Dieses Buch setzt sich mit unterschiedlichen Arten von Zweifeln auseinander: Sind Glaube und Wissenschaft nicht ein einziger Widerspruch? Wie kann ein liebender Gott so viel Leid zulassen? Wie passt der Glaube an Gott mit der Forderung nach einem selbstbestimmten Leben zusammen? Verträgt sich der Anspruch des Christentums mit dem Wert der Toleranz? Die Bibel ist voller Wunder, das kann doch unmöglich stimmen!?
Alexander Garth, Gründer der «Jungen Kirche Berlin», hat, wie er sagt, das Anliegen, «diesen inneren Dialog mit dem Zweifel zu beleben und zu vertiefen». Außerdem soll das Buch Hilfe und Ermutigung sein, aus den Tälern des Zweifels zu den Höhen des Vertrauens zu finden. Von sich selbst sagt der Autor, er sei ein radikaler Zweifler, er hinterfrage nicht nur, dass es Gott gibt, sondern mit der gleichen Intensität auch seinen Zweifel: „Ein radikaler Zweifel fragt nach den verborgenen Wurzeln seiner Zweifel.“
Genau das versuchte ich beim Lesen dieses Buches herauszufinden: Wie kommt ein Mensch, der mit tiefgründigem Röntgenblick die Glaubens-Blockaden des postmodernen Menschen erkennt und mit treffenden Argumenten dagegenhält, dazu, den Zweifel als unerlässlich für den Glauben zu erklären?
Die Bibel bezeichnet den Glauben „als feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebr. 11,1). Und weiter:
„Durch den Glauben erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort geschaffen ist, sodass alles, was man sieht, aus nichts geworden ist.“
A. Garth huldigt der theistischen Evolution und glaubt nicht an die göttliche Inspiration der Bibel.
In den ersten Versen der Bibel steht glasklar, dass Gott die Welt in sechs Tagen schuf und dass er am siebten Tag von seinen Werken ruhte. Garth hingegen huldigt der theistischen Evolution.
Er ist der Meinung, es schmälere das Schöpfungswunder in keiner Weise, wenn Gott aus chaotischer Materie, mit Einzellern beginnend, über einen langen Zeitraum von vielen Millionen Jahren hochkomplexe Lebewesen geschaffen habe. Hier zeigt sich zum ersten Mal, dass der Autor nicht an die göttliche Inspiration der Bibel glaubt. Etwas später sagt er beispielsweise:
„Es gibt Teile der Bibel, die ich nicht ohne Widerwillen lesen kann …“
Für ihn sind viele Berichte im Alten Testament Zeugnisse veralteter Gotteserfahrungen. Deshalb sagt Garth zweifelnden Menschen, die aufgrund des beschriebenen Gerichtshandelns Gottes irritiert sind, die Vorstellung von Gott habe sich in der Bibel vom Niederen zum Höheren, vom Undeutlichen zum Deutlichen, vom Verborgenen zum Menschenfreundlichen entwickelt.
Alexander Garth, Zweifel hat Gründe, Glaube auch. Neuhausen: SCM Hänssler Verlag, 2014. 256 Seiten. Paperback 14,95 €. ISBN 978-3-7751-5601-1.
Die Bibel hingegen bezeugt, dass Gott der Unveränderliche ist, von Ewigkeit her derselbe. Diese Unveränderlichkeit darf nicht gleichgesetzt werden mit Starrheit, was negativ wäre. Die Unveränderlichkeit Gottes ist deshalb so großartig, weil Gott vollkommen ist in seinem Wesen und Tun. Wenn sich das Vollkommene verändern würde, wäre es immer nur hin zum Schlechteren und Negativen.
Gottes Unveränderlichkeit gibt Sicherheit und Geborgenheit. Und so ist es auch mit seinem Wort. Paulus schreibt an Timotheus:
Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.
Wenn ich diese Gewissheit in die Zuverlässigkeit des überlieferten Wortes Gottes nicht habe, muss ich zwangsläufig zum Zweifler werden. Deshalb ist die Glaubensgewissheit für den Autor „ein flüchtiger Gast“, für den aber, der Gottes Wort höher achtet als sein begrenztes Wissen, ist sie fest im Herzen verankert. Damit sage ich nicht, dass der glaubende Christ angesichts persönlicher Schicksalsschläge oder des bodenlosen Elends dieser Welt niemals durch Zweifel angefochten würde.
Der Glaubende weiß, dass es der Widersacher Gottes ist, der von Anfang an die Güte Gottes und seine Liebe in Zweifel ziehen wollte, wenn er die ersten Menschen fragte: „Sollte Gott gesagt haben?“
Und deshalb widersteht der Glaube der Versuchung und antwortet mit dem, was Gott gesagt hat. So erwächst die Gotteserfahrung in erster Linie aus dem Festhalten des ganzen Wortes, ebenso eine innere Gewissheit. Wie sollte ich sonst erkennen können, was nun wirklich Gottes Wort ist? Wie mich auf etwas verlassen, wenn ich schon in den ersten Versen der Bibel angelogen werde?
Garths Credo lautet:
„Und mitten in meinem radikalen Zweifel, der alles anzweifelt, auch meinen Zweifel, sage ich mit dem alten Philosophen Descartes: Cogito ergo sum — Ich denke, also bin ich. Und ich sage noch mehr: Cogito ergo credo — Ich denke, also glaube ich.“
In der Analyse des postmodernen Denkens und in manchen Antworten auf die Fragen des orientierungslosen Menschen unserer Zeit ist Alexander Garth brillant. Aber wegen der erwähnten schwerwiegenden Kritikpunkte hätte ich Bedenken, dieses Buch einem Suchenden in die Hand zu geben.
aus factum 8/2014