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Reich in Christus – aber nicht durch ein Wohlstandsevangelium

Costi W. Hinn ist der Neffe des bekannten Fernsehpredigers Benny Hinn, der mit Heilungsversprechen ein Wohlstandsevangelium predigt. Costi Hinn ist mit dieser Botschaft aufgewachsen, hat sich aber davon distanziert und zu einem bibelgebundenen Glauben zurückgefunden. Er hat seine Erfahrungen in einem Buch verarbeitet und gibt im Interview viele hilfreiche Einsichten weiter, die zu einer Beurteilung des Wohlstandsevangeliums helfen können.

? Wie war es als Neffe von Benny Hinn, einem der prominentesten Leiter und Lehrer der Wohlstandsevangelium-Bewegung, aufzuwachsen?

Costi W. Hinn: Es war tatsächlich so verschwenderisch, wie es sich jeder vorstellen mag, aber für mich war es damals ganz normal. Keinem der Autos, die wir jemals fuhren, fehlte irgendetwas an luxuriöser Ausstattung. Wir fuhren Wagen von Mercedes, Bentleys, Maseratis und BMWs. Mein Lieblingswagen war ein H2 auf 20 Zoll Felgen. Einmal hatten wir einen Ferrari F 430 aus einem Geschäft mit einem uns verbundenen christlichen Werk. Ich werde nicht vergessen, wie ich darin mit meinen Freunden durch den Bezirk fuhr, während mein Vater auf einer Reise unterwegs war. Es ging zu wie in diesen Filmen, wo die verzogenen reichen Kinder tun, was sie wollen, nur weil ihre Eltern soviel Macht haben. Das Problem war nur, dass ich der Sohn eines Predigers war und unser Leben zugleich eine Schande für das Evangelium. In jedem Hotel musste es die Präsidenten- oder die Königssuite sein. Wir flogen mit Privatjets, die von den Spenden für die Kirche bezahlt wurden, lebten in Häusern, die viele Millionen gekostet hatten, aßen in den besten Restaurants und besuchten auf Shopping Touren nur die besten Geschäfte. Vielleicht ist es eine gute Illustration unseres Lebens, dass selbst meine Unterwäsche von Versace sein musste. Alles nur vom Feinsten.

? Was bewegte Sie dann dazu, die Wohlstandsevangelium-Bewegung zu verlassen?

Costi W. Hinn: Nachdem ich aufgewachsen war mit all den Vorteilen, die ich durch meinen Vater und meinen Onkel genoss, arbeitete ich selbst mittendrin mit und begann, dieses Wohlstandsevangelium selbst zu verkünden. Eine Reihe von Ereignissen über einen Zeitraum von vier Jahren und einige treue Menschen legten Samen in meinem Leben, die Risse im Damm meiner Theologie zur Folge hatten. Ich erinnere mich, dass ich auch als Teenager Anfragen hatte, aber ich blieb still aus Furcht vor dem Gericht Gottes. Wir wurden immer wieder gelehrt, niemals „einen Gesalbten des Herrn anzutasten“, und das hieß keine Frage stellen und keine Kritik üben. Wenn etwa eine falsche Prophetie sich als grob falsch erwies oder das Verhalten eines Leiters offensichtlich sündig war, dann sagte man nichts. Ich sollte in den Dienst als Pastor für Gemeindegründung eintreten. Eines Tages studierte ich Johannes 5,1-17, die Heilung des Kranken am Teich Bethesda. Der leitende Pastor der Gemeinde gab mir einen Kommentar von John MacArthur. Mitten in meinen Studien brach ich weinend innerlich zusammen, bereute meine Sünde und versprach Gott, das wahre Evangelium zu verkünden. Bei diesem Bibelstudium wurde mir plötzlich klar, dass Gott souverän ist und dass man den Heilungsdienst von Jesus nicht einfach zu ein paar Formeln verdrehen kann, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Als Jesus den Mann am Teich Bethesda heilte, da tat er das nach seinem Willen. Der hatte offenbar vorher keinen Glauben, er hatte keine besonderen Opfer gebracht. Er wusste wohl nicht mal richtig, wer Jesus war (V. 13). Und dann fielen mit dieser Einsicht viele andere falsche Lehren wie Dominosteine um. Ich begann bald, an einem theologischen Seminar zu studieren und trat in eine Jüngerschaft mit vertrauenswürdigen Begleitern ein. Dann wurde ich völlig von der Lehre von der Gnade Gottes eingenommen. Das weitere ist eine lange Geschichte und ich müsste zu viele Details erzählen, als dass der Platz hier ausreichen würde. Ich erzähle die ganze Geschichte in meinem neuen Buch mit dem Titel God, Greed, and the (Prosperity) Gospel.

