ThemenEthische Themen, Orientierung

Die sexuelle Revolution als aktuelle Herausforderung

In Deutschland verbinden wir die sexuelle Revolution vor allem mit der Bewegung der 68er, die mit zahlreichen Provokationen, wie sexuell freizügigen Kommunen oder Sprüchen wie „Wer zweimal mit der Gleichen pennt, gehört schon zum Establishment.“ auf sich aufmerksam machte. Mit ihrem „Zug durch die Institutionen“ hat sie tatsächlich eine Umwälzung in der Sexualmoral vorangetrieben, die bis dahin unvorstellbar war und zurecht eine Revolution genannt werden kann. Heute wird Kindern in der Schule die Normalität alles dessen gelehrt, was vor 50 Jahren nicht nur Christen als unmoralisch galt. Diese Entwicklung hatte ihre geistigen und kulturellen Wurzeln. Und Christen, die die Bibel ernst nehmen, sind herausgefordert, darauf mit der biblischen Wahrheit und in christlicher Liebe zu antworten.

1. Die geistigen Wurzeln der sexuellen Revolution

Die neue Sexualmoral tauchte nicht aus einem Vakuum auf. Es waren massive geistige Veränderungen innerhalb der vergangenen zweihundert Jahre weltweit, die die Bühne für die sexuelle Revolution bereitet haben, in der wir uns weiterhin befinden.

1.1 Die Kennzeichen der Spätmoderne

Wir leben in Zeiten, die zu Recht, wenn auch vielleicht etwas umständlich, als spätmodernes Zeitalter bezeichnet werden. Vor einem Jahrzehnt sprachen wir von der Postmoderne, als ob die Modernität irgendetwas fundamental Neuem Platz gemacht hätte. Wie jede neue, selbsterklärte Epoche so wurde auch die Postmoderne zu einer Form von Befreiung erklärt. Während sich die Moderne selbst ausgerufen hatte als säkulare Befreiung von jeder christlichen Autorität, die auf den Forderungen von göttlicher Offenbarung beruhte, wurde die Postmoderne als Befreiung von den großen säkularen Autoritäten „Vernunft“ und „Rationalität“ angenommen. Das postmoderne Zeitalter, so wurde behauptet, würde die Menschheit befreien, indem sie allen Narrativen1 mit Skepsis begegnet. Mit anderen Worten, die Postmoderne verneint alle großen Narrative, die zuvor die Kultur bestimmt haben, insbesondere wollte sie den christlichen Narrativen ein Ende bereiten.

Die Moderne wollte den Menschen vom religiösen Autoritäts­anspruch befreien, die Postmoderne auch die Autorität der Vernunft überwinden.

Und dann trat das postmoderne Denken, wie es alle geistigen Bewegungen tun müssen, in sein eigenes Narrativ ein und starb einfach. Wir reden zwar weiter von postmodernem Denken, genauso wie wir mit Recht von postmoderner Architektur und postmoderner Kunst sprechen, aber wir sprechen in weiten Teilen von einer Bewegung, die sich aufgelöst und aufgegeben hat. In der Rückschau war die Postmoderne kein wirklich neues Zeitalter. Sie war nur so etwas wie ein Alarm, der das kommende Ende der Modernität ankündigte und damit den Anfang der Spätmoderne. Die Moderne ist nicht verschwunden. Sie ist sogar stärker geworden und wohl auch komplexer.

Die Behauptung, dass die Mensch­lichkeit nur durch eine säkulare Befreiung zu sich selbst finden kann und so die verschiedenen verhassten Formen der Dis­kriminierung überwinden kann, ist nicht neu, aber sie ist jetzt zur allgemeinen Überzeugung geworden. Das ist für die Kultur der westlichen Gesellschaften inzwischen so normal, dass es nicht mehr extra gefordert werden muss und dass es oft nicht mehr wahrgenommen wird. Diejenigen, die in die Kultur der Spät­moderne hinein­geboren wurden, atmen diese Annahmen einfach ein, wie sie die Luft atmen, und so wird ihre Weltanschauung radikal neu geordnet, selbst wenn ihre Sprache noch Elemente der alten Weltsicht behält.

Der Hinter­grund dieser großen geistigen Ver­schiebung ist die Säkularisation der westlichen Gesellschaften. Die Moderne hat auch großen kulturellen Gewinn mit sich gebracht, aber – wie gesagt – genauso brachte sie einen radikalen Wandel in der Weise, wie die Bürger westlicher Gesellschaften denken, fühlen, erzählen und schlussfolgern. Der Befreiung der Vernunft um den Preis der Offenbarung durch die Aufklärung folgte ein radikaler Naturalismus2 , der kaum noch übertrieben werden kann.

