Diese Bitte unseres Herrn enthält das Motto der Ökumenischen Bewegung und aller Einheitsbestrebungen der Römisch Katholischen Kirche sowie der Evangelischen Allianz. Wir wollen deshalb wissen, ob der Herr mit der Bitte das meinte, was diese genannten Bewegungen unter ihr verstehen. Ich gliedere mein Referat in folgende drei Teile:
- Für wen bittet der Herr? Joh 17,1-10.20
- Was bittet der Herr? 17,11-19.24
- Um welche Art von Einheit bittet der Herr? Joh 17,21-23
Um das Gebet von Johannes 17 recht zu verstehen, müssen wir seinen Platz im ganzen Johannesevangelium zu verstehen suchen. Welches ist der unmittelbare Zusammenhang dieses Gebets? Welches ist der größere Zusammenhang dieses Gebets?
Johannes zeigt in seinem Evangelium von Anfang an, dass das Kommen des ewigen Wortes in diese Welt eine Scheidung unter den Menschen bewirkte: die Mehrheit des Volkes nahm ihn nicht an; nur ein Überrest nahm ihn an: solche, die nach Gottes Willen aus Gott geboren waren (1,10-13). Als das Licht von oben in diese Welt der Sünde kam, wurde offenbar, dass die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht; sie hassten das Licht und kamen deshalb nicht zum Licht (3,19.20). Sie wollten nicht zu ihm kommen, um in ihm das Leben zu haben (5,40).
Johannes zeigt, wie unter den Zeitgenossen von Jesus die Ablehnung zunahm; wiederholt versuchte man ihn zu greifen (7,30.32). Der jüdische Hohe Rat fasste schließlich den Beschluss, Jesus von Nazareth zu beseitigen (11,49.50), und er erteilte die Weisung, dass jeder, der ihn sehe, ihn anzeigen müsse (11,57).
In 12,44-50 wandte sich der Herr ein letztes Mal an die Öffentlichkeit. Von da an war er nur noch mit seinen Jüngern zusammen, den Wenigen, die ihn angenommen hatten (siehe 1,12.13). In den Kapiteln 13-16 bereitete der Herr die Jünger auf sein Weggehen vor. Er kündigte an, dass er sie nicht als Waisen zurücklassen werde: Der Heilige Geist werde kommen und ihnen beistehen, sie trösten, sie an alles erinnern, was er sie gelehrt hatte, sie all das lehren, was sie noch nicht verstehen konnten, und sie damit in die ganze Wahrheit führen. Durch den Beistand des Heiligen Geistes würden sie fähig sein, in einer Welt der Sünde und des Todes Frucht zu bringen (Kap 15) und ihr Zeugnis auch unter Feindschaft und Verfolgung aufrecht zu halten (Kap 16).
Das Gebet von Kapitel 17 bildet den Abschluss dieser sogenannten „Abschiedsreden“. In ihm betet der Sohn Gottes zum Vater, dass alles, was er sie in den letzten Stunden gelehrt hatte, wirksam werde.
1. Für wen bittet der Herr?
17,1-10In 17,1-5 bittet der Herr zuerst für sich, dann spricht er von denen, die der Vater ihm gegeben hatte (V. 6-8). Ab V. 9 beginnt er für sie zu bitten:
„Ich bitte für sie; nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast, denn sie sind dein“ (V. 9).
Wer sind diese „sie“, für die der Herr bittet? Es sind „die, welche du mir gegeben hast“. Wer diese sind, hat er in den Versen davor gesagt. Bereits in den einleitenden Worten seines Gebets hören wir ihn zum Vater sagen:
„Gleichwie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, damit er allen, die du ihm gegeben, ewiges Leben gebe“ (V. 2)
Der Sohn Gottes hat Gewalt über alles Fleisch. Sie wurde ihm aber nicht gegeben, damit er allem Fleisch ewiges Leben gebe. Nein, diese Gewalt über alle Menschen hat er, um ewiges Leben zu geben denen, die der Vater ihm gegeben hat. Wir sehen: Die Menge derer, für die der Herr betet, wird schon zu Beginn eingeschränkt. Er betet nur für jene, denen er ewiges Leben gegeben hat. Was ist das ewige Leben? Der Herr erklärt es:
„Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“
(V. 3).
