Ich dachte: „Der nimmt seinen Mund aber voll!“ Es waren die Ausführungen bei einer westdeutschen Jugendveranstaltung. Der Gastredner versprach gleich zu Beginn: „Ich garantiere euch: Wenn ihr heute Abend nach Hause geht, wird jeder von euch wissen, was Gottes Wille für ihn ist.“ Und nachdem ich mir seine Predigt vom Tonband angehört hatte (vor 50 Jahren gab es noch nicht einmal Ton-Kassetten in der DDR), musste ich zugeben: Er hatte tatsächlich recht.
Es scheint nämlich verschiedene Arten von Gottes Willen zu geben. Einmal richtet sich der Wille Gottes an alle Menschen und das ganze Universum. Manche Theologen nennen ihn den souveränen Willen Gottes. Zum anderen sollen sich besonders die Christen angesprochen fühlen, sich nach diesem Willen zu richten. Man könnte dies den ethischen Willen Gottes nennen. Schließlich gibt es noch den Willen Gottes, nach dem wir in den persönlichen Entscheidungen unseres Lebens fragen. Wir könnten das den lenkenden Willen Gottes nennen. Echte Christen wollen ja keine eigenen Wege gehen. Das erinnert uns aber an die Tatsache, dass Menschen auch einen eigenen Willen haben und normalerweise gar nicht nach dem Willen Gottes fragen.
Deshalb lehrte Jesus seine Jünger zu beten: „Dein Wille geschehe auf der Erde so wie im Himmel.“ Jünger von Jesus sollen also nicht nur lernen, sich dem Willen Gottes unterzuordnen, sondern sollen Gott ausdrücklich darum bitten, dass er seinen Willen durchsetzt.
C.S. Lewis (1898-1963), ein irischer Schriftsteller und einer der größten Apologeten (Verteidiger des christlichen Glaubens) im 20. Jahrhundert, schrieb einmal:
Am Ende gibt es nur zwei Arten von Menschen: die, die zu Gott sagen: „Dein Wille geschehe!“ und die, zu denen Gott am Ende sagt: „Dein Wille geschehe!“
Anders gesagt: In der Hölle wird es nur Freiwillige geben, also Menschen, die nach ihrem Eigenwillen lebten und nicht nach Gott fragten.
Die Frage nach dem Willen Gottes
Es ist eines der wichtigsten Kennzeichen für Bekehrung und Wiedergeburt, dass ein Mensch anfängt, nach dem Willen Gottes zu fragen. Petrus beschreibt das so:
1Pet 4:2-3 Der Rest eures Lebens wird dann nicht mehr von euren Leidenschaften bestimmt, sondern von dem, was Gott will. Es ist schlimm genug, dass ihr früher getan habt, was die Menschen ohne Gott von euch wollten.
Vor seiner Bekehrung war das Verhalten eines Menschen von zwei Größen bestimmt: von dem, was er selbst wollte (Leidenschaften) und von dem, was gottlose Freunde und Bekannte von ihm wollten. Aber nach seiner bewussten Entscheidung für Jesus Christus, die sich auch in der Taufe ausdrückt (3,21) wird der Rest seines Lebens von Gottes Willen bestimmt. Allerdings sollten wir gleich bedenken: Der Rest meines Lebens fängt heute an!
Der souveräne Wille Gottes
Gott ist der Allmächtige, dem sich nichts und niemand widersetzen kann und der keinem zur Rechenschaft verpflichtet ist.
Ps 115:3 Unser Gott ist im Himmel, / und was er will, das macht er auch.
Eph 1:11 In ihm haben wir auch ein Erbe zugewiesen bekommen. Dazu hat er uns von Anfang an bestimmt. Ja, das war die Absicht von dem, der alles verwirklicht, was er vorhat.
Mt 10:29 Ihr wisst doch, dass zwei Spatzen für ein paar Cent verkauft werden. Doch nicht einer von ihnen fällt auf die Erde, ohne dass euer Vater es zulässt.
Diese und viele andere Stellen der Bibel besagen, dass Gott der Herr ist und über das Universum regiert, wie das seinem weisen Ratschluss entspricht. Es gibt nichts, was außerhalb seines Willens geschieht. Doch dieser souveräne Wille bleibt uns gewöhnlich verborgen und meistens verstehen wir ihn auch nicht.
Der ethische Wille Gottes
Der ethische Wille Gottes richtet sich an jedes Gotteskind und drückt sich in vielen biblischen Ermahnungen aus, besonders in den Briefen des Neuen Testaments. Das war es auch, was der anfangs genannte Gastredner meinte. Gott will, dass wir uns zunächst nach dem richten, was er uns ausdrücklich aufschreiben ließ.
1Thess 4:3 Gott will, dass ihr heilig lebt, dass ihr ihm ganz gehört. Das bedeutet, dass ihr euch von allen sexuellen Sünden fernhaltet.
1Thess 5:18 Dankt Gott unter allen Umständen! Das alles will Gott von euch und das hat er euch durch Jesus Christus möglich gemacht.1Pet 2:15 Denn Gott will, dass ihr durch gute Taten das dumme Gerede unwissender Menschen zum Schweigen bringt.
Niemand sollte denken, dass Gott ihm persönliche Führungen schenkt und bei Entscheidungen hilft, wenn er nicht mit Hilfe des Herrn das tut, was Gott schon längst klar gesagt hat. Es ist so wie bei einem Auto. Man kann es nur dann lenken, wenn es fährt und nicht, wenn es steht.
Der lenkende Wille Gottes
Solche Hilfen fallen gewöhnlich nicht als Erleuchtungen vom Himmel, sondern fordern unser nachdenkendes Prüfen.
Röm 12:2 Und richtet euch nicht nach den Maßstäben dieser Welt, sondern lasst die Art und Weise, wie ihr denkt, von Gott erneuern und euch dadurch umgestalten, sodass ihr prüfen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob es Gott gefallen würde und ob es zum Ziel führt!
Prüfkriterien für den lenkenden Willen Gottes sind: es muss gut sein und Gott gefallen; es muss geistlich voranbringen zur Christusähnlichkeit.
Die Prüfkriterien sind also: Es muss etwas Gutes sein, es muss Gott gefallen, jedenfalls soweit wir das beurteilen können, und es muss uns geistlich voranbringen, das heißt, es muss uns zum Ziel der Christusähnlichkeit führen. Aber letztlich bleibt es immer unsere persönliche Entscheidung, die wir in der Verantwortung vor unserem Herrn treffen. Wenn es zum Beispiel um die Partnerwahl geht, lässt Gott uns sehr viel Freiheit. Ganz erstaunlich für die damalige Gesellschaft!
1Kor 7:39 Eine Frau ist … frei zu heiraten, wen sie will. Es muss nur in Verbindung mit dem Herrn geschehen.
Gott stellt nur eine Bedingung: Es muss in Verbindung mit dem Herrn geschehen. Das heißt, ich orientiere mich an seinem Wort, ich bete darum und dann treffen wir beide, um die es geht, unsere Entscheidung vor dem Herrn. Erst hinterher werden wir merken, dass Gott uns geführt hat. Gott erwartet, dass wir die Entscheidung treffen – in Abhängigkeit von ihm.
Eine letzte Warnung: Es kann niemals etwas Gottes Wille sein, was biblischen Weisungen widerspricht. Es gibt keine persönliche Führung gegen Gottes Wort!