Wir spüren es alle, wie die antichristlichen Kräfte überhand nehmen, wie sie bald alle Positionen im Staat, in den Medien, in den Schulen und in der Kirche besetzt haben. Ich sage nicht unbedacht „antichristliche Kräfte“. Die Stimmen, die gegen das Evangelium laut werden, kommen nicht von unwissenden Leuten. Als Paulus in Athen predigte, konnte er den Zuhörern zugute halten, dass sie bisher in Unwissenheit gelebt hätten (Apg 17,30). Als die Heiden das Evangelium hörten, war das für sie neu; entsprechend nahmen etliche es auf, die übrigen scherten sich meist nicht groß darum. Anders die Juden; die reizte die Predigt vom Christus Gottes immens, denn sie waren keine Unwissenden; sie wussten, gegen wen sie redeten, als sie die Beweisführungen der Apostel verwarfen, die mit dem Alten Testament bewiesen, dass Jesus der Christus ist (Apg 17,1-3.5).
Unsere Zeitgenossen in den Ländern der Christenheit sind auch keine Unwissenden; hinter ihnen liegen nicht „die Zeiten der Unwissenheit“. Sie wissen, wen und was sie verwerfen, wenn sie beharrlich und mit System gegen das Christentum reden und wirken. Sie wollen es loswerden; sie wollen auch die Leute loswerden, die ihm noch anhangen. Die Schlinge hat man längst um uns gelegt. Die Frage ist nur, wann sie sich zuzieht. Das kann sehr bald sein, und wenn es kommt, kommt‘s plötzlich. Wir müssen gewappnet sein (siehe 1Pet4,1).
Ich werde das Thema unter folgenden Hauptstücken behandeln:
- Was ist das Gewissen?
- Das jedem Menschen eingepflanzte Gewissen
- Das von Gott regierte Gewissen
- Ein gutes Gewissen bewahren
- Die Furcht vor den Mächtigen der Welt
- Der Glaube an Gottes Wort
- Die Gottesfurcht und die Hoffnung der Herrlichkeit
1. Was ist das Gewissen?
In 1Tim 1,19 spricht Paulus von einem „guten Gewissen“, im Hebräerbrief ist die Rede „vom bösen Gewissen“ (Heb 10,22). Was ist ein gutes, was ist ein böses Gewissen?
Im Alten Testament wird der Begriff „Gewissen“ nicht verwendet, aber wir haben Beispiele, die uns zeigen, wann und weshalb bei verschiedenen Menschen das Gewissen ausschlug:
1Mo 3,8-10
Die Menschen hatten Gottes Gebot übertreten; als Gott nahte, reagierte das Gewissen. Die Menschen wussten, dass sie gesündigt hatten und flohen darum vor Gottes Nähe.
1Mo 42,21.22
Die Ängste, welche die Brüder Josephs befallen, wecken Hunde auf, die lange geschlafen haben. Die Brüder erinnern sich an ihre Sünde an Joseph und beginnen von ihr zur reden.
1Sa 24,5-7
David hat etwas getan, das gegen Gottes Gebot geht, nämlich die Obersten des Volkes zu ehren (siehe 2Mo 22,28), „da schlug dem David sein Herz“. Hier steht das Herz für das Gewissen.
Ps 32,3.4
Hier hören wir, wie das Gewissen David plagte, so lange er seine Sünde verheimlichte.
Im Neuen Testament kommt das Wort Gewissen 30 mal vor. Das hierfür verwendete griechische Wort ist syneidēsis. Das bedeutet wörtlich: „Mit-Wissen“. Das lateinische Wort, das uns aus den romanischen Sprachen vertraut ist, lautet ganz entsprechend con-scientia = Mit-Wissen.1
2. Das jedem Menschen eingepflanzte Gewissen
Da der Mensch Mensch ist, hat er ein von Gott gegebenes Wissen um Gott, den Schöpfer (Rö 1,19.20). Er trägt in seinem Herzen ein Bewusstsein von der Ewigkeit: „Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt“ (Prd 3,11).
Auf diese Tatsachen stützt sich Paulus in seiner Predigt an die Athener und kann sogar einen heidnischen Dichter als Zeugen dafür aufrufen, dass seine Zuhörer wussten, dass er Recht hatte:
„Er hat aus einem Blut jede Nation der Menschen gemacht, dass sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, indem er verordnete Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnung bestimmt hat, dass sie Gott suchen, ob sie ihn wohl tastend fühlen und finden möchten, obgleich er nicht fern ist von einem jeden von uns. Denn in ihm leben und weben und sind wir, wie auch etliche eurer Dichter gesagt haben: ‚Denn wir sind auch sein Geschlecht‘. Da wir Menschen „Gottes Geschlecht sind, sollen wir nicht meinen, dass das Göttliche dem Gold oder Silber oder Stein, einem Gebilde der Kunst… gleich sei“ (Apg 17,26-29).
Gott kann nicht Materie sein, denn wir Menschen, die aus ihm sind, sind nicht dadurch als Menschen von allen übrigen Geschöpfen unterschieden, dass wir einen materiellen Leib haben, denn den haben auch die Kieselsteine, die Eichen im Wald und die Kühe auf der Wiese. Daher können wir aus unserem eigenen Wesen schließen, dass Gott Geist sein muss.
Ferner erkennen wir, dass er moralisch sein muss; denn wie sollten wir moralisches Empfinden haben, und Gott hätte das nicht?
