ThemenFrage & Antwort

Wie sollen wir mit der Aufforderung zum Bruderkuss umgehen?

An einigen Stellen im NT ist vom Bruderkuss die Rede (Röm 16,16; 1Kor 16,20; 2Kor 13,12; 1Thess 5,26; 1Pet 5,14). Wie ist mit diesen Aufforderungen umzugehen? Was bedeutet das für uns heute?

Antwort:

Der Kuss ist im Alten (z.B. 1Mo 33,4; 45,14.15; 2Mo 18,7; 1Sam 10,1; 1Kön 19,18) und im Neuen Testament als eine Art der besonderen Begrüßung erwähnt. Neben der üblichen Begrüßung war der Kuss ein Zeichen ehrender Verbundenheit. Dies wird am Besuch Jesu im Haus des Simon deutlich. Jesus hält dem Pharisäer, der ihm gegenüber besonders freundlich sein wollte, vor, dass er ihm keinen Begrüßungskuss gegeben habe, während die Sünderin ihm viele Küsse auf die Füße geschenkt habe (Lk 7,45). Besonders erwähnt wird der Kuss auch bei der Begrüßung des verlorenen Sohns (Lk 15,20). Auch das zum Verrat verabredete Zeichen zwischen Judas und der Tempelpolizei macht deutlich, dass der Kuss eine besondere Form der Begrüßung darstellte, die Judas seinem Lehrer Jesus entgegenbrachte (Lk 22,48). Die Aufforderung zum gegenseitigen Gruß der Christen untereinander mit einem Kuss hat also diesen Hintergrund. Paulus gibt ihm die zusätzliche Bezeichnung „heiliger Kuss”. Damit macht er deutlich, dass die besondere Freundlichkeit und Ehre, die sich Christen untereinander erweisen sollen, ihren Grund in dem geheiligten Umgang derjenigen hat, die durch die Vergebung der Sünden selbst Heilige sind. Petrus nennt ihn Kuss der Liebe und meint damit die besondere Liebe, die Christen untereinander haben und die in ihren Begegnungen auch äußerlich zum Ausdruck kommt. So küssten auch die Ältesten aus Ephesus beim Abschied Paulus und umarmten ihn dabei (Apg 20,37). Damit dürfte auch klar sein, dass er üblicherweise im Zusammenhang mit einer Umarmung vorkam und dann wohl auf die Wange geküsst wurde.

Der Kuss sollte körperlicher Ausdruck der Nähe, Liebe und Verbundenheit sein, kann aber unserer Kultur angepasst werden.

Die Aufforderungen gelten selbstverständlich auch heute. Ich verstehe sie so, dass Christen ihrer Verbundenheit im gemeinsamen Glauben und in der Liebe einen besonderen Ausdruck im Umgang untereinander geben. Dies sollte ein körperlicher Ausdruck der Nähe, Liebe und Verbundenheit sein, kann aber nach meiner Überzeugung unserer Kultur angepasst werden. In vielen Kulturen wird der Kuss als Begrüßung auch heute gepflegt, bei uns eher nicht. Meist ist eine Umarmung oder auch eine Berührung der Wangen die größte Nähe, die angemessen ist. Wir sind also in der christlichen Gemeinde gefordert, unserer besonderen Verbundenheit auch durch besondere Zeichen Ausdruck zu geben. Kühle Distanz ist keineswegs angebracht. Nach meiner Beobachtung gibt es da einige Defizite.