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Mit dem Schwert des Geistes: Die Bibel in der apologetischen Aufgabe

Ein moderner Skeptizimus ist die vorherrschende Grundhaltung geworden. Nichts genaues weiß man nicht und niemand darf behaupten, es genauer zu wissen. In dieser Situation stellt sich die Frage, wie man seine Überzeugungen auch im Gespräch mit Nicht-Christen durch die Bibel begründen kann. Auch wenn manche hier auf die Bibel verzichten wollen, bleibt sie doch grundlegend notwendig für jedes apologetische Gespräch. Sie ist aber auch hilfreich, weil sie eine eigene Autorität bietet und selber dazu ermutigt, mit der Schrift zu beweisen, dass etwas wahr ist.

Wenn Apologetik die „Kunst des Antwortens” ist, auf die es ankommt, wenn Christen herausgefordert sind, Grund und Inhalt ihrer Hoffnung zu verantworten (1Pet 3,15), dann stellt sich die Frage, welchen Platz die Bibel als Wort Gottes und Heilige Schrift innerhalb der Apologetik einnehmen soll. Man kann dabei an verschiedene Gesprächspartner denken. Aber selbst wenn das Gegenüber die Bibel als Erkenntnisgrundlage akzeptiert, müsste man begründen, wie ein Beweis der eigenen Überzeugung aus der Schrift funktionieren kann. Herausfordernder ist, wenn keine Einigkeit darüber besteht, dass die Bibel eine Geltung für einen Wahrheitsanspruch besitzt. Soll der christliche Apologet dann auf jeden Bezug zur Bibel verzichten? Und wenn nicht, wie und warum kann sie trotzdem Autorität beanspruchen?

Mit dieser Fragestellung muss sich christliche Apologetik befassen, denn selbst wenn sie ihre Argumentation nur aus der allgemeinen Offenbarung und akzeptierter Logik speiste, ist doch das Fundament ihrer eigenen Gewissheit das Wort Gottes. Darüber hinaus ist das Ziel christlicher Apologetik nicht schon dann erreicht, wenn dem Gegner mit Argumenten „das Maul gestopft” wurde (Mt 22,34; Röm 3,15; 1Pet 2,15 mit gutem Leben; LUT). Sie ist vielmehr von einer Liebe getragen, die nichts mehr will, als dass das Gegenüber selbst seinen Frieden im Glauben an Jesus Christus findet. Apologetik ist bestimmt von der Erkenntnis, dass der christliche Glaube nicht schon dort vorhanden ist, wo ein Mensch die christlichen Argumente als die besseren erkennt, sondern erst wenn eine persönliche Vertrauensbeziehung zu Jesus Christus entstanden ist. Dieser Glaube aber wird aus dem Wort Gottes geboren (Röm 10,17).

Aus dieser Fragestellung ergeben sich drei Bereiche, die dieser Beitrag1 behandelt:

  1. Die Notwendigkeit der Bibel für die Apologetik
  2. Die Autorität von Schrift­beweisen
  3. Die Funktion des Schriftbeweises

1. Die Notwendigkeit der Bibel für die Apologetik

Auch wenn immer wieder versucht wird, einen modernen Skeptizismus mit dem reformatorischen Schriftprinzip zu versöhnen, so bleiben im postmodernen Denkhorizont schon aus erkenntnistheoretischen Gründen für das apologetische Gespräch letztlich nur die beiden Alternativen einer dem Skeptizismus angepassten Argumentationsweise oder der Begründung christlicher Überzeugung durch die Bibel.

Jedes Wissen ist eine begründete Überzeugung von wahren Tatsachen. Das macht es notwendig, nach der Begründung zu fragen.

Der postmoderne Skepti­zismus versucht zwar den klassischen Sackgassen zu entgehen. Wenn es nämlich nach skeptizistischer Auffassung nicht möglich ist zu wissen, was richtig ist, dann dürfte man konsequenterweise gar nichts mehr tun, weil jedes Handeln auch Wertmaßstäbe setzt. Er schließt aber weiter die Möglichkeit absoluter Wahrheit aus und lässt nur einen subjektiven Wahrheits­anspruch zu, der immer durch andere subjektive Wahr­heits­ansprüche begrenzt sein muss.

Würden wir dem folgen, müsste sich christliche Apologetik darauf beschränken, die Fehler, Inkonsistenzen und Absurditäten einer mit dem christlichen Glauben konkurrierenden Weltsicht aufzudecken.2 Diese Ar­gu­mentation wäre zwar offen oder unterschwellig von der Behauptung getragen, dass die christliche Weltsicht weniger Fehler enthielte und in dieser Hinsicht attraktiver wäre. Innerhalb einer skeptizistischen Weltsicht muss sich aber jeder christliche Wahrheitsanspruch damit zufrieden geben, eine Stimme im Chor der Meinungen zu sein, der bestenfalls zeitweise den cantus firmus singt und schlimm­stenfalls nur an wenigen Stellen im Konzert überhaupt eine Stimme bekommt. Ohne auf einen durch die Bibel gestützten absoluten Wahrheitsanspruch zurückzugreifen, gibt es dazu keine Alternative.

