Der streitbare Theologe Klaus Berger, der jüngst mit seinem Buch „Die Bibelfälscher“ für Aufmerksamkeit sorgte, hat mit seinem „Kommentar zum Neuen Testament“ ein über 1000 Seiten starkes Werk vorgelegt, das sämtliche Schriften des Neuen Testaments bespricht. Jedem Buch ist eine (knappe) Einführung vorangestellt, in der die üblichen Einleitungsfragen besprochen werden. Hier gibt es einige Stellen, an denen Berger aus dem theologischen Konsens ausbricht, etwa was die Frühdatierung der Johannesoffenbarung oder die Diskussion über die Verfasserschaft der Pastoralbriefe angeht, wenn er beispielsweise die Spätdatierung dieser Briefe mit guten Argumenten „für alles andere als zwingend“ hält.
Es folgt eine Kommentierung nach meist recht großzügig gewählten Abschnitten, bei komplexeren Texten auch eine Vers-für-Vers-Exegese. Immer wieder fließen dabei auch Überlegungen zu Form-, Gattungs- und Literarkritik ein. Besonders interessant sind die zahlreichen Verweise Bergers auf andere frühchristliche Schriften und Bezüge auf das zeitgenössische Judentum. Inhaltlich setzt er sich auch hier von der liberalen Exegese ab, wenn etwa die Geschichtlichkeit der Jungfrauengeburt und die Leibhaftigkeit der Auferstehung betont werden. Dies macht das Werk jedoch nicht zu einem bibeltreuen Kommentar. Bergers Schriftverständnis erlaubt es etwa ohne weiteres, anzunehmen, dass sich die Auferstehungsberichte von Markus und Johannes „gegenseitig ausschließen“. Auch seine Ausführungen zur Inspiration der Schrift geraten interessant, aber wohl etwas verkürzt, wenn er zu 2. Timotheus 3,16 behauptet, Inspiration besage „zunächst etwas über den christlichen Glauben“.
Klaus Berger. Kommentar zum Neuen Testament. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011. 1056 S. Hardcover: 44,00 €. ISBN 978-3-579-08129-8
Die Formulierungen der Kommentierung sind gelegentlich akademisch, gelegentlich auch merkwürdig unvollständig und daher nicht immer einfach zu verstehen. Mit dieser und den bereits genannten Einschränkungen versehen, ist die Lektüre des Kommentars gleichwohl zu empfehlen. Die großen Stärken Bergers, seine Originalität, sein oftmals frischer Blickwinkel auf bekannte Texte und seine profunde Kenntnis der außerbiblischen Quellen kommen in diesem voluminösen Werk gut zum Tragen, so dass man auch dort von diesem Kommentar profitieren kann, wo man ihm inhaltlich nicht zustimmt.