ThemenWeltanschauungen

Herausfordernde Anfragen an ein „ausgedachtes Christentum“

Vor zwei Jahren erschien das Buch „Warum ich kein Christ bin“ von Professor Kurt Flasch, einem der besten Kenner mittelalterlicher Philosophie in Deutschland. Darin streitet er gegen ein „ausgedachtes Christentum“. Das Buch ist seither viel gelesen, in kirchlichen Kreisen aber eher zurückhaltend aufgenommen worden. Das wird an der offen vorgetragenen Ablehnung und sicher an der bisweilen scharfen intellektuellen Tonart liegen, die Kirchenmenschen nicht gewohnt sind. Auch trägt die Fülle ausgebreiteter Quellenkenntnisse dazu bei, dass man sich als gewöhnlicher Leser der Lektüre nicht immer ganz gewachsen fühlt. Trotzdem habe ich das Buch als äußerst anregend empfunden. Es enthält herausfordernde Anfragen, die auch für uns Evangelikale wichtig sind.

Flaschs Buch ist keine enttäuschte Abrechnung, trotz etlicher Spitzen gegen das Gutmenschentum, den Einfluss der Kirchen und den emeritierten Papst. Es ist auch kein Beitrag zur Skandalisierung. Der Autor gibt vielmehr Einblick in seinen lebenslangen, offenbar fließend und ohne Trennungsschmerz verlaufenen Prozess der inneren Ent­frem­­dung von seinem ursprünglichen Glau­ben. Auch wenn dabei Inhalte klar im Vordergrund stehen, spart er Persönliches doch nicht aus, bis hin zu einem Ausblick auf den herannahenden Tod, denn Flasch ist Jahrgang 1930.

Wenn Grundlagen verloren gehen

Im Kern geht seine Argumentation so: Das historische Christentum beansprucht einen Wahrheitsgehalt, der zwar nicht widerspruchsfrei ist, in seinen Grundlinien aber identifiziert werden kann (es gibt einen einzigen Gott, er hat die Welt erschaffen, er ist in Gestalt seines Sohnes Jesus in die Welt getreten, dessen Identität wird durch Wunder und Zeugen bestätigt, Jesus stirbt stellvertretend für erlösungsbedürftige Sünder, er ist leiblich auferstanden, nur der Glaube an ihn führt zum Vater, Jesu Nachfolger leben nach einer neuen Ethik, die Seele des Menschen ist unsterblich, sie erreicht am Ende den Himmel oder die Hölle). Dieser Wahrheitsgehalt kann heute nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die historisch-kritische Wissenschaft hat ihn durchgängig widerlegt. Nichts von dem, was Christen vormals glaubten, ist wahr in dem Sinne, dass es sich tatsächlich zugetragen hat.

In einzelnen thematischen Kapiteln – gleichsam einer Christenlehre mit negativen Vorzeichen – betrachtet Flasch die benannten Inhalte genauer, arbeitet Widersprüchliches heraus und zeigt, warum er dem allem nicht folgen kann. Besondere Aufmerksamkeit widmet er der Jungfrauengeburt und der Auferstehung als den beiden Inhalten, die eine aufgeklärte Betrachtung am meisten herausfordern. Im Ganzen zieht er den Schluss: Diese Inhalte sind heute allesamt nicht mehr relevant. Zur vorkritischen Zeit (für die evangelischen Theologien vor 1800, im katholischen Bereich vor 1960 mit dem Zweiten Vatikanum) gibt es kein Zurück.

Bis hierher lässt sich festhalten: Flaschs inhaltliche Auswahl erscheint angemessen. Er ist katholisch sozialisiert, kennt sich aber auch im evangelischen Bereich bestens aus. Es geht ihm nicht um Sondergüter, sondern um die Hauptinhalte des historischen Christentums. Insoweit können sich beide Seiten in gleicher Weise angesprochen fühlen. Dies gilt auch für evangelikale Christen, obwohl er die Evangelische Allianz oder die Freikirchen nicht erwähnt.

Seine Schlussfolgerungen halte ich natürlich nicht für angemessen, denn ich bin ja Christ. Mit meiner Kritik setze ich sowohl bei Flaschs Interpretation der behandelten biblischen Quellen an, als auch bei seiner Gewichtung späterer Traditionsentwicklungen. Da ich aber weder Philosoph noch Theologe bin, überlasse ich das im Einzelnen besser den Fachleuten.

