katholischen Universität Eichstätt wie folgt:

„Aus Sicht der modernen Theologie ist dieses Bild [der Kreationisten] zu klein von Gott. Und von Gott kann man nicht groß genug denken. Und wenn man ihn als Handwerker sich vorstellt, der irgendetwas bastelt und Stück für Stück bastelt und dann sagt: das hab ich prima hingekriegt und jetzt kommt das nächste dran, dann stellt man sich Gott einfach fast wie einen Menschen vor. Das ist zu klein gedacht. Man kann aber wohl sagen: Gott als das abgründige Geheimnis unserer Wirklichkeit hat Strukturen geschaffen, in denen sich etwas ereignet, was faszinierend ist, was toll ist, aber diese Strukturen bringen sich selbst immer neu hervor.“

Hier findet sich einmal mehr die Unter­stellung einer Bastler-Gott-Vorstellung. Aber davon abgesehen stellt sich die Frage, was „das abgründige Geheimnis der Wirklichkeit“ eigentlich tut. Welche konkrete Bedeutung hat es im Lauf der Evolution? Und wie äußert sich die Größe Gottes in einer naturgesetzlich verlaufenden Evolution? Welchen Gehalt hat die „moderne“ Schöpfungsvorstellung, welchen Bezug zur gegenständlichen Welt? Und Gott hat sich in der Schöpfung und Geschichte doch als Person und nicht als unpersönliches Geheimnis offenbart.

5. Fazit

Dieser „modernen“ Schöpfungstheologie liegt ein Natur- und Evolutionsverständnis zugrunde, das vollständig an eine atheistische Weltsicht angepasst ist.

Die zahlreichen Beispiele „moderner“ Schöpfungstheologie zeichnen das Bild von einem zurückgezogenen Gott, der nicht augenblicklich erschafft, nicht eingreift und nicht einmal eine Zielorientierung in den Evolutionsprozess hineingelegt hat. Ihm liegt ein Natur- und Evo­lutionsverständnis zugrunde, das vollständig an eine atheistische Weltsicht angepasst ist. Das mag hart klingen, aber wenn Gottes Schöpfungshandeln in der Schöpfung keinerlei Spuren hinterlassen hat, kann man es kaum anders ausdrücken. Die Frage nach Gottes konkretem Handeln als Schöpfer bleibt ohne Antwort. Welchen Inhalt hat vor diesem Hintergrund der Schöpfungsglaube, wenn gesagt wird, Gott erschaffe Kreativität, Gott sei der Schöpfung „innerlich“, er sei Schöpfer im unfassenden Sinn, er ermögliche den Geschöpfen eine „Selbstüberschreitung“ usw.? Wenn Evolution als rein natürlicher Prozess angesehen wird, alleine bedingt durch das Wechselspiel von Mutation und Selektion, ohne jede Steuerung (denn sonst wäre es eine Spielart von „Intelligent Design“), dann kann man diesen Prozess nicht „Schöpfung“ nennen. Das wäre ein Etikettenschwindel. Genausowenig wie der Inhalt einer Flasche durch ihre Aufschrift bestimmt wird, wird ein ungesteuerter, natürlicher Vorgang dadurch zu „Schöpfung“, dass man ihm ein entsprechendes Etikett verpasst. Wenn Gott nicht wenigstens in irgendeiner Weise steuernd im Evolutionsprozess wirkt, ist der Begriff „Schöpfung“ entleert. „Schöpfung durch Evolution“ ist dann keine Bereicherung, wie manche behaupten, sondern eine Entleerung. Gott wird zum 5. Rad am Wagen, das nicht dadurch unentbehrlich wird, dass man es „transzendent“ nennt. Wenn überhaupt nichts über das Wirken des Schöpfers ausgesagt werden kann, ist der Begriff „Schöpfung“ nichtssagend.

In einer E-Mail schrieb mir kürzlich ein Theologe folgenden treffenden Vergleich (den ich etwas überarbeitet wiedergebe):

Woran macht die heutige Mainstream-Theologie das Bekenntnis zum Schöpfer fest – in einem übergeschichtlichen unfassbaren Begriffsnebel?

