ThemenTheologische Beiträge

Warum wir weiter widersprechen

Nach den vielen Reformationsfeiern lohnt es sich weiter an der großen Wiederentdeckung der Reformation festzuhalten: das Vertrauen auf die Autorität der Heiligen Schrift, das Sola Scriptura

Die Autorität der Bibel bleibt für uns unverzichtbares Erbe der Reformation

Ist die Reformation jetzt erledigt? Ist sie, wie manche erwogen haben, gar ein gescheitertes Projekt? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir zur Reformation und ihren Kern­über­zeugungen selbst zurück. Wir müssen uns daran erinnern, dass die Reformation in ihrem Kern keine politische oder soziale Bewegung war, sondern eine theologische. Die Reformation wurde aus Martin Luthers innerer Verpflichtung zum Sola Scriptura als dem Materialprinzip der Reformation geboren. Das Sola Scriptura bekräftigt, dass die Bibel allein die letzte und unfehlbare Autorität für Leben und Lehre ist. Diese Verpflichtung zur Heiligen Schrift verdeutlicht die Konturen der reformatorischen Überzeugung. Es war diese Bindung an die absolute Autorität der Schrift, die den Reformatoren den Mut gab, sich mit ihrer Verkündigung des Evangeliums von Rom zu trennen.

Wahres Christentum und die wahre Evangeliums­ver­kün­digung hängen an einer starken Bindung an die Autorität der Schrift. Darum ist die Inspiration, die Irrtumslosigkeit und Autorität der Bibel seit der Zeit der Reformation unter ständigem Beschuss. In der Aufklärung konfrontierten moderne Philosophen wie Descartes, Locke und Kant die westliche Kultur mit einer Serie von Fragen, die die Wahrnehmung von Wahrheit im westlichen Bewusstsein letzten Endes veränderte. Das Ergebnis war ein geradezu totalitäres Aufzwingen des wissenschaftlichen Models von Vernunft auf alle Wahrheit. Das besteht in der Behauptung, dass allein wissenschaftliche Daten objektiv verstanden, objektiv bestimmt und objektiv verteidigt werden können. Mit anderen Worten erlaubte diese moderne Weltsicht nicht die Annahme einer beson­deren Offenbarung und attackierte offen die Möglichkeit eines übernatürlichen Eingreifens in die Weltgeschichte. Die Moderne brachte die Kirche des Herrn Jesus Christus in eine erhebliche intellektuelle Krise.

In den Vereinigten Staaten forderte eine besondere amerikanische Philosophie, die als Pragmatismus bekannt wurde, die absolute Autorität und Vertrauenswürdigkeit der Schrift weiter heraus. Pragmatismus war die Idee, dass Wahrheit eine Sache von gesellschaftlicher Verhandlung ist und dass Ideen nur Instrumente sind, deren Zuverlässigkeit davon bestimmt ist, ob sie ein bestimmtes gerade aktuelles Erfordernis befriedigen. In den Augen eines Pragmatikers sind Ideen nichts als vorteilhafte Antworten auf aktuelle Herausforderungen und Wahrheit ist per Definition immer relativ zur Zeit, zum Ort, dem Bedürfnis und der Person.

Den meisten von uns ist bewusst, dass die Moderne den Weg für die Postmoderne frei gemacht hat, die aber einfach die Moderne in ihrer letzten Gestalt ist. Postmodernismus ist nicht mehr als die logische Weiterführung des Modernismus in eine neue Stimmung. Mit der Behauptung dass jeder Begriff von Wahrheit eine soziale Konstruktion ist, sind Postmodernisten in einem totalen Krieg mit der Wahrheit selbst. Es handelt sich um ein Abbruchprojekt, bei dem jede religiöse, philosophische, politische und kulturelle Autorität niedergerissen wird. Ein Postmoderner, der seiner Zeit voraus war, Karl Marx, warnte davor, dass im Licht der Moderne, „alles, was fest ist, sich in Luft auflöst“.