Wenn wir nach Europa und England schauen, dann wird klar, dass das Zeitalter der Moderne die gesamte Zivilisation von ihren christlichen Wurzeln, der christlichen Moral und intellektuellen Bindungen entfremdet hat. Das geschah nicht auf einmal, wenn sich die Veränderungen in Ländern wie Frankreich oder Deutschland auch sehr schnell vollzogen. In den skandinavischen Ländern sind die christlichen Überzeugungen inzwischen kaum noch wahrnehmbar. Darauf läuft es auch in Großbritannien hinaus. Soziologen sprechen dort offen vom Tod des christlichen England – Belege für das Zurückweichen der Christen sind offensichtlich.

1.2 Die Folgen für Gesellschaft und Kirche

Einzelne prophetische Stimmen hatten das Ausmaß und die Reichweite der geistigen Veränderungen, die im Westen stattfanden, früh erkannt.

Vor mehr als 40 Jahren schrieb Francis Schaeffer über die Be­wegung in der allgemeinen Weltanschauung weg von dem, was im Bewusstsein der Gesellschaft zumindest noch unscharf christlich war, hin zu einer völlig anderen Weise die Welt zu sehen. Die neue Weltsicht war aufgebaut auf der Idee, dass die jetzige Realität aus einem unpersönlichen Ursprung oder einer Energie entstanden sei und sich in die gegenwärtige Form durch unpersönliche Veränderungen entwickelt hat. Es ist wesentlich, dass Schaeffer beobachtete, dass die Christen seiner Zeit nicht erkannten, dass diese neue Weltsicht die christliche Weltsicht verdrängen würde, die früher die europäische und amerikanische Kultur bestimmt hat, und das sowohl in den Überzeugungen des Einzelnen als auch in der kulturellen Wirkung. Die beiden Weltsichten, die christliche und die gerade noch deistische3 , standen einander in Inhalt und moralischen Folgen als völlige Gegensätze gegenüber. Die gegensätzlichen Wege die Welt zu sehen, würden zu ganz unterschiedlichen soziologischen Ent­wick­lungen und anderen Ent­schei­dungen von Regierungen führen, die in der Erar­beitung und Einführung von neuen Ge­setzen münden.

1983, ein paar Jahre nachdem Francis Schaeffer seine Deutung gegeben hatte, beschrieb Carl F. H. Henry die Situation und die zukünftigen Möglichkeiten in Begriffen einer strengen Zweiteilung:

Wenn die moderne Gesellschaft dem Untergang entgehen will, dann ist die Wieder­entdeckung von Gottes Willen die entscheidende Notwendigkeit.

„Wenn die moderne Gesellschaft dem Untergang entgehen will, die frühere Zivilisationen betroffen haben, dann ist das Wiederentdecken des Willens Gottes, der sich im Bereich der Gerechtigkeit und des Gesetzes selbst offenbart hat, die entscheidende Notwendigkeit. Eine Rückkehr zu heidnischen Miss­verständnissen von einem göttlichen Herrscher oder einem vergöttlichten Kosmos oder auch zum scheinbar christlichen Ver­ständnis eines Naturgesetzes oder einer natürlichen Gerechtigkeit werden un­aus­weichlich zur Enttäuschung führen. Nicht jede Verteidigung einer transzen­denten Autorität wird auch ein Dienst für Gott oder für die Menschen sein. Das Übertreiben von gesetzlicher Ordnung, Menschenrechten und Wohlstand bis zur ihrer absoluten Herrschaft wird zugleich jede Art von menschlichen Führern in eine gewissermaßen göttliche Rolle erheben und den lebendigen Gott, der sich durch die Heilige Schrift offenbart, verdunkeln. Die Alternativen sind klar: Entweder wir kehren zum Gott der Bibel zurück oder wir werden in der Fallgrube der Gesetzlosigkeit untergehen.“

Noch früher, es war 1976, hatte Henry das große geistige Hindernis einer kulturellen Rückkehr zum Gott der Bibel benannt:

„Nichts ist deutlicher im gegenwärtigen westlichen Leben als das wachsende Misstrauen in absolute Wahrheit und das unerbittliche Hinterfragen jeder sicheren Aussage.“

Das Misstrauen gegen jede letzte Wahrheit und die Ablehnung jeder universalen Autorität versperrt den Weg zurück zum Gott der Bibel.

