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ThemenZeitgeist und Bibel

Der Himmel ist real, Halluzinationen nicht

Die Zahl der Himmelsbücher, in denen Menschen mit einer Nahtoderfahrung berichten, wie es angeblich wirklich im Himmel ist, wird immer größer. Viele Menschen werden davon verwirrt. Verlage verdienen viel Geld. Aber die wunderbare Botschaft der Bibel wird mit solchen Geschichten regelmäßig verdunkelt.

Buchhändler lieben es, wenn das Interesse ihrer Leser zu einem zwanghaften Verfolgtsein wird. Verlagshäuser veröffentlichen mitt­lerweile fast jeden Monat neue Berichte über mystische Ausflüge in den Himmel. Titel aus diesem Genre gehören heute zu den gefrag­testen Produkten im Verlagswesen – und die Käufer verlangen nach noch mehr.

Buch "Die Herrlichkeit des Himmels"

Der Artikel ist ein Auszug aus dem Buch von John MacArthur, Die Herrlichkeit des Himmels. Die Wahrheit über Himmel, Engel und ewiges Leben. CH-Dübendorf: Mitternachtsruf 2016 / CV Dillenburg. 276 S. Hardcover: 14,50 € ISBN: 978-3-85810-326-0/ 978-3-86353-348-9

Am interessantesten (und erschreckendsten) an diesem gan­zen Trend ist die Geschwindigkeit und Subtilität, mit der er in die Gemeinde eingedrungen ist. Vor 1995 hätte kein seriöser christ­licher Verleger ernsthaft in Betracht gezogen, ein Buch über den Himmel zu veröffentlichen, das auf einer mystischen Erfahrung eines klinisch Toten basierte. Doch erstaunlicherweise werden die bekanntesten und meistverkauften himmlischen Reiseberichte heute praktisch alle von wichtigen evangelikalen Herausge­bern produziert und aggressiv vermarktet.1 Sie sind von Autoren geschrieben, die sich zum Glauben an Christus bekennen. Sie zie­len speziell auf bibelgläubige Christen ab. Und in allen wimmelt es nur so von falschen, fehlerhaften und aus der Luft gegriffenen Vorstellungen über den Himmel.

Die fragwürdigen Teile der Geschichten

Wesentliche Bestandteile, die in diesen Berichten herausragen, sind makabere Phänomene und extra­vagante «Offenbarungen», denen biblisch-gesinnte Gläubige keine Aufmerksamkeit schenken sollten. Die Kommunikation zwischen den Lebenden und den Toten ist natürlich ein weit verbreiteter Anteil in allen diesen Geschich­ten. Menschen unterhalten sich mit ihren toten Verwandten und kommen dann von der anderen Seite zurück mit Neuigkeiten über die Familie. Eine Frau behauptet, sie könne Menschen im Himmel schmecken, fühlen und riechen, indem sie sie bloß anschaut. Ein Unfallopfer sagt, der Teufel sei ihm irgendwo zwischen dem Unfall­ort und dem Paradies sichtbar erschienen und habe ihn fälschli­cherweise angeklagt und verhöhnt. Ein anderer Mann beschreibt himmlische Lagerhallen voll mit menschlichen Gliedmaßen, von denen er meint, sie seien Wunder und Heilungen, die darauf war­ten, dass Menschen einen Anspruch auf sie erheben. Wieder ein anderer sagt, die Krawatte, die er während seines Aufenthalts im Himmel trug, habe den Duft des Paradieses angenommen. Wann immer er sich also dorthin zurückversetzen möchte, riecht er einfach an dieser Krawatte.

» Eine starke Fixierung auf weltliche Dinge ist ironischerweise ein verbreitetes Merkmal der Geschichten von angeblichen Himmelsbesuchern.

Es mag ironisch klingen, aber eine Fixierung auf weltliche Dinge ist ein weiteres weit verbreitetes Merkmal derartiger Geschichten. Viele Reisende in den Himmel deuten an, dass es im Himmel mög­lich ist, irdische Ereignisse so nahe zu beobachten, wie man will. Die bevorzugten Zeitvertreibe im Himmel haben oft auch einen starken irdischen Anstrich. Es gibt Rasenspiele, Picknicks, Sport­veranstaltungen und verschiedene Arten von himmlischer Aus­gelassenheit. Die meisten Rückkehrer aus dem Himmel berichten natürlich, dass die im Paradies erlebten Farben, Klänge, Gerüche, Bilder und Gefühle unglaublich lebendig sind. Doch wenn sie die himmlische Szene beschreiben, klingt ihre Schilderung immer furchtbar irdisch, verglichen mit Hesekiel 1 oder Offenbarung 4.

