Ein kleiner Junge suchte ein Geschenk zum Muttertag. Er hatte lange gespart. Etwas schüchtern kam er in ein Bekleidungsgeschäft und sagte zur Verkäuferin: „Ich suche zum Muttertag ein Nachthemd für meine Mama. Aber ich weiß nicht, welche Größe sie trägt.“
„Beschreib sie doch mal“, sagte die Verkäuferin, „ist deine Mutter eher groß oder klein – eher etwas dicker oder dünner? Wie ist deine Mutter?“ Der kleine Kunde strahlte und sagte stolz: „Meine Mutter ist einfach perfekt.“ Daraufhin gab ihm die Verkäuferin ein Nachthemd mit der Konfektionsgröße 36. Wenige Tage danach kam die Mutter in den Laden, um das Nachthemd gegen eine andere Größe umzutauschen: Sie brauchte nämlich Größe 50.
Daraus lernen wir: Was eine perfekte Mutter ist, lässt sich offenkundig nicht in Konfektionsgrößen bemessen. Dafür gibt es keinen objektiven Maßstab. Und ob eine Mutter „perfekt“ ist – in dem Sinne, wie es der kleine Knirps meinte – hängt auch nicht davon ab, ob sie fehlerlos ist. Sogar Mütter sind Menschen, darum haben sie Fehler und Schwächen. Sogar Mütter können sich gelegentlich irren – und dennoch „perfekt“ sein.
Ähnlich wie der Junge über seine Mutter sprechen viele Erwachsene, auch evangelikale Theologen, über die Bibel. Sie zitieren mit Andacht etwa Psalm 19,8:
„Das Gesetz des Herrn ist vollkommen (perfekt).“
Sie können mit Begeisterung ihre Hochachtung für die Bibel bezeugen und doch zugleich behaupten: „Sicher, die Bibel enthält manche Fehler und Widersprüche. Aber das stört mich überhaupt nicht, ich liebe sie dennoch und finde sie so, wie sie ist, einfach perfekt.“ Warum sollte das, was gegenüber den Müttern recht ist, der Bibel gegenüber nicht billig sein?
Allerdings sei vorab bereits auf einen entscheidenden Unterschied zwischen Müttern und Bibeln hingewiesen: Mütter sind menschlich, die Bibel aber ist göttlich. Dieses Wesensmerkmal wird in der aktuellen Diskussion nicht immer hinreichend beachtet.
1 Die Diskussionslage: Widersprüchliches über die Frage nach den Widersprüchen
Gerhard Hörster, langjähriger Rektor des FEG-Seminars in Ewersbach, geht davon aus, dass die Bibel gar nicht widerspruchsfrei sein wolle:
„Die Lehre von der Irrtumslosigkeit der Bibel…scheitert aber an der realen Gestalt der Bibel. Ich meine jene Lehre, die behauptet, die Bibel sei in ihren ursprünglichen Dokumenten ohne Irrtum und Widerspruch in allen ihren Aussagen: Glaubensaussagen, theologischen Aussagen, naturwissenschaftlichen, biologischen, geographischen – was immer dort steht. (…) die Bibel redet anders von sich selber. In ihr tauchen die Begriffe ‚Zuverlässigkeit‘ und ‚Vertrauenswürdigkeit‘ auf; Begriffe also, die in den persönlichen Bereich gehören, die zu Beziehungen gehören. Es geht ja um die Beziehung zu dem lebendigen Gott – und nicht um sachliche Richtigkeiten.“1
Als Beleg für die Fehlbarkeit der Bibel verweist Hörster auf Mk 1,2- 3, wo der Text sich für ein Zitat auf Jesaja berufe, tatsächlich aber Maleachi 3,1 anführe.2
Einer, der das Buch von Hörster ausdrücklich lobt und wörtlich als „hilfreich“ bewertet, ist der theologische Leiter des Seminars von Bad Liebenzell, Heinzpeter Hempelmann.3 Seine eigene Position begründet er mit der Inkarnation:
„Wenn dieser Gott in die Geschichte eingeht, wenn er Fleisch wird (Jo 1,14), wenn er Mensch wird wie wir, wenn er sich davon abhängig macht, dass Menschen von ihm reden, dass Menschen das, was sie von ihm wissen, weitergeben, dass Menschen menschlich, d.h. irrtumsfähig und begrenzt über seine Bedeutung nachdenken [Hervorhebung WN], dann ist der Charakter der Bibel, wie sie vorliegt, eben von Gott gewollt.“4
Diese Position ist im evangelikalen Lager weit verbreitet und wird im großen Rahmen propagiert. Beim letzten Gemeindetag unter dem Wort, der am 30. Mai 2002 in Stuttgart stattfand, wurde unter der Leitung von Rolf Hille eine große Veranstaltung zum Thema „Auf der Suche nach Wahrheit“ angeboten. Das Referat über die Bibel hielt Heinzpeter Hempelmann, sein Titel lautete: „Was heißt bibeltreu? Gottes zuverlässiges Wort!“ Was Hempelmann unter „zuverlässig“ versteht, haben wir zitiert: Die Bibel besteht auch aus Zeugnissen, in denen Menschen „menschlich, d.h. irrtumsfähig und begrenzt über seine [Gottes] Bedeutung nachdenken“.
