© goldnetz stock.adobe.com
ThemenEthische Themen, Kultur und Gesellschaft

Die (homo)sexuelle Revolution und das Zeugnis der Kirche

Die Herausforderung der Christen durch die moderne sexuelle Revolution hat in vieler Hinsicht eine neue Qualität. Es werden nicht einfach christliche moralische Werte abgelegt, sondern bis vor kurzem allgemein abgelehntes sexuelles Verhalten erhält eine moralische Qualität, die den Kritiker unmoralisch erscheinen lässt.

Angesichts der sexuellen Revolution hat es die christliche Kirche mit moralischen Herausforderungen zu tun, die alles übertreffen, was sie in der Vergangenheit erlebt hatte. Es ist eine Revolution des Denkens, eine die die gesamte moralische Struktur von Sinn und Lebenspraxis verändert. Solche Herausforderungen wären für jede Generation schon irritierend genug. Aber die Züge der gegenwärtigen Heraus­forderung müssen darüber hinaus verstanden werden als solche, die beinahe die gesamte Realität in Amerika und im Westen beeinflussen. Diese Revolution macht wie alle Revolutionen wenig Gefangene. Mit anderen Worten: sie verlangt die totale Akzeptanz ihrer revolutionären Forderungen und die Bestätigung ihrer Absichten. Das ist das Problem, das solche Christen betrifft, die sich an die Vertrauenswürdigkeit der Bibel als Gottes Wort gebunden haben und für die das Evangelium die einzige Botschaft der Errettung ist.

Das Ausmaß dieser Herausforderung wird deutlich in einer Aussage des britischen Theologen Theo Hobson, der einerseits feststellt, dass „die Kirchen immer mit schwierigen moralischen Themen konfrontiert wurden und sich dann durchgewurschtelt haben“. Manche mögen meinen, dass die Herausforderung der sexuellen Revolution und die Normalisierung der Homosexualität auch nichts Neues oder Ungewöhnliches darstellt. Er aber sagt:

„Bis vor kurzem hätte ich zugestimmt, aber es wird immer klarer, dass das Thema Homosexualität tatsächlich anders ist.“

Warum ist diese Herausforderung für die Christenheit so anders? Hobson meint, dass der erste Grund dafür darin besteht, dass die neue Moralität eine Entweder-Oder-Qualität hat. Ich stimme ihm zu, dass es keinen Mittelweg in diesen schwierigen und dringlichen Fragen für den Standpunkt der Kirche gibt. Die Kirchen werden die Legitimität von homosexuellen Beziehungen und Verhalten entweder bestätigen oder eben nicht. Und die Kirchen, die es nicht bestätigen, werden ihren Standpunkt auf der Basis dessen einnehmen, was Gott zur Moral seiner menschlichen Geschöpfe in der Heiligen Schrift offenbart hat.

Der zweite Faktor, den Hobson annimmt, ist was er „die schiere Geschwindigkeit des Erfolgs der homosexuellen Sache“ nennt. Er beschreibt das so:

„Etwas, was über Jahrhunderte ohne Diskussion als unmoralisch galt, hat sich zu einer alternativen Lebensform entwickelt, zu einer Identität, die rechtlichen Schutz verdient. Die Forderung nach Gleich­berechtigung von Homo­sexualität hat die traditionelle Sexualmoral grundsätzlich vom Sockel moralischer Überlegenheit gestoßen.“

Das ist ein grundlegend wichtiger Punkt. Hobson argumentiert, dass diese Revolution anders als alle anderen das Blatt für die Christenheit in der westlichen Zivilisation gewendet hat.

Die christliche Kirche hat immer moralische Überlegenheit genossen. Sie wurde immer verstanden als Hüterin dessen, was gut und gerecht ist, jedenfalls in den westlichen Gesellschaften. Aber jetzt sehen wir eine fundamentale Veränderung. Hobson argumentiert, dass diese moralische Revolution das Blatt für die Christenheit gewendet hat und der christlichen Kirche ihre frühere moralische Überlegenheit geraubt hat. Zum ersten Mal in der Geschichte der westlichen Zivilisation scheint die Christenheit auf der negativen Seite der Moralität zu stehen. Diejenigen, die an der biblischen Lehre über menschliche Sexualität festhalten, sind nun von der Position moralischer Überlegenheit verdrängt.

