Dr. Heinz-Werner Neudorfer, seit 2005 Dekan in Marbach, hat inzwischen einige Kommentare verfasst: Zur Apostelgeschichte (Edition C 1986 und 1990), zum 2. Buch Könige (Wuppertaler Studienbibel 1998) und in der Reihe HTA den 1. Timotheusbrief (2004), den Titusbrief (2012) und nun also den 2. Timotheusbrief.
In seiner 44-seitigen Einleitung geht der Autor davon aus, dass die Pastoralbriefe innerhalb eines nicht allzu großen Zeitraums entstanden, aber vor einem je konkreten historischen Hintergrund in eine je konkrete Situation hineingeschriebene eigenständige Briefe sind. Er vermutet Lukas als den Schreiber der drei Briefe. Gerade der Charakter des 2. Timotheusbriefs legt nahe, an ein spontanes Diktat des Paulus im Gefängnis zu denken, das sich Lukas auf Wachstäfelchen notiert und dann außerhalb des Gefängnisses in Reine geschrieben hat. Einige Hinweise im Brief selbst und in der frühen altkirchlichen Literatur deuten auf Rom als Entstehungsort.
Bemerkenswert erscheint dem Verfasser der ständige Wechsel von positiven und negativen Textteilen im Brief, der sich keiner eindeutigen Gattung zuordnen lässt.
Neudorfer, Heinz-Werner. Der zweite Brief des Paulus an Timotheus. HTA. Witten: SCM R.Brockhaus u. Gießen: Brunnen 2017. 318 S. Hardcover: 34,90 €. ISBN: 978-3-417-29734-8/978-3-7655-9734-3.
Im Auslegungsteil wägt der Autor in gründlicher Arbeit, die von vielen Exkursen begleitet ist, sorgsam die verschiedenen Möglichkeiten ab, bevor er sich entscheidet. Der Leser wird mit hineingenommen in die Probleme, die Paulus durch feindselige Menschen und Mitarbeiter erlebte, die ihn aus verschiedenen Gründen verließen. Schon damals gab es in den Gemeinden nicht nur Menschen, auf die man stolz sein konnte, sondern auch nicht vorzeigbare Randsiedler.
Sehr gründlich geht Neudorfer auf die Schriftfrage in 3,14-17 ein. In der Übersetzung von Vers 16 schließt er sich H. von Siebenthal an: „Jede/Alle Schrift, [da ja] von Gott eingegeben, [ist] auch nützlich …“. Er geht dann ausführlicher der Frage nach, „wie es eigentlich sein kann, dass Worte, die ein Mensch gesprochen oder aufgeschrieben hat, Gottes verlässliche Worte sind oder werden“.
Interessant ist seine Bemerkung zum Kyrios-Titel, denn „die frühere Annahme, er sei in der LXX durchweg an die Stelle des hebräischen Tetragramms JHWH getreten, inzwischen revidiert werden muss“.
Ein bibeltreuer, nützlicher und anspruchsvoller Kommentar.