ThemenFrage & Antwort

Benutzt Gott böse Geister?

Einige Bibelstellen reden davon, dass Gott böse Geister benutzt (Ri 9,23; 1Sam 16,14; 18,10; 19,9; 1Kön 22,23; 2Thess 2,11). Die Erklärung Gott habe das Wirken der bösen Geister nur zugelassen, befriedigt mich angesichts der Formulierung in der Bibel nicht. Liegt hier ein Widerspruch zu der christlichen Überzeugung von Gottes Güte vor, wie sie etwa in Jak 1,13+17 zum Ausdruck kommt?

Antwort:

Es geht in der Frage nicht nur um einzelne schwierige Bibelstellen, sondern um die Eigenschaften Gottes oder um sein Wesen: Wie kann Gott böse Geister benutzen und gleichzeitig ein Gott sein, der niemanden versucht, Urheber jeder guten und vollkommenen Gabe, „bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis” (Jak 1,17)? Oder etwas plakativer ausgedrückt: Ist Gott nur der Urheber der angenehmen und schönen Dinge oder auch der Dinge, die uns Not und Schwierigkeiten machen?

Klar ist zunächst, dass Gott gut ist (vgl. z.B. Mk 10,18) und niemals sündigen kann (Jak 1,13), aber dann auch, dass Gott souverän und allmächtig im wahrsten Sinn der Worte ist.

Ist Gott nur der Urheber der angenehmen und schönen Dinge oder auch der Dinge, die uns Not und Schwierigkeiten machen?

Die Formulierung, Gott habe etwas nur zugelassen, scheint mir ein Versuch zu sein, die Souveränität Gottes mit seiner Güte zu versöhnen. Ein meines Erachtens ungeeigneter Versuch, da er letzen Endes die Souveränität Gottes abstreitet, das sage ich, obwohl ich auch lange Zeit gerne die „Zulassung Gottes” als Lösung des Problems angesehen hätte. Schon eine Alltagsanalogie zeigt, dass das zu kurz greift: Wenn eine Mutter in vollem Wissen der Gefahren einen Topf mit kochendem Wasser auf dem Herd stehen hat und ihr Kind sich dann an dem Wasser verbrüht, würden wir kaum argumentieren, dass die Mutter dafür nicht verantwortlich ist, weil sie durch das Offenlassen der Küchentür nur „zugelassen” hat, dass sich ihr Kind verletzt. Wenn sie es hätte verhindern können, trägt sie auch die volle Verantwortung. Entsprechend müssen wir als letzte Instanz für das Wirken der bösen Geister in den genannten Bibelstellen ganz klar Gott sehen, der in seiner Allmacht und Souveränität diese Geister hätte stoppen können. Aber es steht ja sogar da, dass er sie aktiv gesandt hat.

In diesem Zusammenhang sind mir 2 Bibelstellen sehr wichtig geworden, die das Gesagte ergänzen:

  1. Hiob 2,10: Hier macht Hiob deutlich, dass er genauso, wie er viel Gutes von Gott empfangen hat, auch bereit ist, das Böse (nicht das moralisch Böse, denn Gott kann nicht moralisch böse sein oder handeln, sondern vielmehr das Not- und Leidvolle) von Gott entgegen zu nehmen. Und wenn wir auf den Gesamtzusammenhang des Buches Hiob schauen, dann sehen wir sehr deutlich, wie das „Böse”, das Gott geschickt hat, letztendlich für Hiob zum Guten mitwirken musste (Röm 8,28). Man beachte im Buch Hiob, dass hier stets Gott die Oberhand hat, mithin die Verantwortung für alles trägt, was Hiob widerfährt, obwohl es unmittelbar der Teufel ist, der Hiob quält.
  2. Amos 3,6b: Hier steht eine rhetorische Frage, die aber nur eine einzige Antwort haben kann: Jawohl, jedes Unglück, das in der Stadt geschieht, das tut der Herr!