Die erkenntnistheoretische Alternative zum Skeptizismus sind eine Reihe von Wissenskonzepten, die sich letztlich dadurch unterscheiden, welche Rolle die Rechtfertigung von Überzeugungen einnimmt. Im Grundsatz aber gilt: Wissen ist immer die begründete Überzeugung von wahren Tatsachen. Will sich die apologetische Rede also nicht darauf beschränken, die Probleme anderer Wahrheitsansprüche zu entlarven, sondern selber Wahrheit behaupten, dann reicht es nicht aus, allein die eigene Überzeugtheit stark ins Spiel zu bringen. Vielmehr muss man die Frage beantworten, wodurch diese Überzeugung gerechtfertigt ist. Darüber muss der Apologet zuerst sich selber Rechenschaft geben. Aber er muss es früher oder später auch seinem Gesprächspartner gegenüber offenbaren.

1.1 Geht es auch ohne Bibel?

Wenn ich sage, dass christliche Apologetik letztlich auf die Bibel bauen muss, dann könnten als Gegenargument andere Konzepte ins Feld geführt werden.

Eilert Herms etwa geht für die Apologetik davon aus, dass es ein speziell religiöses Wissen gibt, das demgemäß auch speziell religiös gerechtfertigt wird. Dafür will er sich nicht auf die Offenbarung der Heiligen Schrift stützen, sondern geht von aktuellen „unverfügbaren Erschließungsereignissen (Offen­barungen)” aus. Die Apologetik pflege deswegen nur „das Gespräch, das Chancen für das Aufleuchten der Wahrheit des christl. Daseinsverständnisses ermöglicht”3 . So sol­len alle Versuche, etwas „beweisen” zu wollen, ausgeschlossen sein. Allerdings muss Herms doch festhalten, dass ein solches Gespräch unter den „universal gültigen Bedingungen verständlichen Fragens und Antwortens stehen” muss (623-24). Dann aber wird der normale Christ auf die Frage nach seiner Rechtfertigung wohl kaum antworten: „Ich hatte eine Offenbarung.” Er wird andererseits kaum eine konkrete christliche Überzeugung ohne biblische Begründung behaupten können. Er kann nur – wie es verbreitet ist – ein eher diffuses „christliches Daseinsverständnis” vertreten.

Auch Wolfhart Pannenberg hat im apologetischen Teil seines systematischen Arbeitens auf eine biblische Begründung verzichten wollen. Da es für ihn nur „Offenbarung als Geschichte” geben kann, ist die Bibel Teil der Universalgeschichte und hat allein als solche Geltung. Zwar ist auffällig, dass ihm in einer gewissen Spannung zu seinem Gesamtentwurf daran liegt, mit der Bibel übereinzustimmen, seine theologische Grundlegung sucht er aber in der wissenschaftlichen Anthropologie. Aus ihr soll die Wirklichkeit Gottes erwiesen werden. Ergänzt wird das durch eine eschatologische Perspektive als Ziel des Menschen. Wenn W. Pannenberg versucht, den Glauben nur aus allgemeinen menschlichen Daseinsbedingungen zu rechtfertigen, dann ist im Ergebnis nur ein rudimentär christlicher Glaube sichtbar, der – entgegen Pannenbergs Absicht – sogar panentheistische Züge trägt. Der gewählte Ansatz lässt kaum mehr zu, als allgemeine Religiosität zu begründen, der Pannenberg allerdings dadurch christliche Züge verleiht, dass er in Christus den vorweggenommenen Abschluss der Geschichte sieht.

Clive S. Lewis hat in einer apologetischen Vorlesungsreihe, die auf Deutsch unter dem Titel Die Abschaffung des Menschen veröffentlicht wurde4 , bewusst auf die Berufung auf die Bibel verzichtet. Er hat seiner Argumentation einen Grundwertekanon zugrunde gelegt, den er das TAO nennt. Dieses TAO aber soll keine Begründung haben, denn „seine Gültigkeit kann nicht abgeleitet werden” (91). Vielmehr geht Lewis dabei von einer „Vernünftigkeit” aus, die von jedem vernünftigen Menschen einfach wahrgenommen wird. Keine andere Begründung könne höhere Einsichtigkeit vermitteln. Warum sein TAO einer christlichen Ethik nicht widerspricht, kann unterschiedliche Gründe haben. Lewis könnte sich in der Auswahl seiner Zitate aus anderen religiösen Quellen am Alten und Neuen Testament orientiert haben. Oder aber die Bibel repräsentiert aus irgendeinem Grund eine Ethik der allgemeinen Vernünftigkeit. Wahrscheinlich spielt beides eine Rolle.

Etwas anders stellt sich die Sache in seiner Schrift Wunder5 dar, wenn Lewis hier wieder – ohne sich auf die Offenbarung der Bibel zu stützen – gegen die verbreitete Wunderkritik nachweisen will, dass Wunder möglich sind. Dabei stellt er sein Vorgehen so dar, dass er aufgrund der Vernunft ihre Möglichkeit darlegt, nicht aber indem er die Zuverlässigkeit eines biblischen Wunderberichtes belegt und daraus die Tatsache eines Wunders ableitet.