Hobson beobachtet auch richtig, dass diese schnelle Änderung in der Einstellung gegenüber homosexuellen Beziehungen und Verhalten nicht einfach „das Verschwinden des Tabus“ ist. Er erklärt es so:

Es geht nicht einfach um einen Fall einer Lebensweise, die den Anschein von Unmoral verloren hat, wie das bei vorehelichem Geschlechtsverkehr oder unverheiratetem Zusammenleben geschehen ist. Vielmehr hat die Gleichberechtigung von Homosexualität die Form eines moralischen Kreuzzugs angenommen. Diejenigen, die die alten Werte hochhalten wollen, werden nicht einfach als Moralisten angesehen, wie das der Fall ist für solche, die die Werte in Bezug auf vorehelichen Geschlechtsverkehr oder unverheiratetem Zusammenleben hochhalten wollen. Sie werden vielmehr eines moralischen Defizit beschuldigt. Es ist nicht das alte Tabu im Zusammenhang mit homosexueller Praxis, das verschwunden ist, sondern es schlägt zurück gegen diejenigen, die es aufrecht erhalten wollen. Solch eine radikale Wende hat m.E. keine Parallele in der Geschichte der Moral.

Hobsons Hauptpunkt ist, dass Homosexualität „die seltsame Kraft hat, die moralischen Rollen zu vertauschen“. So wird etwas, was vorher als unmoralisch verstanden wurde, nun als moralischer Wert gefeiert. Eine Folge davon ist, dass die historische Lehre der christlichen Kirche im Hinblick auf die Homosexualität, die von einer großen Mehrheit der Bürger der westlichen Welt bis vor kurzem geteilt wurde, jetzt als ein Relikt der Vergangenheit angesehen wird und als eine unterdrückende Kraft, die beseitigt werden muss.

Das erklärt, warum die Herausforderung der moralischen Revolution droht, die Fundamente der Christenheit in den USA und darüber hinaus zu erschüttern. Aber auch wenn wir diese Revolution als eine neue Sache verstehen, so sind doch ihre Wurzeln nicht neu. Es ist eine Tatsache, dass die Kirche dabei zugesehen hat, wie die sexuelle Revolution während des größten Teils des letzten Jahrhunderts Schritt für Schritt an Raum gewonnen hat. Was nun klar wird, ist, dass die meisten Christen weit unterschätzt haben, was die Herausforderung dieser sexuellen Revolution bedeutet.

Die Kirche muss nun bereit sein, die moralische Minderheit zu sein, wenn es unsere Zeit verlangt. Die Kirche hat aber kein Recht dem weltlichen Locken zu einer moralischen Wende zu folgen und dann nur noch politisch korrekte Positionen zu den aktuellen Themen einzunehmen.

Was immer das Thema ist, die Kirche muss als Kirche sprechen, und das heißt, als Gemeinschaft von gefallenen, aber erlösten Sündern, die unter der göttlichen Autorität stehen. Die Aufgabe der Kirche ist nicht ihre eigene Meinung zu bilden, sondern Gottes Meinung zu kennen und ihr zu folgen. Die Überzeu­gungen der Kirche dürfen nicht aus der Asche unserer eigenen gefallenen Weisheit aufstehen, sondern müssen aus dem autoritativen Wort Gottes kommen, das die Weisheit Gottes und seiner Befehle offenbart.

Die Kirche muss sich ihrer Stellung als moralische Minder­heit bewusst werden und an dem Evangelium festhalten, das ihr zu predigen anvertraut ist. Indem sie das tut, werden die tiefen Quellen bleibender Wahrheit offenbaren, dass die Kirche eine lebenstiftende Oase inmitten der gegenwärtigen moralischen Wüste ist.