Meine Kindheit in einer guten, bürgerlichen, katholischen Familie brachte mir zwar Gottesfurcht und Gewissensängste, aber nur bruchstückhaft eine Kenntnis der Bibel. In der Schule lernte ich die Nacherzählungen biblischer Geschichten kennen, die für Kinder geschrieben wurden, aber nur vereinzelte Bibelworte, wie sie im Volksmund bekannt sind.
In amerikanischer Kriegsgefangenschaft schenkte mir ein katholischer Priester auf meinen Wunsch hin ein Neues Testament nach der Übersetzung Martin Luthers. Aber gelesen habe ich kaum darin. Erst als ich durch bekennende Christen in Schottland ermutigt wurde, Jesus Christus als meinen Retter und Herrn anzunehmen, erhielt ich ein echtes Interesse an der Bibel und wollte mehr über Jesus Christus erfahren.
Zwei Tage nach meiner Bekehrung erhielt ich ein kleines Büchlein mit dem Titel: „Sicherheit, Freude und Gewissheit.“ Die biblischen Erklärungen in diesem Büchlein gaben mir Gewissheit über mein neues Verhältnis zu Gott. Der Anschluss an eine kleine Gemeinde der Offenen Brüder und die fast allabendliche Kurzbibelschule meines schottischen Betreuers gaben mir in den drei Monaten, die ich noch in Schottland verbrachte, eine gute Grundlage meines Glaubens und begannen langsam mein Leben zu prägen.
In diese Zeit fiel auch Gottes Ruf für mich in den Dienst eines Evangelisten. Ich hatte an einem Abend das Verlangen, die Zeit mit Jesus zu verbringen. Ich betete viel und las in der Bibel die Geschichte eines Mannes, den der Herr aus der Macht Satans befreit hatte. (Markus 5,18) Jesus sagte zu ihm: „Geh nach Hause zu deiner Familie und erzähle den Deinen, was der Herr für dich getan hat und wie gnädig er gewesen ist.“ Da wanderte der Mann durch das ganze Gebiet der Zehn Städte und erzählte allen Menschen von dem, was Jesus für ihn getan hatte.
Als ich weiter betete, wusste ich genau, dass das für mich war. Als ich im Gebet einwilligte, alle meine eigenen Pläne aufzugeben, erfüllte mich eine große Freude. Dieses Wort der Bibel ist mir bis heute immer wieder der Motor gewesen, der mich antreibt, sowohl die Botschaft von Jesus zu verkündigen als auch Menschen für diesen Dienst auszubilden, anzustellen und zu ermutigen. Dabei ist mir die Strategie von Jesus in seinem Dienst an Israel immer ein Vorbild: „Alle verlorenen Kinder Israels müssen die Botschaft hören.“
Und nach seiner Auferstehung ging der erweiterte Auftrag an uns: „Gehet hin in alle Welt und verkündigt die gute Nachricht allen Menschen.“
Meine Ausbildung an der Bibelschule Wiedenest hat mich zu einem bibeltreuen Verkündiger gemacht. Das Know how habe ich beim Übersetzen vieler Evangelisten aus der englisch sprechenden Welt bekommen. Sie machten die Bibel zu ihrer Botschaft und zeigten mir, wie man das Wort Gottes lebendig und verständlich erklären kann. So bekommt man es heute noch z.B. über den ERF oder bei den Willow Creek Gottesdiensten durch Bill Hybel gezeigt.
Mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Bibel geriet während meiner Ausbildung ins Wanken. Ich suchte seelsorgerliche Hilfe, aber keiner konnte mir wirklich helfen. Ich war ziemlich verzweifelt, als ich einmal auf meinem Schreibtisch in die aufgeschlagene Bibel schaute und das Wort des Herrn las: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre bei den Menschen sucht und nicht bei Gott.“
Das traf mich und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Ja, ich war ein die Ehre suchender Mensch geworden. Ich beugte mich vor Gott über meinen Hochmut und die Folge war, dass meine Glaubenskrise sich in Nichts auflöste.
Ich könnte ein Buch damit füllen zu schildern wie die Bibel mir geholfen hat beim Planen, Organisieren und Durchführen von Evangelisationen. Aber ich will mich auf Persönliches beschränken.
Ich lese im Prinzip täglich, möglichst für mich, in der Bibel, unabhängig von Familie, Schreiben und Predigen. Ich brauche diese Zeit mit Gott einfach.
In der Evangelisation ist die Zeit morgens sehr kurz, weil ich genug Schlaf haben sollte und ich morgens mit der Mannschaft die Bibel lese und ich mich am Nachmittag auf die Predigt für den Abend vorbereite.
Aber damit man mich nicht missversteht: Ich lese auch weltliche Romane, besonders wenn sie einen geschichtlichen Hintergrund haben. Ich sehe gerne mit meiner Frau einen tollen Liebesfilm, gehe auch, wenn ich Zeit habe, ins Konzert oder in die Oper. Noch lieber mag ich Operetten. Selten finde ich etwas schöner als einen Abend mit Mozarts Operettenmusik in einem Saal in Wien oder Salzburg zu erleben. Ich lese weltliche Zeitungen, surfe im Internet etc., denn ich bin auch ein kulturbejahender Mensch von heute.
Ich hatte nur eine zweijährige Bibelschulausbildung, aber ich habe mein ganzes Leben lang die Bibel studiert. Ich schätze biblische Kommentare und damit auch die wissenschaftliche Arbeit anderer. Ich förderte die Übersetzungsarbeit der Neuen Genfer Übersetzung durch viele Jahre, verbreitete die Bibelteile der British Bible Society, besonders in Österreich durch Bibelfeldzüge in allen Landeshauptstädten.
In meinen Predigten sage ich immer wieder: „Die Bibel sagt“, auch wenn manche darüber lästern. Ich habe volles Vertrauen in die Bibel als richtiges Wort Gottes in schriftlicher Form. Dabei streite ich mich nicht über theologische Begriffe. Die Bibel verteidigt sich selbst, wenn Menschen sie so lesen wie Jesus und die Apostel es getan haben. Ich finde mich dabei in guter Gesellschaft. 2. Timotheus 3,14ff.
Was die Übersetzungen betrifft, vergleiche ich beim Studium ältere wie auch neuere Übertragungen. Beim Vergleichen profitiere ich viel von der wissenschaftlichen Arbeit der verschiedenen Übersetzer. Der wörtlicheren Übersetzung gebe beim Studium den Vorrang, bei der Predigt der Sinngemäßeren.
Ich glaube, dass mir auch beim Sterben die Bibel das wichtigste Buch sein wird.
Anton Schulte wurde ca. ein Jahr vor seinem Heimgang von Michael Kotsch befragt.