Wahre Bibeltreue?
Und deshalb – so muss man mit Hörster und Hempelmann folgern – enthält die Bibel Fehler und Widersprüche. Wer das bestreitet, streut sich und anderen Sand in die Augen. Mehr noch: Er lässt es an wahrer Bibeltreue mangeln.
„Wer die Irrtumslosigkeit der Bibel vertritt, ist gerade nicht bibeltreu“
Wer die Irrtumslosigkeit der Bibel vertritt, ist gerade nicht bibeltreu. Denn er unterstellt der Bibel und fordert von der Bibel, was sie nicht geben will und kann.
„Wenn ich manche Positionen fundamentalistischer Freunde nicht übernehmen kann, dann nicht deshalb, weil ich weniger bibeltreu als sie wäre, sondern weil sie m.E. nicht bibeltreu (genug) sind.“5
Das ist die Position, mit der wir uns auseinandersetzen müssen: Die Bibel, so wird behauptet, erhebe gar nicht den Anspruch, ohne Irrtum und Widerspruch zu sein. Wer diese Lehre dennoch vertrete, möglicherweise sogar dafür kämpfe, bewege sich jenseits des biblischen Selbstverständnisses. Schlimmer noch: Das Eintreten für die Irrtumslosigkeit der Schrift erhebe einen philosophischen Maßstab zum Richter über die Bibel und münde so in einen „rationalistischen Fundamentalismus“. Mit der Forderung nach Widerspruchsfreiheit führe man ein fremdes Kriterium ein, das u.a. der griechischen Philosophie (Aristoteles) entnommen sei. Damit werde die Bibel, wenn auch mit „frommen Absichten“, wiederum dem Urteil der menschlichen Vernunft unterworfen. Summa summarum: Die „fundamentalistischen“ Verteidiger der Bibel lassen sich von den Gegnern der Bibel die Bedingungen diktieren. Und damit tappen sie in die rationalistische Falle, übernehmen deren falsche Maßstäbe – und erheben sich selbst, ohne es zu merken, zum Richter über die Bibel.6
Um die Berechtigung dieses Vorwurfs zu überprüfen, müssen wir im folgenden Schritt klären, wie der Tatbestand des „Widerspruchs“ im Licht der Bibel zu bewerten ist.
2 Die Grundfrage: Was ist ein „Widerspruch“ im Licht der Bibel?
Handelt es sich bei der Problematik vermeintlicher Widersprüche nur um eine philosophische Frage, die wir unsachgemäß an die Bibel herantragen – oder ist Widerspruchsfreiheit auch eine biblische Kategorie? Welches Bekenntnis sind wir der Heiligen Schrift schuldig? Hält sie sich selbst für widerspruchsfrei?
Wahrheit ist unteilbar
Hier ist zunächst in thetischer Kürze das Selbstverständnis der Heiligen Schrift zu formulieren.