Ersatz-Begründungen für den Glauben

Flasch geht in seiner Argumentation aber noch einen Schritt weiter und da wird es aus meiner Sicht richtig spannend. Er sagt: Weil die Inhalte des historischen Christentums heute nicht mehr relevant sind, werden sie in der westlich-aufgeklärten Christenheit auch nicht mehr wirklich geglaubt und gelehrt. Heutige Begründungen des Glaubens seien kompensatorisch. Er spricht von „Ersatz­reden, die den real- und denk­ge­schicht­lichen Zu­sam­men­hang abblenden“, nachdem die früheren „metaphy­sischen und legendär-historischen Ab­stüt­zungen“ weg­gebrochen sind.

Zu diesen Ersatz-Begrün­dungen zählt er „Ge­fühl“, „Erleb­nis“, „Entscheidung“, den „Sprung des Glaubens“ oder einen sakra­len Ästheti­zismus (mit interessanten Hin­weisen auf Traditionen, in denen solche neueren Glau­bens­begründungen stehen). Sie alle scheinen ihm aber noch weniger überzeugend als das ursprüngliche Christentum.

Da es also zum Historischen kein Zurück gibt und das Heutige noch weniger überzeugt, lautet seine Konsequenz: „Ich bin kein Christ mehr.“

Ich finde es bemerkenswert und sympathisch, wie sehr der Autor darauf besteht, über christliche Lehre, also über Inhalte zu sprechen. Das reicht bis zu dem Hinweis, schon Paulus habe die „Torheit“ der von ihm vertretenen Lehre deutlich vor Augen gestanden und er habe sich nicht dafür geschämt.

Für Flasch ist das Christentum ein Lehre, die in ihrem Wahrheits­gehalt ernst genommen werden will.

Für Flasch ist das Christentum nämlich zunächst und vor allem eine Lehre, die in ihrem Wahrheitsgehalt ernst genommen werden will. Er will Argumente hören, Gründe genannt bekommen, sich auseinandersetzen, so wie es „historisch“ üblich war.

Wenn er „historisch“ sagt, dann ist das nicht per se abwertend gemeint. Flasch will herausstellen, dass ein aus seinen ursprünglichen Zu­sam­menhängen und Ansprüchen her­aus­gelöstes Christen­tum nach seiner Auffassung kein Christen­tum im ursprünglichen Sinne mehr ist. Womit er sich auseinandersetzt und was er im Ergebnis ablehnt, ist das „altertümliche“, „unverkürzte“, „heute kaum noch vertretene“ Christentum. „Abgespeckte“ light-Varianten kann er überhaupt nicht als christlich akzeptieren.

Verachtung für ein „ausgedachtes“ Christentum

Wenn es um die Verachtung gegenwärtiger Christlichkeit geht, läuft der Autor zu verbaler Hochform auf. Vom „ausgedachten Christentum“ spricht er, dem Theologen nach eigenem Bedarf „das buchstäbliche Selbstverständnis abgewöhnen“ wollen; von den „Tricks der Autoritäten, ihre(r) Kunst der Umdeutungsrückzüge und des absichtsvollen Verschweigens“, die dazu führe, dass „Christen beider Konfessionen in Deutschland … erstaunt auf(blicken) …, wenn man ihnen erzählt, was in ihren Büchern steht“; von der „ungeheuren Ermattung“ und den „verbalen Nebeln“, die dazu dienen, „sich der Rechenschaft über seinen Glauben zu entziehen“.

„Vielleicht ist für das gegenwärtige Christentum in Westeuropa nichts charakteristischer als die oft nur stillschweigende Weigerung, Gründe für den Glauben vorzubringen.“

„Die Kunst mancher Theologen besteht darin, Formulierungen zu erfinden, denen man nicht leicht anmerkt, dass Eva nicht aus der Rippe gebildet und dass das Grab nicht leer war.“

Da freue es ihn als „Ungläubigen geradezu, gelegentlich bekenntnisstarke Christen zu treffen“.