Außerdem muss er unbegrenzt sein; denn wir alle haben das Empfinden, dass wir als Menschen begrenzt sind. Dieses Empfinden aber rührt daher, dass wir um Unbegrenztheit wissen; oder besser: um einen unbegrenzten Urheber aller begrenzten Dinge.2
Und er muss vollkommen sein; denn wir haben ein Empfinden unserer moralischen Unvollkommenheit, das wir aber nur deshalb haben, weil wir wissen, dass es moralische Vollkommenheit gibt.
Paulus sagt also, dass wir, wenn wir uns recht erkennen, auch Gott erkennen (so weit der Mensch Gott erkennen kann). Wir erkennen uns als abhängig, als mangelhaft und als verantwortlich. Dies wiederum bedeutet, dass wir erkennen, von wem wir abhängig, gemessen an wem wir mangelhaft und vor wem wir verantwortlich sind. Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis sind untrennbar miteinander verbunden.
„Alle Menschen sind sich dessen bewusst, dass sie einem ihnen überlegenen Wesen verantwortlich sind, jemandem, der weiß, was sie sind und was sie tun, und der den Willen und die Absicht hat, den Menschen nach seinen Werken zu belohnen oder zu bestrafen. Der Gott, der sich unserer Natur offenbart, ist ein Gott, der weiß, will und handelt; der belohnt und bestraft. Das heißt, er ist eine Person: ein intelligenter, willentlich Handelnder, der moralische Eigenschaften hat. Diese Offenbarung von Gott muss wahr sein.“3
Der Mensch hat ein angeborenes Wissen um einen absolut Guten, und damit hat er einen (wenngleich mangelhaft wahrgenommenen) Maßstab von Gutem und Bösem. Er empfindet, dass da ein Mitwisser seiner Taten ist und diese gutheißt oder verurteilt. Zu diesem Mitwisser sagen wir auf Deutsch „Gewissen“. Paulus sagt von den Heiden, die keine geschriebene göttliche Offenbarung besitzen:
„Denn so die Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun des Gesetzes Werk, sind dieselben, dieweil sie das Gesetz nicht haben, sich selbst ein Gesetz, als die da beweisen, des Gesetzes Werk sei geschrieben in ihren Herzen, sintemal ihr Gewissen ihnen zeugt, dazu auch die Gedanken, die sich untereinander verklagen oder entschuldigen“ (Röm 2,14-15).4
Was tut das Gewissen? Es gibt Zeugnis ihren Taten, indem die Gedanken diese entweder „verklagen oder entschuldigen“, also verurteilen oder gutheißen.
Das Gewissen ist formbar. Es ist nicht festgelegt; es ändert sich, es passt sich an, aber es kann nie ausgetilgt werden. Auch wenn der Mensch die Wahrheit, dass ein Gott ist, lange und beharrlich unterdrückt (Rö 1,18) und sich darum immer weniger und am Ende gar nicht mehr an einem absolut Guten, d. h. an Gott, misst, hat er ein Gesetz, eine Werteskala, an der er sich misst. Wenn er gegen diese Skala handelt, hat er ein schlechtes Gewissen, wenn er sich an sie hält, hat er ein gutes Gewissen.
Wenn der Jude, der religiös erzogen worden ist, ein Butterbrot mit geschnittenem Kalbfleisch isst, hat er ein schlechtes Gewissen, denn er ist so erzogen worden, dass man Milchiges nicht zusammen mit Fleischigem5 essen darf.
Das Gewissen kann geformt werden, ob durch religiöse Erziehung oder soziale Beeinflussung.
Wenn ein Durchschnittsschweizer die Fassung verliert und von jemandem sagt, er sei ein schwules Schwein, bekommt er nachher ein schlechtes Gewissen, denn er ist seit geraumer Zeit so konditioniert worden, dass er überzeugt ist, Homosexualität sei entweder angeboren und darum ganz natürlich, oder man könne wählen, ob man so oder anders seine Sexualität ausleben wolle, und darum dürfe man niemanden verurteilen wegen seiner besonderen Vorlieben. Oder er hört, wie jemand Homosexualität verurteilt und ist empört. Wenn er nicht dazu schweigt, hat er danach ein gutes Gewissen, denn er hat die in seinen Augen richtigen Werte verteidigt, und für diese edle Tat klopft er sich auf die Schulter.
So sehen wir: das Gewissen kann geformt werden durch religiöse Erziehung oder durch soziale Beeinflussung. Darum ist es nicht ganz unrichtig, was Nietzsche vom Gewissen sagte: Dieses sei „nicht dieStimme Gottes in der Brust des Menschen, sondern die Stimme einiger Menschen im Menschen“.6 Das kann man als eine ziemlich treffende Beschreibung nehmen der Mehrheit unserer Zeitgenossen, die meist ganz unreflektiert ausspucken, was ihnen die Medien eingelöffelt haben. Das gilt auch für die meisten Juden, die zur Zeit unseres Herrn lebten. Jesus forderte sie auf: „Richtet nicht nach dem Schein, sondern richtet ein gerechtes Gericht „ (Joh 7,24). Damit tadelte er die Juden, die nicht recht richteten, obwohl sie einen vollkommenen Maßstab besaßen, der sie befähigt hätte, recht zu richten. Sie hatten die Bibel, aber sie lasen sie nicht wirklich (siehe Mt 15,3-9). Darum konnten sie mit gutem Gewissen dem Herrn widersprechen und am Ende ihn selbst verwerfen.