Die Bibel vertritt einen absoluten, uneingeschränkten, umfassenden Wahrheitsanspruch
Die Bibel vertritt einen absoluten, uneingeschränkten, umfassenden Wahrheitsanspruch: „Dein Wort ist nichts als Wahrheit“ (Ps 119,160). Sie teilt uns nicht alles mit, was es zu wissen gäbe – aber was sie uns mitteilt, ist alles völlig zuverlässig. Dabei gehören die persönliche Wahrheit und die sachliche Wahrheit untrennbar zusammen, theologische und historische Aussagen sind gleichermaßen verbürgt. Die von Hörster konstruierte falsche Alternative – Beziehungswahrheit versus Richtigkeit – resultiert aus einer willkürlichen Dichotomie (Aufspaltung), die in der Bibel selbst zurückgewiesen wird. Gott gestaltet die Beziehung zu seinen Kindern aufgrund von Tatsachen.7 Diese Einheit des Wahrheitsbegriffs gilt bereits für das Alte Testament, wo der Terminus „emet“ u.a. gebraucht wird, um die Übereinstimmung einer Aussage mit den Tatsachen zu bezeichnen (z. B. 1Kön 10,6).8
Weil die Bibel Gottes Wort nicht nur enthält, sondern wirklich ist (2Tim 3,16; 1Thess 2,13), hier also Gott selbst durch die von ihm erwählten Verfasser redet, hat sie Anteil an der ungebrochenen Wahrhaftigkeit Gottes, „der nicht lügt“ (4Mose 23,19; 1Sam 15,19). Wie Gottes Sohn trotz seiner Menschwerdung ohne Sünde blieb (Hebr 4,15 u.ö.), so bleibt Gottes Wort trotz seiner Schriftwerdung ohne Irrtum in allem, worüber es uns informiert.
Das Schriftverständnis von Jesus Christus
Auch Jesu Umgang mit dem AT belegt, dass er die Schrift bis in die einzelnen Wörter hinein mit dem Wort Gottes identifiziert (Mt 5,18; Mk 7,8-13; Mk 12,36).9 Bei dessen Anwendung kann Jesus sich auf kleinste Einzelheiten (wie z. B. eine grammatikalische Zeitform in 2Mose 3,6/Mt 22,1f.) stützen, weil er jedes Detail für solide und tragfähig hält. In Joh 10,35 ist sein Schriftverständnis mit jenem berühmten Satz zusammengefasst: „Die Schrift kann nicht gebrochen werden.“ Dieser ungebrochene Wahrheitsanspruch schließt auch die Geschichtsberichte des AT (durch alle Epochen hindurch) ein, deren Ereignisse und Personen von Jesus durchweg als Realgeschichte verstanden werden (Mt 12,41f.; 19,8; Lk 17,26ff. u.ö.). Alles, was die Schrift sagt, sagt Gott (vgl. die personifizierende Redeweise etwa in Jo 7,38). Darum ist jeder Schriftstelle mit ungebrochenem Vertrauen zu begegnen, wie es der Apostel Paulus vorbildlich in Apg 24,14 bezeugt: „Ich glaube allem, was geschrieben steht.“ Auch für die eigenen Worte beansprucht Jesus göttliche Dignität („Amen, ich sage euch“) und ewige Gültigkeit (Mt 24,35). Indem er schließlich die Schreiber des NT beauftragt und autorisiert (Joh 14,26; 15,27; 16,12f.), kündigt Jesus indirekt die Enstehung des Kanons an, von dem gelten wird, was Paulus in 2Tim.3,16 proklamiert:
„Alle Schrift (im Sinne von ‚Die ganze heilige Schrift‘) ist von Gott eingegeben (wörtlich ‚gott-gehaucht‘).“
Schriftwort ist Gotteswort.
Wie passt das zusammen?
Die hier formulierte Grundlegung hat nun weitreichende Konsequenzen für einen bibeltreuen, d.h. schriftgemäßen Umgang mit den vermeintlichen „Widersprüchen“ innerhalb der biblischen Geschichtsberichte. Wenn Gott selbst uns in seiner Offenbarungsurkunde historische Zusammenhänge mitteilt, dann gilt dafür der volle Wahrheitsanspruch.
