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„Sterbehilfe“ selbst bei Kindern

Die Tötung eines schwerkranken Minderjährigen auf seinen Wunsch hin zeigt, wie eine gut gemeinte Öffnung der sogenannten Sterbehilfe schließlich immer mehr ethische Schranken fallen lässt.

In Belgien wird es zwischenzeitlich als Fortschritt der Selbstbestimmung angesehen, wenn selbst Minderjährige getötet werden, weil diese an einer schweren Krankheit leiden und einen Sterbewunsch äußern.

Mitte September 2016 wurde in Flandern / Nordbelgien ein 17-jähriger unheilbar kranker Patient unter ärztlicher Aufsicht getötet, wie der Vorsitzende der staatlichen Sterbehilfe-Kommission, Professor Wim Distelmans, gegenüber der Presse mitteilte. Das belgische Euthanasie-Gesetz erlaubt seit 2002 die straffreie Tötung eines schwerkranken Menschen, der sich den Tod wünscht. Im Jahr 2014 wurde diese Verordnung auch auf Kinder ausgedehnt.

Nach belgischer Rechtsprechung haben alle Menschen, die ihr Leiden als „anhaltend, unerträglich und unlinderbar“ empfinden, ein Anrecht auf Sterbehilfe. In der Vergangenheit wurde daraufhin auch schon einer 24-jährigen depressiven Frau und einem psychisch kranken Sexualverbrecher die ärztlich begleitete Tötung zugesagt.

Kriterien für Euthanasie willkürlich

Die belgischen Kriterien für legale Euthanasie erweisen sich in der Praxis als weitgehend willkürlich. Was konkret unter „anhaltend“ und „unerträglich“ verstanden wird, ist sehr anfällig für individuelle Interpretationen und auch für offenkundigen Missbrauch. Was der eine als „unerträgliches“ Leiden bezeichnet ist für den anderen noch normaler Alltag. Es besteht die realistische Gefahr, dass durch solch schwammige, gesetzliche Regelungen am Ende jede Begründung zur Beendigung menschlichen Lebens legitimiert wird. Dadurch aber würden das Leben und die Vorstellung von einer „lebenswerten“ Existenz schon bald zum Spielball gesellschaftlicher Moden. Solches Denken entwürdigt auch Menschen, die mit schwerwiegenden Behinderungen leben oder Menschen, die „unerträglich“ unter Armut leidend in anderen Teilen der Welt zuhause sind.

Vorgetäuschte Selbstbestimmung

Die in der Diskussion um die Sterbehilfe immer wieder genannte Selbstbestimmung des Patienten entpuppt sich bei genauerem Hinsehen sehr häufig als bloße Farce. Die Selbsteinschätzung eines Patienten ist eben immer auch durch seine Umgebung bestimmt. Suggerieren ihm Werbung, Medien und Angehörige, dass eine lebenswerte Existenz vor allem in Freizeit, Vergnügungen, Gesundheit und Konsum besteht, dann wird der Schwerkranke sich als überflüssig und sinnlos wahrnehmen; allerdings nicht weil er das wirklich so sieht, sondern weil ihn seine Umwelt dahingehend konditioniert hat. Darüber hinaus verweisen Sterbebegleiter zurecht darauf, dass viele Sterbende verschiedene Phasen durchlaufen, in denen der Todeswunsch auch nur zeitweilig, also nicht endgültig, geäußert wird.

Tötungen auf Wunsch nehmen zu

Zwischenzeitlich werden in Belgien immer mehr Menschen „auf ihren Wunsch hin“ getötet. Im Jahr 2003 gab es 235 den Behörden gemeldete Fälle, zehn Jahre später waren es bereits 1807. Aufgrund des damit verbundenen Verwaltungsaufwands melden allerdings nicht alle Ärzte die von ihnen durchgeführte Euthanasie auch ordnungsgemäß an. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass tatsächlich an etwa doppelt so vielen Personen in Belgien Sterbehilfe praktiziert wird.

Helfen im Sterbeprozess darf nicht Tötung bedeuten

Angesichts der immer stärkeren Ausweitung der Sterbehilfe mehren sich auch die kritischen Stimmen. Eugen Brysch von der Deutsche Stiftung Patientenschutz kommentierte den jüngsten Fall von Euthanasie an einem belgischen Jugendlichen skeptisch:

„Die Tötung auf Verlangen von Kindern hat nichts mit würdigem Sterben zu tun.“

Carine Brochier vom Europäischen Institut für Bioethik in Brüssel kommentiert:

„Wir glauben, dass die palliativmedizinische Begleitung die gute, menschenwürdige Antwort ist, nicht die Sterbehilfe.“

Im aktuellen deutschen Sterbehilfe Gesetz von 2014 ist die Tötung eines Menschen verboten, auch wenn der Patient einen Sterbewunsch äußert. Gewerbsmäßig betriebene Sterbehilfe, also gegen finanzielle Entschädigung, kann hierzulande mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft werden.

Begleitung Sterbender eine Aufgabe für Christen

Natürlich ist es für jeden schwer, einen Menschen in seinem Leiden zu begleiten, ganz besonders wenn keine Besserung des Zustandes mehr erwartet werden kann. Trotzdem ist es für Christen klar, dass die Entscheidung über Leben und Tod ganz alleine Gott zusteht. Kein Mensch hat sich für sein Leben entschieden, sondern es als Geschenk Gottes erhalten. Keinem steht es deshalb zu, dieses Leben mutwillig zu zerstören. Da Gott der Eigentümer des Lebens ist und er allein alle relevanten Aspekte des Lebens und Leidens kennt, darf auch nur er die von ihm gegebene Existenz wieder beenden. Jede euphemistisch als „Sterbehilfe“ deklarierte Tötung untergräbt die nicht verfügbare Menschenwürde. Sie öffnet Tür und Tor für eine endlose Diskussion um „wertes“ und „unwertes“ Leben.

Weit eher als die legalisierte Entsorgung leidender Menschen durch eine fälschlich sogenannte „Sterbehilfe“ bräuchte es mehr echte „Lebenshilfen“, eben auch in schwerer Krankheit.