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„Christliches Yoga“? Wenn evangelikale Jugendliche „undogmatisch“ zur Esoterik verführt werden

Die jüngste Ausgabe der Jugendzeitschrift Dran-Next, die sich „Magazin zum Selberglauben“ nennt, öffnet den christlichen Glauben für römisch-katholische Elemente und für das fernöstliche Yoga. Zwei Autorinnen berichten werbend und ohne jede biblische Einordnung von ihren positiven Erlebnissen. Es ist aber aus biblischer Sicht nicht neutral, sich mit Yogaübungen zu entleeren und dann eventuell eine Vereinigung mit Hindugöttern einzugehen. Eine erschreckende Vermischung des christlichen Glaubens für die evangelikale Jugend.

Schon seit rund zwanzig Jahren boomt die Esoterik als postmoderne Patchwork-Religiosität in der westlichen Welt. Zuerst in den USA und nun auch in Deutschland gehen auch Christen dazu über, fremdreligiöse Vorstellungen und Praktiken mit dem christlichen Glauben zu verbinden. Offensichtliche formale und inhaltliche Widersprüche werden dabei regelmäßig heruntergespielt.

Christsein wird zunehmend nicht mehr mit ganz konkreten Glaubensinhalten verbunden, sondern lediglich mit positiven allgemeinmenschlichen Gefühlen und Vorstellungen. Die kann man natürlich nicht nur in Gottesdienst und Bibel erfahren, sondern auch in jedem anderen Lebensbereich. Entspannung, inneres Gelöstsein, Freude, Zuversicht usw. kann man bis zu einem gewissen Grad eben auch bei einem Spaziergang, einem Filmabend oder einer Yoga- Einheit empfinden. Gott wird nur noch mit der Echtheit des momentanen Empfindens verbunden.

Ganz aktuell zeigt sich dieser Trend in der neuesten Ausgabe der christlichen Ju­gend­zeitschrift Dran Next (5/2017). Darin kommen zwei Autorinnen ihrem Anspruch durchaus nach, „undogmatisch und spontan“ sein zu wollen.

In einem Artikel wird für das katholische Lobpreis-Event Nightfever und für die Verehrung der Hostie geworben (S. 33-34). Nightfever wird von der Autorin Laura Schönweis als katholische Variante cha­rismatischer Lob­preis-Nächte vor­gestellt. Die Ver­an­staltungen finden allein in Deutsch­land regelmäßig an ca. 70 Orten statt.

In dem ganzen Beitrag findet sich keinerlei kritische Reflektion oder der Versuch, Bezüge zu biblischen Aussagen herzustellen. Man begnügt sich lediglich mit der Feststellung, dass die Teilnehmer von Nightfever fromme Gefühle haben. Deshalb muss das Event wohl „authentisch“ sein, wird geschlussfolgert. Hier findet eine „Begegnung mit Gott“ statt, kann man lesen. Typisch katholische Traditionen wie die Beichte, die Trans­substantiation (d.h. die Verwandlung einer Brotoblate durch den Prieser in den Leib Jesu) oder die Bekreuzigung mit Weih­wasser werden lediglich als interessante Ausdrucksformen christlichen Glaubens vorgestellt. Man findet sogar, dass „katholisch hier ziemlich evangelisch klingt“.

Kritisch angemerkt wird lediglich, dass Musik und Atmosphäre nicht ganz so cool und locker waren wie während einer evangelikal-charismatischen Lobpreis-Nacht. Offensichtlich sind postmoderne Grenz­überschreitungen im evan­gelikalen Deutschland angesagt.