Wenn Gott uns, um ein Beispiel zu nennen, in Mt 21,7 mitteilt, dass beim Einzug Jesu in Jerusalem zwei Esel beteiligt waren (das Füllen und das Muttertier), dann ist das historisch ernst zu nehmen. Wenn in den Parallelen bei Mk, Lk und Joh jeweils nur von einem Esel die Rede ist, muss auch dieser Aussage ein Wahrheitsanspruch zugestanden werden. Damit steht der Bibelleser vor der Frage, ob und wie beide Aussagen gleichzeitig wahr sein können – oder ob hier ein unauflösbarer Widerspruch vorliegt.
Der Bibelkritiker wird schnell einen Widerspruch konstatieren und den Textbefund als weiteren Beleg für die Irrtumsfähigkeit der Heiligen Schrift verbuchen. Wer jedoch ernstnimmt, was die Bibel, wie oben gezeigt, über sich selbst sagt, unterstellt ihr auch an diesem Punkt umfassende Wahrhaftigkeit (also auch Übereinstimmung mit den Tatsachen) in allen betroffenen Texten. Damit ist das denkerische Problem noch nicht gelöst, seine Existenz wird aber nicht auf einen Mangel der Heiligen Schrift, sondern auf die Begrenzung des eigenen Verstandes und der zur Verfügung stehenden Hintergrundinformationen zurückgeführt.10 Die konstruktive Frage lautet nun: Wie kann ich diesen Befund verstehen? Weil Gott es so offenbart hat, ist es offenkundig so gewollt. Wie passen beide Aussagen zusammen? Inwiefern können sie gleichzeitig wahr sein?
Gott hat die Ordnung einer logischen Struktur in die Schöpfung hineingelegt
Dass sich unser Denken gegen das Akzeptieren von (vermeintlichen) Widersprüchen sträubt, ist zunächst nicht Ausdruck eigensinniger Rebellion, sondern in einer Ordnung, einer logischen Struktur begründet, die Gott in die Schöpfung hineingelegt hat. Wenn Sie heute um 19.00 Uhr in ihrem Wohnzimmer sitzen und diesen Artikel lesen, können Sie nicht gleichzeitig in einer Elternversammlung sein und dort eine Rede halten. Beides schließt sich gegenseitig aus, es kann nur entweder das eine oder das andere der Wahrheit, bzw. den Tatsachen entsprechen.
Die praktische Antithese, die Entweder-Oder-Struktur in alltäglichen Zusammenhängen, hat Gott in seine Schöpfung hineingelegt. Das wurde nicht von den weltlichen Philosophen, allen voran Aristoteles, erfunden. Er und andere haben es vielmehr in der Schöpfung ge-funden, wiedergefunden, was Gott hineingelegt hatte. Und daraus hat Aristoteles dann eine Logik entwickelt, die in vielen (nicht allen) Aussagen nur nachvollzieht, was Gott in der Schöpfung vorgegeben hat.11 Insofern kann die Logik nicht <I%-1>per se als heidnisch abgewertet werden, wie Bernhard Kaiser betont:
„Die aristotelische Logik ist nicht in sich heidnisch, widerbiblisch oder falsch, weil sie von Aristoteles stammt. Aristoteles versucht, mit der Logik ein vorfindliches Denkraster zu beschreiben. Dieses ist geschöpflich, denn der (abendländische) Mensch denkt in Antithesen. Es entspricht der Existenz der Schöpfung, die ja in sich differenziert ist, z.B. in Mann und Frau, Lebewesen und Stein, Milch und Brot, Wahrheit und Lüge, Leben und Tod. Diese Differenzierung wird von der klassischen Logik aufgenommen und rechtfertigt sie.“12
Grundregeln der Logik
Zu den bekanntesten Grundregeln der klassischen Logik zählen der „Satz vom Widerspruch“ und der „Satz vom ausgeschlossenen Dritten“.13
(1) Der Satz vom Widerspruch (principium contradictionis) besagt: A ist nicht Nicht-A. Als Formel geschrieben: A # Nicht-A. Das heißt: Wenn die Aussage A wahr ist, dann kann Nicht-A nicht wahr sein. Ist dagegen Nicht-A wahr, dann kann A nicht wahr sein. Einfacher ausgedrückt: Einander entgegengesetzte Aussagen (bezogen auf denselben Gegenstand und denselben Zeitpunkt) widersprechen sich, sie können nicht gleichzeitig wahr sein. Beispiel:
- Herr Friedrich saß am 12. Februar 2003 um 19 Uhr in seinem Wohnzimmer.