Wenn wir wissen, dass wir das ewige Leben haben, wissen wir auch, ob wir zu denen gehören, für die der Herr betet.
Hier sagt der Herr den Jüngern, die ihm beim Beten zuhören, und uns, die wir die Worte seines Gebets in geschriebener Form vor uns haben und damit auch hineinhorchen können in seine Fürbitte, was denn das ewige Leben sei. An dieser Erklärung können wir feststellen, wer ewiges Leben hat; vor allem: wir können für uns selbst wissen, ob wir ewiges Leben haben. Und wenn wir das wissen, wissen wir auch, ob wir zu denen gehören, für die unser himmlischer Hoherpriester betet. Wenn wir „den allein wahren Gott“ und seinen Sohn erkennen, dann haben wir ewiges Leben. Ein Merkmal der Welt ist es eben, dass sie den Sohn Gottes nicht erkannt hat: „Er war in der Welt, und die Welt ward durch ihn, und die Welt erkannte ihn nicht“ (1,10). „Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (1Jo 3,1).
Wer den Sohn Gottes erkennt, gehört nicht mehr zur Welt. Er ist herausgenommen worden aus der Gemeinschaft derer, die Gott und seinen Sohn nicht erkannt haben.
In den V. 1-5 spricht der Sohn zum Vater über sein Verhältnis zu ihm, und er bittet den Vater, dass er ihn nach nunmehr vollendetem Werk verherrliche. Von V. 6 spricht er zum Vater über die Menschen, die ihm vom Vater gegeben sind, damit er ihnen ewiges Leben gebe. Auf welche Weise gab er ihnen ewiges Leben?
„Ich habe deinen Namen offenbart den Menschen, die du mir aus der Welt gegeben hast. Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt“ (V. 6).
Hier sagt der Sohn, wie die Erwählten das ewige Leben empfingen:
- Der Sohn offenbarte ihnen den Namen des Vaters (Mt 11,27).
- Der Vater nahm sie aus der Welt und gab sie seinem Sohn.
„Dein waren sie“: Hier erfahren wir, dass sie „dein“, d.h. des Vaters waren. Sie gehörten bereits dem Vater, ehe er sie dem Sohn gab. Er hatte sie im Sohn erwählt vor Grundlegung der Welt (Eph 1,4; 2Thes 2,13).
„Jetzt haben sie erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist“ (V. 7).
Durch das in V. 6 genannte Handeln des Vaters und des Sohnes kamen sie zu jener Erkenntnis, die gleichbedeutend ist mit dem ewigen Leben (V. 3). Sie erkannten den vom Vater Gesandten, erkannten die Beziehung zwischen Vater und Sohn, erkannten, dass alles, was Jesus von Nazareth lehrte und tat, ihm vom Vater gegeben war (5,19; 7,16; 12,49).
„Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und haben geglaubt, dass du mich gesandt hast“ (V. 8). Hier nennt der Herr das Mittel, das er verwendete, um ihnen den Vater zu offenbaren: „Die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben.“
Sie hatten die Worte von Jesus gehört und angenommen; und damit hatten sie ihn selbst angenommen. Seither waren sie geschieden von der Masse des Volkes der Juden, die sich zwar ihres Bekenntnisses rühmten (5Mo 6,4), aber nicht glaubten und deshalb zur Welt gehörten. Sie hatten sich als echte Jünger erwiesen; sie hatten an den Worten des Herrn nicht Anstoß genommen, als viele sich von ihm abwandten, weil sie seine Worte hart fanden (Joh 6,60-66). Als wahre Jünger blieben sie in den Worten, die sie vom Herrn empfangen hatten (Joh 8,31).
„Dass ich von dir ausgegangen bin“: Das bedeutet, dass Jesus wahrer Gott vom wahren Gott ist. Das hatten die Jünger erkannt. Und sie hatten „geglaubt, dass du mich gesandt hast“: Er war der vom Vater Gesandte, der Knecht, der den Willen dessen Tat, der ihn gesandt hatte. Er war wahrer Mensch. Dieser Glaube schied die Jünger von der Masse der Juden, die sich für Söhne Abrahams hielten (Joh 8,33), aber in Wahrheit Söhne des Teufels waren (Joh 8,44).
