Immer häufiger werden auch hierzulande politische Diskussionen vor Gericht ausgetragen. Was in den USA eine alte Tradition ist, hält hier Einzug. Man verklagt Menschen, statt gegen ihre Ansichten gute Argumente vorzubringen oder sie zu ertragen. Wir sehen das in der Politik, wenn man sich gegenseitig wegen „Volksverhetzung“ anzeigt, beim Thema Luftverschmutzung oder auch in der Debatte um die Abgabe tödlicher Medikamente an Sterbewillige. Lebensschützer klagen gegen Ärzte, die für Abtreibung als Dienstleistung werben und Abtreibungsbefürworter machen sich genau diese Prozesse zunutze, um eine gesetzliche Lockerung zu erreichen. Ich befürchte, dass sich Christen darauf einstellen müssen, bald häufiger wegen ihrer Ansichten etwa in sexualethischen Fragen angezeigt zu werden, zumal manche schon fordern, die Bezeichnung eines Menschen als Sünder als strafrechtliche Verletzung der Menschenwürde anzusehen.
Egal, wie wir diese Entwicklung beurteilen, sie macht uns auf jeden Fall darauf aufmerksam, wie wichtig die Kategorie des Rechtes ist. Sie spielt auch in der Bibel eine viel größere Rolle, als viele wahrnehmen. Der Bibelbund schaut auf seine Gründung vor 125 Jahren zurück und stellt das unter das Thema „Die Bibel ist Gottes Wort“. Ein großer Teil der Bibel sind Rechtsordnungen. Gott, der ewige Gesetzgeber, hat sie erlassen. Jesus wird als höchster und letzter Richter nach dem, was Gott gesagt hat, Recht sprechen. Es geht in der Bibel und im letzten Gericht nicht in erster Linie um religiöse Gefühle, fromme Ansichten oder tröstliche Geschichten. Es geht darum, was Gott als gültige Norm verkündet hat. Gott hat geschworen (Hes 16,8; Heb 6,13-16), sich an sein Wort zu halten. Wir dürfen ihm sein Wort vorhalten (Ps 27,8 Lut), uns auf sein Wort vor ihm berufen. Es wird nie ungültig, sondern Jesus Christus hat seine Gültigkeit als „Ja und Amen“ unterstrichen (2Kor 1,20). Können wir uns wirklich mit frommen Legenden zufriedengeben, selbst wenn sie tiefe Wahrheiten enthalten? Nein, wir brauchen das verbindliche Wort Gottes, auf das wir uns berufen können. Und das finden wir in der Bibel.
Auch das Evangelium selbst kann ohne Rechtskategorien kaum richtig verstanden werden. Viele denken bei der Liebe Gottes zuerst an Gefühle. Aber Gottes Liebe beruht auch auf Recht. Dass Jesus stellvertretend für uns am Kreuz sterben kann, ist eine Rechtssetzung Gottes. Durch seinen Tod hat Jesus den Schuldschein mit seiner Anklage gegen uns zerrissen und ans Kreuz geheftet (Kol 2,14). Wer nun auf Jesus und sein Werk hofft, der wird freigesprochen und muss das Gericht Gottes nicht mehr fürchten. Aber das ist nicht alles. Der Christ wird auch als Erbe in die Rechtsstellung als Kind Gottes eingesetzt (Röm 8,17; Gal 4,7; Eph 1,18). Es geht beim himmlischen Erbe nicht zuerst darum, irgendwelche Dinge zu erlangen, sondern bei Gott angesehen zu werden, wie er seinen Sohn ansieht. Wir werden genauso geliebt werden, erhalten die gleiche Herrlichkeit.
Gott sagt uns seine Liebe, die Vergebung und die ewige Rettung rechtsverbindlich zu. Mit weniger können und müssen wir nicht leben. Und mit weniger sollten wir auch nicht zufrieden sein.