Paulus bestätigt mit seinem eigenen Beispiel, dass man Böses tun und dabei ein gutes Gewissen haben kann, indem er an Timotheus schreibt: „Ich danke Gott, dem ich diene von meinen Voreltern her in reinem Gewissen…“ (2Tim 1,3). Bedenken wir: Paulus hatte ein reines Gewissen, als er die Christen verfolgte; er war pharisäisch so gründlich gedrillt, und er meinte, er diene dem Gott der Väter, als er sie jagte (siehe Joh 16,2). Er tat all das „unwissend, im Unglauben“ (1Tim 1,13). Das zeigt uns, wie sehr das Gewissen uns irreleiten kann. Wenn einer beteuert, er handele nach bestem Wissen und Gewissen, beweist das gar nichts (siehe 1Kor 4,4). Wir müssen uns darum Klarheit verschaffen darüber, wer unser Gewissen regiert. Oder anders gesagt: Wir müssen zusehen, dass unser Gewissen dem richtigen Maßstab verpflichtet ist.
3. Das von Gottes Wort regierte Gewissen
Gottes Wort sagt uns, wer Gott ist, wie Gott ist und was Gott von uns verlangt. Gott ist unwandelbar, darum sind es seine Worte auch. Sie stehen ewig fest im Himmel (Ps 119,89). Anders als alles Geschaffene vergehen sie nie (Lk 21,33). Damit ist das Wort Gottes der einzige vollkommene und immer gültige Maßstab für alles sittliche Urteilen und somit für das Gewissen. Wenn das stimmt, ist der ein Tor, der die Bibel ignoriert.
3. 1 Die Sünde und das Gewissen
Misst der Mensch sich nie am vollkommenen Maßstab, wird er nie zum Glauben und damit nie zum ewigen Heil kommen. Denn er muss seiner Sünde überführt werden; wo nicht, wird er nie nach Vergebung und Errettung fragen. Setzt sich der Mensch aber dem Wort aus, beginnt Gott durch sein Wort zu ihm zu reden, und er wird unruhig; sein Gewissen beginnt sich zu regen. Gott redet weiter, und sein Gewissen schlägt immer heftiger aus. Gottes Gesetz gibt Erkenntnis der Sünde, und das Gewissen sagt, dass Gottes Gesetz die Wahrheit spricht und dass er es gebrochen hat. John Bunyan hat in seiner Allegorie vom Heiligen Krieg wunderbar beschrieben, wie das Gewissen wirkt:
„Bevor die Stadt Menschenseele fiel, war Herr Stadtschreiber in den Gesetzen seines Königs trefflich unterwiesen, und er war auch ein mutiger und treuer Mann mit gut ausgewogener Zunge und einem Kopf von klarem Urteil. Diesen Mann konnte Diabolus nicht ausstehen, weil er zwar seine Zustimmung gegeben hatte, als Diabolus in die Stadt eindrang, aber er konnte ihn mit keiner List, Verlockung oder Drohung sich ganz zu eigen machen. Wohl war er von seinem früheren König sehr weit abgefallen, und es gefielen ihm auch viele der Gesetze und Dienstleistungen von Diabolus. Aber das genügte nicht, so lange der Stadtschreiber ihm nicht ganz gehörte. Manchmal dachte der an Schaddai, und dann kam die Furcht von Schaddais Gesetz über ihn, und dann redete er so laut wie ein brüllender Löwe gegen Diabolus. Manchmal, wenn seine Anfälle über ihn kamen – denn ihr müsst wissen, dass er zuweilen von schrecklichen Anfällen heimgesucht wurde –, machte er die ganze Stadt Menschenseele zittern mit seiner lauten Stimme. Darum mochte der gegenwärtige Herrscher von Menschenseele ihn gar nicht leiden.“7
Das Gewissen kommt erst zur Ruhe, wenn der Mensch das Evangelium gehört und es im Glauben aufgenommen hat.
Das Gewissen kommt erst zur Ruhe, wenn der Mensch das Evangelium gehört und es im Glauben aufgenommen hat. Wenn wir glauben, dass der Sohn Gottes mit seinem Blut alle unsere Schuld gesühnt hat, werden wir „los von dem bösen Gewissen“ (Heb 10,22). Wenn wir durch den Glauben gerechtfertigt worden sind, haben wir Frieden mit Gott (Rö 5,1), und damit ist unser Gewissen zur Ruhe gekommen.
3. 2 Der Christ und das Gewissen
Damit, dass ein Mensch zum Glauben gekommen, also Christ geworden ist, ist sein Gewissen erst richtig wach geworden, und es hat fortan große Bedeutung in seinem ganzen Glaubensleben.
Nachdem Paulus in Rö 2,15 vom Gewissen der Menschen ohne göttliche Offenbarung gesprochen hat, spricht er in 9,1 als Christ von seinem eigenen Gewissen: „Ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht, wie mir mein Gewissen Zeugnis gibt in dem Heiligen Geist“ (Röm 9,1).
Mit anderen Worten: Das Gewissen des Christen Paulus ist an Gott gebunden. Er sagt die Wahrheit „in Christus“, er misst sein Reden an der Tatsache, dass er Christus gehört. Paulus ist sich also bewusst, dass er immer vor dem Herrn steht, oder anders gesagt: Dass der Herr Christus immer über ihm steht und ihn beobachtet. Was er sagt, sagt er in diesem Wissen,8 und dazu sagt er, dass sein Gewissen ihm Zeugnis gibt. Damit bekennt er, dass sein Gewissen etwas ist, das unabhängig von ihm seine eigene Stimme hat. Es ist eben der bereits erwähnte „Mitwisser“. Und dieser redet zu ihm; er „gibt Zeugnis“ seinem Tun. Er bestätigt, dass er die Wahrheit sagt. Und dann sagt Paulus noch etwas, und das ist wichtig. Das Gewissen muss erleuchtet, es muss von Gott bestimmt sein. Paulus betont, dass sein Gewissen „im Heiligen Geist“ redet. Nur, wenn das Gewissen von Gott regiert ist, kann es uns zuverlässig leiten. Es genügt also nicht, dass wir den richtigen Maßstab für das Gewissen lediglich kennen. Es muss dazu vom Heiligen Geist regiert sein. Dieser gibt die Fähigkeit sich wie Paulus zu üben, „allezeit ein unverletzt Gewissen zu haben, gegen Gott und die Menschen“ (Apg 24,16).
