LiteraturBuchbesprechungen

Herders neuer Bibelatlas

Herders neuer Bibelatlas will „mit historisch möglichst exaktem und aussagekräftigem Kartenmaterial die Texte des Alten und Neuen Testaments anschaulich, ja besser verstehbar machen und in die Welt des Alten Orients verorten“ (S. 9). Der damit gesetzte historische Fokus spiegelt sich in der Gliederung des Materials wider: Nach einer Einführung in die Landeskunde Israels (S. 10-29) und einer Darstellung des alten vorderen Orients (S. 30-73) bewegt sich der Atlas im Hauptteil (S. 74-321) in historischer Abfolge durch die Epochen alt-, zwischen- sowie neutestamentlicher und nachneutestamentlicher Zeit und wird durch einen ausführlichen Anhang zu methodischen Grundlagen (S. 322-343) und zahlreichen Registern (S. 344-400) ergänzt.

Auf den ca. 320 großformatigen Seiten der historischen Darstellung dominieren die insgesamt wohl über 1000 durchgehend farbig gedruckten Karten und Abbildungen, die neben mit Markierungen versehenem Kartenmaterial auch rekonstruierende Zeichnungen, Stammbäume biblischer Personen, Darstellungen archäologischer Fundstücke in Skizzen oder Fotos sowie andere Übersichtstabellen und -grafiken enthalten. Das präsentierte Bildmaterial stellt aufgrund der Übersichtlichkeit, Qualität und Vielfalt der Abbildungen eine einzigartige Sammlung historisch ausgerichteten Materials dar, das der Zielsetzung des Atlas gerecht wird.

Zwickel, Wolfgang; Egger-Wenzel, Renate; Ernst, Michael (Hrsg.): Herders neuer Bibelatlas. Freiburg: Herder 2013. 400 S. Hardcover 58,00 €. ISBN: 978-3-451-32350-8.

Anders sieht es dagegen mit den hermeneutischen Grundlagen und der Darstellung der begleitenden Texte aus. Die Darstellung basiert bewusst auf den letzten 200 Jahren bibelkritischer Forschung (S. 342) und bewertet damit die historische Zuverlässigkeit der in der Bibel genannten Personen und Ereignisse als gering (S. 342f.). Dies spiegelt sich an vielen Stellen wider: So wird der biblische Schöpfungsbericht von altorientalischen Texten abgeleitet (S. 74ff.) oder die Vätergeschichte in Gen 37-50 als „fiktive Familiengeschichte der Ursprünge Israels“ (S. 98) angesehen. Auch sei der größte Teil alttestamentlicher Geschichtsschreibung auf eine nachexilische Zeit zurückzuführen (S. 104.215f.).

Diese bibelkritische Tendenz setzt sich auch in der Spätdatierung und pseu­do­nymen Einordnung der meisten neutestamentlichen Schriften fort (S. 302). Obwohl die Begleittexte des Altases in Bezug auf zeitgeschichtliche und historische Hintergründe oftmals sehr informativ sind, bleibt somit am Ende ein sehr zwiegespaltener Eindruck: Während das ausführliche Bild­material überzeugt, enthalten die begleitenden Texte neben hilfreichen Hintergrundinformationen an vielen Stellen bibelkritische Grundannahmen und lassen den Bibelatlas damit insgesamt nur sehr bedingt empfehlenswert erscheinen.