„Ich bitte für sie, nicht für die Welt bitte ich“ (V. 9). „Ich bitte für sie“: Nach allem, was der Herr in den V. 2.6-8 gesagt hat, sind wir nicht mehr im Ungewissen darüber, wer diese sind. Es sind jene, die nicht zur Welt gehören. „Nicht für die Welt bitte ich“: Wir verstehen aus dem Gebrauch des Wortes „Welt“ im Johannesevangelium (z. B. 1,10; 3,19; 7,7; 8,12.23; 12,31 usw.), dass es für die Gemeinschaft all derer steht, die den Sohn Gottes nicht angenommen haben.
2. Was bittet der Herr? 17,11-19.24
Der Sohn erbittet vom Vater vier Dinge für die Erlösten:
- Bewahrung: die rechte Beziehung der Erwählten zur Welt (V. 11.15)
- Heiligung: die rechte Beziehung der Erwählten zu Gott (V. 17)
- Einssein: die Verbindung der Erwählten zu Gott und untereinander (V. 21. 22. 23)
- Verherrlichung: die Vollendung der Beziehung der Erwählten zu Gott und zu einander (V. 24)
Die Bitte um Einssein betrifft nur solche, die durch Gott bewahrt, durch Christus geheiligt und die einst bei Christus in der Herrlichkeit sein werden
Wir müssen beachten: Alle vier Dinge, um die der Herr bittet, betreffen jeden, für den der Herr betet. Das heißt: die dritte Bitte – die Bitte um Einssein – betrifft nur solche, die durch Gott bewahrt, durch Christus geheiligt und die einst bei Christus in der Herrlichkeit sein werden. Oder anders gesagt: Der Herr bittet um Einheit nur für seine Jünger und damit auch für alle, die den gleichen Glauben haben wie die Jünger (17,20).
„Und ich bin nicht mehr in der Welt, und diese sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater! Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien, gleichwie wir“ (V. 11). Der Sohn betet für die Seinen, dass der Vater sie bewahre, denn sie „sind in der Welt“. Die Welt ist den Erlösten genau deshalb ein feindliches Lebenselement, weil sie erlöst sind:
„Die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, gleichwie ich nicht von der Welt bin“ (V. 14). „Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt“ (15,19).
Alle, für die der Sohn nicht betet, werden nie eins sein
„Bewahre sie“: Wozu soll der Vater sie bewahren? Er soll sie bewahren, „damit sie eins seien“. Hier nennt der Herr in seinem Gebet das Einssein zum ersten Mal, und was er sagt, müssen wir gut beachten. Der Herr bittet um Bewahrung, das ist in diesem Vers die Hauptbitte; aber dann nennt er den Zweck, den er bei dieser Bitte im Auge hat: „damit sie eins seien“. Das bedeutet, dass alle, die der Vater als Antwort auf diese Bitte des Sohnes bewahrt, eins sind. Es bedeutet entsprechend auch: alle, für die der Sohn nicht betet, sind nicht bewahrt; und sind sie nicht bewahrt, sind sie nicht eins und werden auch nie eins sein. Eins sind mithin nur die Kinder Gottes; eins können die bloß getauften, aber nicht von neuem geborenen „Christen“ nie werden, zu welcher Kirche sie auch gehören mögen.
„Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, gleichwie ich nicht von der Welt bin… Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin“ (V. 14. 16).
In V. 9 hatte der Herr gesagt, dass er nicht für die Welt bete; hier sagt er von den Seinen: „Sie sind nicht von der Welt“. In V. 6 hatten wir gehört, dass der Vater sie„aus der Welt“ genommen und dem Sohn gegeben hatte. Stärker kann man den Gegensatz zwischen den Erlösten und den nicht Erlösten nicht ausdrücken. Die einen hassen die anderen; die einen sind von der Welt, die anderen sind nicht von der Welt. Und warum hassen sie sie? Genau aus dem Grund, dass sie aus der Welt erwählt worden sind (15,19).