Dieses Hindernis für die Rückkehr zur Autorität einer christlichen Weltsicht ist tatsächlich ein Teil eines Teufelskreises, der damit begonnen hat, dass man die kulturelle Einprägung der offenbarten Autorität Gottes verlassen hat. Die christliche Weltsicht zu verlassen, führt zum Misstrauen gegen letzte Wahrheit und zur Ablehnung einer universalen Autorität, was wiederum den Weg zurück zum Gott der Bibel versperrt.

Tatsache ist, dass selbst Christen, die Christsein mit den Begriffen der historischen christlichen Lehre und ihrer Ethik beschreiben, nicht mehr völlig überzeugt sind, dass die Bibel wahr ist, sondern meinen, dass sie den einzigen Weg zeige, der wahre und bleibende menschliche Zufriedenheit hervorbringe. Deswegen sind viele nicht deswegen gegen die Homoehe, weil sie glauben, sie stehe im Gegensatz zur Heiligen Schrift, sondern weil sie glauben, dass alles, was der Schrift widerspricht, nicht zum Wohlergehen des Menschen beiträgt.

2. Der kulturelle Kontext der sexuellen Revolution

Wenn wir die sexuelle Revolution in den Blick nehmen, müssen wir offen fragen, wie all das geschehen konnte. Wie oben gesagt, entstand die sexuelle Revolution nicht aus einem Vakuum. Die modernen Gesellschaften haben ein Umfeld für eine moralische Revolution geschaffen, das niemals zuvor vorhanden war. Mit anderen Worten: Bestimmte kulturelle Bedingungen mussten erst vorherrschen, damit die Revolution so in Gang kommen konnte, dass sie auch Erfolg haben konnte. Ich will im Folgenden ein paar kulturelle Faktoren besprechen, die zu unserer gegenwärtigen Situation geführt haben.

2.1 Verstädterung, Technologien und das Schwächen der Familie

Modernität und Modernisierung haben eine Urbanisierung mit sich gebracht, die dazu führte, dass eine wachsende Anzahl von Menschen nun in Städten bzw. Metropolregionen leben, und die Städte formten die Kultur. Viele Beobachter der sexuellen Revolution haben diese Tatsache herausgestellt, dass sie von Beginn an eine kosmopolitische Revolution war, die zuerst in den Städten aufkam und sich von dort auf den Rest der Kultur ausbreitete.

Auch der technologische Fortschritt hat die sexuelle Revolution befeuert. Die Pornographie etwa hat von jeder neuen Technologie sehr profitiert, angefangen bei günstigen Druckverfahren bis hin zu den letzten digitalen Errungenschaften. Sicher war die wichtigste technologische Leistung für die neue Sexualmoral die Erfindung der Empfängnisverhütung durch Hormone und der Antibiotika. Frei heraus gesagt gab es so lange einen ziemlichen sicheren Beweis für sexuelle Aktivität außerhalb der Ehe, solange der sexuelle Verkehr zwischen Mann und Frau die Möglichkeit der Schwangerschaft einschloss. Als die Pille mit ihrem Versprechen der vollkommenen Geburtenkontrolle aufkam, verschwand ein biologischer Beweis für sexuelle Unmoral beinahe völlig, der die menschliche Existenz seit Adam und Eva bestimmt hatte. Die sexuelle Revolution hätte kein solches Ausmaß erhalten können ohne das Vorhandensein von wirkungsvollen, billigen und allgemein erreichbaren Verhütungsmitteln.

Wirkungsvolle, billige und leicht zugängliche Verhütungs­mittel haben die sexuelle Revolution ebenso befeuert wie Antibiotika, mit denen die Syphilis eingedämmt werden konnte.

Während viele die Bedeutung der neuen Verhütungstechnologien für die sexuelle Revolution erkannt haben, haben wenige bemerkt, dass die sexuelle Revolution nicht mit diesem Tempo hätte fortschreiten können ohne die Wirkung der Antibiotika. Das liegt daran, dass ein weiterer Hinweis für sexuelle Unmoral in der menschlichen Geschichte die Ausbreitung von bestimmten Krankheiten war. Der Wirtschaftswissenschaftler der Emory Universität, Andrew Francis, hat folgendes beobachtet: „Die Tatsache des wachsenden Einsatzes von Penicillin, der zu einem starken Rückgang der Syphilis während der 50er Jahre führte, hat die moderne sexuelle Ära angestoßen.“ Selbstverständlich wollen wir nicht zurück in ein Zeitalter ohne Antibiotika. Wir sind dankbar für lebensrettende Medikamente und medizinische Techniken. Genauso wenig lehnen wir ab, was der Fortschritt sonst mit sich gebracht hat. Zugleich müssen Christen aber auch erkennen, dass jede neue Technologie auch neue ethische und moralische Herausforderungen mit sich bringt und oft unbeabsichtigte Konsequenzen nach sich zieht.