In vielerlei Hinsicht weisen die christianisierten Versionen die­ser Geschichten eine beunruhigende Ähnlichkeit mit ihren säku­laren Vorgängern auf. Die wirklich unverwechselbaren Elemente ihrer Botschaft haben nichts zu tun mit der biblischen Lehre über den Himmel und das Leben nach dem Tod. Die Verfasser dieser Berichte scheint das nicht besonders zu stören. Schließlich bean­spruchen sie für sich ein höheres Verständnis vom Leben nach dem Tod – das sie aber nicht aus der Schrift haben, sondern durch Visi­onen, Geistererscheinungen, außerkörperliche Reisen und andere okkulte Mittel.

In wichtigen Details stimmen sie aber nicht immer miteinander überein. Ein Besucher im Himmel sagt, im Leben nach dem Tod wären Sprachen nicht erforderlich, weil alle telepatisch miteinan­der kommunizieren; ein anderer meint, die Menschen im Himmel sprechen eine Engelssprache, die wie Musik klingt. Einer sagt, die Menschen im Himmel tragen Schwerter, um den Teufel draußen zu halten; andere erklären, der Himmel sei ein Ort, an dem vollkom­mener Frieden und Ruhe herrschen, ohne Hinweise auf irgendwel­che Konflikte. Einer besteht darauf, dass es im Himmel ein Loch gibt, das direkt in die Hölle führt. Niemand kümmert es, dass Jesus ausdrücklich sagte, dass keiner vom Himmel in die Hölle gelangen kann oder umgekehrt (Lk 16,26).

Alle Bestseller in diesem Genre enthalten skurrile Quacksalbereien wie diese – die einen mehr, die anderen weniger. Das aber scheinen alle zu betonen, wodurch sie die wahre Herrlichkeit des Himmels ihres Gewichts berauben.

In der ganzen Schrift findet sich keine Rechtfertigung, die Träu­mereien von bewusstlosen oder schwer verletzten Personen so zu behandeln, als hätten sie eine prophetische Bedeutung. Die Schrift warnt uns wiederholt, die Behauptungen von Propheten nicht für bare Münze zu nehmen. «Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, son­dern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn es sind viele fal­sche Propheten in die Welt ausgegangen» 1Joh 4,1; vgl. 5Mo 13,2-6; Jer 29,8-9; Mt 7,15-16; 24,4-5; 2Pet 2,1).

» Heutige Evangelikale haben eine zu geringe Meinung von der Bibel und eine zu hohe Achtung vor Dingen, die im allgemeinen Trend liegen. Sie wurden zu unersättlichen Konsumenten von Geschichten von Leuten, die behaupten im Himmel gewesen zu sein.

Heutige Evangelikale haben eine zu geringe Meinung von der Schrift und eine zu hohe Achtung vor Dingen, die im allgemeinen Trend liegen. Möglicherweise ist keine Bevölkerungs­schicht leich­ter zu beeinflussen oder Lemmingen ähnlicher. Dem­entsprechend sind evangelikale Leser zum größten Markt und zu unersättlichen Konsumenten von Geschichten von Leuten geworden, die behaup­ten, sie wären im Himmel gewesen und wieder zurückgekehrt.

Die Masse dieser Geschichten wird wahrscheinlich nicht so schnell abnehmen, und evangelikale Verlage werden ihre Veröf­fentlichungen nicht einstellen. Angesichts der relativ hohen Zahl von mehreren Millionen Bestsellern im Genre machen diese Bücher bereits jetzt die finanziell lukrativste Kategorie von Sachbüchern in der Geschichte des evangelikalen Verlagswesens aus.

