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Frage und Antwort – Erlaubt Gott im Alten Testament die Polygamie?

Obwohl die Einehe als lebenslange Verbindung zwischen Mann und Frau in der Bibel eindeutig gelehrt wird, wird doch die Polygamie im Alten Testament nicht verboten. Einige Stellen zeigen sogar, dass Gott sie toleriert und regelt. Das ist eine Notlösung in der gefallenen Schöpfung und keine Rechtfertigung für die Mehrehe.

Frage:

Wie soll man verstehen, dass einerseits schon aus 1Mose 2 hervorgeht, dass die Ehe das Ein-Fleisch-Werden eines Mannes und einer Frau ist und dann doch im Alten Testament die Viel-Ehe ohne irgendwelche Kritik von Gott geduldet wird?

Schaut man sich im NT an, wie eine Ehe nach Gottes Vorstellung aussieht, dann würde auch niemand auf die Idee kommen, mit mehreren Frauen verheiratet zu sein. Im AT jedoch, also nach dem Sündenfall, scheint Gott die Viel-Ehe zu dulden, nicht scharf zu verurteilen und ihr auch sonst wenig Beachtung zu schenken.

Zwar wird im Gesetz zum Königtum (5Mo 17,14-20) darauf hingewiesen, dass Regenten nicht (zu) viele Frauen haben sollten, aber ansonsten wird von der Viel-Ehe biblischer Personen berichtet, ohne dass selbige verurteilt würde. In 2Samuel 12,8 scheint Gott gar fast ironisch dem David vorzuhalten, ob ihm seine bereits von Gott geschenkten Frauen nicht ausreichen würden… verurteilt für seine zahlreichen Ehefrauen wird jedoch auch er nicht.

Antwort:

Es ist unbestritten, dass auch das Alte Testament eigentlich die Ein-Ehe als die von Gott gewollte lebenslange Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau ansieht. Dafür spricht offenbar die Schöpfungsgeschichte, auf die sich auch Jesus für seine Aussagen zur Ehe beruft (Mt 19,3-9). Aber auch bei den Propheten (besonders bei Hosea) kann man dafür Belege finden, wenn hier auch meistens auf die geistliche Ehe zwischen Gott und seinem Volk Israel gezielt wird.

Mehr Bigamie als Polygamie

Allerdings ist die Polygamie tatsächlich nirgendwo verboten, sie wird geduldet und von Gott an keiner Stelle ausdrücklich kritisiert. Dazu muss man allerdings sofort eine Einschränkung machen. Denn es ist nicht die Polygamie, sondern eigentlich die Bigamie, die ein gewisser Normalfall im alten Bund zu sein scheint. Als erster Mann nahm sich Lamech das Recht heraus, zwei Frauen zu heiraten (1Mo 4,19). Jakob hatte zwei Ehefrauen und die beiden Mägde seiner Frauen als Mütter seiner Kinder. Mose heiratete nach Zippora (2Mo 2,21) noch eine kuschitische Frau (4Mo 12,1). Samuel hatte Mutter und Stiefmutter (1Sam 1,2). Allerdings war die Ein-Ehe mindestens genauso verbreitet. Abraham war über Jahrzehnte mit seiner Frau Sara verheiratet. Lot hatte in Sodom offenbar nur eine Frau. Auch die Eltern von Simson lebten die Ein-Ehe.

Nicht Rechtfertigung, sondern Regelung

Es gibt allerdings sogar ein Gesetz, das die Rechte der männlichen Nachkommen regelt, wenn ein Mann zwei Frauen und auch von jeder einen Sohn hat (5Mo 21,15-17):

„Wenn jemand zwei Frauen hat, eine, die er liebhat, und eine, die er nicht liebhat, und beide ihm Kinder gebären, die Frau, die er liebhat, und die ungeliebte, und der Erstgeborene ist von der ungeliebten Frau und die Zeit kommt, dass er seinen Söhnen das Erbe austeile, so kann er nicht den Sohn der Frau, die er liebhat, zum erstgeborenen Sohn machen vor dem erstgeborenen Sohn der ungeliebten; sondern er soll den Sohn der ungeliebten Frau als den ersten Sohn anerkennen und ihm zwei Teile geben von allem, was vorhanden ist; denn dieser ist der Erstling seiner Kraft, und sein ist das Recht der Erstgeburt.“