Es ist aber keineswegs neutral, was in einer katholischen Messfeier mit der Verwandlung einer Oblate in den Leib Christi geschieht, der dann anschließend Gott als Opfer der Kirche dargebracht wird. Die römische Kirche ist der Überzeugung, dass sie tatsächlich Jesus Christus leibhaftig auf dem Teller liegen hat. Das Stück Brot, die Hostie, verehrt sie wie Jesus selbst. An einem der höchsten katholischen Feiertage, dem Fronleichnamstag, wird die Hostie in einer Prozession durch die Straßen getragen, um Jesus leibhaftig herumzuzeigen. Die Autorin hat sich offenbar kundig gemacht und weiß das alles, ohne aber biblische Maßstäbe zu erwähnen. Während die Reformation das mit Recht einen Götzen­dienst und eine Ab­götterei genannt hat (vgl. z.B. Heidelberger Kate­chismus, Frage 80), schreibt sie:

„Hier ist Jesus nach katholischem Verständnis leibhaftig präsent und anwesend – nicht nur im symbolischen Sinne, … sondern real gegenwärtig. Für viele katholische Christen ein Moment der intensiven und direkten Begegnung mit Gott. Ganz persönlich. Bei Nightfever wird er zelebriert.“

Laura Schönweis hält diese Form, in der sich die katholische Kirche treu bleibt und Raum für persönliche Entfaltung gibt, für ein gelungenes Experiment, für das sie fröhlich in einer Jugendzeitschrift der Stiftung Christliche Medien werben kann.

In ihrem Dran-Artikel „Mit Gott auf der Matte“ wirbt Doro Mandler für christliches Yoga. (S. 14-16) Dabei porträtiert sie die Veranstaltungen von Holy-Yoga-Stuttgart.

Mit Yoga will man den „Glauben körperlich werden lassen“.

„Ich kann Gott in der Stille und in der Bewegung erleben, meine Ängste und Hoffnungen wahrnehmen. […] Yoga hilft mir, Gott im Raum meiner eigenen vier Wände, in der Konkretheit meines Körpers zu erleben.“

So wird die christliche Yoga-Trainerin Eva Ahlers zitiert. Durch Yoga sollen „Menschen in der Gegenwart Gottes zur Ruhe kommen“, wird versprochen. Doch nicht nur das, die Yoga- Übungen an sich werden quasi als Gebet interpretiert:

Holy Yoga schafft ein gemeinsames Erlebnis, bei dem jeder für sich, aber doch gemeinsam und mit den gleichen Bewegungen Gott lobt.“

Yoga Übungen sind angeblich nicht nur ein Erlebnis, sondern ein Lob Gottes und ein christlicher Gottesdienst.

Leser werden in dem betreffenden Dran– Artikel nicht nur informiert, sondern offen motiviert, Yoga zu betreiben. Hier könnten sie eine ganzheitliche und zeitgemäße Methode finden, um Gott mit Bewegung, Körper und Meditation zu erfahren.

Dem Artikel entsprechend ist Yoga auch für den Christen eine Art Gottesdienst. Die Zusammenkünfte der Christen zu biblischen Zeiten und in der Kirchengeschichte sahen allerdings ganz anders aus. Immer verstand man unter Gottesdienst die Gemeinschaft von Christen, die sich mit Gebet, Liedern und Bibellesen auf Gott ausrichten und von ihm belehrt werden wollen.

Folgt man der großzügigen Grund­annahme dieses Dran-Artikels, könnte fortan jeder sein Hobby als Gottesdienst deklarieren: Kaffeetrinken, Joggen, Angeln, Fernsehen oder Zocken usw. Irgendein geistlicher Bezug kann immer konstruiert werden, wenn man nur intensiv genug nach einer frommen Legitimation für seine Freizeitbeschäftigung sucht. Und tatsächlich gibt es auch in evangelikalen Kreisen Initiativen, Sport und Hobbys als Ersatz für echte geistliche Gemeinschaft zu deklarieren.

Auf der Facebook – Seite von Holy-YogaStuttgart werden vor allem Fotos von hübschen Frauen im Turndress eingestellt.1 Gegenseitig sichert man sich zu, wie fit und schön man ist. Hinweise auf die Erlösung durch Jesus Christus, auf die Veränderung des Denkens durch die Bibel, auf das Leben nach dem Tod oder die Vergebung der Schuld sucht man hier vergeblich. Nach eigener Selbstdarstellung treffen sich die Frauen, um Yoga zu üben, um selbstbewusster zu werden, um zu meditieren, um sich auf sich selber auszurichten usw. Das steht offenbar den Zielen eines christlichen Lebens klar entgegen.