„Heilige sie durch die Wahrheit: dein Wort ist Wahrheit… und ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“ (V. 17. 19).
Nachdem der himmlische Hohepriester für die Seinen gebetet hatte, dass Gott sie bewahre, damit sie eins seien (V. 11), betet er jetzt, dass sein Gott und Vater sie „heilige durch die Wahrheit“. Das bedeutet, dass alle, die bewahrt und eins gemacht werden, auch durch die Wahrheit geheiligt sind. Es gibt keine Bewahrung ohne Wahrheit; es gibt kein Einssein ohne Wahrheit. Was versteht der Herr unter „Wahrheit“? Wo findet sich „die Wahrheit“? Er sagt es selbst: „Dein Wort ist Wahrheit.“ Es gibt darum kein Einssein unter Christen ohne Einssein in der biblischen Lehre. Das zeigt, wie gottlos jenes immer wieder bemühte Schlagwort ist: „Lehre trennt, Liebe eint.“
„Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben“ (V. 20).
Der Kreis derer, für die der Herr betet, wird ausgeweitet. Die „welche durch ihr Wort an mich glauben“ sind alle, die seit den Tagen der Apostel durch apostolische Predigt zum Glauben gekommen sind. Sie sind den Aposteln gleich; sie haben die Worte des Herrn durch die Apostel und damit den Herrn selbst aufgenommen:
„Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ (Mt 10,40). Darum kann Petrus sagen, dass die Empfänger seines zweiten Briefes „den gleich kostbaren Glauben“ haben wie er (2Pt 1,1). Jeder Gläubige hat den gleichen Glauben und damit das gleiche Leben und die gleiche Stellung wie die Apostel: Er ist vom Vater in Christus erwählt und dem Sohn gegeben, damit der Sohn ihn erlöse, bewahre und vollende.
Wie für die Jünger gilt auch für ihn: Er ist zwar in der Welt, aber er ist nicht von der Welt (V. 14). Er ist geheiligt durch die Wahrheit (V. 17); er hat den Sohn Gottes als seinen Fürsprecher bei Gott. Er wird zusammen mit den Aposteln samt allen, die an den Sohn Gottes geglaubt haben, einst beim Herrn sein und seine Herrlichkeit schauen (V. 24).
3. Um welche Art von Einheit bittet der Herr? Joh 17,21-23
Die bis hierher untersuchten Verse haben es in aller Deutlichkeit gezeigt, für wen der Herr um Einheit betet. Wir wollen aber auch wissen, was der Herr unter Einheit versteht. Was meint er mit den Worten: „damit sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (V. 21).
„Sie alle“ sind die in V. 20 Genannten, d.h. die Apostel samt den Gläubigen aller Jahrhunderte seit Pfingsten. Sie sind, obwohl sie durch Jahrhunderte getrennt sind, doch eins. Wie ist das möglich? Es ist möglich durch den gemeinsamen Glauben und das gemeinsame ewige Leben, das sie haben.
Der Herr betet, dass seine Erwählten eins seien im Glauben und im Leben mit ihm und mit allen Gläubigen, die vor ihnen gelebt haben.
„Damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“: Es ist dies eines der vielen Wunder der Errettung, dass wir heute den gleichen Glauben und das gleiche Leben haben wie die Jünger, wie die Gläubigen der Urgemeinde, wie die Christen der ersten Jahrhunderte, des Mittelalters, der Reformationszeit, wie die Puritaner im 17. und wie die Erwecker und Erweckten im 18. Jahrhundert. Und wir glauben das Gleiche wie die Missionare und die durch sie Missionierten des 19. Jahrhunderts, wie Carey und die Inder und Hudson Taylor und die Chinesen. Wir sind eins in unserem Glauben, und das ist der Welt ein Zeugnis dafür, dass Gott seinen Sohn gesandt hat.
„Eins gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir“: Das ist
- ein Einssein, das im dreieinen Gott seinen Grund hat,
- ein Einssein, das dem Einssein von Vater und Sohn (Joh 10,30) entspricht,
- ein Einssein, das nicht von den Gläubigen abhängt.