Hier sagt Paulus, warum der Christ der Obrigkeit gehorchen muss: „Darum ist’s not, untertan zu sein, nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen“ (Röm 13,5). Das Gewissen wird gesteuert durch Gottes Gebot, das da lautet: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat“ (Röm 13,1). Darum hat der Christ ein gutes Gewissen, wenn er der Obrigkeit gehorcht, und ein schlechtes Gewissen, wenn er gegen Gesetz und Verfassung verstößt. Und darum beginnt für ihn ein scharfer Konflikt, wenn die Obrigkeit von ihm Dinge verlangt, die Gott verboten hat. Er will der Obrigkeit gehorsam sein, aber er kann es nicht, weil eine höhere Autorität es ihm verbietet. Ist er ein wahrer Christ, wird der Heilige Geist die Stimme des Gewissens bekräftigen. Er sehe zu, dass er den Geist nicht dämpfe! Denn das ist gefährlich.
Paulus ermahnt Timotheus, den Glauben zu bewahren und dazu „ein gutes Gewissen, welches einige von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten haben“ (1Tim 1,19). Und er sagt, dass Diener in der Gemeinde Gottes nur solche sein können, die „das Geheimnis des Glaubens bewahren in reinem Gewissen“ (1Tim 3,9).
Der Glaube, von dem diese beiden Stellen sprechen, ist die Glaubenslehre. Diese bleibt in uns so lange wirksam, als wir ein gutes Gewissen bewahren. Akzeptieren wir aus Gründen der Opportunität Praktiken oder Lehren, die gegen unsere biblischen Überzeugungen gehen, meldet sich unser Gewissen. Ersticken wir ihre Stimme, wird unser Gewissen stumpf, und wir erleiden Schiffbruch: Wir gehen als Zeugen und Diener des Herrn unter und verlieren jede Wirkung.
Wenn wir der Glaubenslehre nicht weiter als bis dahin gehorchen, werden wir sie auch nicht mehr gegen Irrtümer verteidigen. Am Ende kann es so weit kommen, dass man sie ganz fahren lässt. Davor hat Paulus ausdrücklich gwarnt: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, die in Heuchelei Lügen reden und betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind“ (1Tim 4,1.2).
4. Ein gutes Gewissen bewahren
Wie wir gesehen haben, ermahnt uns Paulus, ein gutes Gewissen zu bewahren (1Tim 1,19). Er tut das, weil wir gefährdet sind; wir sind häufig versucht, Dinge zu tun, die unser Gewissen verletzen. Die Versuchung dazu kommt aus zwei verschiedenen Richtungen: aus der Lust und aus der Furcht.
4. 1 Die Verlockungen der Lust
„Ein jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust fortgezogen und gelockt wird. Danach, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod“ (Jak 1,14-15).
- Lust zur Macht. Der große Preußenkönigs Friedrich schrieb 1740 in einem Brief an seinen Freund Jordan:
„Meine Jugend, das Feuer der Leidenschaften, das Verlangen nach Ruhm, ja, um Dir nichts zu verbergen, selbst die Neugierde, mit einem Wort, ein geheimer Instinkt hat mich der Süßigkeit der Ruhe, die ich kostete, entrissen, und die Genugtuung, meinen Namen in den Zeitungen und dereinst in der Geschichte zu lesen, hat mich verführt.“
Wie häufig erliegen Christen der Versuchung, sich einen Namen zu machen, Ansehen und Einfluss zu gewinnen!
- Lust zum Genuss. Wir denken an König David und Bathseba. Wie schnell können wir dem Ziehen zu unreiner Lust erliegen!
- Lust zum Geld. Wir denken an Achan, an Gehazi, an Judas, an denen wir lernen, wie leicht ein Angehöriger des Volkes Gottes vom Mammon bezwungen werden kann.
4. 2 Die Menschenfurcht
Es ist nicht immer die Lust zu verbotenen Dingen, die uns verleitet, unser Gewissen zu verletzen, sondern häufig ist es Leidensscheu. Wir wollen nicht das Missfallen der Leute auf uns ziehen; wir wollen nicht unsere Ruhe gefährden; wir wollen nicht den Zorn der Mächtigen provozieren; wir wollen unsere eigene Haut retten. Darum sind wir nicht immer bereit, „Übel zu ertragen wegen des Gewissens vor Gott“ (1Pet 2,19). Wie oft schweigen wir, wo wir reden, nicken wir, wo wir widersprechen sollten. Wir passen uns an und machen mit, anstatt dass wir uns abwenden und wegtreten. Das ist alles so natürlich und so menschlich, aber es ist nicht göttlich, es ist sündig.
Petrus
Wir sind gewiss nicht besser als Petrus, der aus Angst vor schlimmen Folgen leugnete, dass er ein Jünger Jesu war.
Die Brüder und Paulus
Wir sind gewiss nicht viel anders als Brüder, die Paulus sitzenließen, als er von einem römischen Gericht verhört wurde: „Bei meinem ersten Verhör stand mir niemand bei, sondern sie verließen mich alle“ (2Tim 4,16). Sie setzten sich ab, bevor man anfangen konnte, unbequeme Fragen an die Freunde dieses zweifelhaften Mannes zu richten. Er hatte gegen ein kaiserliches Gebot verstoßen und saß darum ein als ein Verbrecher (2Tim 2,9; siehe auch 2Tim 1,8).