Im Gegensatz zu jeglicher Fachliteratur wird Yoga in dem betreffenden Dran-Artikel als neutrale Technik beschrieben. Yoga könne bedenkenlos auch von Christen eingesetzt werden, um ihre Beziehung zu Gott auszuleben.

Auf der Homepage von Yoga Vidya, der größten Yoga-Einrichtung Europas, dagegen findet sich eine ganz anders gelagerte Definition:

„Das Wort Yoga […] kommt aus dem indischen Sanskrit und bedeutet ‚Einheit, Harmonie‘. Die Praxis des Yoga bewirkt eine Harmonisierung von Körper, Geist und Seele. Sie führt zu einer Bewusstwerdung der ursprünglichen Einheit und Verbundenheit mit dem gesamten Kosmos. […] Bei sehr intensivem Üben kommt es zu einer Erweiterung des Bewusstseins, welche ein Schritt zum höchsten Ziel im Yoga führen kann: der Vereinigung mit dem wahren Selbst.“2

Yoga soll neben positiven körperlichen und psychischen Effekten auch geistliche Erfüllung vermitteln. Yoga soll Stress abbauen, den Charakter positiv verändern, helfen zu sich selbst zu finden und Kontakt zum Göttlichen aufbauen.

„Yoga ist ein Lebensstil und kann über den Yoga Kurs hin­aus das Leben bereichern. Yoga fördert eine friedliche Einstellung, um mit sich und anderen besser auszukommen. […] Es hilft auch ,die innere Würde zu behalten und seinen Idealen treu zu bleiben.“3

Im Programm von Yoga Vidya werden neben einführenden Yoga-Übungen ganz selbstverständlich auch Meditationen mit Mantras (Gebete in Sanskrit), Reisen in indische Ashrams (hinduistische Klöster), Feueropfer an die Götter oder Einführungen in die Bhagavad Gita (Sammlung hinduistischer Mythen) angeboten.

In einem Fachlexikon zu Weltan­schau­ungen und Religionen heißt es in Bezug auf Yoga:

„Yoga ist meditativer Heilsweg sowie konkreter Lebensvollzug […] Leid entsteht durch das Zusammentreffen von Geist und Materie, wodurch der Geist gefesselt wird. Die Schritte zur Befreiung (Mukti) liefert der Yoga. […] Yoga ist die Unterdrückung der Funktion der Denksubstanz […] Nicht nur die Aktivitäten des Bewusstseins, auch die im Unterbewusstsein vorhandenen Komplexe (Vasana) müssen kontrolliert und aufgelöst werden. […] Auf den letzten drei Stufen des Yoga können paranormale Phänomene und okkulte Fähigkeiten auftreten.“4

Insgesamt soll Yoga das Denken des Menschen zum Er­liegen bringen, um die Seele aus dem Körper zu lösen und mit dem göttlichen Brahman zu vereinen.

Sannyasin Arumugaswami, Herausgeber der renommierten indischen Zeitschrift Hinduism Today, schreibt:

„Hinduismus ist die Seele des Yoga. Yoga basiert auf den heiligen Schriften des Hinduismus und hat sich aus den indischen Mythen entwickelt. Yoga gibt eine neue geistliche Perspektive und öffnet das Bewusstsein für den hinduistischen Weg zu Gott (…) Christliche Versuche, diese Übungen zu integrieren, müssen dazu führen, dass sie ihren eigenen Glauben zerstören.“5

Yoga aus Gründen der Gesundheit zu betreiben, wäre das Gleiche, wie eine katholische Messe zu besuchen, weil man durch Knien oder Einatmen von Weihrauch gesünder werden will.