Obwohl Lewis ausdrücklich betont, dass er auch außerhalb des Christentums bezeugte Wunder für wahrscheinlich hält, ist doch seine gesamte Argumentation darauf ausgerichtet, seinen Lesern die in der Bibel berichteten Wunder glaubhaft zu machen. Lewis scheint auf den ersten Blick mit Vernunftargumenten die Heilige Schrift stützen zu wollen. Tatsächlich ist die Sache aber anders. Er selbst glaubt doch nicht an die historische Wahrheit der biblischen Wunderberichte, weil es vernünftige Argumente für die Möglichkeit von Wundern gibt. Vielmehr glaubt er die Wunderberichte aufgrund der Autorität der Bibel (und der Kirche) und zeigt, dass dies der allgemeinen Vernunft nicht widerspricht. Gewissermaßen springt dabei die allgemeine Offenbarung der speziellen in der Heiligen Schrift an die Seite, aber nicht umgekehrt. Die Idee, die Möglichkeit der Auferstehung vernünftig zu begründen, ist von der Bibel inspiriert und hat das Ziel, zur Bibel und zu Christus hinzuführen, der von den Toten auferstanden ist.

1.2 Bibel hat Vorrang

Ist es aber nicht doch möglich, allein aufgrund der allgemeinen Offenbarung in der Schöpfung zu argumentieren und jeden Bezug zur speziellen Offenbarung der Heiligen Schrift zu unterlassen? Hat nicht auch Paulus auf dem Areopag seine Rede genauso aufgebaut, dass er auf die Erkenntnisse heidnischer Philosophen als Begründung Bezug nahm? Auch wenn die Areopagrede als „das” Beispiel gilt, sind an diese verbreitete Interpretation doch wesentliche Fragen zu stellen.

Wer fragt, nach welchen Maßstäben Paulus aus dem breiten Fundus heidnischer Philosophie Zitate ausgewählt hat, der wird nicht anders antworten können, als dass ihm dafür die Heilige Schrift des Alten Testaments zur Vorlage diente. Wenn er aber die griechischen Philosophen genauso weit zitiert, wie sie mit der speziellen Offenbarung der Heiligen Schrift übereinstimmen, dann ist nicht die allgemeine Offenbarung leitend, die zur Erkenntnis der Philosophen führte, sondern die Heilige Schrift. Paulus benutzt die Erkenntnisse aus der allgemeinen Offenbarung für seine apologetische Rede also als Anknüpfungspunkt, nicht aber als Rechtfertigung. Die Rechtfertigung seiner Argumentation liegt in der speziellen Offenbarung.

Es erweist sich bei dieser Betrachtung, was Johannes Calvin in seiner Be­schrei­bung des Zueinanders von allgemeiner und spezieller Offen­barung in der Heiligen Schrift dargelegt hat. Die Heilige Schrift ist der allgemeinen Offen­barung zwar „beigegeben”, jedoch nicht so, dass sie für unser Wissen einfach als zweite stützende Säule dasteht. Die Heilige Schrift ist vielmehr die „Brille”, durch die auch die allgemeine Offenbarung betrachtet werden muss.

„So bringt die Schrift unser sonst so verworrenes Wissen um Gott in die richtige Ordnung”.

Johannes Calvin: Nur die Bibel kann unser verworrenes Wissen über Gott und Schöpfung in die richtige Ordnung bringen.

Calvin legt Wert darauf, dass das nicht nur für die Lehre von der Erlösung gilt, als ob sie durch die Heilige Schrift zur allgemeinen Erkenntnis Gottes hinzuträte, die selber auch aus der allgemeinen Offenbarung gewonnen werden könnte. Vielmehr ist zur richtigen Erkenntnis der allgemeinen Offenbarung auch die Bibel notwendig, die als „Richtschnur” erst die zuverlässigen Deutungsmuster liefert, um im „Labyrinth” der allgemeinen Offenbarung richtige Erkenntnis über Gott zu gewinnen (Institutio I,6,1-4)6 .

1.3 Der Platz der Heiligen Schrift

Ist die Heilige Schrift für christliche Apologetik im Grundsatz notwendig, dann folgt daraus auch der Platz, an dem sie zum Tragen kommt.

An erster Stelle rechtfertigt der Apologet seine Sichtweisen für sich selbst durch die Heilige Schrift. Will er Wissen haben und weitergeben, so muss das mehr sein als Hörensagen oder ungeklärte Tradition nach dem Motto „Das machen Christen halt so”. Sein Wissen braucht gute Gründe und sein Reden die Gewissheit, dass er die Wahrheit sagt, um so mehr, als dass die gesamte christliche Botschaft unglaubwürdig erscheint, je öfter sich Behauptungen als Irrtümer erwiesen. Dafür bleibt ihm genau betrachtet nur die Vergewisserung in der Lehre der Heiligen Schrift. Dabei ist er von der Überzeugung getragen, dass hier Aussagen vorliegen, die göttliche Autorität und damit auch einen göttlichen Wahrheitsanspruch auf ihrer Seite haben.

Es sollte deutlich sein, dass die Bibel nicht nur Wissen in der Form von Aussagesätzen oder eines Systems aus solchen Sätzen vermittelt, sondern wir es auch mit Wissen im Sinne von Kenntnis zu tun haben, das sich kaum (vollständig) in Behauptungssätzen ausdrücken lässt. In der Erkenntnistheorie spricht man in diesem Zusammenhang gelegentlich von „nicht-propositionalem Wissen”. Gott und Jesus zu kennen, zu fürchten und zu lieben, ist mehr als sich begrifflich ausdrücken lässt, trotzdem ist es ein Wissen, von dem man reden kann. Auch diese Kenntnis hat der Apologet zu wesentlichen Teilen direkt oder indirekt durch die Heilige Schrift erhalten.