- Herr Friedrich saß am 12. Februar 2003 um 19 Uhr im Konzertsaal.
Hier liegt ein Widerspruch vor, beide Aussagen können nicht gleichzeitig wahr sein. Dem Satz vom Widerspruch entspricht eine weitere logische Grundregel.
(2) Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (principium exclusi tertii) besagt: A ist entweder gleich B oder gleich Nicht-B. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht (tertium non datur). A muss entweder B oder das Gegenteil von B sein.
- Herr Friedrich saß am 12. Februar 2003 um 19 Uhr in seinem Wohnzimmer. (B)
- Herr Friedrich saß am 12. Februar 2003 um 19 Uhr nicht in seinem Wohnzimmer. (Nicht-B)
Wieder gilt das Entweder-Oder-Prinzip. Eine Aussage nur kann gleichzeitig wahr sein. Eine von beiden Aussagen muss aber auch wahr sein, da eine dritte Möglichkeit (jenseits der beiden ersten), welche etwa beide Aussagen auf einer höheren Ebene harmonisieren könnte, definitiv ausgeschlossen ist.14
Nochmals sei betont: Bei diesen logischen Grundregeln handelt es sich um die Auswertung von Beobachtungen, die jedermann in der Schöpfung machen kann – weil Gott diese Grundstruktur offensichtlich in seine Schöpfung eingestiftet hat.
Bei diesen logischen Grundregeln handelt es sich um die Auswertung von Beobachtungen, die jedermann in der Schöpfung machen kann
Die sog. klassische Logik (auch genannt „zweiwertige Logik“) gilt zunächst für Alltagszusammenhänge, sie bewährt sich in der Darstellung von Vorgängen, die sich in dieser Welt ereignen. Es handelt sich also nicht um ein abstraktes philosophisches Prinzip, das der Wirklichkeit nachträglich „übergestülpt“ worden wäre. Wenn wir uns, und sei es beim Bibellesen, mit scheinbar widersprüchlichen Aussagen über innergeschichtliche Abläufe nur schwer zufrieden geben können, liegt es auch an dieser schöpfungsbedingten Prägung unseres Denkens. Beim Bemühen, vermeintlich Widersprüchliches zu harmonisieren, stellen wir oft die richtigen Fragen.
Grenzen der Logik
Allerdings sind auch bei positiver Bewertung der Möglichkeiten schöpfungsgemäßer Logik zwei grundlegende Einschränkungen zu berücksichtigen.
(1) Wir dürfen nie vergessen, dass auch unser geschöpfliches Denken vom Sündenfall betroffen und darum beim natürlichen Menschen gegen Gott gerichtet und auch beim Christen noch in hohem Maße irrtumsfähig ist.
Auch unser geschöpfliches Denken ist vom Sündenfall betroffen und deshalb auch beim Christen noch in hohem Maße irrtumsfähig
Selbst in den Fällen, wo wir „normale“ Denkregeln auf „normale“ Vorgänge anwenden, können wir grobe Fehler begehen und müssen immer für Korrektur offen bleiben. Auch im Hinblick auf die Richtigkeit bleibt unser Denken auf Gottes Bewahrung angewiesen. Zudem stehen uns nur begrenzt Hintergrundinformationen über weit zurückliegende Ereignisse zur Verfügung. Viele zum genaueren Verständnis erforderliche Details kennen wir einfach nicht.
