Jeder von uns kennt und benutzt Salz. Salz auf dem Frühstücksei, Salz als Backhilfe, Salz in der Suppe, Salz im Geschirrspüler, Salz zum Inhalieren, Salz gegen Glatteis – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wenn wir heute vom Salz sprechen, denken viele zuerst an Salz in seiner Funktion als Würzmittel. Aber entspricht diese Deutung dem ursprünglichen Gedanken?
Salz als Würzmittel
Salz als Würze, als Geschmacksverstärker soll im Normalfall nicht dazu führen, dass unser Essen salzig schmeckt. Sondern Salz fördert die bessere Geschmackswahrnehmung. Das bedeutet, wir schmecken die bereits vorhandenen Würz- und Geschmacksstoffe der Speisen intensiver durch die Salzzugabe. Salz verändert deren Löslichkeit, mit dem Erfolg, dass unser Essen kräftiger und in der Regel dadurch auch besser schmeckt.
Versuchen wir das Salzwort aus Matthäus 5 von dieser Bedeutung als Geschmacksverstärker zu deuten: Christen sind das Salz „in der Suppe der Welt“, damit diese Welt besser schmeckt.
Doch daraus ergeben sich Fragen.
Sollen Christen wie das Salz in dieser Welt aufgehen und unsichtbar sein, damit alles etwas geschmackvoller wird? Sind Jesus-Jünger eine kleine Prise zur Verbesserung der Welt? Einer Welt, die zentriert ist auf Selbstverwirklichung, Egoismus und Luxus? Sind wir am Ende gar die „Geschmacksverstärker“ für die vorhandene Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit dieser Erde? – Irgendwie passt dieses Bild nicht so richtig.
Versalzen dann zu viele Christen die Welt …?
Und außerdem gibt es ein logisches Problem: Zuviel Salz versalzt die Suppe, macht sie ungenießbar. Versalzen dann zu viele Christen die Welt …?
Salz als Konservierungsmittel
Welche Bildbedeutung für das Salz kommt stattdessen in Betracht? Um diese Frage zu klären, hilft nur die Quellenforschung: Mit welcher Vorstellung verknüpften Jesus und seine Zuhörer damals das Bild vom Salz?
„Den größten Fehler, den wir beim Lesen der Schrift begehen können, ist, dass wir fremde Gedanken einer späteren Generation in den Text importieren; dass wir den Autoren der biblischen Bücher unsere Gedanken aus dem 21. Jahrhundert in den Mund legen und dann behaupten, sie hätten diese Gedanken schon gehabt.“ (John Stott)
Nur wenn wir die ursprüngliche Bedeutung kennen, ist eine korrekte Interpretation möglich. Dazu ist es wichtig, den alttestamentlichen Zusammenhang zu beleuchten.
Salz, in der Antike auch „Geschenk der Götter“ genannt, war (über-)lebenswichtig. Unter den klimatischen Bedingungen waren viele Lebensmittel nur mit Salz haltbar und genießbar zu machen. Fleisch oder Fisch war schon nach einem Tag verdorben, es sei denn, man salzte es ein.
Salz war quasi der Kühlschrank dieser Zeit. Bis nach dem Mittelalter blieb Salz deshalb sehr wertvoll, galt als „Weißes Gold“ und wurde sogar mit Edelsteinen bezahlt. Die konservierende Eigenschaft von Salz begründete diesen Wert. Dieser Wert war so stabil, dass Salz auch als Zahlungsmittel diente. So bekamen Legionäre ihren Sold in Form von Salz. Unser Begriff „Salär“ stammt aus dieser Zeit.
Als Konservierungsmittel ist Salz ein Synonym für Dauerhaftigkeit und Beständigkeit. Ein Bundesschluss im damaligen Orient wurde mit einem gemeinsamen Salzessen vollzogen. So wie Salz dauerhaft und beständig haltbar macht, sollte dieser Bund dauern. Dies führte zum Begriff des sprichwörtlichen „Salzbundes“. Den Salzbund finden wir im Alten Testament gleich in drei Bezügen:
Als Bund Gottes mit Israel:
3Mo 2,13: Alle deine Speisopfer sollst du salzen, und dein Speisopfer soll niemals ohne Salz des Bundes deines Gottes sein; bei allen deinen Opfern sollst du Salz darbringen (auch Hes 43,24).
Als Bund Gottes mit David und seiner Familie:
2Chr 13,5: Wisset ihr nicht, dass der HERR, der Gott Israels, das Königtum über Israel David gegeben hat ewiglich, ihm und seinen Söhnen durch einen Salzbund?