2.2 Sozialwissenschaft und sexuelle Revolution

Die sexuelle Revolution hätte auch nicht stattgefunden ohne die fundamentalen geistigen Veränderungen, die die Menschen dazu geführt haben, zu glauben, dass die Revolution in der sexuellen Moral unvermeidlich und richtig sei.

Die wichtigste Person für diesen Aspekt der Revolution war Alfred C. Kinsey. Mit zwei Büchern (dt. Kinsey Report: Das sexuelle Verhalten des Mannes und Kinsey Report: Das sexuelle Verhalten der Frau), die zuerst 1948 und 1953 veröffentlicht wurden, wurde Kinsey zu einem der Hauptrepräsentanten für die moralische Revolution.

Soweit wir wissen, war Kinseys Unter­suchung von Beginn an unehrlich. Beispielsweise wählte er seine Untersuchungsbeispiele aus Menschen, die sich freiwillig für seine Studien gemeldet hatten, worin ein beträchtlicher Prozentsatz von Männern, die im Gefängnis einsaßen, enthalten war. Kein glaubwürdiger Forscher würde jemals irgendein Vertrauen in das setzen, was Kinsey an statistischen Behauptungen über sexuelles Verhalten machte, aber die mediale Öffentlichkeit tat es.

Obwohl Kinseys Bücher unehrlich waren und unhaltbare Schluss­folgerungen zogen, hatten sie eine starke kulturelle Wirkung.

Trotzdem ist der tatsächliche Text von Kinseys Büchern weit weniger wichtig für die sexuellen Revolutionäre als ihre kulturelle Wirkung. Diejenigen, die seine Bücher aufmerksam lesen, würden zur erschreckenden Erkenntnis kommen, dass Kinsey seine Unter­suchung aus einer Bevöl­ke­rungs­gruppe abgeleitet hat, die weitest­gehend sowohl außerhalb gelebten Christ­seins als auch außerhalb dessen stand, was die Mehrheit der Gesellschaft unter einer sauberen Sexualität verstand. Trotzdem veränderten er und andere das Bewusstsein weiter Teile der Gesellschaft.

2.3 Das Verwelken der Tugend

Der Philosoph Philip Kitcher machte die sehr wichtige Beobachtung, dass die sexuelle Revolution nicht hätte stattfinden können ohne das, was er „das Verwelken der Tugend“ nannte. Was Kitcher genauso verstanden hat, ist, dass auch das „Verwelken der Tugend“ nicht stattfinden konnte, ohne dass die Gottesfurcht zuvor „verwelkt“.

Das moderne oder postmoderne Streben nach sexueller Befreiung ist nicht wertfrei, wenn es an der Lehre der Bibel und dem moralischen Zeugnis der historischen Christenheit gemessen wird. Es muss nicht nur erneuert werden, was die Forderung in der Mitte des 20. Jahrhunderts und bis in die 1960er Jahre war, es muss völlig ersetzt werden.

Damit wir die Herausforderung verstehen, vor der wir jetzt stehen, habe ich mein Buch4 We cannot be Silent mit einem Zitat von Flannery O‘ Connor angefangen, der gesagt hat: „Drücke mit derselben Kraft gegen den Zeitgeist, mit der er dich bedrückt“. Zu verstehen, wogegen wir aufstehen müssen, ist jedenfalls ein Teil unserer Herausforderung. Die Wurzeln der moralischen Revolution zu verstehen, verlangt sehr genaues Nachdenken und das Anerkennen, dass die sexuelle Revolution nicht ohne die Säkularisation stattfinden konnte und die Säkularisation wiederum nicht vorankommen konnte, ohne die sexuelle Revolution hervorzubringen.