4. 3 Der Glaube an Gottes Wort
Wie können wir die Versuchungen, gegen unser Gewissen zu handeln, überwinden? Durch Gottes Wort. Das Wort, das uns den Glauben gegeben hat, hat auch die Kraft, uns zu heiligen (Joh 17,17).
Martin Luther
Wie man überwinden kann, können wir an Luther lernen. 1521 sagte er in Worms, er sei durch die Heilige Schrift „überwunden im Gewissen“ und damit „gefangen in dem Worte Gottes“. Darum wagte er nicht, „wider das Gewissen etwas zu tun“, denn das sei „weder sicher noch heilsam“.
Beachten wir: Als erstes müssen wir im Gewissen überwunden werden. Das ist ein starker Ausdruck. Jemand, der stärker ist als wir, stärker als unsere Wünsche, unsere Vorstellungen, unsere Erwartungen, muss uns bezwingen. Gott muss uns seinem Willen unterwerfen, damit wir fortan an seinen Willen gebunden sind. Wie geschieht das? Durch Gottes Wort.
Wir müssen Männer und Frauen des Wortes werden und bleiben, uns in das Bibelbuch vertiefen, es verstehen und uns darin üben, ihm zu gehorchen.
Wir müssen also das Wort Gottes hören oder lesen, und wir müssen es aufnehmen. Wir müssen Männer und Frauen des Wortes werden und bleiben. Wir müssen uns beständig in das Bibelbuch vertiefen; wir müssen Zeit über ihm verbringen, über dasselbe sinnen, es immer besser zu verstehen suchen, uns darin üben, ihm zu gehorchen. Das Wort Gottes muss in uns mehr und mehr zur Herrschaft kommen. Es muss unser Urteilen und unseren Willen regieren. Es muss geschehen, was David von sich sagt: „Ich behalte dein Wort in meinem Herzen, damit ich nicht wider dich sündige“ (Ps 119,11).
Der Apostel Paulus
Wir müssen tun, was Paulus tat. Wir hatten oben das Bekenntnis des Apostels gehört: Er übte sich allezeit ein Gewissen ohne Anstoß vor Gott zu haben (Apg 24,16). Wie kam es zu diesem Vorsatz? Was drängte ihn dazu, so vor Gott und Menschen zu leben, dass sein Gewissen unverletzt blieb? Er sagt es unmittelbar vorher: „Aber dies bekenne ich dir, dass ich nach dem Weg, den sie eine Sekte nennen, also dem Gott meiner Väter diene, indem ich allem glaube, was in dem Gesetz und in den Propheten geschrieben steht, und die Hoffnung zu Gott habe, welche auch selbst diese annehmen, dass eine Auferstehung sein wird, sowohl der Gerechten als der Ungerechten“ (Apg 24,14-15).
Paulus glaubte allem, was im Gesetz und in den Propheten geschrieben steht. Er war ein Mann der Bibel. Die Bibel stellte Paulus vor Gott, und damit stellte sie die Welt ins rechte Licht. Paulus hoffte auf Gott und damit auf die Auferstehung zur ewigen Herrlichkeit. Er hatte durch die Bibel gelernt, die Gewichte recht zu setzen. Das sagt er in 2Kor 4,17.18: „Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal bewirkt uns ein über die Maßen überschwengliches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit, indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig.“ Was Paulus hier sagt, wollen wir auf unsere Frage anwenden: Wie können wir uns ein gutes Gewissen bewahren?
5. Die Gottesfurcht und die Hoffnung der Herrlichkeit
Aus den Worten von Apg 24,15-16 und 2Kor 4,17.18 wollen wir uns zwei Dinge besonders merken:
a. Wie der Apostel stehen wir vor Gott. Dieses Wissen weckt und nährt in uns Gottesfurcht.
b. Unser irdisches Leben eilt dem Tod zu; aber wir hoffen auf die Auferstehung zum Leben. Was man sieht, ist vergänglich, was man nicht sieht, ist ewig. Johannes sagt es so: „Die Welt vergeht und ihre Lust, wer aber den Willen Gottes tut bleibt in Ewigkeit“ (1Jo 2,17). Dieses Wissen weckt und nährt in uns die Hoffnung der Herrlichkeit.
Die Furcht vor Gott und die Hoffnung auf die Herrlichkeit, das sind die beiden Dinge, die mehr als alle anderen dafür sorgen, dass wir uns als Christen das gute Gewissen bewahren. Wir fürchten Gott und wir haben die Ewigkeit beständig vor Augen. Mit diesen beiden Wahrheiten wollen wir uns im Folgenden etwas näher befassen.
5. 1 Die Gottesfurcht
„Wie sollte ich dieses große Übel tun und gegen Gott sündigen?“ (1Mo 39,9)
Wenn wir Gott fürchten, werden wir wie Joseph die Sünde fliehen.
„Und der König von Ägypten sprach zu den hebräischen Hebammen, von denen der Name der einen Schiphra und der Name der anderen Pua war, und sagte: Wenn ihr den Hebräerinnen bei der Geburt helft und ihr seht das Kind: wenn es ein Sohn ist, so tötet ihn, und wenn eine Tochter, so mag sie leben. Aber die Hebammen fürchteten Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten zu ihnen gesagt hatte, und erhielten die Knaben am Leben“ (2Mo 1,15-17).