Warum uns das angeht

Das sind harte Sätze. Sie gehen Evangelikale unmittelbar an. Wir stehen ja nach unserem Selbstverständnis dafür ein, am „Eigentlichen“ des Christentums festzuhalten. Hier will uns nun jemand – dezidiert aus einer Außenperspektive, dabei äußerst kenntnisreich – zeigen, dass Christentum mit Inhalten zu tun hat und welche dies „eigentlich“ sind.

Können wir dem Autor insoweit zustimmen? Trifft er in uns auf „bekenntnisstarke Christen“, die sich über den Wahrheitsanspruch ihres Glaubens im Klaren sind? Wo ziehen auch wir uns auf „Ersatzreden“ zurück?

Wie steht es zum Beispiel um die „Torheit“ des Auferstehungsglaubens? Würde uns ein Buch aus evangelikaler Feder heute noch aufregen, das uns erklärt, wie befreiend es sei, eine Äußerlichkeit wie die, das Grab sei wirklich leer gewesen, nicht länger glauben zu müssen, weil dies ja nicht zum Kerngehalt unseres Glaubens gehöre? Das klingt zugespitzt, bringt aber auf den Punkt, was Flasch mit Stichworten wie „Um­deutungsrückzug“ und „Ersatzreden“ meint: Verlo­renes Glaubensgut wird durch erbauliches Reden ersetzt und übermalt. Dazu sagt er: lieber kein Christ als auf diese Weise.

Das „leere Grab“ ist unter Evangelikalen derzeit vielleicht weniger angefragt (und eignet sich daher zur Verdeutlichung). Bei anderen Inhalten, die Flasch benennt, sind kräftige Diskussionen im Gange. Wir haben uns bereits sehr an den Hinweis gewöhnt, nicht auf die Lehre, sondern auf das Leben komme es an. Das ist nicht falsch, aber eben auch ein Rückzugsargument. Dahinter verbirgt sich viel Unkenntnis und Unsicherheit über den eigenen Glauben und häufig viel vorauseilende Unterwerfung unter die Fundamentalismuskeule, mit der man uns so gerne droht.

Es kommt auf beides an: Leben und Lehre

Flasch kennt christliches Leben nur in „geologischen Ablagerungen“. Wie viel überzeugend vertretenes Christentum nehmen Menschen um uns wahr?

In Wirklichkeit kommt es doch auf beides an, auf Lehre und Leben. Und ohne Lehre gibt es kein christliches Leben. Mich berühren deshalb Flaschs Hinweise, er bestreite nicht grundsätzlich, dass es christliches Leben heute noch „irgendwo“ geben könne; und wo dies der Fall sei, wolle er es nicht kritisieren. In seinen ursprünglichen Lebensäuße­rungen sei das Chris­ten­tum aber „de facto verschwunden“, die Kirche sei nur „noch da“, „erstarrt“ und „wohlgeschichtet“ in ihren geologischen Ablagerungen.

Solche Aussagen tun richtig weh. Da sagt jemand, der sein Leben lang die christliche Theologie und Szenerie in unserem Land intensiv beobachtet hat und von vielen persönlichen Begegnungen berichten kann, er selbst habe christliches Leben nicht kennen gelernt. Man kann diese Aussage natürlich dem Alter des Autors, seinem Leben im Elfenbeinturm oder seiner intellektuellen Überheblichkeit zuschreiben. Man kann aber auch die Frage stellen, die uns im eigenen Getriebe leicht untergeht: Wie viel an authentisch gelebtem und überzeugend vertretenem Christentum nehmen aufgeklärte Zeitgenossen um uns herum tatsächlich wahr?

Zu den Äußerungen heutiger Christlichkeit, die Flasch dezidiert nicht gelten lässt, zählt er die Reduzierung auf Moralismus und Nächstenliebe. Die Minimalvor­stel­lung, Gott meine es gut mit (mir) oder überhaupt mit allen Menschen, habe mit Christus nichts zu tun. Wer so etwas glaube, sei kein Christ, sondern ein „metaphysischer Optimist“, seine Kirche „ein Verein zur Verbreitung von Lebenszuversicht“. Die Wahrheit der Religion werde so lange ausgelegt, „bis etwas Moralisches dabei heraus komme“. „Verbrämende Abschwächungen“ seien das, „die so tun, als sei der Gott der Bibel immer nur lieb“. „Die Christenheit von heute überschwemmt sich mit Rhetorik der Liebe. Gottes Liebe wird in Zusammenhänge gestellt, in die sie argumentativ nicht gehört …“ Das wirkliche Leben sei damit „kaum noch zu erreichen“.