3. Warum Christen nicht einfach bei dieser Revolution mitmachen können

Warum nicht einfach bei der Revolution mitmachen? Diese Frage erscheint vielen Menschen offensichtlich, die auf konservative Christen schauen und sich ehrlich fragen, warum wir nicht einfach unsere Ansichten über Homosexualität, die Homo-Ehe und all die Themen der LGBT-Bewegung5 ändern können. Uns wird ständig gesagt, dass wir die klare Lehre der Bibel aufgeben sollten, um endlich auf „die richtige Seite der Geschichte“ zu kommen.

Aber es liegt nicht daran, dass wir ihre Argumente nicht verstünden, wir können sie einfach nicht akzeptieren.

Es stimmt, viele eher liberale Deno­minationen und Kirchen haben vor der sexuellen Revolution bereits kapituliert. In dem Maße, in dem die Legitimation von Homosexualität voranging, sind einige Kirchen und Denominationen Teil der Bewegung geworden, manche sogar zu ihren Anwälten, während es andere standhaft ablehnten, Kompromisse zu machen. Dazwischen stehen Kirchen und Denominationen, die entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind, eine klare Überzeugung über Homosexualität zu formulieren. Themen wie Gemeinde­leitung und Heirat von Homosexuellen werden regelmäßig von Leitungen verschiedener Deno­mina­tionen und in vielen Gemeinde­ver­samm­lungen diskutiert.

Viele der liberaleren Kirchen und Deno­mi­nationen akzeptieren die Über­zeu­gungen der sexuellen Revolution nicht nur, sie glauben sie auch. Jede dieser Kirchen hatte Ehe früher ausschließlich als Einheit zwischen einem Mann und einer Frau definiert. Jede von ihnen definierte früher menschliche Sexualität und Geschlecht in Übereinstimmung mit der Bibel und der historischen Lehre der Christen. Aber jetzt scheinen einige dieser Leute ernsthaft überrascht, dass konservative Christen nicht einfach dabei mitgehen, christliche Moralität, Ehe und Lehre umzudefinieren.

Wer die Bibel als das achtet, was sie sein will, Gottes verbindliches Wort, der kann sie nicht einfach missachten oder ihre Aussagen neu interpretieren, wie es ihm passt.

Wir werden das nicht tun, weil wir es nicht können. Anders als diejenigen, die die liberale Theologie annehmen, sehen wir das Christsein nicht als ein System von Überzeugungen, die wir einfach ändern können, wie es uns passt. Wir sehen die Bibel nicht als Sammlung antiker religiöser Schriften, die man missachten kann, oder uminterpretieren bis sie etwas anderes bedeuten, als sie sagen.

Stattdessen verstehen wir die Bibel als das, was sie sein will, nämlich nicht weniger als das inspirierte und irrtumslose Wort Gottes. Wir verstehen Christsein als auf eine bestimm­te Wahrheit gegründet, wie sie durch Christus und die Propheten und Apostel offenbart ist und uns in der Heiligen Schrift gegeben ist. Wir glauben, dass Christsein definiert ist durch das, was die Bibel „den Glauben, der ein für allemal den Heiligen überliefert wurde“ nennt (Judas 1,3). Wir finden uns jetzt wieder als angefeindet, abgelehnt und lächerlich gemacht dafür, dass wir an Wahrheiten festhalten, die die christliche Kirche zweitausend Jahre lang gelehrt hat.

Das Evangelium verspricht Rettung jedem, der von seiner Sünde umkehrt und an Christus glaubt als seinen gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Wenn wir missverstehen oder verdrehen, was Sünde ist, dann untergraben wir das Werk des Christus und unsere Erkenntnis, dass wir einen Retter brauchen. Darüber hinaus verwirren wir die Welt und uns selbst über Buße, wenn wir die Lehre der Bibel über sexuelle Moral aufgeben.

Die Bibel ist nicht allein ein göttlich inspiriertes Buch von Lehrwahrheiten. Sie erzählt die Geschichte von Gottes Handeln in der Schöpfung, von der Realität der menschlichen Sünde, von der Tiefe der rettenden Liebe Gottes zu seinem Volk in Christus. Und sie erzählt die Geschichte davon, wie die Weltgeschichte geleitet wird. Die Bibel warnt uns auch vor jedem Versuch, diese Geschichte zu ändern oder sie falsch zu erzählen. Ja, sie warnt uns vor der Sünde, etwas zu lehren, was die Bibel ein anderes Evangelium nennt als das Evangelium von Jesus Christus.