? Was würden Sie sagen, sind die größten Irrtümer des Wohlstandsevangeliums?

Costi W. Hinn: Es gibt zahlreiche Irrtümer, aus denen ich vier nennen will. Erstens handelt es sich beim Wohlstandsevangelium um einen Angriff auf die Souveränität Gottes, weil es die Menschen lehrt, sie könnten Kontrolle über Gott erlangen mit bestimmten Opfern oder einem positiven Bekenntnis. Aber dann meint man im Grunde, man sei der Puppenspieler und Gott wird zur Puppe. Wie ich aufwuchs, sah ich Gott als ein magisches Wesen, das ich nur in der richtigen Weise fragen müsste, um alles zu bekommen, was ich nur wollte.

Zweitens ist es ein Angriff auf die Erlösung. Die Wohlstands­theologie lehrt, dass Gesundheit, Reichtum und Glücklichsein durch die Erlösung im irdischen Leben garantiert seien. Die Wahrheit ist, dass Jesus den gesamten Zorn des Vaters über die Sünde als Stellvertreter für seine Erlösten auf sich nahm. Das Ziel der Erlösung ist die Rettung vor dem Zorn und nicht irgendwelchen Kram zu bekommen.

Drittens fehlt der Wohlstandstheologie eine biblische Sicht über das Leiden. Gottes Wort gibt Antworten im Hinblick auf Versuchungen, Krankheiten, Leiden und Verlust. Menschen brauchen diese richtigen Antworten.

Viertens verdreht die Wohlstandstheologie auch die biblische Lehre über Wohlstand und Haushalterschaft. Geld ist ja nicht böse, aber wir alle brauchen im Umgang damit eine ewige Perspektive (Mt 6,19-24).

? Was meinen Sie? Wie kann man am besten mit solchen Freunden oder Verwandten über die Irrwege der Theologie des Wohlstandsevangeliums sprechen, die selbst darin gefangen sind?

Costi W. Hinn: Ein erfahrener Pastor sagte mir einmal: „Wir können recht haben, aber es ist nicht nötig, damit abstoßend zu wirken.“ Ein anderer riet mir einmal: „Predige mit Tränen in den Augen.“ Diese weisen Worte haben sich über die Jahre als hilfreich erwiesen. Wie schwer es auch sein mag, wir müssen eine gottgemäße Haltung bewahren, wenn wir mitten in einer massiven Meinungs­verschiedenheit mit jemandem stehen. Es ist entscheidend, sich immer daran zu erinnern, dass auch alle Menschen, die im Irrtum gefangen sind, eine lebendige Seele von Gott haben. Sie sind Gottes Missionsfeld. Nach meiner Erfahrung erreicht man Menschen am besten, wenn man ehrliche Fragen stellt und das Handeln seiner Gegner so weit wie möglich respektiert. Menschen mit Forderungen und aggressiven und unbedachten Bemerkungen zu bedrängen, treibt sie nur in eine Verteidigungshaltung oder sie gehen auf Konfrontation. Gute Beziehungen aufzubauen und zu erhalten, mit dem Ziel die Wahrheit weiterzugeben, ist für jeden Christen weise und vernünftig. Es muss allerdings auch gesagt werden, dass die Zeit kommen kann, wo wir eine gefährliche Beziehung beenden sollten und Menschen meiden, die in ihren falschen Überzeugungen schamlos sind (Jud 23). Es gab Momente, da musste ich meiner Familie auf sehr direkte Weise gegenübertreten.

? Warum finden Menschen das Wohlstandsevangelium eigentlich so attraktiv?

Costi W. Hinn: Es zielt direkt auf wesentliche Wünsche und Bedürfnisse des menschlichen Fleisches. Wir wünschen uns alle ein gewisses Maß an Bequemlichkeit, Behaglichkeit, Schutz, Sicherheit und Gewissheit. Das Wohlstandsevangelium verkauft die ewige Sicherheit, die wir in Christus allein finden sollen und überhöht die zeitliche Sicherheit und die Stellung des Menschen über alles andere.

? Glauben die Lehrer des Wohlstandsevangeliums wirklich an die Theologie, die sie predigen oder machen sie das nur um des Geldes oder der Anerkennung willen?