Sachbücher? Das ist natürlich die Bezeichnung, unter der Ver­leger und Buchhändler diese Bücher eingeordnet sehen möchten. Es erfordert ein Maß an stoischer Nachsicht, das ich nicht besitze, um diese Bezeichnung ohne Abstriche anzuerkennen. Tatsache ist aber, dass diese himmlischen Reiseführer ausnahmslos als Sach­bücher vermarktet werden und nicht als Fantasy. (Einer der Bestseller in den USA wirbt auf dem Cover mit den Worten «Eine wahre Geschichte» in fett gedruckten Buchstaben, die genauso groß sind wie der Buchtitel.)

Leider gibt es immer mehr unkritische Leser, die diese gesamten Geschichten ernst nehmen. Die astronomisch hohen Verkaufszah­len und der weitreichende Einfluss dieser Bücher sollte jedem, der das Wort Gottes wirklich liebt, Anlass zu ernsten Bedenken geben.

Der Himmel ist real, Halluzinationen nicht

Viel zu viel des gegenwärtigen Interesses am Himmel, den Engeln und dem Leben nach dem Tod geht auf eine fleischliche Neugier zurück. Das ist kein Trend, den die, die unter uns die Autorität der Schrift anerkennen, unterstützen oder gutheißen sollten. Jede Beschäftigung, die das Vertrauen der Menschen auf die Bibel schwächt, ist mit ernsten geistlichen Gefahren verbunden – vor allem, wenn es leichtgläubige Seelen zu Aberglauben, Gnostizis­mus, Okkultismus, New-Age-Philosophien oder zu sonst einer geistlichen Verwirrung verführen kann. Das sind unbestreitbar die meist bereisten Straßen der Menschen, die ein krankhaftes Ver­langen nach detaillierten Informationen über das Leben nach dem Tod nähren, indem sie Geschichten von Personen verschlingen, die behaupten, sie wären im Reich der Toten gewesen und wieder zurückgekehrt.

Die Schrift übt keine Nachsicht mit diesem Verlangen. Zu alt­testamentlicher Zeit galt jeder Versuch, mit den Toten zu kommu­nizieren, als Sünde, gleichbedeutend mit der Opferung kleiner Kinder für falsche Götter (5Mo 18,10-12). Die hebräischen Schrif­ten sagen vergleichsweise wenig über die Bestimmung der Seele nach dem Tod, und dem Volk Gottes war es strengstens verbo­ten, eigene Nachforschungen anzustellen. Totenbeschwörungen waren ein wichtiger Bestandteil der ägyptischen Religion. Sie beherrschten auch jede unter den Kanaanitern bekannte Religion. Doch nach dem mosaischen Gesetz war es eine Sünde, die mit dem Tod bestraft wurde (3Mo 20,27).

Das Neue Testament trägt viel zu unserem Verständnis von Him­mel (und Hölle) bei, aber uns ist es nicht erlaubt, eigene subjektive Vorstellungen und auf Erfahrungen basierende Schlussfolgerungen zu dem hinzuzufügen, was Gott ausdrücklich durch sein unfehlba­res Wort geoffenbart hat. In allen geistlichen Fragen ist es uns ver­boten, über das hinauszugehen, was geschrieben steht (1Kor 4,6).

Lazarus aus Bethanien wurde krank und starb, und sein Körper lag vier Tage lang leblos in einem Grab und verweste, bevor Jesus ihn auferweckte (Joh 11,17). Im Johannes-Evangelium ist ein gan­zes Kapitel der Geschichte gewidmet, wie Jesus ihn von den Toten zurückholte. Aber es gibt in der ganzen Schrift keinen Hinweis oder die leiseste Spur, was mit Lazarus‘ Seele in diesen vier Tagen pas­sierte. Dasselbe gilt für jede Person in der Bibel, die aus den Toten zurückgeholt wurde, beginnend mit dem Sohn der Witwe, den Elia auferweckte (1Kö 17,17-24), bis hin zu Eutychus, den Paulus heilte (Apg 20,9-12). Nicht eine einzige biblische Person berichtete jemals von ihren nach dem Tod gemachten Erfahrungen im Reich der abge­schiedenen Seelen.

