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Muezzinruf kontra Religionsfreiheit?

Verletzt der lautsprecherverstärkte Muezzinruf die negative Religionsfreiheit? So fragt Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, der Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit.

Muslime haben im Rahmen der Religionsfreiheit zwar Anspruch auf eigene religiöse Gebäude, also auch Moscheen und Minarette, und dies selbst mit dem gesungenen Gebetsruf. Doch es müsse diskutiert werden, ob der laut­sprecher­verstärkte Gebetsruf vom Minarett nicht die Glaubensfreiheit von Nichtmuslimen verletze.

Das Recht auf Religionsfreiheit selbst könnte beschränkende Funktion für den Gebetsruf des Muezzin haben. Dieses Recht schließe nämlich die sogenannte ‚negative‘ Religionsfreiheit ein, das Recht also, nicht zur Teilnahme an religiösen Handlungen usw. gezwungen zu werden.

In der juristischen Literatur werde der lautsprecherverstärkte Gebetsruf einfach mit dem liturgischen Glockengeläut der Kirchen gleichgesetzt.

Diese Gleich­setzung müsse infragegestellt werden, weil – so Schirrmacher wörtlich –

„der Muezzinruf dadurch, dass er ein verbales Glaubensbekenntnis enthält, andere Menschen zwingt, fünfmal täglich an der Religionsausübung einer anderen Religion teilzunehmen und somit die so genannte negative Religionsfreiheit betrifft. Die Frage nach der Bewertung des lautsprecherverstärkten islamischen Gebetsrufs wird sich am Ende also darauf konzentrieren müssen, ob der Umstand, dass der Muezzinruf ein formuliertes Glaubensbekenntnis ausruft, an dem auch Nichtmuslime durch Zuhören teilnehmen müssen, die negative Religionsfreiheit verletzt oder ob man dies verneint, indem man entweder sagt, dass ein reines Zuhören noch keine negative Religionsfreiheit verletzt, oder aber argumentiert, dass bei uns sowieso keiner Arabisch versteht.

Eine Parallele zum Muezzinruf ist jedenfalls meines Erachtens nicht das Glockengeläut, sondern wäre vorhanden, wenn das christliche sog. Apostolische Glau­bensbekenntnis lautsprecherverstärkt für alle hörbar und verstehbar von den Kirchtürmen gesungen würde, bis es einem nicht mehr aus dem Kopf geht (‚Ohrwurm‘).“

Schirrmacher geht davon aus, dass die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Muezzinrufes in Deutschland eines Tages vom Bundesverfassungsgericht geklärt wer­den muss. Schirrmacher ergänzt:

„Zugegeben, das Thema ist ein umstrittenes Gebiet und ich bin kein Fachjurist, sondern betrachte die Sache vor allem aus der Sicht des Soziologen und Menschen­rechtlers, so dass hier viel Raum für Juristen bleibt, mich zu überbieten. Aber dennoch will ich die Diskussion anstoßen“.

Bonner Querschnitte 336 (50/2014)