Das macht schon deutlich, dass es ihm bei seinem Umgang mit der Bibel nicht darum gehen kann, Munition für eventuelle Angriffe auf nicht-christliche Denker zu sammeln. Alister McGrath schreibt:

Das Herz christlicher Apologetik besteht zuerst darin, dass wir selbst durch die Werte und Ideen der Bibel beherrscht und geprägt sind.

Das Herz der Apologetik besteht nicht darin, einen Satz an Techniken zu kennen und zu beherrschen, um damit eine Argumentation zum gewünschten Ziel zu steuern. Vielmehr geht es darum, selbst so durch den christlichen Glauben beherrscht zu sein, dass seine Ideen, Themen und Werte tief in unseren Köpfen und Herzen eingeprägt sind.7

Kommt es nach der Selbstvergewisse­rung durch die Bibel zum apologetischen Gespräch, dann ist durchaus zu unterscheiden, inwiefern das Gegenüber der Bibel wenigstens ein gewisses Maß an Autorität zubilligt. Darin wird der Apologet seinen Gesprächspartner bestärken, auch indem er von vornherein deutlich macht, inwiefern seine eigene Argumentation auf der Bibel aufbaut.

Aber auch hier kann und soll er nicht einfach sagen: „So steht es in der Bibel!”, sondern aufzeigen, in welcher Weise er seine Aussagen durch biblische Lehre stützt. Er weist damit weg von der Wirkung seiner eigenen, vielleicht brillanten und einnehmenden Rede hin zu der Autorität, die ihm diese Einsichten gegeben hat. Im Gespräch mit Muslimen etwa weckt eine konsequente Berufung auf die Bibel eher Vertrauen als Skepsis. Im Übrigen kennen viele Muslime nur die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bibel, wie sie im Islam vertreten werden, sind aber trotzdem neugierig und im Grundsatz davon bestimmt, dass ein heiliges Buch Grundlage des Glaubens ist.

Die Bibel erweist ihre Autorität auch darin, dass sie angegriffen und hinterfragt werden darf und sich dabei als glaubwürdig herausstellt.

Schließlich verliert aber auch in der Rede zu Menschen, die die Autorität der Bibel völlig in Zweifel ziehen, der Rückbezug auf die Heilige Schrift nicht seine Bedeutung. Das gilt zum einen im Sinne der Redlichkeit, aufgrund der der Apologet seine Grundlagen offenbart und sagt: „Ich sehe die Welt durch die Brille der Heiligen Schrift”. Es zeigt sich aber auch, dass nicht nur aufgrund der Unkenntnis der meisten Gegner der Bibel, sondern auch wegen ihrer inneren Überzeugungskraft an geeigneter Stelle ein passendes Jesuswort oder eine Geschichte die Argumentation bereichern und stützen kann und zugleich die eigene Rechtfertigung offenlegt.

Ein hilfreiches Beispiel

Als hilfreiches Beispiel dafür, wie in apologetischer Rede die Bibel ins Gespräch gebracht werden kann, kann die Rede von John Lennox gelten, die er im Juli 2013 beim parlamentarischen Gebetsfrühstück im Londoner Unterhaus hielt.8 Auch wenn er hier nicht vornehmlich zu einem nicht-christlichen Publikum spricht, so ist die Rede doch auch als Beitrag in der Auseinandersetzung mit dem neuen Atheismus angelegt.

Ausgehend davon, wie stark sich Tyndale für die Verbreitung der Bibel in England einsetzte und welchen Einfluss diese daraufhin auf die englische Gesellschaft hatte, wendet sich Lennox gegen ihre Diffamierung als gefährliche Verführung. Er zeigt auf, dass der christliche Glaube die Wissenschaft nicht behindert, sondern immer gefördert hat und dass auch der Atheismus eine Form von Glaube darstellt. Dass das Christentum keinen blinden Glauben fördert, sondern ihn auf historische Ereignisse und persönliche Erfahrung fußen lässt, belegt Lennox sowohl mit einer Erwähnung der Eingangsverse des Lukasevangeliums als auch mit dem Hinweis auf die Predigt des Paulus auf dem Areopag, wo dieser die Auferstehung von Jesus verkündigte. Im Mittelteil seiner Rede zeigt er schließlich auf, welche Gefahr darin liegt, das Christentum als Grundlage für die Ethik aufzugeben, angesichts dessen, dass der Atheismus keine vergleichbare Grundlage bieten kann. Am Schluss kommt er zur Bibel zurück, erzählt von Jesus vor Pilatus, um zu belegen, dass die Wahrheit nicht mit Gewalt, sondern mit Selbsthingabe verbreitet werden soll. Er zitiert – ohne den Vers zu nennen – noch 1Mo 1,27, um den Wert des Menschen zu betonen und Mt 7,12, um für eine respektvolle und offen geführte Auseinandersetzung zwischen Christentum und Atheismus zu werben.