Costi W. Hinn: Die Worte aus 2Tim 3,13 können hier hilfreich sein. Paulus nimmt Bezug auf „böse und betrügerische Menschen“, die „es immer schlimmer treiben, andere in die Irre führen und selbst irregeführt werden“. Ich würde sagen, dass es hier auch beides ist. Viele folgen der Wohlstandstheologie, weil sie sie selbst ehrlich glauben – ich selber gehörte auch dazu. Andere wollen die Menschen nur ausnehmen, um ihre eigene Habgier zu befriedigen (2Pet 2,3). Ich habe aber auch oftmals erlebt, dass Dinge getan oder gesagt wurden, die offensichtlich falsch waren und wir wussten es alle. Solche Momente werden dann gewöhnlich auf manipulative Weise gerechtfertigt.

? Wie haben die Mitglieder Ihrer Familie, die in der Bewegung des Wohlstandsevangeliums geblieben sind, auf Ihren Weg reagiert?

Costi W. Hinn: Einige wurden zornig. Einige haben mich bedroht. Andere meiden mich seitdem. Aber es gibt auch ein paar, die selber anfangen, diesem Glaubenssystem zu entkommen und sogar welche, die sich über die Wahrheit freuen, wenn auch im Hintergrund. Es ist wie in den meisten Familien eine Mischung aus Siegen und Herausforderungen.

? Was sehen Sie als die größte Herausforderung für die evangelikalen Gemeinden heute?

Costi W. Hinn: Erneuerung muss auf die Kanzeln. Wir brauchen eine neue Generation an Predigern, die das Wort Gottes von jeder Kanzel zu allen Hörern verkünden, ohne sich dafür zu entschuldigen. Es gibt so viele lauwarme Prediger, die ständig versuchen, den Leuten zu gefallen und bei jedem Thema möglichst immer den Mittelweg zu gehen. Kaum jemand will „dogmatisch“ an irgendetwas festhalten. Sie fürchten sich, einen Preis dafür zu zahlen, dass sie die Wahrheit verkünden. Ich empfehle ihnen, dass sie entweder für eine heilige männliche Kühnheit beten, wie sie etwa John Knox hatte oder dass sie besser nur Papiere verfassen und versuchen die Gemeinde von außerhalb der Kanzel zu unterstützen.

? Welche Lehren sollte die Kirche betonen im Kampf gegen die Wohlstandstheologie?

Costi W. Hinn: Ich stelle meiner Antwort eine Sache voran, indem ich sage, dass es wichtig ist, zu einer Gemeinde zu gehören, in der die Auslegungspredigt, also das Vers-für-Vers-Auslegen der Bibel, betont wird, weil genau das die wichtigsten Lehren mit sich bringt, die uns mit der Wahrheit ausrüsten. Im Einzelnen kommt es dann darauf an, dass die Lehre die Eigenschaften Gottes umfasst, weil das unsere Sicht von Ihm auf das Niveau bringt, auf dem es sein muss. Das schützt Menschen davor, Gott klein zu machen, wie es die Wohl­standstheologie tut. Die Lehre von Christus ist ebenso wesentlich, weil sie die Erlösung durch Christus entfaltet und hilft, Menschen davor zu schützen, dass wichtige Wahrheiten schlechtgeredet werden. Die Lehre von der Irrtumslosigkeit, der Autorität und der Genügsamkeit der Schrift gibt Menschen die Gewissheit, dass sie keine anderen „Worte“ vom Herrn brauchen, weil ihnen das Wort des Herrn bereits gegeben ist (2Tim 3,16-17). Andere besondere Themen in der Auseinandersetzung mit der Wohlstandstheologie sind eine saubere Lehre über Geld und Haushalterschaft, Heilung und Leiden und über die Qualifikationen für glaubwürdige Leiter der Gemeinde.

? Sie arbeiten auch bei Reformanda als Lehrer mit. Erzählen Sie uns etwas über die Ziele dieses Dienstes.

Costi W. Hinn: Reformanda gibt es, weil die Gemeinde tiefgründige Lehre braucht. Im Namen klingt eine wichtige Überzeugung der protestantischen Reformation an, dass die Kirche nämlich semper reformanda, also eine sich immer gemäß Gottes Wort reformierende Kirche sein muss. Wir sind eine Gruppe von Pastoren und Leitern, die eine Leidenschaft dafür haben, die Gemeinde mit tiefgründiger Lehre auszurüsten. Über eine Zeit lang entwickelten sich unsere persönlichen Gespräche und Überzeugungen dahin, ein gemeinsames Dienstprojekt zu gründen, und Reformanda war geboren. Meine Aufgabe als Lehrer ist es, Inhalte für unsere Internetplattform zu erarbeiten, die Gläubige mit den Wahrheiten des Wortes Gottes ausrüstet. Zu unseren Zukunftsplänen gehört es, dass wir Lehrvideos und Schulungsmaterial anbieten und zu jährlichen Konferenzen einladen.

Übersetzung und Übernahme mit freundlicher Genehmigung von Ligonier Ministries