Das aber bedeutet: Es ist
- keine durch menschlichen Beschluss angestrebte Einheit,
- keine von Menschen gewirkte Einheit,
- keine durch gemeinsame Arbeit (z.B. eine landesweite Evangelisation) hergestellte Einheit.
„Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins seien, gleichwie wir eins sind“ (V. 22).
Der Sohn sagt, dass er den Erlösten die vom Vater empfangene Herrlichkeit gegeben hat. Das ist ein Teil seines Erlösungswerkes; es hängt nicht ab vom Wollen, Glauben und Wirken der Erlösten. Sind wir erlöst, werden wir auch verherrlicht werden; nein: sind wir schon verherrlicht. So sagt es der Apostel Paulus (Röm 8,30; vgl. auch 1Thes 2,12). Hat der Sohn Gottes uns sein Leben gegeben, hat er uns auch seine Herrlichkeit geben.
Wozu hat der Herr den Seinen seine Herrlichkeit gegeben? Er nennt seine Absicht: „Damit sie eins seien.“ Wir hatten oben in V. 11 gesehen, dass alle, die der Vater als Antwort auf die Fürbitte des Sohnes bewahrt, damit auch eins sind. Nun sehen wir, dass alle, die durch das Erlösungswerk des Sohnes seine Herrlichkeit empfangen, damit auch eins sind. Wenn wir einst verherrlicht sind, dann werden wir „in eins vollendet“ sein, wie der Herr im nächsten Vers sagt:
„Ich in ihnen und du in mir, damit sie in eins vollendet seien, und damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast“ (V. 23).
Der Sohn Gottes ist im Vater und der Vater ist in ihm. Ist nun der Sohn in den Erlösten, ist auch der Vater in ihnen. Wir sehen hier, wie der dreieinige Gott sein Wesen ausdehnt auf seine Kinder, auf die ganze Familie Gottes. Damit sind die Glieder seiner Familie mit ihm, dem dreieinigen Gott, unauflöslich verbunden. Und damit sind sie eins, und dieses Einssein findet seine Vollendung in der noch ausstehenden Verherrlichung:
„Wenn der Christus, unser Leben, offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4).
Dann werden alle Erlösten „in eins vollendet“ sein. Aber das Einssein ist jetzt schon Wirklichkeit; es ist ein göttlich vollkommenes Einssein; es kann nicht verbessert, aber es kann auch nicht aufgebrochen werden.
Wir lesen noch einmal den Vers, von dem wir ausgegangen sind:
„Damit sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21).
Sie berufen sich auf ein Gotteswort und wollen damit ein Menschenwerk legitimieren
Die Frage, die wir uns einleitend stellten, lautete: Meinte der Herr mit diesen Worten das, was die ökumenische Bewegung und die Römisch Katholische Kirche meinen? Worum geht es in der ökumenischen Bewegung? Diese berufen sich auf ein Gotteswort und wollen damit ein Menschenwerk legitimieren. Das aber ist ein großes Übel.
Wir haben durch die Untersuchung des hohenpriesterlichen Gebets von Johannes 17 in aller Klarheit erkannt: Das Einssein, um das unser Herr betet, ist nicht ein durch Organisation bewirkter Zusammenschluss aller Christen. Dass viele Kirchen zu einer großen Einheit oder am Ende alle Christen in einer einzige Universalkirche zusammengeschlossen werden, ist noch überhaupt kein Zeugnis von der Tatsache, dass Gott seinen Sohn gesandt hat. Nein, der Herr betet um das Einssein des Lebens der Erlösten. Sie sollen so eins sein, wie der Sohn mit dem Vater und der Vater mit dem Sohn eins sind.
Wenn Sünder aus ihrer Entfremdung und Vereinzelung zum Einssein mit dem Sohn Gottes und mit anderen Erlösten gebracht worden sind, ist ein Wunder geschehen. Wo dieses Wunder geschehen ist, muss man anerkennen: Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, um Sündern das ewige Leben zu geben.