2. Die Autorität von Schriftbeweisen

Hat die Heilige Schrift auch eine eigene Autorität, eine, die ihr nicht erst durch glaubende Menschen und ihre Anerkenntnis als Wort Gottes verliehen wurde? Das wäre eine Autorität, die auch dann wirkte, wenn sie im Gespräch mit Menschen zu Gehör gebracht wird, die ihr (meist ohne sie genauer zu kennen) jede Autorität absprechen. Offenbar hat die Heilige Schrift eine solche Autorität, wenn sogar Jesus Christus sich auf sie im Umfang des Alten Testaments beruft und sich damit unter ihre Autorität beugt. Klar ist auch, dass es sich um eine von Gott als Urheber der Heiligen Schrift abgeleitete Autorität handelt. Es soll hier darum gehen, welche Art von Autorität der Schrift zukommt und inwiefern das für die Apologetik von Bedeutung ist.

2.1 Autorität durch Angreifbarkeit

Dass die Bibel angegriffen, für unglaubwürdig erklärt, ja sogar als gefährlich gebrandmarkt werden kann, ohne dabei durch das Feuer von Jahrhunderten ihre Kraft eingebüßt zu haben, ist Element ihrer Autorität. Die Bibel ist kein empfindliches Porzellanpüppchen, dass vorsichtig vor jeder Erschütterung bewahrt werden muss. Sie kann es aushalten, in Zweifel gezogen zu werden.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sie als zweifelhaftes Buch gelten soll, schon gar nicht für die Glaubenden. Sie ist zuverlässig und glaubwürdig, sonst wäre sie wohl im Sturm der Kritik längst untergegangen. Apologetik will Menschen nicht davon abhalten, ihre Fragen an den christlichen Glauben und seine Grundlagen zu stellen, sondern wird im Gegenteil sogar dazu ermutigen.

Gesunder Glaube wird keine Anfrage unterdrücken, sondern in der Zuversicht leben, dass es befriedigende Antworten gibt oder wir in bestimmten Fällen vorläufig ohne Antwort leben können. Darum gibt es kein Denkverbot und keine ehrliche Frage, auch wenn sie „ketzerisch” zu sein scheint, wird verdammt. Der Apologet hat Anteil an dieser Autorität, wenn er die Auseinandersetzung aus einer Position der Schwäche heraus und ohne Furcht führt. Er argumentiert nicht ideologisch, sondern muss vermitteln: „Wenn du Recht hast und ich im Unrecht bin, dann werde ich mich deinen Argumenten beugen”.

2.2 Autorität durch Drohung und Verheißung

So fremd das in modernen Ohren klingen mag, aber die Autorität der Schrift ist auch eine Autorität durch Drohung. Hinter allen Aussagen der Schrift steht paradigmatisch die Drohung: „Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen” (Heb 10,31). Gott ist handelnde Person mit Wille und Macht und nicht etwa nur eine Annahme in einem unverbindlichen Gedankenaustausch.

Die christliche Botschaft besteht nicht in Worten allein, sondern weist auf die Realität Gottes und sein Handeln an der Welt. Sie wird weitergegeben im Bewusstsein, dass einmal jeder Mensch vor Gottes Gericht erscheinen muss. Der Drohung der Verurteilung im Gericht ist die Verheißung des Freispruchs aus dem Gericht beigegeben. Drohung und Verheißung korrespondieren in gegenseitiger Wechselwirkung, weil für beide gilt: Gott selbst wird wahrmachen, was er angekündigt hat. Wie er dem Glaubenden den Freispruch aus dem Gericht ankündigt, so auch die sichere Verurteilung für die, die seine Gegner bleiben.

Ein Gespräch über den Glauben kann kein belangloser Meinungs­austausch bleiben, weil im Hintergrund immer Gottes Ankündigung eines letzten Gerichts steht.

Sicher wird der moderne Apologet, wenn er gehört werden will, nicht mit Schimpfen oder Drohen auftreten. Und doch steht sein ganzes Reden, wenn es seine Rechtfertigung aus der Schrift bezieht, unter dem Vorzeichen des kommenden Gerichts. Nicht wenigen Christen ist diese Perspektive unangenehm, weil es im Gespräch über den Glauben dann nicht mehr um einen mehr oder weniger belanglosen Meinungsaustausch geht, sondern um Leben und Tod, sogar um ewiges Leben und ewigen Tod.

Es ist in dieser Hinsicht von völlig anderer Qualität, ob etwas Gottes Wille ist oder ob – nach statistischer Auswertung innerhalb westlicher Bevölkerung – eine christliche Lebensweise gesünder erscheint und ein längeres Leben verspricht. Deswegen kann das letzte Argument trotzdem benutzt werden, allerdings sollte es in den Rahmen des erklärten Willens Gottes gestellt werden. Andernfalls kommt es zum Autoritätenkonflikt, denn auch das statistische Argument stützt sich auf Autorität: die Autorität wissenschaftlicher Untersuchung und dem Recht der Mehrheit, aber auch auf die Autorität eines Wertekanons, in dem langes gesundes Leben eine hohe Priorität besitzt.

Die Bibel erweist ihre Autorität, wenn sie das Vertrauen zu Gott und Jesus selber schafft, das sie für die ewige Rettung verlangt.