Wenn wir Gott fürchten, werden wir die Menschen nicht mehr fürchten. Die hebräischen Hebammen mussten gegen eine große Angst ankämpfen. Sie hatten es mit dem mächtigsten Mann der Welt zu tun, und sich dem zu widersetzen war gefährlich. Was gab ihnen die Kraft, diese Furcht zu überwinden? Es war eine größere Furcht, die Furcht vor jemandem, der größer war als der Pharao: die Furcht vor Gott.
Darum befiehlt der Herr seinen Boten, die er in die Welt sendet:
„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als auch Leib zu verderben vermag in der Hölle“ (Mt 10,28).
Über den englischen Reformator Hugh Latimer (1485-1555) schreibt J. C. Ryle:
„Als König Heinrich VIII die Verbreitung der Bibel unterband, schrieb ihm Latimer einen scharfen Brief… Er fürchtete Gott, sonst niemanden.“ Und dennoch wurde er berufen, vor diesem launischen König zu predigen: „‚Latimer, Latimer‘, rief er einleitend in einer seiner Predigten. ‚Du wirst nun zum hohen und mächtigen König Heinrich VIII sprechen, der die Macht hat, wenn es ihm gefällt, dir das Leben zu nehmen. Sieh zu, was du sagst! Aber, Latimer, Latimer, bedenke, dass du auch vor dem König der Könige und dem Herrn der Herren sprichst. Sieh zu, dass du ihm nicht missfallest!“9
Johannes auf Patmos
Johannes wurde auf die Insel Patmos verbannt „um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen“ (Off 1,9). Dort erschien ihm der Herr in der Herrlichkeit, in der er sich als Menschensohn einst der ganzen Welt offenbaren wird. Johannes sah ihn in seiner unverhüllten Macht und in seiner Heiligkeit. Beides: die Erkenntnis seiner Heiligkeit und seiner Allmacht ließen ihn alle Kraft verlieren. Es erging ihm wie einst Daniel (Dan 10,5-8) und Habakuk (Hab 3,16). In diesen Begegnungen zeigte Gott seinen Knechten, wie er ist und wie sie vor ihm sind.
Der Herr erscheint nicht jedem seiner Erwählten in solcher Weise, aber er offenbart sich uns in seinem Wort:
- Wir erkennen im Wort Gottes seine Heiligkeit
- Wir erkennen im Wort Gottes seine Macht
- Wir erkennen im Wort Gottes unser Unvermögen
Weil Gott zu fürchten ist, fürchten wir uns vor seinem Wort. Weil das Wort von Gott ausgeht, zittern die Gottesfürchtigen vor ihm (Esr 10,3; Jes 66,2). „Darum ist das geschriebene Wort Gottes der Gegenstand der Furcht des Christen“ (John Bunyan)10. Wir nennen deshalb mit David das Wort selbst „die Furcht des HERRN“ (Ps 19,8-10).11
Das Wort ist darum zu fürchten, weil es dem Menschen zeigt, was sein ewiger Stand in der zukünftigen Welt sein wird und weil es dem Menschen nichts als die Wahrheit sagt.
„Wer durch das Wort Gunst und Gnade empfangen hat, ist wahrhaft begnadigt, und diese Gunst und Gnade kann ihm niemand abwenden. Wer aber durch das Wort verdammt ist, den kann niemand vor Gott rechtfertigen und von seiner Schuld lossprechen. Daher: Was der Text bindet, ist gebunden, was der Text löst, ist gelöst. Und das Gebundene wie das Gelöste ist unveränderlich. Das aber ist ein Aufruf an Gottes Volk, das Wort Gottes mehr zu fürchten als alle Schrecken der Welt. Doch sogar im Herzen des Volkes Gottes mangelt es an dieser großen Ehrfurcht vor Gottes Wort, und dieser Mangel ist die Ursache aller Unordnung, die sich findet im Herzen, im Leben und im Wandel der christlichen Gemeinschaft“ (John Bunyan).12
Gott und nicht die Menschen zu fürchten, lernen wir zuerst durch das Wort Gottes und dann durch das Gebet.
Fragen wir uns noch einmal: Wie lernen wir Gott fürchten? Zuerst durch das Wort, wie wir gesehen haben; aber auch durch Gebet. Der Sohn Gottes befiehlt seinen Jüngern, die Menschen nicht zu fürchten, sondern den zu fürchten, der Macht hat über Leben und Tod, Himmel und Hölle (Mt10,28). Die große Frage ist darum: Wen fürchten wir mehr? Wenn die Frage noch nicht beantwortet ist, müssen wir sogleich anfangen, mit allem Ernst zum Herrn zu rufen, dass er uns lehre, ihn über alles zu fürchten. Wir wollen ihn darum bitten, dass er seinen Befehl in uns wirksam macht. Und wir dürfen gewiss sein, dass er er uns erhört, denn wir beten nach seinem Willen. Er will ja, dass wir ihn mehr fürchten als alle Menschen, und „dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, dass, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, er uns hört“ (1Jo 5,14).
5. 2 Die Hoffnung der Herrlichkeit
Wir erinnern uns an die drei Freunde Daniels. Sie hatten den Befehl gehört: Jedermann, auch sie, mussten vor dem Standbild des Nebukadnezar niederfallen, aber sie verweigerten ihn, trotz der angedrohten Strafe. Sie antworten dem König auf seine Frage, wer sie denn aus seiner Hand retten wolle:
„Siehe, unser Gott, den wir ehren, kann uns wohl erretten aus dem glühenden Ofen, dazu auch von deiner Hand erretten. Und wo er’s nicht tun will, so sollst du dennoch wissen, dass wir deine Götter nicht ehren noch das goldene Bild, das du hast setzen lassen, anbeten wollen“ (Dan 3,17-18).
