Das Thema der Reformation in ansprechender Weise und aktuell nahezubringen, das ist das Ziel des vorliegenden Bandes. Es soll als Andachtsbuch bzw. als Arbeitsbuch für Gemeindegruppen einen historischen und geistlichen Zugang schaffen.
1. Die beiden Autoren schreiben ohne Zweifel verständlich und ansprechend. Beide sind landeskirchlich geprägte evangelikale Christen, die sich missionarisch um den modernen Menschen und seine Glaubensfragen bemühen. Wie man es von ihnen gewohnt ist, haben sich dazu sehr weit aus dem Fenster gelehnt und finden sich oft auf der Seite des modernen Zeitgeistes und auch der modernen Theologie. Meines Erachtens deutlich zu weit.
2. Das Buch benutzt die Reformationsthematik geschickt, aber es ist kaum eine gute Information über Reformation. Das Thema ist eher ein Sprungbrett, um für einen landeskirchlich geprägten evangelischen Glauben zu werben. Im Hintergrund steht vor allem die EKD-Initiative von 2006 »Kirche der Freiheit«, mit der man wieder stärker werbend „missionarisch“ an die Öffentlichkeit treten wollte. Der Ansporn dazu war aber nicht die Liebe zu den verlorenen Menschen, sondern die Wahrnehmung, dass der Kirche die Mitglieder weglaufen. Nachdem in den letzten Jahren die Kirchensteuereinnahmen sprudeln, ist es auch ruhig geworden um all die angekündigten Aktionen. Klaus Douglass hat allerdings eine Funktionspfarrstelle der Evangelischen Kirche von Hessen Nassau und ist dort für »Referent für missionarisches Handeln und geistliche Gemeindeentwicklung«. Insofern beackert er mit diesem Buch sein Thema.
Klaus Douglass, Fabian Vogt. Expedition zur Freiheit. In 40 Tagen durch die Reformation. c+p Verlag, Dt. Bibelgesellschaft, 2016. 399 Seiten mit Musik-CD. ISBN 978-3-8677-0281-2. 19,95 €.
3. Zum Inhalt: Vieles, was geboten wird, sind mehr oder weniger Bibelarbeiten zu Themen des Glaubens, jeweils mit Bezug zur Reformation. Problematisch sind aber die Grundlagen. Die Bibel hat für evangelische Christen zwar „Autorität“, aber nur in Anführungszeichen (280), weil angeblich für Luther die Bibel auch nur Gottes Wort war, soweit sie von Jesus Christus zeugt. Luther habe angeblich alle Christen eingeladen mit ihm zu prüfen, was jeweils in der Bibel mit Christus übereinstimmt und was nicht. Deswegen gilt auch: „Nicht alles, was wir in der Bibel finden, ›stimmt‹ in historischem, naturwissenschaftlichen oder auch moralischem Sinne. Ja, manchmal nicht einmal in religiöser Hinsicht.“ (212) Die Schreiber der Bibel gelten als inspiriert, aber der Inhalt ist es nicht. Erst die Inspiration des Lesers macht die Worte wieder lebendig. Gott gebraucht die Bibel, um zu uns zu sprechen. „Der Satz ›Die Bibel bezeugt Gottes Wort‹ ist richtig. Der Satz ›Die Bibel ist Gottes Wort‹ hingegen ist wahr“ (213). So lautet das Fazit recht sybellinisch. Die Bibel ist Douglass und Vogt ein vielstimmiges Buch, aus dem man alles herauslesen kann (279), aber wenn sie zu aufbauender und lebensfördernder Wahrheit wird, ist es doch in Gottes Absicht.
Wenn es um die Einheit der Christen geht, wird Luther – entgegen der historischen Wahrheit – zum Spaltpilz der Christenheit, oder abgemildert „zur Initialzündung“ der Entwicklung zu rund 50.000 Konfessionen heute. Man sucht zwar keine Ökumene um jeden Preis, interpretiert die Zerrissenheit der Christenheit aber eher im Sinne des Pluralismus.
Beim allgemeinen Priestertum haben die Autoren die landeskirchliche Brille auf. Es ist die von Pfarrern und Pfarrerinnen geleitete Gemeinde. Wobei die Autoren Werbung machen, dass die anderen auch mehr mitarbeiten und geistlich leiten dürfen. Dabei ist natürlich die völlige Gleichstellung von Mann und Frau und die sogenannte Frauenordination eine Selbstverständlichkeit (296ff). Aus kirchlicher Sicht ist die Forderung danach, dass der Pfarrer/die Pfarrerin 20% ihrer Arbeitszeit in die Anleitung und Begleitung von Menschen fließen lassen soll, schon revolutionär (303). Aus biblischer Sicht zeugt sie von einem Missverständnis von Gemeinde. Das gleiche gilt für die Werbung, dass man in der Gemeinde doch gemeinsam die Bibel lesen sollte.
Das ganze Unternehmen des Buches mündet, wie der Titel ankündigt, in der Freiheit. Freiheit ist hier ganz praktisch so verstanden, dass die Gebote Gottes »An-Gebote der Freiheit« werden. Das heißt, weil die Gebote auch in der Bibel im Fluss gewesen seien, sollten wir heute weiter daran schreiben und die alten Gebote überholen, indem wir unsere eigenen machen. „Aber der Prozess der Veränderung der Gebote lässt sich schon im Alten Testament beobachten. Und es ist nicht einzusehen, warum wir das nicht weiterführen sollten“ (380). Der Wille Gottes „entfaltet sich in neue Zeiten und Räume hinein immer wieder neu. Dabei kann man auf das Alte und Bewährte zurückgreifen und sich davon inspirieren lassen. Manchmal ist es aber auch notwendig, dies gerade nicht zu tun. Oder etwas völlig Neues zu sagen“ (378).
Eine liberale Gemeinde wird sich auf ihrem Weg bestätigt fühlen. Eine sehr glaubenslose wird durchaus zu etwas mehr Glauben ermutigt. Gesunde Lehre ist das aber nicht.