Der christliche Apologet, der sich selber unter die Autorität Gottes gebeugt hat, wird, ob er es jeweils ausspricht oder nicht, in seinem Reden auch die Drohung und Verheißung Gottes transportieren. Es ist der lebendige Gott, der unserem Denken, Reden und Handeln Konsequenzen folgen lassen wird. Und offenbar gehört die Frage nach Schuld und Sühne zu den großen Themen, die der Mensch nie ganz abstreifen kann, auch wenn es seine Weltanschauung zulässt oder sogar verlangt. Der Mensch lebt im Allgemeinen mit dem Bewusstsein, sich für sein Tun verantworten zu müssen.

2.3 Autorität durch Vertrauen

Obwohl Gott ein Gott ist, der alles menschliche Denken übersteigt, so will er doch, dass der Mensch ihn liebt und ihm vertraut. Das Zeugnis der Schöpfung über Gott muss immer ambivalent bleiben. Es könnte auch ein „böser Dämon” (um mit Descartes zu sprechen) hinter der Schöpfung stehen. Dass das nicht so ist, das bezeugt in vertrauenerweckender Weise die Heilige Schrift. Sie ist im Ganzen so beschaffen, dass sie den lebendigen Gott nicht nur als vertrauenswürdigen Herrscher darstellt, sondern auch in der Lage ist, Vertrauen und Liebe zu ihm im Menschen hervorzurufen. Wenn wir als Christen aber Jesus aufgrund von Wörtern lieben, obwohl wir ihn nie gesehen haben (1Pet 1,8), dann muss diesen Wörtern eine Kraft innewohnen, die dieses Vertrauen selber schafft.

Wenn die Heilige Schrift also das Vertrauen, das sie braucht, um als Autorität anerkannt zu werden, selber hervorbringt, dann wird die apologetische Rede, die genauso auf Vertrauen angewiesen ist, versuchen, an dieser Kraft Anteil zu haben, indem sie ihre Rechtfertigung aus der Heiligen Schrift bezieht.

Von Jesus heißt es, dass die Menschen über seine Lehre sehr erstaunt waren, weil er nicht lehrte, wie die Schriftgelehrten (Mk 1,22). Klar ist, dass es dabei nicht um ein besonders lautstarkes Auftreten oder die Häufigkeit von Schriftzitaten gehen kann. Es scheinen mir andere Faktoren ausschlaggebend. Jesus musste anders als die Schriftgelehrten nicht abwägen, dass man etwas so oder anders sehen könnte. Er wusste zu jeder Zeit, wovon er redete und konnte sagen: „So ist es”. Jesus hatte den Fokus, die Mitte, das Ziel von Gottes Reden und Handeln vor Augen. Er wusste, dass es Gott in allem um die Erlösung der Welt durch den Sohn ging. Jesus kannte und verkörperte diese Wahrheit, um die es Gott von Anfang an ging. Er sprach darum auch nicht von den vielen Dingen, die auch wahr sind, sondern fokussierte seine Rede auf die Wahrheit. Jesus redete dabei offenbar so lebensrelevant, dass die Leute ihre Arbeit liegen ließen und weite Strecken auf sich nahmen, um ihm zuzuhören. Er beantwortete die Fragen der Menschen nicht nur oberflächlich und verstand es, selbst Fragen, die ihm aus Böswillen gestellt wurden, auf eine Antwort hinzulenken, die zur Mitte seiner Botschaft zurückführte.

Apologeten, die sich in dieser Weise von der Heiligen Schrift bestimmen lassen, werden von ihren Gegnern respektiert, auch wenn sie ihnen ein harte Wahrheit verkündigen. Dazu aber ist Arbeit der Liebe notwendig, damit wir nicht die christliche Botschaft als Klischee verkünden, sondern dem individuellen Menschen, der uns mit seiner Auffassung von der Wirklichkeit, dem Leben und seinen besonderen Fragen begegnet. Francis Schaeffer beschrieb das treffend so:

„Es kostet etwas, die aufrichtigen, doch völlig verwirrten Menschen zu verstehen und mit ihnen zu sprechen. Es ist mühevoll und setzt uns Versuchungen und Spannungen aus.“

„Auslösendes Moment für unser Zeugnis muss die Tatsache sein, dass wir in unserem Gegenüber das Ebenbild Gottes vor uns haben, ein Individuum, das auf der ganzen Welt einmalig dasteht. Unter dieser Voraussetzung ist Kommunikation keine billige Sache. Es kostet etwas, die aufrichtigen, doch völlig verwirrten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts zu verstehen und mit ihnen zu sprechen. Es ist mühevoll und setzt uns Versuchungen und Spannungen aus. Letztlich bedeutet aufrichtige Liebe die Bereitschaft, uns dem Gesprächspartner vorbehaltlos auszuliefern”.9 

2.4 Autorität durch Wahrheit

Francis Schaeffer hat in seiner apologetischen Arbeit immer wieder darauf hingewiesen, dass kein Mensch konsequent gemäß seiner nicht-christlichen Denkvoraussetzungen leben kann.

„Nicht-christliche Denkvoraus­setzun­gen widersprechen einfach dem, was Gott geschaffen hat, einschließlich des menschlichen Wesens” (a.a.O. 135).