Als Bund Gottes mit Aaron und dessen Nachkommen:
4Mo 18,19 Alle heiligen Opfergaben, die die Israeliten dem HERRN darbringen, habe ich dir gegeben und deinen Söhnen und deinen Töchtern mit dir als ewiges Anrecht. Das soll ein Salzbund sein für immer vor dem HERRN für dich und für deine Nachkommen mit dir (vgl. Mal 2,4ff.).
Wie das Salz vor Fäulnis bewahrt, soll der Bund gegen jede Übertretung gesichert sein. Es ist ein heiliger, unlösbarer, ewiger Bund (WStB), ein dauerndes Anrecht. So wird dieser Bund Gottes qualifiziert. Ein Bild für die Beständigkeit und die Treue Gottes. Dabei ist dieser Bund nicht nur ein kollektiver Bund, denn das Gegenüber wird sehr persönlich angesprochen (Dein, Du).
Interessanterweise findet sich Salz folgerichtig auch in den Opfervorschriften. Alle Speisopfer mussten mit Salz bestreut werden (3Mo 2,13 s.o.). Eine Opfergabe war nicht schon an sich gut. Erst durch die ätzende und reinigende Salzbehandlung wurde sie Gott wohlgefällig. (WStB) Dadurch wurde die Verwesung des Opfergutes verhindert. Auch für die Bereitung von Salböl war Salz als Bestandteil vorgeschrieben (2Mo 30,35).
Andere Einsatzgebiete
Natürlich kennt die Bibel die Anwendung von Salz auch in anderen Bereichen, z.B. als Desinfektionsmittel, zur Reinigung von Neugeborenen (Hes 16,4), als Heilmittel gegen krankmachendes Wasser (2Kön 2,21), als Würzmittel (Hiob 6,6) oder als Bild des Gerichtes (5Mo 29,22). Über eine zerstörte feindliche Stadt streute man Salz, um den auf ihr liegenden Fluch zu verewigen (Ri 9,45).
Aber unter allen Verwendungen war die konservierende Eigenschaft die wichtigste, weil jeder Mensch damals Salz notwendig zum Überleben benötigte. Salz bewahrt vor Fäulnis und vor Verwesung. Salz macht Dinge haltbar und dadurch genießbar. Diese Eigenschaft begründete den Wert von Salz. Und dies wird verdeutlicht am Begriff vom „Salzbund“. Er ist ein Bild für eine dauerhafte, beständige, treue Beziehung Gottes mit den Menschen.
Zukünftige Bedeutung
Da verwundert es nicht, dass Salz sogar eine eschatologische (= endgeschichtliche) Bedeutung behält. Der Prophet Hesekiel berichtet vom gesundmachenden Strom aus dem Heiligtum, der Fischfang im Toten Meer ermöglichen wird.1 Aber dennoch wird weiterhin Salz benötigt (Hes 47,11).
Hes 47,8-10: Und er sprach zu mir: Dies Wasser fließt hinaus in das östliche Gebiet und weiter hinab zum Jordantal und mündet ins Tote Meer. Und wenn es ins Meer fließt, soll dessen Wasser gesund werden, und alles, was darin lebt und webt, wohin der Strom kommt, das soll leben. Und es soll sehr viele Fische dort geben, wenn dieses Wasser dorthin kommt; und alles soll gesund werden und leben, wohin dieser Strom kommt. … denn es wird dort sehr viele Fische von aller Art geben wie im großen Meer.
Hes 47,11: Aber die Teiche und Lachen daneben werden nicht gesund werden, sondern man soll daraus Salz gewinnen.
Salz war so wichtig und wertvoll, dass eine Zukunft des Heils ohne Salz nicht vorstellbar war.
Jesus und das Salz
Wenn Jesus später Salz bildhaft anspricht, bezieht er sich auf diese bewahrende, beständige Wirkung. Sein Ausspruch „Ihr seid das Salz der Erde“ in Mt 5,13 folgt unmittelbar auf die Seligpreisungen. Die direkten Verse zuvor beschreiben dabei eine konfrontative Situation. Hier ist nicht die Rede von friedlicher Koexistenz oder einer Geschmacksverbesserung der Welt:
V.11-12 „Wie beneidenswert glücklich seid ihr, wenn sie euch beschimpfen, verfolgen und verleumden, weil ihr zu mir gehört. Freut euch und jubelt! Denn im Himmel wartet ein großer Lohn auf euch. Und genauso haben sie vor euch schon die Propheten verfolgt.“ [NeÜ]
Und direkt daran schließt Jesus an:
Ihr seid das Salz der Erde, das Salz für diese Welt, Ihr seid das Salz, das die Welt vor dem Verderben bewahrt. [Lut84, Menge, Hfa]
In seiner konservierenden Grundbedeutung ist Salz lebenswichtig und unverzichtbar. Es hat eine bewahrende Wirkung. Bei Lebensmitteln bewahrt das Salz nicht nur vor der Verwesung, sondern es bewahrt auch zum weiteren Gebrauch. Es erhält essbar, genießbar.
