Viele lesen nicht genug, „um wirklich informiert zu sein, und doch lesen sie zu viel, weil sie das, was sie lesen, oftmals nicht miteinander vergleichen und durchdenken. Sie überfliegen den Lesestoff und bekommen das, was ich eine Erfahrung erster Ordnung nenne, eine Art mystisches Gefühl, jedoch kein tieferes Verständnis. Ich bitte Sie inständig, in einer solchen Zeit wie der unseren wirklich und wahrhaftig lesen zu lernen.“1
Informationen sammeln oder vorhandenes Wissen beurteilen?
Diese Bitte des Evangelisten und Denkers Francis Schaeffer ist aktueller denn je. Die Zahlen vor allem über die neuen Generationen im Hinblick auf ihren Internetkonsum sind erschreckend. Weshalb? „Wir leben in einer vom Internet und elektronischen Datenbanken geprägten Gesellschaft, in der das Sammeln und Verarbeiten von Informationen als Schlüsselfähigkeiten für Bildung, Management und Dienstleistungen gesehen werden. Dieser Ansatz steht jedoch in einem scharfen Kontrast zu dem, was wir in der Bibel zum Thema Wissen finden, sei es in den Sprüchen, die uns zur Weisheit ermahnen, oder in der paulinischen Aufforderung unser ganzes Denken von Christus erneuern zu lassen. Hier liegt der Schwerpunkt nicht darauf, Informationen zu sammeln, sondern auf der Entwicklung einer ganzheitlichen Perspektive, von der aus wir das vorhandene Wissen beurteilen können. Das ist theologische Weisheit. In der christlichen Theologie und Ethik brauchen wir Menschen, die theologisches Wissen mit kulturhermeneutischen Fähigkeiten verbinden können und dadurch theologisch denken. Diese Leute werden das Wissen und die Informationen aus der Welt und aus der Bibel mit einer christlichen Weltanschauung betrachten.“2
Es geht also nicht in erster Linie darum, uns mit einzelnen Datenhappen zu füttern, sondern den Lebenszusammenhang aus Gottes Sicht zu erschließen. Welche Gewohnheiten sind dazu förderlich?
- Baue deine Lesekompetenz aus. Das gehört zur weisen Lebensführung.
Gott hat bewusst den sprachlichen und den schriftlichen Weg gewählt, um uns Menschen zu erreichen. Schrift und Sprache sind Teil von Gottes Schöpfung, Sein Geschenk an uns!
Die Schrift ist das Hauptmittel der göttlichen Kommunikation. Hast du dir schon mal überlegt, dass Gott bewusst den schriftlichen Weg gewählt hat, um uns Menschen zu erreichen? Schrift und Sprache sind Teil von Gottes Schöpfung, Sein Geschenk an uns! Dass die Bibel in diesem Umfang, dieser Form und in diesen ursprünglichen Sprachen gegeben wurde, ist kein Zufall. Sie ist geschichtliche, in Raum und Zeit stattfindende Erzählung mit dem Kulminations- und Wendepunkt des Kreuzes. Sie vermittelt uns eine Perspektive auf das Leben aus der Sicht Gottes.
- Lies regelmässig!
„Wenn ich dann Urlaub habe… Wenn es mal ruhig geworden ist… dann nehme ich das Buch hervor.“ So höre ich manche sich Vorsätze machen. Nur selten halten sie diese ein. Weshalb? Weil unser Leben selten unter Idealbedingungen stattfindet. Das Lesen sollte deshalb eine tägliche Übung in guten und schlechten Zeiten werden. Dazu gehört vor allem eine Einsicht. Fordere dich mit kleinen Portionen, die in deinen Tagesablauf passen. Lass keinen christlich verbrämten Perfektionismus aufkommen („ich sollte so und so viel lesen, aber leider geht es nicht“). Verachte nicht die kleinen regelmäßigen Inputs.
- Richte dir feste Gewohnheiten ein.
Lesen ist ein wichtiger Termin. Manchmal müssen wir solche Abmachungen schieben. Auf jeden Fall sollen sie fix im Tagesablauf eingeplant sein. Auch ein vielbeschäftigter Manager kann sich das tägliche Jogging einrichten. Es ist weise, bei geistlichen Disziplinen nicht anders vorzugehen als beim übrigen Lernen. Gott hat es so eingerichtet, dass wir uns die Dinge erkämpfen müssen. In Abhängigkeit von Ihm sollen wir in gute Gewohnheiten hineinwachsen.
- Steigere langsam den Schwierigkeitsgrad.
Viele denken in der Kategorie „alles oder nichts“. Nimm dir eine bestimmte Anzahl Seiten oder ein Kapitel aus einem Buch vor. Lies es sorgfältig. Steigere langsam Dosis und Anspruchsgrad, so wie es die Mütter intuitiv mit ihren Kindern tun. Sie bewegen sich stets an der Grenze des Entwicklungsstandes und tarieren aus, was noch oder neu drin liegt.
Ich kämpfe mich durch viele Bücher – Seite für Seite. Manchmal habe ich Kopf- oder Magenschmerzen. Ich bin müde und möchte aufgeben. Von Tag zu Tag braucht es Weisheit für die Frage: Was liegt vernünftigerweise drin?
- Lies mit dem Stift in der Hand.