Die Schöpfung und die christliche Botschaft mit ihrer Weltsicht harmonieren miteinander, während alle anderen Denksysteme und Ideologien in Spannung zur wirklichen Welt stehen. Schaeffer sah eine Aufgabe apologetischen Handelns darin, den Menschen mit den logischen Konsequenzen seines nicht-christlichen Denkens zu konfrontieren. Er war sich bewusst, damit Menschen Schmerzen zuzufügen (141), aber er sah darin den Weg, sie aus falscher Sicherheit aufzurütteln, um ihnen das Evangelium sagen zu können. Es ging ihm nicht um einen „intellektuellen Ringkampf”, den er für „grausam” hielt, sondern um einen Akt der Liebe, wenn er jemanden „zur logischen Folgerung der Sinnlosigkeit” trieb und ihn „damit in Widerspruch zur objektiven Welt und zu sich selbst geraten” ließ (142). Damit wir das nach seinen Empfehlungen tun können, verlangt er, die moderne Welt mit ihren Ideen zu studieren, aber noch mehr die Bibel:

„Je mehr wir die moderne Welt, in der wir leben, und – ganz besonders – die Bibel studieren, desto besser werden wir in der Lage sein, Rede und Antwort zu stehen. […] Wir müssen in der Bibel zu Hause sein und wissen, welchen Inhalt das biblische System hat” (143).

Schaeffer erwartete offenbar einen Erweis der Autorität der Heiligen Schrift deswegen, weil „das biblische System” als Alleinstellungsmerkmal unter allen Weltanschauungen vollständig zur Schöpfung passt.

Allein die Bibel bietet eine Weltsicht, die in jeder Hinsicht zur Schöpfung mit Gutem und Bösem passt, in der wir leben.

Wenn der Apologet einerseits die Inkonsequenzen anderer Systeme offenbart, so wird er doch andererseits deutlich machen, wie gut die biblischen Aussagen mit der Welt, dem Leben und der Persönlichkeit des Menschen harmonieren. Was die Bibel sagt, passt einfach, auch und gerade da, wo sie dem Menschen widerspricht.

So erweist sich ihre Wahrheit nicht nur rational-logisch, sondern auch in der Erfahrung des Menschen. Dabei ist die stimmige Weltdeutung keineswegs primitiv oder nur in sich kohärent. Sie bleibt es auch in der Konfrontation mit allen Wechselfällen des Lebens. Wo es gelingt, das im apologetischen Gespräch zu transportieren, da entfaltet die Bibel eine eigene Kraft, die aus ihrer Wahrheit entspringt.

3. Die Funktion des Schriftbeweises

Schon der Charakter der Bibel schließt aus, dass eine apologetische Argumentation einfach mit der Behauptung gestützt wird, es stehe so oder so in der Bibel. Die Bibel ist ihrem Wesen nach ein Buch, dessen Lebendigkeit sich gerade darin erweist, dass sie in und auf bestimmte Situationen angewandt wird. Das „zweischneidige Schwert” erweist seine Schärfe beim „Schneiden”, also wenn es auf das Denken und die Gesinnung des Menschen trifft (Heb 4,12). Wie das geschieht, soll hier einführend dargelegt werden.

3.1 Beweisen durch Erklärung

Im Neuen Testament begegnen wir dem Schriftbeweis vor allem im Zusammenhang mit dem Erweis gegenüber Juden, dass Jesus von Nazareth der erwartete Messias ist. Apg 9,22 heißt es: „Saulus aber gewann immer mehr an Kraft und trieb die Juden in die Enge, die in Damaskus wohnten, und bewies, dass Jesus der Christus ist.” Das verwendete Verb sumbiba,zw hat ein größeres Bedeutungsspektrum, aus dem hervorgeht, dass „erklären, darlegen, beweisen” als ein Vorgang gedacht werden kann, in dem mehrere Argumente sinnvoll zusammengestellt und verbunden wurden, um eine bestimmte Aussage damit zu untermauern. Die Überzeugungskraft resultiert dann daraus, dass vor dem Zuhörer ein größerer Zusammenhang entsteht, in dem schon bestehende Überzeugungen, Erfahrungen und Erwartungen mit Aussagen der Bibel ein sinnvolles Ganzes ergeben. Das kann und soll durchaus bestimmten Überzeugungen des Zuhörers widersprechen. Es ermöglicht ihm aber auch, andere Überzeugungen zu behalten, indem er sie in einem neuen Licht und Zusammenhang sieht.

3.2 Beweisen durch Fokussierung

Auch von Apollos berichtet die Apostelgeschichte (18,28), dass er mit der Heiligen Schrift argumentativ dafür eintrat, dass Jesus der Christus sein müsse: „Denn er widerlegte die Juden kräftig und erwies öffentlich durch die Schrift, dass Jesus der Christus ist.” Das hier verwendete Verb evpidei,knumi kann auch allgemein „zeigen” bedeuten und betont in unserem Zusammenhang, dass Apollos bestimmte Aussagen der Heiligen Schrift gegenüber anderen in den Fokus rückte, sie gewissermaßen unterstrich. Er überzeugte, indem er diese Aussagen hervorhob und damit seinen Zuhörern die Gelegenheit gab, sich unter einer bestimmten Fragestellung intensiver mit ihnen zu beschäftigen.