Sie kannten einen größeren König und sie waren der Errettung gewiss, die er denen verheißen hat, die ihm vertrauen und deshalb ihm dienen (siehe Dan 3,28). Sie waren bereit, im Feuer verbrannt zu werden, weil sie auf eine Rettung vertrauten, die stärker ist als der Tod (vgl. Off 13,14.15; 14,9-12).
John Hooper
Der Englische Reformator John Hooper (1495-1555) ist ein leuchtendes Beispiel dafür, welche Kraft die Hoffnung der Herrlichkeit auf den Weg und die Entscheidungen des Christen hat. Hooper lebte zu der Zeit, in der König Heinrich VIII (1491-1547) die Kirche in England von Rom löste und sich selbst zum Haupt der Kirche erklärte. Um die Eigenständigkeit der englischen Kirche zu stärken, setzte er Bischöfe ein, welche die Kirche lehren und organisieren sollten. Dass er dabei reformatorisch gesinnten Männern wie Cranmer und Latimer diese Aufgaben übertrug, war ein Akt der gnädigen Vorsehung Gottes. Um die Distanz zu Rom noch zu vertiefen, sorgte Heinrich auch dafür, dass England eine Bibel in ihrer eigenen Sprache bekam, und diese sollten die Pfarrer fortan lesen und in den Kirchen benutzen. So begann die Reformation in England zaghaft Fuß zu fassen. Reformatorische Schriften aus Deutschland, aus Zürich und aus Genf zeigten Wirkung, an manchen Orten begannen Pfarrherren die Lehren der Reformation zu verbreiten. Zu diesen gehörte auch John Hooper.
Das Wort Gottes hatte in John Hooper den Glauben geweckt, diesen genährt und ihn gelehrt und befähigt, den Herrn über alles zu fürchten und sein Erscheinen zu lieben.
Als Edward VI 1547 den Thron bestieg, begann er nach Kräften die Reformation zu fördern. Er wurde bald auf Hooper aufmerksam und machte ihn zum Bischof in Gloucester.13 Nach bloß sechs Jahren auf dem Thron verstarb Edward VI, und nach ihm bestieg Maria I Tudor den Thron. Sie war die Tochter der ersten Ehefrau von Heinrich VIII, Katarina von Aragon. Mit Inbrunst hing sie am alten Glauben und versuchte mit allen Mitteln, den neuen Glauben aus ihrem Reich auszurotten. In den Jahren 1555-1558 ließ sie 288 Bekenner des Evangeliums verbrennen und verdiente sich damit den Zunamen „die Blutige“.14 Ihren Hass bekam John Hooper noch im Jahr ihrer Thronbesteigung zu spüren. Er wurde wegen seiner Lehren und Praktiken nach London zitiert und musste sich dort vor den Bischöfen Tonstal, Gardiner und Bonner verantworten. Beide waren der neuen Königin und damit dem Bischof von Rom treu ergeben.
Wie es John Hooper erging, steht in Foxe‘s Book of Martyrs15 zu lesen:
„König Edward war tot, und Maria war zur Königin Englands gekrönt worden, und dieser gute Bischof gehörte zu den ersten, die nach London zitiert wurden… Tonstal, der Bischof von Durham, fragte ihn, ob er an die leibliche Gegenwart (Christi) im Sakrament glaube. Meister Hooper antwortete, dass es so etwas nicht gebe und dass er nicht an so etwas glaube. Darauf fragte Gardiner, Bischof von Winchester, welche Autorität in bewege, den Glauben an die leibliche Gegenwart zu verwerfen. Er sagte: Die Autorität des Wortes Gottes…“
Hooper wurde darauf 18 Monate unter elenden Bedingungen im Kerker gefangen gehalten. Danach wurde er vor Bischof Gardiner gestellt. Er solle der Häresie abschwören, anerkennen, dass der heilige Papst das Haupt der Kirche sei, dann würde er den Segen des Papstes und Gnade von der Königin bekommen. Foxe berichtet:
„Hooper antwortete… er werde sich dessen Gewalt nicht unterstellen, noch sei die Kirche, als dessen Haupt er sich ausgibt, die wahre katholische16 Kirche Christi, denn diese höre nur auf die Stimme Christi, ihres Bräutigams, und fliehe vor den Mietlingen. Und er sagte dazu: ‚Sollte ich hingegen die Majestät der Königin in irgend einem Punkt ohne mein Wissen beleidigt haben, unterstelle ich mich demütig ihrer Gnade, wofern ich Gnade bekommen kann mit unverletztem Gewissen und ohne Gottes Missfallen.‘ Die Antwort lautete, dass die Königin keine Gnade gewähre den Feinden des Papstes.“
Während der nun folgenden sechs Tage besuchte ihn täglich Bonner, der Bischof von London
„und versuchte, mit allen Mitteln, ihn zum Umdenken zu bewegen… man zeigte große Freundlichkeit und machte ihm große Angebote und verhieß ihm alle weltlichen Annehmlichkeiten, ließ dabei nicht die fürchterlichsten Drohungen aus… aber sie fanden in ihm stets den gleichen Mann, der fest und unbeweglich blieb… Am 4. Februar 1555 wurde ihm bedeutet, dass man ihn nach Gloucester schicken werde, dass er dort den Tod erleide. Darüber freute er sich sehr… und pries Gott, dass er es für gut befunden hatte, ihn zu den Leuten zu senden, deren Hirte er gewesen war, damit er mit seinem Tod besiegle, was er sie gelehrt hatte…“
Am Tag vor seiner Hinrichtung sprach Antony Kingston bei ihm vor, ein alter Bekannter, der mit andern Männern die Aufgabe bekam, Hoopers Hinrichtung zu bewerkstelligen. Er hätte dem Bischof, unter dessen Predigt er zum Glauben gekommen war, nur zu gern dieses schlimme Ende erspart und sprach zu ihm:
„Wie weh tut es mir, dich in dieser Lage zu sehen. Ich verstehe, du bist hierher gesandt worden, um zu sterben. Bedenke: Das Leben ist süß, und der Tod ist bitter… Hooper: Ja, es ist wahr, Meister Kingston… , der Tod ist bitter, und das Leben ist süß, aber bedenke: Der zukünftige Tod ist bitterer, und das zukünftige Leben ist süßer.“
Das waren keine leeren Worte, wie er mit seinem Gang zum Scheiterhaufen bewies. Dort besiegelte er mit seinem Blut die Wahrheiten, die er als Hirte in Gloucester gelehrt hatte. So sehen wir an diesem Mann exemplarisch, was Gottes Wort vermag: Es hatte in ihm den Glauben geweckt, diesen genährt und ihn gelehrt und befähigt, den Herrn über alles zu fürchten und sein Erscheinen zu lieben17. Dieses Wort war es, das ihm diese unerschütterliche Gewissheit der kommenden Herrlichkeit gab. J. C. Ryle fasst die Bedeutung seines Märtyrertodes mit den Worten zusammen:
„So lange die Welt steht, wird er ein Muster dafür sein, was der Herr für die Seinen zu tun vermag in der Stunde der Not“ (Ryle, S. 62).