Wenn in einem Kriminalfall der Täter keinerlei Spuren am Tatort hinterlässt, ist ihm das perfekte Verbrechen gelungen, denn für die Kriminalisten ist er als Täter nicht nachweisbar und kann nie überführt werden. Angenommen, wir betrachten die Schöpfung als so etwas wie einen Kriminalfall. Demnach hätte Gott dann, wenn die Schöpfung sich selbst hervorbringt, in seiner Schöpfung keine nachweisbaren Spuren hinterlassen, an denen er als „Täter“ deutlich werden würde. Wäre es dann nicht konsequent, in Analogie zur Kriminalistik, die Behauptung infrage zu stellen, ob Gott überhaupt Täter respektive Schöpfer ist? Schließlich fördert die biologische Forschung keine Befunde zutage, die ihn überführen würden, weil es solche Befunde aus prinzipiellen Gründen nicht geben darf. Das führt dann aber in der Konsequenz zur Frage: Womit begründen die Mainstream-Theologen heute noch das Bekenntnis von Gott als Schöpfer? Wäre das dann für die Theologie nicht nur eine Nachwirkung der christlich-abendländischen Geschichte? Welches Argument, welche Fakten für diesen Glaubenssatz bringt die heutige Universitätstheologie vor, wenn alle Spuren am Tatort Schöpfung, in Anpassung an die atheistische Wissenschaft, negiert werden? Wenn die universitäre Theologie so konsequent mit dem materialistischen Ansatz übereinstimmt, sind die Theologen dann nicht inzwischen in der Bringschuld, zu sagen, mit welchen Argumenten sie heute an dem Bekenntnissatz festhalten: Gott ist der Schöpfer. Woran macht die heutige Mainstream-Theologie das Bekenntnis zum Schöpfer fest? Oder verflüchtigt sich das dann in einem übergeschichtlichen, unfassbaren und unkonkreten Begriffsnebel?

Wollte man angesichts eines ungesteuerten, natürlichen, gesetzmäßig beschreib­baren Naturprozesses immer noch von „Schöpfung“ sprechen, dann wäre Gottes Schöpfungshandeln völlig analogielos zur menschlichen Erfahrung, die wir mit Schöpfung und Design machen, und es wäre für uns absolut unerkennbar. Die Bibel bezeugt aber bei aller Verschiedenheit zwischen Schöpfung und Geschöpf auch Ähnlichkeiten; Gott ist nicht nur der ganz andere. Das Bild vom völlig zurückgezogenen Gott entspricht keinesfalls den schöpfungsbezogenen Bibeltexten und der Tatsache der konkreten Menschwerdung des Schöpfers. Schon die Tatsache, dass wir Menschen mit ihm kommunizieren können, ist nur möglich, wenn es Gemeinsamkeiten gibt. Auch unsere schöpferische Fähigkeit kann als Abbild der schöpferischen Tätigkeit Gottes verstanden werden; das spricht gegen totale Analogielosigkeit. Darüber hinaus bringt eine Reihe biblischer Texte zum Ausdruck, dass wir in der Schöpfung durchaus etwas von Gott erkennen können: seine ewige Macht und göttliche Größe (Röm 1,20). Gottes Kraft, Weisheit und Einsicht in seiner Schöpfung wird der Ohnmacht selbstgebauter Götzen gegenübergestellt: „Aber der Herr …!“ (Jer 10,3-12). Und die biblischen Autoren verwenden immer wieder Vergleiche aus der Schöpfung, um den Lesern Wahrheiten über Gott und den Menschen nahezubringen. Das alles wäre nicht möglich, wenn Gottes Schöpfungs­handeln völlig analogielos zu unserem eigenen kreativen Handeln wäre. Gott als Schöpfer in die Tiefen der Wirklichkeit zu verbannen, ist ein Fehlweg.

„Der das Ohr gepflanzt, sollte der nicht hören? Und der das Auge gebildet, sollte der nicht sehn?“ (Psalm 94,9; nach Menge).

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