Der Apostel Paulus erlebte den Himmel so real, dass er sich nicht sicher war, ob er körperlich dort war oder nur in einer Vision. Er erwähnte dieses Erlebnis nur einmal – widerstrebend –, weil fal­sche Lehrer seine Autorität herausforderten und diese himmlische Vision einen entscheidenden apostolischen Beglaubigungsnach­weis darstellte. Aber er bewahrte völliges Stillschweigen über die­ser ganzen Angelegenheit bis vierzehn Jahre vergangen waren. Und selbst dann kleidete er sein Zeugnis in die Erzählform der dritten Person: «Ich weiß von einem Menschen in Christus, der vor 14 Jah­ren (ob im Leib oder ob außerhalb des Leibes, ich weiß es nicht; Gott weiß es) bis in den dritten Himmel entrückt wurde. Und ich weiß von dem betreffenden Menschen (ob im Leib oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht; Gott weiß es), dass er in das Paradies entrückt wurde» (2Kor 12,2-4). Obwohl er darüber in der dritten Person berichtete, war dies eindeutig sein eigenes Erlebnis, denn sobald er davon spricht, wie Gott ihn nach diesem Erlebnis demü­tig machte, wechselt er in die erste Person: «Und damit ich mich wegen der außerordentlichen Offenbarungen nicht überhebe, wurde mir ein Pfahl fürs Fleisch gegeben, ein Engel Satans, dass er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe» (V. 7).

Die typische evangelikale Reaktion auf ein Ereignis wie dieses wäre heutzutage, einen Sensationsbericht darüber zu schreiben (oder von einem Ghostwriter verfassen zu lassen). Dieser wäre vol­ler spezieller Details über den Himmel und das aktuelle Geschehen dort. Ein großer Verlagskonzern würde ihn veröffentlichen, und wenn er sich erst einmal als Bestseller etabliert hat, würde man an Fortsetzungen arbeiten und sich um Verfilmungsrechte bemühen.

Nachdem der Apostel Paulus die Tatsache seines Erlebnisses erwähnt hatte, verzichtet er, Einzelheiten preiszugeben. Er sagt nur, dass er «unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf» (2Kor 12,4). Er verwendet einen griechischen Ausdruck, der bedeutet, dass es Menschen nicht erlaubt ist, von den Dingen zu reden, die er hörte.

Paulus, der in eine der wichtigsten apostolischen Positionen in der frühen Gemeinde berufen worden war, war es also verboten, darüber zu sprechen, was er im Paradies sah und hörte. Der kurze, drei Verse umfassende Bericht, den er von seiner Vision liefert, bil­det einen starken Kontrast zu allen aktuell populären Bänden, die von Leuten geschrieben sind, die behaupten, sie wären im Himmel gewesen und seien von dort zurückgekehrt.

Warum war es Paulus nicht erlaubt, was er im Himmel hörte, zu beschreiben? Schließlich hatten Hesekiel, Jesaja und der Apostel Johannes Visionen vom Thronsaal im Himmel und schrieben dar­über, was sie sahen und hörten. Ihre Berichte gehören zum inspi­rierten Wort Gottes.

Genau das ist der Punkt. Wer in der Bibel über das schrieb, was er im Himmel gesehen hatte, wurde von Gott ausdrücklich dazu auf­gefordert und vom Geist Gottes beim Schreibprozess geleitet (2Pet 1,21). Die relativ kurzen Berichte dieser Personen sind Teil des von Gott eingehauchten Textes. Der Allmächtige ließ von diesen Män­nern genau die Worte zu unserem Nutzen aufzeichnen, die er selbst wählte. Kein außerbiblischer Bericht über den Himmel kann das rechtmäßig von sich behaupten.

» Das Neue Testament gibt uns ein Verständnis von Himmel und Hölle, aber erlaubt uns nicht, subjektive Vorstellungen und Erfahrungen hinzuzufügen.

Wer mehr wissen will, als die Schrift uns mitteilt, sündigt: «Was verborgen ist, das steht bei dem HERRN, unserem Gott; was aber geoffenbart ist, das ist ewiglich für uns und unsere Kinder bestimmt» (5Mo 29,28). Der Umfang der biblischen Offenbarung legt unserer Neugierde Grenzen.