Man würde Professor Flasch sicher fehl­interpretieren, wollte man solche bitteren Sätze als verborgene Sehnsucht nach echtem Christentum auffassen. Aber es klingt doch zumindest an, dass er etwas von der ursprünglichen Intention des Christentums vermisst. Die Sorge, dass christlich genannt wird, was nicht christlich ist, und dass darüber die ursprüngliche Botschaft verloren geht, treibt auch Evangelikale um, sollte sie umtreiben. Dabei geht es gar nicht um Abgrenzung oder die Angst vor verlorenen Sicherheiten, wie man uns gerne polemisch unterstellt. Es geht um die Sorge, dass Menschen nicht in den Himmel finden, wenn wir ihnen statt des Evangeliums nur eine allgemeine Liebeslyrik predigen.

Sehr oft ist unter Evangelikalen der Hinweis zu hören, wir sollten nahe bei den Menschen und mitten im Leben sein. Das ist in der Tat sehr wichtig. Nur, wo ist das: nahe bei den Menschen? Bei Flasch lerne ich, dass dies nicht bedeuten kann, nahe bei einem inhaltsleeren und angepassten Namenschristentum zu sein. Vielleicht ist es also im Blick auf unsere Glaubwürdigkeit und missionarische Kraft doch nicht so wichtig, wenn wir uns so sehr darum bemühen, im kirchlichen Raum nur ja nicht unangenehm aufzufallen.

Auf welcher Basis kann man heute Christ sein?

Seine Abkehr vom Christentum begründet Professor Kurt Flasch mit den geistigen Folgen der Aufklärung und speziell mit den „unbestreitbaren Ergebnissen“ der historisch-kritischen Theologie. Dies mache ihm Christsein unmöglich. Er sagt dies für sich persönlich, bringt aber mehrfach sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass andere nicht ebenfalls die Konsequenzen ziehen, die er gezogen hat. Denen, die sich aus der intellektuellen Entwicklung seit 1800 am Ende doch in erbauliche „Ersatzangebote“ flüchten, wirft er „die Depotenzierung oder die Schein-Anerkennung des historisch-kritischen Vorgehens“ vor. Letztlich läuft seine Argumen­tation damit auf die These hin­aus, historisch-kritische Theologie, konsequent verfolgt, führe zur Aufgabe des Glaubens.

Die Mehr­heit der Bibel­wis­­sen­­schaft­ler bestreitet diese These mit Nachdruck. Genau umgekehrt sei es richtig, sagen sie: Nur auf der Basis einer historisch-kritischen Theologie sei aufgeklärter Glaube heute überhaupt möglich.

Nun darf ich an dieser Stelle als Nicht-Theologe den Streit darüber, was „historischkritisch“ überhaupt ist und ob die von Flasch dargelegten Ergebnisse die richtigen bzw. die einzig zulässigen sind, gerne den Fachleuten überlassen. Mir geht es um etwas Anderes.

Wenn ich lese, was Flasch über den Wahrheitsgehalt des christlichen Glaubens sagt und wie er dessen Hauptinhalte der Reihe nach aus­einander­zu­neh­men sucht, dann komme ich zu dem Schluss: Das ist doch alles weder neu noch spektakulär. Ich habe doch den Eindruck, dass Flaschs Darle­gun­gen dem, was Theologen in unserem Land heute mehrheitlich glauben und verkündigen, sehr nahe kommt: sei es zum Gottesbegriff, zur Alleingültigkeit des Christentums, zu Wundern, Sühnetod und leerem Grab, zu Himmel und Hölle und so fort. Das kann ich doch zwischen den Zeilen in fast jedem katholischen oder evangelischen Gottesdienst hören. Nur die Schlussfolgerung ist eine andere. Der eine sagt: deshalb bin ich kein Christ. Die anderen sagen: trotzdem oder sogar nur auf dieser Basis bin ich ein Christ.