Im Westminster Bekenntnis von 1647 wird unter dem Titel „Von der Vorsehung” das Problem treffend so beschrieben:

„Die alleinige Macht, unerforschliche Weisheit und unendliche Güte Gottes offenbaren sich selbst so weit in seiner Vorsehung, dass sie sich sogar auf den ersten Fall und alle anderen Sünden der Engel und Menschen erstreckt (Röm 11,32-34; 2Sam 24,1; 1Chr 21,1; 1Kön 22,22-23; 1Chr 10,4+13-14; 2Sam 6,10; Apg 2,23; Apg 4,27-28), und zwar nicht durch bloße Zulassung (Apg 14,16), sondern durch eine solche Vorsehung, die mit einer höchst weisen und machtvollen Einschränkung (Ps 76,10) und anderweitigen Ordnung und Lenkung derselben verbunden ist, – in mancherlei Fügung, zu seinen eigenen heiligen Zwecken (1Mo 50,20) – so jedoch, dass das, was daran sündhaft ist, allein vom Geschöpf ausgeht und nicht von Gott, der, da er ganz heilig und gerecht ist, nicht der Urheber oder Anerkenner [Oder: Billiger: also einer, der die Sünde anerkennt oder billigt] der Sünde ist noch sein kann (Jak 1,13-14+17; 1Joh 2,16).”

Folgen wir der Bibel müssen wir sagen, Gott ist gerecht, wenn er die Sünde straft.

Ergänzung von Thomas Jeising:

Drei Gedanken will ich [Thomas Jeising] noch anfügen: Erstens müssen wir uns fragen, ob wir es Sünde oder böse nennen wollen, wenn Gott die menschliche Sünde mit einer Strafe belegt. Die Strafe heißt von der Ausweisung aus dem Garten Eden her „Tod” mit allen seinen Facetten. Es ist ja nicht nur das letzte Sterben gemeint, sondern die ganze Herrschaft des Todes mit Krankheit, Streit, Krieg, zerbrechende Beziehungen usw. Auch die Möglichkeit der bösen Geister uns anzugreifen ist ein Element dieser Todesherrschaft. Und Gott hat den Tod als Lohn für die Sünde gegeben. Folgen wir der Bibel müssen wir sagen, Gott ist gerecht, wenn er die Sünde straft. Wir würden einem menschlichen Richter auch keine Schuld für ein Urteil anlasten, wenn er das klare Recht nicht beugt und nach dem Gesetz richtet. Gott erweist schließlich seine Gerechtigkeit dadurch, dass er seinen eigenen Sohn in die Hände der Menschen gibt und auf den einzig Gerechten die Strafe für unsere Ungerechtigkeit legt.

Es bleibt für uns ein Widerspruch darin, dass der Böse ohne Got tnicht sein kann und doch das Böse nicht Teil Gottes sein kann.

Zweitens könnten wir die Überlegung anstellen, ob es möglich ist, dass Gott seine Strafen sendet, ohne sich dabei „die Finger schmutzig zu machen”. Kann Gott seine Hände in Unschuld waschen, wie es Pilatus gern getan hätte, wenn es doch so aussieht, als ob er mit den bösen Geistern im Bunde steht, die er sendet? Jesus sah sich dem gleichen Vorwurf ausgesetzt als die Pharisäer sahen, dass ihm die bösen Geister regelmäßig gehorchen (Mt 12,24). Er fordert einerseits in seinem Umgang mit den Dämonen den Anbruch des Reiches Gottes zu sehen, weil er ihre Macht so einschränkt, dass Menschen aus Besessenheit befreit werden, wenn auch nicht aus jedem Angefochtensein. Und Jesus warnt vor einer Lästerung Gottes, die den einzigen Weg der Rettung als Teufelswerk abtut. Gott kann nicht sündigen, denn er müsste sich selbst untreu werden. Dass er nicht alle Verantwortung von sich weist obwohl er das könnte, soll uns ermutigen ihm zu vertrauen. Gott übernimmt die Verantwortung und bietet dem Menschen an, ihn anzuklagen, mit ihm zu rechten. Aber können wir Gott verurteilen? Im Gegensatz zum heute verbreiteten Denken glaubt in der Bibel niemand, er könne einen Rechtsstreit mit Gott gewinnen.

Drittens kann man dann noch nach dem Ursprung des Bösen fragen. Wenn Gott der Souverän ist, warum gibt es überhaupt das Böse als eine Gegenmacht, die doch keine Chance gegen den Allmächtigen hat? Auf diese Frage erhalten wir in der Bibel – soweit ich sehe – keine abschließende Antwort. Es bleibt für uns ein Widerspruch darin, dass der Böse ohne Gott nicht sein kann und doch das Böse nicht Teil Gottes sein kann.