Heute scheinen dem typischen Christen die Grundsätze in 5. Mose 29,28 und 1. Korinther 4,6 («damit ihr an uns lernt … nicht über das hinauszugehen, was geschrieben steht») nicht bewusst zu sein. Die Menschen suchen nach geistlichen Wahrheiten, Bot­schaften von Gott und Einblicken in die Welt der Geister – überall, nur nicht in der Schrift. Ein jahrzehntelang wirkender charismati­scher Einfluss hat heutige Evangelikale indoktriniert zu denken, Gott würde sein geschriebenes Wort regelmäßig übergehen, um direkt zu jedem Gläubigen zu sprechen – gerade so als gehörten außerbiblische Offenbarungen zum Standard der christlichen Erfahrung. Daher denken viele, die Nächstenliebe würde von ihnen verlangen, Behauptungen von «frischen Offenbarungen» mit einer Art frommer Einfältigkeit aufzunehmen. Wer sind wir denn, dass wir das persönliche Wort Gottes an eine andere Person in Frage stellen könnten?

» Der heute typische Christ scheint so indoktriniert zu sein, dass er meint, Gott würde sein geschriebenes Wort regelmäßig übergehen.

Wenn also Dutzende von Bestsellerautoren, die sich zu Christus bekennen, plötzlich behaupten, sie hätten den Himmel gesehen, und uns mitteilen wollen, wie es dort ist, ist der Großteil der Chris­ten diesem Angriff schutzlos ausgeliefert.

Wo die Engel mir ein Lied gesungen haben

den-himmel-gibts-echtTodd Burpos mehrfacher Millionenbestseller Den Himmel gibt’s echt steht beispielhaft für den phänomenalen Erfolg, den christ­liche Autoren und Verleger mit angeblichen Besuchen im Himmel gehabt haben.2 Es macht auch deutlich, wie gefährlich es ist, wenn die eigenen Vorstellungen über das Leben nach dem Tod auf per­sönlichen Erfahrungen beruhen statt allein auf der Schrift.

Die meisten bekannten Merkmale des Genres sind in Burpos Geschichte enthalten: bewusste außerkörperliche Reisen; die Fähig­keit, Dinge aus einer ätherischen Perspektive zu sehen; Visionen von Engelwesen; erhabene Gefühle; strahlende Lichter und Farben; und Unmengen von unerwarteten, aber fein detaillierten Belanglosigkei­ten darüber, wie der Himmel aussieht und sich anfühlt. Aber Den Himmel gibt’s echt enthält durchgängig auch Dutzende von bibli­schen Bezügen. Die ganze Geschichte ist sorgfältig in eine vertraute evangelikale Sprache und Ausdrucksweise gekleidet.

Burpo ist sehr vertraut mit der evangelikalen Kultur und ihren Erwartungen. Er sagt, er glaube an die Autorität der Schrift, und er versucht, so viele Verbindungen zu ziehen wie möglich zwischen seiner Geschichte und dem, was die Bibel über den Himmel, die Engel und den geistlichen Bereich sagt. Aus diesem Grund stehen so viele seiner Details neben biblischen Anspielungen und Texten. Zumindest in dieser Hinsicht finden sich in Den Himmel gibt’s echt mehr biblische Bezüge als in den meisten Büchern des Genres.

Was das Buch jedoch unterscheidet, ist, dass es auf der Erfah­rung eines noch nicht ganz vier Jahre alten Jungen gründet! Es ist die Geschichte von Pastor Burpos ältestem Sohn Colton, der als Kleinkind beinahe an einem Blinddarmdurchbruch starb. Vier Monate nach der medizinischen Krise antwortete der kleine Col­on auf die Frage von Todds Frau Sonja, ob er sich daran erinnerte, im Krankenhaus gewesen zu sein: «Ja, Mama, ich erinnere mich daran. … Da haben die Engel mir ein Lied gesungen.»

Todd Burpos Reaktion auf diese Aussage war atemloses Staunen. Das von ihm beschriebene Maß an Ehrfurcht und Verwunderung scheint in keinem Verhältnis zu der Bedeutung einer solchen Aussage eines typischen 4-jährigen Jungen zu stehen. Diese Art naive Leichtgläubigkeit durchzieht das ganze Buch. Pas­tor Burpo zeigt wenig Verständnis dafür, wie lebhaft die Fantasie eines kaum vier Jahre alten Jungen sein kann und schenkt Coltons Aussagen bedingungslos Glauben. Er entschloss sich augenblick­lich, sein ganzes Verständnis vom Himmel den Worten des kleinen Colton zu unterwerfen. «Wenn er wirklich Jesus und die Engel gese­hen hatte, möchte ich der Schüler sein, nicht der Lehrer!»?