Glaube ohne geistliche Kraft

Natürlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er ein Christ sein bzw. dafür gehalten werden will. Am Ende wird, nach „historisch-christlicher“ Überzeugung, Gott darüber entscheiden, wer zu ihm gehört. Allerdings geht es hier nicht nur um die abweichende Meinung eines alten Philosophen. Was Flasch ausspricht, beschäftigt doch viele. Viele Menschen in unserem Land – gebildete und ungebildete, offen oder verdeckt – vertrauen dem Christentum in der Form, die ihnen heute mehrheitlich dargeboten wird, nicht mehr. Es mag Theologen vielleicht genialisch erscheinen, wenn sie in Weihnachts- und Osterpredigten einen Schleier der Unergründlichkeit zwischen das legen, was da einerseits mit Jesus wohl niemals geschehen und andererseits über ihn dennoch „bezeugt“ und insofern wirkmächtig sei. Nur: Die Leute hören kaum noch zu. Sie spüren nicht die geistliche Kraft dieses Glaubens.

In einer Erinnerungsszene schildert Kurt Flasch Gespräche mit einem befreundeten Theologen. Der legt ihm dar, dass wir von Jesus fast nichts wissen. Er erklärt, wie die christliche Vorstellung vom Christus in allmählicher Traditionsbildung entstanden sei. Er erläutert die Wirkung der enttäuschten Naherwartung auf die ersten Christen. Er distanziert sich vom vormodernen biblischen Weltbild und Dogmatismus der frühen Kirche. Dann hakt der Autor ein:

» Ich ging von ihm weg, mit großem Respekt vor seiner Person und seiner Gelehrsamkeit, aber bedrückt, wie leer, wie ergebnislos diese Forschung sei.

„Ich fragte: ‚Ja, warum brauchen Sie dann noch Jesus?‘ Die Antwort lautete etwa: ‚Er ist mir vertraut. Er zeigt mir, wie ich leben soll. Er leitet mich an zur Selbsterfor­schung … Er gestattet mir Selbsterkenntnis …‘ Er sagte dies in einem so warmen Ton, mit großem Ernst und innerer Heiterkeit, dass ich Sympathie für ihn empfand und nur schonend formulierte, was ich doch dachte: ‚Dafür brauche ich diesen Jesus nicht.‘ … Ich ging von ihm weg mit großem Respekt vor seiner Person und sei­ner Gelehr­sam­­keit, bedrückt, wie leer, wie ergebnislos die­se Forschung sei.“

Was überzeugt?

Es gibt Zeitgenossen, die von sich sagen, nur auf einer solchen Basis könnten sie Christen sein. Das ist zu respektieren. Es gibt aber auch viele Zeitgenossen, die genau deshalb keine Christen sind. Sie spüren durchaus, wenn ihnen etwas dargeboten wird, was nur der Form nach christlich ist, und wenn sich Menschen Christen nennen, ohne damit Nennenswertes zu verbinden. Das überzeugt sie nicht. Flasch gibt ihren Einwänden eine Stimme. Spricht er an dieser Stelle den Evangelikalen nicht aus der Seele? Das überzeugt uns doch auch nicht.

Auch wenn er mit seiner Preisgabe des Glaubens leider viel zu weit geht, lese ich Flaschs Buch doch als eine Aufforderung an all diejenigen, die Christen bleiben wollen, sich ehrlicher zu machen und Abschied zu nehmen von allzu bequemen Lebenslügen.

Er erwähnt, es gebe „auch Christen, die eine Debatte (über die Inhalte des Christentums) besser finden als die konventionelle Selbstverständ­lichkeit, wir seien alle Christen“. Dem sollten sich Evangelikale anschließen können.

Kurt Flasch hat sein Buch nicht geschrieben, um Christen Rat­schlä­ge zu geben. Er begründet, warum er kein Christ ist, und will auch nicht zurückgewonnen werden. Antworten da­rauf, wie ein authentisches, an das moderne Leben anschlussfähiges und zugleich seinen Ursprüngen verpflichtetes Chri­stentum heute aussehen kann, müssen wir ohne ihn finden. Seine herausfordernden Anfragen – in einer spannenden Kombination von Sachkenntnis und Distanz – finde ich dabei hilfreich.