„Was der Herr zu tun vermag…“, das ist das wirklich Entscheidende. Nicht, was Hooper vermochte, nicht was ein Gläubiger leisten kann. Das Evangelium ist eben die Kraft Gottes zum Heil. Es offenbart an Menschen, die es im Glauben aufgenommen haben, was Gott vermag. Durch das Evangelium tut Gott an und in Menschen, was dem Fleisch unmöglich ist (siehe Röm 8,3).
„Glückselig der Mann, der die Versuchung erduldet, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen“ (Jk 1,12).
„Sei getreu bis in den Tod, und ich werde dir die Krone des Lebens geben“ (Off 2,10).
„Denn ich halte dafür, daß die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll“ (Röm 8,18).
Der Vortrag wurde 2014 auf der Bibelbund-Tagung in Männedorf, Schweiz, gehalten.
Entsprechend auf Schwedisch: samvete. ↩
Der Heide Aristoteles nannte das to kinoun kai mē kinomenon, das unbewegte Bewegende. ↩
Hodge, Charles: Systematic Theology in 3 Volumes. Erdmans, Grand Rapids, Michigan 1997 Bd I, S. 341. ↩
Wir müssen genau lesen: Paulus sagt nicht, das Gesetz sei in ihr Herz geschrieben; denn das tut Gott nur in den Menschen, mit denen er sich im Neuen Bund verbunden hat (Jer 31,33). Aber das Werk des Gesetzes ist dem Menschen ins Herz geschrieben, und dieses Werk ist eben das, was Paulus hier nennt: Es führt dazu, dass der Mensch sich in seinen Gedanken anklagt oder entschuldigt. ↩
So heißt das in rabbinischer Terminologie ↩
in: Menschliches, Allzumenschliches, zweiter Nachtrag: Der Wanderer und sein Schatten, 52. ↩
Aus dem Englischen übersetzt aus: The Holy War, Made by Shaddai upon Diabolus for the Regaining of the Metropolis of the World; or, The Losing and Taking again of the Town of Mansoul, in: The Works of John Bunyan vol. 3, Ed. George Offor, The Banner of Truth Trust, Edinburgh 1991, Nachdruck der Ausgabe von 1854. Den Puritanern war es selbstverständlich, dass die Verkündiger law-work tun, d. h. die Forderungen des Gesetzes predigen und so das Gewissen der Zuhörer aufstören müsse. ↩
Man vergleiche dazu seine Worte an Timotheus: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus und den auserwählten Engeln, dass du diese Dinge beobachtest ohne Vorurteil…“ (1Tim 5,21). ↩
J. C. Ryle, Five English Reformers, The Banner of Truth, Edinburgh 1981, S. 106. Auf deutsch ist das Buch erschienen unter dem Titel: Fünf Märtyrer – Treu bis in den Tod, CLV Bielefeld (vergriffen). ↩
A Treatise on the Fear of God, in: The Works of John Bunyan vol. 1, Ed. George Offor, The Banner of Truth Trust, Edinburgh 1991, Nachdruck der Ausgabe von 1854; S 442. ↩
Dass damit eben das Wort selbst gemeint sei, entnehme ich mit Bunyan der Tatsache, dass die Furcht des Herrn genannt wird inmitten einer Aufzählung der Vollkommenheiten der Aussprüche Gottes. ↩
a. a. O. S. 444. ↩
Die gleiche Stadt, in der 1714 George Whitefield geboren wurde. ↩
Ryle, S. 7 ↩
Ich zitiere aus der bearbeiteten (d. h. gekürzten) Fassung dieses Klassikers der Martyrologie: Foxes Book of Martyrs, prepared by W. Grinton Berry. Baker Book House, Grand Rapids, Michigan 1993. Das Martyrium von Hooper steht auf den Seiten 188-213. ↩
Das aus dem Griechischen stammende Wort katholisch bedeutet „allgemein“. ↩
siehe 2Tim 4,8. Dort stehen die Worte eines anderen Mannes, der lieber den Tod erlitt, als dass er den Glauben verleugnet hätte. ↩