Der Kommentar beschäftigt sich mit den Kapiteln des Buches Genesis, die häufig als „Josefgeschichte“ bezeichnet werden und legt seinen Schwerpunkt entsprechend der Ausrichtung der Kommentarreihe Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament nicht auf literarkritische Rekonstruktionsversuche hypothetischer Quellen, sondern auf die Bibeltexte selbst und „ihren sprachlichen, literarischen, historischen und theologischen Gestaltungen“ (11). Dementsprechend werden Fragen der Datierung und bezüglich der Entstehung des Genesistextes in der Einführung zu Gen 37-50 sogar vollständig ausgeblendet und in einen Anhang verschoben, um den Schwerpunkt stärker auf den Bibeltext selbst zu legen (44). Dies gelingt in der Kommentierung auch weitgehend: Neben einer wörtlichen Übersetzung mit sprachlichen Anmerkungen geht auch die Vers-für-Vers Auslegung sehr detailliert auf den Bibeltext unter Berücksichtigung der Originalsprache ein. Bei Stellen, in denen mehrere Erklärungsansätze möglich sind, werden diese zunächst ausführlich erörtert.
Ebach, Jürgen. Genesis 37-50. Freiburg: Herder 2007. 732 S. Hardcover: 110,00 €. ISBN: 978-3-451-26803-8.
Bei anderen schwierigen Stellen ist der Autor gelegentlich vorsichtig genug, die Interpretation auch einmal offen zu lassen. Ebach arbeitet ausführlich mit der aktuellen Sekundärliteratur und zieht vorrangig solche Literatur hinzu, die dem Verständnis einer synchronen Auslegung des Bibeltextes (d.h. einer Konzentration auf den Bibeltext selbst ohne Betrachtung von hypothetischen Vorstufen) wirklich dienlich sind. Das ist wohltuend und wird an vielen Stellen mit tiefen Einblicken in den Bibeltext, seine Struktur, internen Bezügen und Nuancen der Bedeutung belohnt. An anderen Stellen bekommt man jedoch den Eindruck, dass der Autor die Beschränkung auf den Bibeltext nicht durchhalten kann und immer wieder in Exkursen auf hypothetische literarische Schichtungen des Textes eingeht (etwa auf S. 114, 352, 357, 505, 576). Auch anlässlich der Diskussion historischer Details im Bibeltext kommt der Autor immer wieder auf Fragen der Datierung zurück (234, 238, 627). Häufig verlässt sich der Autor stärker auf ältere kritische Darstellungen in der Sekundärliteratur als auf neuere Untersuchungen, die die Historizität des Bibeltextes verteidigen (so etwa auf S. 99f. zur Frage der Domestizierung von Dromedaren). Diese – auf die gesamte Länge des Kommentars zwar seltenen – Exkurse sind weder notwendig noch zielführend und lenken eher von der eigentlichen Konzentration auf den Bibeltext ab. Abgesehen von diesen Schwächen ist der Großteil der Auslegung gewinnbringend. Interessant sind auch die Ausblicke auf die Interpretation der Josefgeschichte in der Auslegungsgeschichte in Kunst und Literatur, die sich jeweils am Ende eines Abschnitts finden.
Fazit: Ein gutes Hilfsmittel zum Studium der Josefgeschichte ist Genesis 37–50. Die Lektüre erfordert jedoch stellenweise ein scharfes Auge dafür, an welchen Stellen der Autor von der eigentlichen Kommentierung in hypothetische literarkritische Deutungen abdriftet.