Die gegenwärtige ameri­ka­­nische Landschaft umfasst die liberaleren Kir­chen, die ihr Bestes tun, um an der sexuellen Revolution teilzunehmen, genauso wie die konservativeren, die dem nicht folgen können. Schlichte Ehrlichkeit verlangt die Anerkennung, dass es die konservativen Kirchen sind, die das lehren, was die Christen­heit zwei Jahrtausende lang lehrte.

Es wird uns gesagt, dass das Festhalten an der biblischen Autorität und der historische christliche Glaube dazu führen werde, dass wir in der Bedeutungslosigkeit verschwinden werden. Vielleicht ist das richtig. Aber die liberaleren Kirchen haben in den letzten 40 Jahren Millionen von Mitgliedern verloren. Selbst im Zeitalter der Säkularisation sind es die am meisten säkularisierten Denominationen, die auch die meisten Mitglieder verloren haben.

Wir können unseren Glauben nicht preisgeben, nur weil man uns sagt, wir stünden auf der falschen Seite der Geschichte und uns das Versinken in der Bedeutungs­losigkeit ankündigt.

Wir verstehen nicht, worin die Gefahr bestehen soll, vom Urteil menschlicher Geschichte getroffen zu werden. Wir sind viel mehr über das göttliche Urteil der Ewigkeit besorgt. Wir müssen von der Wahrheit in Liebe reden und versuchen, für jeden ein guter Nachbar zu sein. Aber wir können den Glauben nicht preisgeben, nur weil uns gesagt wird, dass wir gerade auf der falschen Seite der Geschichte stehen.

Unsere Antwort

Unsere Antwort für jene, die in Homosexualität verstrickt sind, muss von ehrlicher Barmherzigkeit gekennzeichnet sein. Aber die zentrale Aufgabe ehrlicher Barmherzigkeit ist es, die Wahrheit zu sagen. Und es ist die Bibel, die die wahre Botschaft offenbart, die wir übermitteln müssen. Diejenigen, die die biblische Botschaft verdrehen und entstellen, antworten Homosexuellen nicht mit Barmherzigkeit. Lügen ist niemals barmherzig und es führt letztlich zum Tod.

Am Ende wird die Kirche entweder die Wahrheit des Wortes Gottes verkünden oder einen Weg finden, um vor dieser Wahrheit wegzulaufen. So kommt es schließlich auf das Vertrauen an. Vertrauen wir darauf, dass die Bibel uns wahrhaftig erzählt, was Gottes Wille und seine Gebote für unsere Sexualität sind? Wenn das so ist, dann wissen wir auch, wo wir stehen, und wir wissen, was wir antworten sollen. Wenn aber nicht, dann wird es Zeit, dass wir der Welt gegenüber zugeben, dass wir nicht die geringste Ahnung haben.


  1. [Der Begriff „Narrativ“ geht zurück auf den französischen Philosophen Jean-Francois Lyotard (1924-98) und bezeichnet eine sinnstiftende Erzählung, die Einfluss auf die Art hat, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Es transportiert Werte und Emotionen und bestimmt den Kultur­kreis, in dem es Legitimität besitzt. Dazu gehörte im westlichen Kulturkreis lange der allmächtige Gott, der die Welt erschaffen hat und sie durch sein Walten erhält. Das bildete sich etwa in den Sprichwörtern „An Gottes Segen ist alles gelegen.“ oder „Der Mensch denkt und Gott lenkt.“ ab.] 

  2. [Der Naturalismus lehnt die Existenz und das Wirken Gottes oder göttlicher Kräfte in der Natur ab. Er behauptet im Extrem, dass nichts anderes existiert, als was sich natürlich bzw. naturwissenschaftlich erklären lässt. Damit wird auch die Existenz nichtmaterieller Größen wie Geist oder Bewusstsein entweder als Illusion angesehen oder als Ergebnis rein physischer Vorgänge.] 

  3. [Das eben noch deistische drückte sich etwa darin aus, dass viele noch sagten, es müsse wohl ein höheres Wesen oder eine höhere Kraft irgendwie existieren, auch wenn diese Ahnung keine Folgen für ihr Denken und Handeln hatte.] 

  4. R. Albert Mohler. We cannot be silent: speaking thruth to a culture redefining sex, marriage and the very meaning of right and wrong. Nashville: Nelson, 2015. 

  5. [LGBT ist eine aus dem englischen Sprachraum kommende Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, also Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. Sie ist eine Anpassung der seit Mitte der 1980er Jahre verwendeten Abkürzung LGB als Ersatz für die als negativ empfundene Beschreibung „homosexuell“. Verbreitet ist auch die durch Queer ergänzte Form LGBTQ.]