Es war einfach unglaublich

Vieles, was Todd Burpo als unwiderlegbaren Beweis interpretiert, dass seinem Sohn eine besondere Offenbarung gegeben wurde, scheint kaum mehr als die normalen Sonntags­schul­geschichten zu sein, die ein typisches Vorschulkind seiner Neigung entsprechend leicht verdreht hat. Wenn Colton etwas sagt, das weit hergeholt, ungewöhnlich oder unbiblisch ist, findet Todd Burpo einen Weg, es als ebenso wahr einzustufen. So sagt Colton bei­spielsweise einmal, dass er auf einem kleinen Stuhl neben dem Geist Gottes saß. Daraufhin fragt Todd seinen Sohn, wie der Hei­lige Geist aussieht:

«Hm», erwidert Colton. «Das ist schwer … er ist irgendwie blau.»“

Eine Bemerkung wie diese verlangt natürlich nach einer weiteren Frage oder irgendeiner Erklärung. Blau? Hat sich Colton den Hei­ligen Geist etwa als Papa Schlumpf vorgestellt? Beschreibt er eine bläuliche Nebelwolke? «Blau»? Was meint er? Aufgrund von Coltons Aussage glaubt Pastor Burpo offensichtlich, dass alle Bewohner des Himmels (außer Jesus) Flügel und Heili­genscheine haben; dass sie ihre Zeit mit «Hausaufgaben» füllen; und dass Colton nicht nur einem Großvater, der Jahre vor Coltons Geburt starb, begegnete und mit ihm sprach, sondern auch mit einer Schwester, die nie geboren wurde, weil Coltons Mutter eine Fehlgeburt hatte. Colton sagt, seine ungeborene Schwester sei ihm als ein «kleines Mädchen» erschienen und sein Großvater, der mit 61 Jahren gestorben war, sah aus wie ein 29-jähriger Mann.

Jede von Coltons Erfahrungen oder nahezu jede, folgt ei­nem Muster. Er erzählt seinem Vater irgendein kleines De­tail. Sein Vater ringt nach Luft oder hat den Eindruck, als würde ihm das Herz stocken. «Ich bekam kaum Luft. In meinem Kopf drehte sich alles. Mir wurde ganz schwindelig.» Eine Bibelstelle kommt dem Vater in den Sinn, die die beschriebene Erfahrung bestätigt. Colton wird es langwei­lig und er läuft weg. Immer dasselbe.

Eine fehlerhafte Sicht vom Glauben

Das Einschließen von Bibelstellen in Den Himmel gibt’s echt mag oberflächliche Leser davon überzeugen, dass Pastor Burpo die Aus­sagen seines Sohnes sorgfältig mit der Schrift verglichen hat und sie auf dieser Grundlage als richtig beurteilte. Doch wer sich die Zeit nimmt, die Zitate nachzuschlagen und sie kritisch im Kontext zu untersuchen, dem wird klar, dass Todd Burpos gewandtes Han­tieren mit Beweistexten einen Mangel an ernsthaftem Umgang mit der Schrift offenbart. Eine gründliche Prüfung hat er versäumt, wozu wir angewiesen und ermutigt werden (1Thess 5,21; Apg 17,11). Erstaunlicherweise gibt Todd Burpo zu, dass er «Coltons Erinne­rungen selten an den Aussagen der Bibel überprüft hat».

Einer der beunruhigendsten Denkansätze von Den Himmel gibt’s echt ist: Todd Burpo schmuggelt durchgehend den Gedanken ein, dass persönliche Erfahrungen – sogar die geisterhaften Erinnerun­gen eines drei Jahre alten Jungen unter Narkose – von zwingenderer Beweiskraft sind als die Schrift. «Ich bin seit meiner Kindheit Christ und bereits mein halbes Leben Pastor, daher glaubte ich das vorher schon. Aber jetzt wusste ich es.» Coltons praktische Exegese vom Himmel hatte eine deutlich tiefere Wirkung auf Todd (und prägte seine Vorstellung vom Leben nach dem Tod stärker) als alles, was er zuvor selbst in seinem Studium der Schrift über den Himmel her­ausgefunden hatte.

» Der wichtigste Schutz des Christen vor Selbst­betrug ist die Überzeugung, dass das geschriebene Wort Gottes sicherer und zuverlässiger ist als jede menschliche Erfahrung.