Der einzige Weg um sowohl dem rationalistischen Anspruch des Moder­nismus als auch dem hermeneutischen Nihilismus des Postmodernismus zu ent­kommen ist die Lehre von der Offenbarung, die Rückkehr zur Lehre Sola Scriptura. Christen müssen sich daran erinnern, dass wir durch die Lehre von der Inspiration und Autorität der Schrift, die uns die Reformatoren hinterlassen haben, trotz der philosophischen und theologischen Probleme der Gegenwart Vertrauen auf Gottes Wort haben können. Gott hat auf einem vernünftigen Weg zu uns gesprochen, in Sprache, die wir verstehen. Und er hat uns das Geschenk der Offenbarung gegeben, die für uns die großartige Bekanntmachung von Gott selbst bedeutet.

Die Heilige Schrift verlangt von uns den Widerspruch gegen jedes falsche Evangelium und gegen jede Weltanschauung, die letztlich dem Menschen schadet.

Tatsächlich tobt der Krieg gegen die Autorität der Heiligen Schrift seit der Reformation und setzt sich in unserer Generation fort. Der Theologe J. I. Packer erzählte einmal über seine Beteiligung an dem Kampf um die Irrtumslosigkeit und Autorität der Bibel. Er zeichnete seine Beteiligung bis zurück zu einer Konferenz in Wenham 1966 nach, als er Professoren evan­gelikaler Institutionen damit konfrontierte, dass sie es ab­lehn­ten, die ganze Wahrheit der Schrift zu bekennen. Das ist mehr als 50 Jahre her und der Kampf um die Zuverlässigkeit der Bibel ist nicht vorbei, auch nicht auf lange Sicht.

Als Evangelikale müssen wir das Erbe der Reformatoren erkennen. Wir dürfen nicht kapitulieren und zu abgeschwächten Modellen der Lehre von der Schrift schwenken. Das Bekenntnis der göttlichen Inspiration und Autorität der Bibel stand im Zentrum des reformatorischen Glaubens seit dem 16. Jahrhundert. Wir sind diejenigen, die zusammen mit den Reformatoren bekennen, dass wenn die Schrift spricht, dann spricht Gott. Die Schrift ist allein die absolute Autorität für Leben und Lehre. Unsere Theologie hängt in gewissem Sinn an der Richtigkeit dieser einen Grundlage.

Die Theologie der Reformation kann nicht lange überleben, wenn sie sich nicht auf die Autorität der Schrift über allen anderen Autoritäten verpflichtet. Ohne die Autorität der Schrift sind unsere theologischen Überzeugungen nur Ver­mutungen und unser Predigen wird zu nicht mehr als der Dar­stellung von menschlichen Dummheiten.

Weil uns Christen der scharfe Gegenwind von viel falschem Evangelium und der Kultur als ganzer ins Gesicht bläst, müssen wir weiter Widerspruch erheben. Die Schrift verlangt diesen Widerspruch von uns. Wir müssen jedem falschen Evangelium widersprechen und jeder Weltanschauung, die letztlich dem Wohlergehen des Menschen schadet. Wir müssen weiter festhalten an der zentralen theologischen Überzeugung der protestantischen Reformation und an dem Vorrang und der Autorität der Schrift. Wir werden dann nicht scheitern, sondern sehen, wie die Schrift recht verkündigt wird, die Kirche gebaut wird und die Botschaft des Evangeliums jeden Winkel der Erde erreicht.

Nachdem wir den 500ten Geburtstag der Reformation gefeiert haben, ist meine Hoffnung, dass die Theologie der Reformatoren neues Leben in der heutigen Kirche findet. Die Gesundheit der Kirche steht im direkten Zusammenhang mit der Entschlossenheit, mit der wir uns an die Autorität und Vertrauenswürdigkeit der Bibel binden.