Das bedeutet im geistlichen Sinn: Salz bewahrt vor Werteverfall, vor Beliebigkeit, bewahrt vor der Fäulnis der Sünde, vor geistlichen Zerfallsprozessen, am Ende vor Gottes Gericht. Oder etwas dramatischer gesprochen: Salz rettet in dieser Weise andere Menschen vor dem Verderben.
Und Salz im geistlichen Sinn bewahrt gleichzeitig zum Leben in Dauerhaftigkeit und in Unvergänglichkeit. Es rettet zum Leben mit Ewigkeitsperspektive (Joh 3,16). Es bewahrt schon jetzt in einer Beziehung, in einem Bund mit Gott, in einem Leben in der Nachfolge.
Dazu gehört aber auch, die gute Schöpfung Gottes zu bewahren, für den Schutz des Lebens einzutreten, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und Friedensstifter zu sein. Alle diese Gedanken finden wir in den Seligpreisungen zuvor.
Wir sehen, Salz wirkt bewahrend und rettend. Diese Wirkung hat sowohl eine missionarische als auch eine soziale Ebene. Damit schließt das Salzwort von Jesus inhaltlich nahtlos an die Seligpreisungen an und führt diese weiter.
„Christliche Salzkraft liegt in einem Charakter, wie ihn die Seligpreisungen beschreiben, in verbindlicher Jüngerschaft, die sich in Wort und Tat zeigt.“ (John Stott)
Ihr seid das Salz
Jesus sagt „Ihr seid!“ – Er sagt nicht „ihr sollt sein“ oder „ihr werdet sein“. „Ihr seid das Salz der Erde“ – das ist ein Zuspruch und ein Anspruch gleichermaßen. Zugespitzt heißt das: „Salz ist Dienst.“ (Fritz Rienecker). Mitten in dieser Welt soll diese bewahrende, rettende Wirkung des Salzes spürbar werden. Authentisch und glaubwürdig gelebtes Christsein – mitten in dieser Welt – hat einladende Ausstrahlung. Es lädt zu einem dauerhaften Salzbund mit Gott, zu einem Leben in der Nachfolge von Jesus Christus ein.
Dabei ist das Salz durchaus angefochten, kann sogar seine Salzkraft verlieren.
Mt 5,13: Ihr seid unglaublich wichtig für die Welt, genauso unverzichtbar wie Salz. Wenn Salz aber entsalzt wird, ist es zu überhaupt nichts mehr nütze. Am besten schüttet man es auf die Straße, wo die Menschen darauf hin- und herlaufen. [Das Buch]
Das damals verwendete Salzgemisch aus dem Toten Meer bestand nur teilweise aus Kochsalz. Wenn der Kochsalzanteil verloren ging, z.B. durch Ausspülung, blieb nur ein kalkiger Rest, der höchstens auf den Weg geschüttet werden konnte.
Salz, das nicht mehr salzt, ist etwas, das zwar aussieht wie Salz, aber kein wirksames Kochsalz mehr enthält und deshalb keine Salzwirkung entfaltet. Dann ist es zu nichts mehr nütze (V.13b).
Salz wirkt nicht im Salzfass
Deshalb fordert Jesus auch uns heute auf: Ihr seid das Salz! Und Salz wirkt nicht im Salzfass. Deshalb muss das Salz raus aus dem Vorratsbehälter, hin zum Wirkort. Die Nachfolger von Jesus sind als Salz „in die Welt gestellt, um den sozialen Verfallsprozess aufzuhalten“ (John Stott). Salz soll bewahren, aber auch retten. Das ist viel mehr und viel wichtiger als nur der gute Geschmack.
Zitate aus: John Stott: Christus, die Bibel und wir. Die Botschaft der Bergpredigt. Kommentare v. Gerhard Maier, F. Rienecker, A. Pohl aus der Wuppertaler Studienbibel (WStB).
Aufgegriffen wird dieses Bild in Offb 22. ↩