Für viele Europäer wirkt die Bibel zwischenzeitlich lebensfremd und hoffnungslos veraltet. Doch nach wie vor verändert Gott durch sein Wort auch heute noch Menschen. Ein beeindruckendes Beispiel erfuhr ich kürzlich während meiner Reise nach Paraguay (August/September 2016).
Die durch den Mennoniten Johann Hiebert gegründete Trans Chaco Mission engagiert sich unter anderem in der landesweiten Gefängnisarbeit. Ein Zusammenschluss von 13 deutschsprachigen Gemeinden in Paraguay stellt viele der Mitarbeiter und finanziert die Aktivitäten mit rund 18 000 Euro monatlich.
Lokale Pastoren werden bei ihren Besuchen im Gefängnis von ehrenamtlichen Helfern aus den Gemeinden unterstützt. In diesem Zusammenhang fuhr im Oktober 2015 eine Gruppe von 14 Ehepaaren zum Gefängnis von San Pedro/Paraguay. Zum ersten Mal kamen sie in einen Trakt der Anstalt, der bisher noch nicht von ihnen betreut worden war. In einem großen Raum befanden sich etwas mehr als 50 Männer. Viele lagen apathisch auf Matratzen am Boden, andere standen Marihuana rauchend an den Wänden. Den meisten stand Frustration und Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Es roch muffig. Die Luft war von Rauch geschwängert, Boden und Wände schmutzig. Die meisten Gefangenen hatten kein eigenes Bett.
Mit etwas mulmigem Gefühl stellten sich die mennonitischen Besucher auf und begannen, Lieder für die Gefangenen zu singen. Manche von ihnen waren so berauscht, dass sie gar nichts mitbekamen. Andere waren gerührt, denn so etwas hatten sie noch nie erlebt. Sie waren daran gewöhnt, im Gefängnis verachtet und vergessen zu werden. Einige der Insassen warteten schon seit Jahren auf ihren Prozess.
Nach einer Kurzpredigt wollte der Redner wissen, wer eine Veränderung seines Lebens durch Jesus Christus haben wolle. Drei der Insassen meldeten sich zögerlich. Viele hatten die Hoffnung auf Veränderung und Verbesserung ihrer Lebenssituation längst aufgegeben. Zum Schluss fragte der Pastor Gefangene und Besucher, wer von ihnen bereit sei, jeden Tag bis zum Ende des Jahres für eine positive Veränderung in diesem Trakt des Gefängnisses beten zu wollen. Die meisten der Mennoniten, aber auch einige der Gefangenen erklärten sich dazu bereit.
In den folgenden Monaten kam der Pastor immer wieder zu kurzen Besuchen in die Haftanstalt. Zuhause zimmerten die Mennoniten einige Betten und bekamen die Erlaubnis, sie in dem betreffenden Raum aufzustellen. Mit Hilfe der Gefangenen säuberten sie Böden und Wände. Einige der inhaftierten Männer begannen neu Hoffnung zu schöpfen.
Im Juni 2016 erkundigte sich der Pastor, welcher der Gefangenen ein Leben mit Jesus beginnen wolle und an einem Bibelkurs Interesse hätte. 19 Männer meldeten sich. Sie erhielten eine eigene Bibel und trafen sich vier Mal in der Woche in ihrem Gefängnis mit dem Pastor zum gemeinsamen Bibelstudium. Nach zwei Monaten wollten 15 Häftlinge ihr Leben wirklich verändern und Christ werden. Zwischenzeitlich hatten sie viel in der Bibel gelesen und die Grundzüge des christlichen Glaubens kennengelernt. Ende August 2016 fand dann im Gefängnis von San Pedro eine Taufe statt.
Jetzt trifft sich regelmäßig eine kleine Häftlingsgemeinde, betreut durch Mitarbeiter der Trans Chaco Mission. Das Verhalten der bekehrten Gefangenen hat sich verändert. Sie haben eine neue Perspektive für ihr Leben gewonnen. Auch andere Häftlinge interessieren sich nun für den christlichen Glauben. Eine große Herausforderung ist natürlich die Zeit nach der Entlassung, wenn sie wieder in ihre alte Umgebung zurückkommen. Wenn es soweit ist, wollen die in dieser Arbeit engagierten Gemeinden eine individuelle Betreuung für diese jungen Christen anbieten.
Trans Chaco Mission
ist eine Organisation, die Ende der 1960er Jahre von einer Mennonitengemeinde in Paraguay ins Leben gerufen wurde. Man wollte mit Musik, Ansprachen und Literaturverteilung sowie durch Radioprogramme den Menschen das Wort Gottes bringen, die es sonst nicht zu hören bekommen. Den Namen Trans Chaco erhielt die Missionsarbeit von der Ruta Transchaco, der einzigen Verbindungsstraße zwischen den Mennonitenkolonien und der Hauptstadt des Landes. Entlang der Ruta siedelten mehr und mehr Landlose mit vielen Kindern. Einige Lehrer sahen dort eine Möglichkeit für Kinderarbeit. Sie baten die Mennoniten um ihre Unterstützung, dort mit Kindern Sommerbibelschulen abzuhalten. Diese Arbeit weitete sich aus, so dass auch Erwachsenen das Evangelium bekannt gemacht und Gläubige im Wort Gottes gelehrt wurden.
Nach einigen Jahren der Aktivität im Chaco wurde die Missionsarbeit immer weiter ausgedehnt. Heute arbeitet die Trans Chaco Mission in ganz Paraguay und ist sogar im Nachbarland Bolivien tätig.