In diesem Gesetz werden Probleme geregelt, die sich aus einer Doppelehe zwischen einem Mann und zwei Frauen ergeben. Daraus will ich auch eine erste Teilantwort auf die Frage ableiten. Das sinaitische Gesetz – und damit Gott – rechtfertigt nicht bestimmte gesellschaftliche Tatsachen, wenn dafür eine Rechtsordnung eingesetzt wird. Jesus macht deutlich, dass zwar das Gesetz des Scheidebriefes eingeführt wurde, aber damit nicht die Scheidung als richtig hingestellt wird. Vielmehr gibt es Eheleute, die wegen der Macht der Sünde nicht zusammenbleiben können und wollen. Auch wenn das falsch ist, muss es dafür eine Regelung geben. Es ist die Sünde im Menschen und in der ganzen gefallenen Schöpfung eine Wirklichkeit, mit der der Mensch umgehen muss und wofür Gott Hilfen anbietet.

Gesetze gegen Unzucht, die zur Mehr-Ehe führen

Es ist Teil der Verantwortung für falsches sexuelles Verhalten, dass der Mann die eheliche Verantwortung für die Frau übernimmt, mit der er geschlafen hat.

Offenbar ist es auch die Sünde, die dazu führt, dass die Doppelehe verbreitet ist, wenn sie wahrscheinlich auch nicht der Normalfall in Israel war. Da ist zum Beispiel die Regelung, dass der Mann, der mit einer jungen unverlobten Frau den ersten Geschlechtsverkehr hat, verpflichtet wird, diese zu heiraten und sich auch nicht von ihr scheiden darf (2Mo 22,15). Das hängt offenbar mit der göttlichen Ordnung zu­sammen, dass der Mann Ver­ant­wortung für die Frau übernimmt. Stand die junge Frau zuerst unter der Verantwortung ihres Vaters, der das Haupt eines Hauses ist, so übernimmt nun, weil die Frau nach dem Verlust ihrer Jung­fräulichkeit nicht einfach einen anderen Mann heiraten kann, der Mann die Verantwortung, der mit ihr geschlafen hat. Die Frau wird allerdings zu einer solchen Ehe nicht gezwungen, sondern kann ablehnen.

Wäre das heute die Ordnung, gäbe es in unserer Gesellschaft auch regelmäßig polygame Verbindungen. Heute ist es viel häufiger, dass der Mann selbst dann keine Verantwortung für die Frau übernehmen will, wenn diese schwanger wird. Auf dieses Konto gehen nicht nur zahlreiche Abtreibungen, sondern auch eine hohe Zahl von Kindern, die über Jugendämter und Sozialämter versorgt werden. Die Doppel- oder Viel-Ehe ist ohne Zweifel aus christlicher Sicht falsch, aber ich frage, ob die gegenwärtige gesellschaftliche Situation mit 2,3 Millionen alleinerziehende Müttern (bei 400.000 alleinerziehenden Vätern) und rund 2 Millionen Kindern, die aus verschiedenen Sozialkassen versorgt werden müssen, ein besseres Bild abgeben. In Berlin sind rund 30% der Kinder in dieser Situation. Die Einführung der Viel-Ehe ist aber sicher keine Lösung.

Notlösung, aber kein guter Weg

Schaut man sich an, wie es zur Zeit des Alten Testaments im Einzelnen zu den Viel-Ehen kam, wird ebenfalls deutlich, dass das Notlösungen sind, die damit nicht als gut oder vorbildlich dargestellt werden.

Jakob wird betrogen, nachdem er sieben Jahre für seine große Liebe Rahel gearbeitet hatte (1Mo 29,16-28). Einige Israeliten bekamen mehr als eine Ehefrau, weil unverheiratete weibliche Sklavinnen Rechte einer Ehefrau erhielten. Diese Sklavinnen waren offenbar öfter auch Kriegs­gefangene, deren Männer oder Väter in der Schlacht umgekommen waren (vgl. 2Mo 21,7-11; 5Mo 21,10-14). Sie durften aber nicht einfach als Kriegsbeute behandelt werden, sondern erhielten Rechte, die zur Eingliederung ins Volk Gottes führen sollten. Der Mann, der sie zu sich nahm, übernahm eheliche Verantwortung. Es gilt das Prinzip, dass die ungebundene Frau (auch die Sklavin), wenn auch nur die Möglichkeit bestand, dass der Hausherr mit ihr Geschlechtsverkehr haben konnte, die Rechte einer Ehefrau bekam. Das galt auch für die junge Frau, die David im Alter wärmen sollte, ohne dass er geschlechtlichen Umgang mit ihr hatte (1Kön 1,2-4).