Die Vorgehensweisen entsprechen ganz dem, wie auch die Evangelien Zitate zur Stützung der Überzeugung heranziehen, dass Jesus der versprochene Retter sein muss. Ein Aspekt ist hier allerdings noch zu bedenken, der mit der Perspektive zu tun hat, aus der die Aussagen des Alten Testament betrachtet werden. Ihre Beweiskraft haben sie nicht aus der Blickrichtung von der Verheißung zur Erfüllung, sondern umgekehrt von der Erfüllung zur Verheißung. Es braucht erst das Kommen des Messias, sein Reden und Wirken in der Geschichte, seine tatsächliche Persönlichkeit, damit die Verheißungsworte ihre Kraft entfalten können. Im Einzelfall sind die alttestamentlichen Aussagen nicht einmal als Verheißung erkennbar, ohne dass die Erfüllung geschehen ist. Mit der Erfüllung ist aber der Sinn klar.

Für das apologetische Gespräch lässt sich aus diesem Befund eine Möglichkeit ableiten, wie die Bibel ins Spiel gebracht werden kann, selbst wenn das Gegenüber sie nicht als Autorität anerkennt. Anders als in einer Predigt steht in der apologetischen Rede das Bibelwort in der Regel nicht am Anfang. Man könnte die Sache so beschreiben: Nachdem der Apologet mit einem durch die Bibel geprägten Denken, also durch die Brille der Heiligen Schrift, einen bestimmten Zusammenhang, eine Frage oder einen Angriff auf den Glauben durchdacht hat, formuliert er eine Antwort und versucht dabei, so weit wie möglich die Denkvoraussetzungen seines Gegenübers in der Argumentation zu benutzen. Dabei kann es durchaus sein, dass er dieses Denken besser durchschaut als sein Gesprächspartner. Er wird diesen aber zu keiner Zeit in Unkenntnis darüber lassen, wo sich seine eigenen Prämissen unterscheiden und ihm jederzeit die Möglichkeit einräumen, nach der Rechtfertigung für seine Argumente zu fragen. Das ist die erste Tür für den Schriftbeweis. Die zweite steht am Ende, wenn gewissermaßen das ganze Bild der Antwort entstanden ist. Dann ist es auf die eine oder andere Weise Zeit für eine Aussage der Art: „Das ist nicht allein meine Sicht der Dinge, das entspricht dem, was die Bibel über dieses Thema sagt”.

3.3 Beweisen im Leben

Am Ende treffen sich alle Argumen­tationsstränge am besten in der Einladung, sich auf die Wahrheit des Glaubens mit dem eigenen Leben einzulassen. Denn Apologetik will ja nicht nur das Denken überzeugen, sondern den ganzen Menschen zum Glauben an Jesus Christus einladen. Das aber ist auch eine Einladung, die Tragfähigkeit der biblischen Lehre zu testen. Jesus sagt, dass jeder, der seine Rede hört und danach lebt, sein Lebenshaus auf einen Fels baut, auf dem es auch Stürme bestehen wird. Der Schriftbeweis ist also nicht allein logische Kohärenz oder rationale Einsichtigkeit, sondern wesentlich ein Erweis dadurch, dass der Mensch sein Leben darauf bauen kann und sowohl in dieser Welt als auch vor dem ewigen Richter bestehen wird.


  1. Der vorliegende Beitrag ist in ähnlicher Form zuerst veröffentlicht in dem Aufsatzband zur Apologetik Verantwortlich glauben: ein Themenbuch zur Apologetik, Nürnberg: VTR, 2016. Das Buch enthält auf 380 Seiten zahlreiche Aufsätze, die für die Verteidigung des Glaubens in der modernen Gesellschaft viele Hilfen bieten. 

  2. Beispiele für solche Argumentationen finden sich in hoher Qualität im Werk von G. K. Chesterton. Eine brillante Entlarvung vieler Scheinargumente des Evolutionismus z.B. in The Everlasting Man, London: Hodder and Stoughton, 1925. 

  3. „Apologetik: fundamentaltheologisch”, RGG 4. Aufl. , Bd. 1: 624; vergl. auch Eilert Herms, „Mit dem Rücken zur Wand? Apologetik heute”, ders. Offenbarung und Glaube: zur Bildung des christlichen Lebens, Tübingen: Mohr: 1992: 484-516. 

  4. The Abolition of Man, Oxford: University Press, 1943. Deutsch: Die Abschaffung des Menschen, Freiburg: Johannes Verlag, 2007. 

  5. C. S. Lewis, Wunder, möglich, wahrscheinlich, undenkbar? Gießen: Brunnen-Verlag, 1980. 

  6. Eine neuere Diskussion zur allgemeinen Offenbarung im Zusammenhang der Apologetik findet sich bei Alister McGrath, The Open Secret: A New Vision for Natural Theology, Wiley and Sons, 2008. 

  7. Alister McGrath, Mere Apologetics: How to Help Seekers and Skeptics Find Faith, Bakers Books, 2012: 41. 

  8. abgedruckt unter dem Titel „Wer Wind sät, wird Sturm ernten” in Biblisch Glauben, Denken, Leben 103 (2014): 2-7. 

  9. Francis Schaeffer, Gott ist keine Illusion: Ausrichtung der hist. christl. Botschaft an das zwanzigste Jahrhundert. Wuppertal: Brockhaus, 1971: 134.