Diese Art des Denkens ist dem, was die Bibel über Glauben, Erfahrung und die Autorität der Schrift sagt, diametral entgegenge­setzt. Der allerwichtigste Schutz von Christen gegen Selbstbetrug ist die Überzeugung, dass das geschriebene Wort Gottes sicherer und zuverlässiger ist als jede menschliche Erfahrung. Das lehrt die Schrift ausdrücklich und wiederholt. Echter Glaube kommt «aus der Verkündigung (wörtlich: dem Hören), die Verkündigung aber durch Gottes Wort» (Röm 10,17) ­nicht aus mystischen Erfahrungen; und ganz gewiss nicht aus dem blinden Vertrauen auf den Bericht eines Kindes von seinen mysti­schen Erfahrungen. Diese Art von naiver Überzeugung hat nichts mit wahrem Glauben zu tun; sie hat mehr gemein mit gefährlichem Selbstvertrauen.

Zurück zur Schrift

Ich habe nicht deswegen eine so lange Kritik zu Den Himmel gibt’s echt geschrieben, weil es das schlimmste Buch des Genres ist, son­dern weil es von allen Büchern in dieser Kategorie von typischen Evangelikalen am wahrscheinlichsten gelesen und als harmlos ein­gestuft wird. Es ist jedoch keineswegs harmlos. Es setzt die Autorität und Allgenügsamkeit der Schrift herab; es verwechselt Glaube mit Aberglaube; es hebt die menschliche Erfahrung geschickt auf eine höhere Stufe als das Wort Gottes; es gibt vor, Dinge über Gott und den himmlischen Bereich zu offenbaren, die die Schrift nicht lehrt; und es redet wiederholt ein, dass das Zeugnis eines Menschen, der auf mystische Weise erleuchtet wurde, anregender für den Glauben ist als die Schrift allein.

Der Grundsatz sola scriptura beginnt und endet mit der Anerkennung, dass die Bibel über jeder anderen Wissensquelle steht, über jedem Anspruch auf Wahrheit, jeder religiösen Tradition und jeder angeblich neuen Offenbarung. Dieser Grundsatz gehörte zu den fundamentalen Säulen des biblischen Christentums, das die frühen Reformatoren wiederent­deckten, nachdem es vernachlässigt und geleugnet worden war.

Das geschah, weil die gesunde, biblische Lehre aus dem Gemein­deleben verdrängt wurde durch falsche Lehren, mittelalterlichen Aberglauben, Korruption innerhalb der Kirche und einer Vielzahl von Problemen, die alle damit zu tun hatten, dass die sichtbare Kir­che sich nicht der Autorität der Schrift unterworfen hat. Die aktu­elle evangelikale Bezauberung durch Nahtoderfahrungen (und durch andere außerbiblische Quellen einer angeblich geistlichen Erleuchtung) weist zurück auf dieselbe Art von Glaubensabfall.

Klar, wenn wir glauben, dass die Schrift Gottes Wort ist, müssen wir jeden Erfahrungsbericht ablehnen, der dem, was die Bibel lehrt, widerspricht oder darüber hinausgeht. Wir dürfen uns auch nicht fangen lassen von irgendeiner Art Spekulation, einem Anspruch auf Wahrheit oder einer angeblich neuen Offenbarung, die die Menschen vom einfachen Vertrauen auf das Wort Gottes abbringen.

Auszug aus dem Buch "Die Herrlichkeit des Himmels" mit freundlicher Genehmigung des CV-Verlags Dillenburg


  1. Listen zufolge, die von Amazon.com und The New York Times veröffentlicht wurden, waren im Sommer 2012 vier der meistverkauften Sachbücher Berichte von Menschen, die behaupteten, sie wären im Himmel gewesen und wieder zurückgekehrt. Alle vier sind auch in Deutschland, drei bei evangelikalen Verlagen erschienen: Den Himmel gibts echt (SCM); Einmal Himmel und zurück (Allegria); Der Junge, der aus dem Himmel zurückkehrte (Gerth Medien) und 90 Minuten im Himmel (Gerth Medien). 

  2. Die deutsche Übersetzung vertreibt SCM Hänssler und bietet auch ein Buch mit Gesprächsimpulsen für Hauskreise, eine DVD mit Interview und ein Aufbaubuch „Zum Weiterdenken” an.