David heiratet seine Liebe Michal, die ihm aber von seinem Schwiegervater Saul entzogen und mit einem anderen Mann verheiratet wird (1Sam 18,20-30; 25,44). Daraufhin heiratet er erneut (Ahinoam), auch wenn er weiterhin der Über­zeugung ist, dass Michal seine recht­mäßige Frau ist (2Sam 3,14). Dann nimmt er die Witwe Nabals, Abigail, zur Frau und stellt sie damit unter seinen Schutz, nachdem sie ihn davor bewahrt hat, dass er aus Rache Nabals Angehörige tötet (1Sam 25,42-44).

Mehr-Ehen erscheinen im AT vor allem als eine Frage der Übernahme von Verantwortung für eine Frau. Vorstellungen von einem Harem, der einem potenten Herrscher gehört, werden anders als in der Umwelt nicht gepflegt.

Weitere Frauen und Nebenfrauen scheinen dann vor allem zu seinem Königtum zu gehören. Aber auch die Sache mit dem Königtum ist einerseits der Sünde geschuldet, andererseits macht Gott eine Ordnung daraus, die sogar für die Erlösung eine wichtige Rolle spielt, weil Jesus der verheißene königliche Thronfolger Davids wird. Polygamie bei den Königen hatte offenbar auch einen politischen Hintergrund. Bünd­nisse und Friedensverträge schei­nen im alten Orient auch durch Eheschließungen abgesichert worden zu sein. Ob es sich dabei jeweils um echte Ehen handelte, ist nicht immer ganz klar. Allerdings finden wir – anders als in der Umwelt Israels – keine Vorstellungen von einem Harem, den ein potenter Herrscher haben muss. Selbst bei Salomo mit seinen vielen Hundert Frauen scheint das nicht vorzuherrschen.

Warum es dazu noch die Einrichtung der „Nebenfrau“ gab, kann man weder aus der Schöpfungsordnung noch aus den Geboten direkt ableiten. Ich gehe davon aus, dass hier auch Fragen des Erbrechtes eine Rolle spielen. Rechtmäßige Nachkommen waren nur Kinder der Ehefrau, nicht aber Kinder der Nebenfrau, was etwa bei Ismael, dem ersten Sohn Abrahams zum Tragen kommt, der doch nicht als der versprochene Nach­komme angesehen werden soll.

Die Mehr-Ehe ist offensichtlich eine von Gott geduldete und geregelte Notordnung für die gefallene Schöpfung. Die christliche Kultur hat aber andere Wege für die Probleme gefunden, die damit gelöst werden sollten.

Die Mehr-Ehe ist offensichtlich eine von Gott geduldete und geregelte Notordnung für die gefallene Schöpfung. Solche Ordnungen hat Gott viele aufgerichtet, ohne damit bestimmte Zustände an sich gut zu heißen. Große Teile des Opfergesetzes sind etwa auch so eine Notordnung wegen der Sünde. Sie wurden durch das Kommen von Jesus und seinem Tod am Kreuz abgelöst. Auch die besondere Ausrichtung auf den männlichen Nachkommen aus jeder israelitischen Familie ist durch das Kommen von Jesus abgelöst. Alle damit zusammenhängenden Gesetze hatten so lange Bedeutung, wie man auf den versprochenen Retter warten musste, der ein männlicher Nachkomme aus Israel sein sollte.

Übrigens wird auch heute meistens an der Notordnung der Viel-Ehe festgehalten. Das gilt für solche Fälle, wo etwa jemand in einem muslimisch regierten Land zwei Frauen geheiratet hat. Wird er Christ, wird nicht von ihm verlangt, sich von einer der Frauen scheiden zu lassen. Auch der deutsche Staat toleriert die Mehr-Ehe, wenn sie in einem ausländischem Rechtssystem geschlossen wurde und die Menschen dann nach Deutschland kommen.