Fachleute für Religionswissenschaft sind sich einig darin, dass Yoga nicht nur eine neutrale Bewegungstherapie ist. Dem­nach ist das gesamt Konzept von Yoga untrennbar mit einer spezifisch hindu­istischen Weltsicht verbunden. Ziel von Yoga ist nicht die körperliche Fitness oder die seelische Selbstverwirklichung und schon gar nicht die Ausrichtung auf den Gott der Bibel. Yoga soll helfen, den als geistlich defizitär betrachteten Körper und Geist zu kontrollieren und dann auszuschalten, um sich mit dem kosmischen Weltgeist (Brahman) zu vereinen.6 Ohne diesen religiösen Kontext sind viele Yoga-Übungen weitgehend wertlos. Wer etwas Gutes für seinen Körper tun will, ist mit regelmäßigen Besuchen im Sportstudio oder mit Krankengymnastik weitaus besser bedient, weil hier die Übungen aus medizinischen und nicht aus weltanschaulichen Prinzipien entworfen wurden. Der Versuch, Yoga ohne seinen religiösen Hintergrund praktizieren zu wollen, entspräche der Absicht, aus gesundheitlichen Gründen regelmäßig die katholische Messe zu besuchen, ohne etwas mit dem katholischen Glauben zu tun haben zu wollen. In Wirklichkeit aber ist das Aufstehen und Knien in der Messe fest in ein religiöses Ritual eingebunden, auch wenn die Bewegungen positive gesundheitliche Nebenwirkungen haben können.

In einem Yoga-Artikel für junge Christen sollte zumindest der Versuch gemacht werden, die Integration hinduistischer Medi­tationspraktiken in den christlichen Glau­ben differenziert darzustellen und die offensichtlich problematischen Aspekte zu benennen. Eine Verharmlosung, wie in dem vorliegenden Artikeln, wird wohl eher zu einer weiteren, syn­kretistischen Ver­mischung verschiedener Religionen beitragen, wie sie momentan in der deutschen Gesellschaft in Mode ist.

Ganz im Gegensatz zu eindeutigen biblischen Aus­sa­gen und der Geschichte evan­­gelikaler Gemeinden wird christlicher Glaube hier nur noch als eine Form von Nach­denklichkeit, als gutes Gefühl, als seelische Ent­spannung verstanden. Stär­kere kritische Distanz sollte bei den Verantwortlichen einer christlichen Zeitschrift eigentlich selbstverständlich sein. Das muss keineswegs gleich in einer besserwisserischen Aburteilung münden, sondern man kann bei der Begegnung mit fremdreligiösen Praktiken einfach zentrale biblische Glaubensinhalte und auch die klaren Differenzen benennen.

Immer wieder wurde durch die vergangenen Jahr­zehnte versucht, den gerade vorherrschenden religiösen Zeitgeist christlich zu adaptieren; zumeist allerdings mit fatalen Folgen. Regelmäßig führte das zu einer grundlegenden Verfälschung des christlichen Glaubens. In den vergangenen Jahrzehnten galt das beispielsweise für den „christlichen Sozialismus“ (z.B. „atheistisch an Gott glauben“ Dorothee Sölle), für den christlichen Materialismus („Christen sind immer gesund und wohlhabend“ Benny Hinn) und jetzt eben für die christliche Esoterik.

Ganz offensichtlich sind spirituelle Erfahrungen und Gefühle nicht immer Wege zu dem Gott, der sich in Jesus Christus und in der Bibel der Menschheit offenbart hat (Mt 7,22f.).


  1. Vgl. Holy Yoga Stuttgart, https://www.facebook.com/holyyogastuttgart/, abgerufen 1.7.2017. 

  2. Yoga Vidya: Was ist Yoga?, https://www.yoga-vidya.de/yoga-anfaenger/was-ist-yoga/, abgerufen am 1.7.2017. 

  3. Yoga Vidya: Wirkungen von Yoga, https://www.yoga-vidya.de/yoga-anfaenger/wirkung-von-yoga/, abgerufen 1.7.2017. 

  4. Harald Baer, in: Baer / Gasper / Sinabell / Müller Hrsg.: Lexikon nichtchristlicher Religionsgemeinschaften, Freiburg, Herder Verlag 2009, S.234f. 

  5. Sannyasin Arumugaswami, in: S. Brinkmann: Don’t Fall into the Holy Yoga Trap, http://www.womenofgrace.com/blog/?p=13904, 30.4.2012. 

  6. Vgl. Ina Friedrich: Yoga, Genf 1998, S. 8-17.