Ich arbeite mit einigen wenigen Zeichen: „A“ für gute Argumente, die ich in jedem Buch sammle; oder „Z“ für zitierwürdige Stellen. Ein weiteres Zeichen verwende ich für Anwendungsideen. Das formt mit der Zeit die Gedanken. Für Stellen, die etwas zusammenfassen, setze ich eine geschweifte Klammer daneben. Ein hilfreiches Beispiel wird mit „Bsp“ markiert, eine Metapher mit „vgl“. Unser Denken soll befruchtet und damit unser Handeln verändert werden. Gefüttertes Denken und das Etablieren von neuen Gewohnheiten verändert unser Leben grundlegend. Lesen ist deshalb – nicht zynisch gemeint – praktisch! Überall liegen die Bücher herum und werden uns zu Spottpreisen nachgeworfen. Wir streicheln lieber unsere „Glastafeln“ (Smartphones) einige Stunden täglich. Für diese Lebenszeitvernichtung werden wir uns einst verantworten müssen. Setze wenigstens einen Teil dieser Zeit für das Lesen ein. Ich kann euch versichern: Es wird tief greifende Konsequenzen haben.
- Lies mit Notizbuch.
Schreibe dir wichtige Stellen auf und speichere sie in Datenbanken ab. Über die Jahre sammelst du dir auf diese Weise ein Vermögen an. Besonders die irritierenden Stellen gehören zu diesem Fundus. Sie erweitern unseren Denkhorizont. Schreibe dir Ideen und Varianten für eigene Fragestellungen auf. Vergiss nie zu beten. Lesen und beten gehören zusammen.
- Teile gute Inhalte!
Ich komme jeden Tag nach Hause und überlege mir: Was kann ich aus meinem Lesestoff meiner Frau und meinen Kindern weitergeben? Das gleiche beginne ich meine Söhne zu fragen. Sie sollen beispielsweise Gedanken aus ihrer Bibellese weitergeben. Es interessiert mich, was sie lesen. Diese Momente waren die Keimlinge für neue Vorgehensweisen und frische Vorhaben.
Und wie sollen wir unsere Bibel lesen?
Ich beginne jeden Tag mit dem Lesen der Bibel. Bevor ich diese nicht gelesen habe, lese ich kein anderes Buch. Wenn nichts anderes drin liegt, dann lasse ich mir daran genügen. Plane dir eine feste Lesezeit dafür ein. Ich nutze den Arbeitsweg, der zwischen 30 und 50 Minuten dauert. Oft nehme ich dafür eine Zusatzschlaufe in Kauf, steige früher aus oder bleibe an einer schönen Stelle stehen. Inhaltlich nehme ich mir eine tägliche Bandbreite vor (minimal, optimal, maximal). Für mich optimal sind sechs Kapitel. Das reicht gut für einen jährlichen Durchgang durch die Bibel aus. Ich kann Kapitel über mehrere Tage lesen und wiederholen. Es braucht darüber hinaus ein Langfristziel. Wenn ich vor Gott stehen werde: Was wird wichtig gewesen sein? Das sollen wir uns heute fragen! Es geht darum, Ihn zu erkennen (Johannes 17,3). Erkenntnis ist mehr als bloßes Wissen, doch es schließt Wissen mit ein. Markiere dir Erkenntnisse. Notiere dir z.B. Stichworte mit Datum. So sammelst du dir deine Schätze. Arbeite mit Farben. Es geht dabei immer um drei Dinge: Wer Gott ist und was Er tut; wie der Mensch reagiert und handelt (braun wie der Kot werden bei mir Stellen eingefärbt, die von der Sünde handeln; violett wie Blumen hingegen das Leben aus der Kraft des Geistes zu Gottes Ehre). Drittens markiere ich Stellen, die mich über die Schöpfung informieren. Wie hat Er sie geschaffen? Wie ist es gedacht? Lies nie ohne Gebet. Er muss uns die Augen öffnen, damit wir die Wunder in Seinem Gesetz sehen können (Psalm 119,18). Das Aufgeben der Gewohnheit kann schnell zur Entschuldigung dafür werden, nicht mehr damit anzufangen. Wir fallen und stehen mit der Hilfe Gottes wieder auf (Sprüche 24,16). Wenn du erschöpft bist: Passe dein Pensum an. Erneuere mit der Zeit deine Gewohnheiten. Wir sollen unser Gebiet erweitern. Nimm eine neue Übersetzung, eine neue Sprache hinzu. Kämpfe dich durch ein Kapitel oder Bibelbuch in französischer oder russischer Sprache. Oder nimm ein Hörbuch dazu. Für jeden Durchgang durch die Bibel kaufe ich mir jeweils ein neues Exemplar. Manchmal hole ich mir eine alte Bibel wieder hervor und freue mich über Schätze.
- Die Weisheit lädt uns herzlich ein
Lerne wirklich und wahrhaftig lesen. Was für ein Schatz liegt da, der gehoben werden will! An manchen Tagen danke ich Gott im Morgengebet – zuweilen überschwänglich –, dass Er mir sein Wort in verschiedenen Sprachen, ausgezeichnete Kommentare und Hilfsmittel sowie eine so breite Palette an Literatur und das Beispiel vieler Geschwister in schriftlicher Form geschenkt hat. So wie es Salomo in Sprüche 9,1-6 sieht: Die Weisheit lädt ein: „Verlasst die Torheit, damit ihr lebt, und wandelt auf dem Weg der Einsicht”. Ob wir darauf hören wollen?