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Kein Zwang zur Organspende: zur Diskussion um die Widerspruchslösung

Vor wenigen Tagen brachte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seinen Vorschlag zur Reform der Organspende in den Bundestag ein (26.6.2019). Kern­gedanke der Gesetzesinitiative ist die „Widerspruchslösung“, mit der alle deutschen Bürger pauschal zu Organspendern erklärt werden, insofern sie sich nicht aktiv dagegen wehren. Indirekt wird damit der Körper jedes Menschen gesetzlich zum gesamtgesellschaftlichen Eigentum erklärt.

In begleitenden Medien-Kampagnen werden vor allem Einzelschicksale kranker Menschen präsentiert, denen eine Organtransplantation höchstwahrscheinlich Linderung ihrer Leiden bringen würde. Dadurch sollen Hilfsbereitschaft und Mitgefühl geweckt werden, damit sie der geplanten Gesetzesinitiative innerlich zustimmen. Schwerwiegende ethische Bedenken werden in diesem Zusammenhang bewusst zurückgestellt, um den gewünschten Effekt höherer Spenderbereitschaft nicht zu gefährden.

In der Diskussion um die geplante Ge­setzes­initiative sollten aber auch die berechtigten Bedenken öffentlich wahrgenommen und gleichrangig benannt werden:

1. Organtransplantation ist keine schnelle, problemfreie Hilfe für leidende Menschen. Empfänger von Spender­orga­nen müssen lebenslang starke Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems nehmen, wodurch sie körperlich geschädigt werden und deutlich häufiger an Krebs erkranken. Viele Empfänger von Spenderorganen erleben einschneidende Persönlichkeitsveränderungen und müssen langjährig psychologisch behandelt werden. Zahlreiche Spenderorgane sterben schon nach wenigen Jahren ab, sodass der Patient auf weitere Organe angewiesen ist.

2. In einer Zeit hoher Sensibilität bezüglich persönlicher Daten, in der nicht einmal ein Bild ohne schriftliche Genehmigung des Fotografierten veröffentlicht werden darf, ist es vollkommen unverständlich, dass der eigene Körper ohne bewusste Einwilligung staatlich enteignet und zur medizinischen Nutzung der Allgemeinheit ausgeliefert werden soll. Hier wird politisch ein massiver Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen initiiert. Nichts ist offensichtlich so sehr Eigentum einer Person wie ihr eigener Körper.

3. Das jeder Organspende am Lebensende zugrundeliegende „Hirntodkriterium“ ist aus ethischen und medizinischen Gründen äußerst fragwürdig. Ein Mensch, dessen Körper biologisch noch zu 95% lebt, wird nur deshalb für tot erklärt, weil man seine Organe „ernten“ will. Sogenannte „Hirntote“ atmen, verdauen, wachsen und können sich gelegentlich sogar bewegen. Es ist ethisch falsch, einen Menschen nur deshalb als tot zu betrachten, weil mit gegenwärtigen technischen Methoden keine Hirnaktivität mehr gemessen werden kann. Noch wesentlich problematischer wird diese Konzeption durch neueste Untersuchungen von Forschern der Yale Universität. Ihnen gelang es Anfang 2019, mehrere Hirne von Schweinen Stunden nach dem Tod der Tiere teilweise wiederzubeleben. Diese Untersuchungen lassen massiven Zweifel an der These aufkommen, dass einmal erloschene Hirnaktivität unumkehrbar verloren sei. Wenn das stimmen sollte, dann werden bei Organtransplantationen Menschen getötet, um ihre Organe weiterverwenden zu können. (Zvonimir Vrselja /Yale School of Medicine, Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1099-1)

Auch in dieser Frage gilt: Ein positives Ziel rechtfertigt kein unmoralisches Vorgehen. Nur selten heiligt der Zweck die Mittel. – Christen plädieren für das Konzept des „Ganztodes“. Der Mensch ist erst dann tot, wenn sein ganzer Organismus gestorben ist, nicht wenn einzelne Organe zeitweilig ausgefallen sind. Auch Sterbende sollten in der letzten Phase ihres Lebens unbedingt geschützt werden, selbst wenn eine Organentnahme anderen Menschen helfen könnte.