(2) Wir dürfen die Regeln der Alltagslogik nicht zu einem Universalsystem überdehnen, mit dem wir die gesamte Wirklichkeit und alles Denken und am Ende Gott selbst (etwa seine Trinität und Souveränität) erfassen wollen. Blaise Pascal hat das in einem berühmten Dictum seiner Penseés betont:
„Die letzte Schlussfolgerung der Vernunft [damit auch der klassischen logischen Instrumente, WN] ist, dass es eine Vielzahl von Dingen gibt, die ihr Fassungsvermögen übersteigen. Sie ist nur schwach, wenn sie nicht zu dieser Einsicht gelangt.“15
Beim Überschreiten dieser Grenze würden wir das Instrumentarium der Logik auf einen Bereich anwenden, in dem es völlig überfordert wäre. Bildlich formuliert: Wenn wir eine Überschwemmung im Badezimmer beseitigen wollen, dürfte ein normaler Henkeleimer ausreichen. Dafür ist er geeignet. Aber um einen Baggersee trocken zu legen, reicht der Henkeleimer nicht aus. Mit dieser Aufgabe wäre das Instrument überfordert.
Wahrheit contra Widerspruch
Damit haben wir sowohl Einschränkungen als auch schöpfungsbedingte Möglichkeiten des logischen Zugangs im Hinblick auf biblische Aussagen bedacht. Wie ist von den genannten Voraussetzungen her nun ein „Widerspruch“ im Licht der Bibel zu bewerten? Mein Zwischenergebnis lautet: Da die Bibel einen absoluten Wahrheitsanspruch für ihre Aussagen erhebt und logische Widersprüche in Berichten über Geschehensabläufe als unwahre Aussagen bewertet werden müssen, die nicht zur Schöpfungsordnung und nicht zum Wesen des Schöpfers passen, sollten wir in einer umfassend wahren Bibel keine Widersprüche erwarten! Mit anderen Worten: Da Wahrheit und Widerspruch nicht zusammenpassen, darf der Bibel kein Widerspruch unterstellt werden.
Für einen bibeltreuen Zugang ergibt sich darum die Aufgabe, bei schwierigen Textstellen besonnen, demütig und geduldig nach einer Lösung zu suchen. Die Bibel ist auch dann irrtumslos,
Es ergibt sich die Aufgabe, bei schwierigen Textstellen besonnen, demütig und geduldig nach einer Lösung zu suchen
wenn wir nicht für jede Problemfrage eine überzeugende Antwort parat haben. Gerade weil die biblische Irrtumslosigkeit nicht von uns erst herzustellen oder zu beweisen wäre, sondern aufgrund ihrer göttlichen Inspiration unserer Denkbemühung vorausgeht,16 ist es umso verheißungsvoller, jeweils nach einer Erklärung zu suchen, die den vermeintlichen Widerspruch auflöst und Spannungsbefunde als sinnvolle Ergänzung erkennbar werden lässt. Die Erkenntnis fördernde Frage lautet nun: Wie können beide Aussagen in der Zusammenschau verstanden werden? Beide Texte sind von Gott inspiriert, beide sind also gleichzeitig wahr und fallen nicht unter das Verdikt des Widerspruchssatzes. Wie können wir den von Gott her bestehenden Zusammenhang angemessen erkennen und beschreiben?
Dieses Verfahren soll im Folgenden an einigen Beispielen demonstriert werden.
3 Die exegetische Praxis (I): Umgang mit scheinbaren historischen Widersprüchen17
Ein angemessener Umgang mit vermeintlichen Widersprüchen erfordert nicht nur die richtige Vorgehensweise, sondern zunächst eine angemessene geistliche Haltung des Forschers!
Gefordert ist nicht nur die richtige Vorgehensweise, sondern zunächst eine angemessene geistliche Haltung des Forschers
Dabei sollten wir gesonnen sein wie der Vater zweier Kinder, die ihm mit scheinbar widersprüchlichen Berichten von demselben Ereignis erzählen. Wenn wir „überzeugt sind, dass beide die Situation ehrlich und wahrheitsgemäß schildern“, gehen wir vor „wie bei einem Kriminalroman“, um die einzelnen Aussagen zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenzusetzen.18 Ich möchte hinzufügen: Wie viel mehr sollten wir bei Gottes Aussagen so vorgehen. Bezüglich unserer Kinder wissen wir, dass sie ehrlich sein wollen, im Hinblick auf den heiligen Gott wissen wir, dass er in jedem Fall ganz und gar wahrhaftig ist.
Darum lohnt es sich, nach einem zusammenhängenden Verständnis von noch widersprüchlich erscheinenden biblischen Aussagen zu forschen, weil wir wissen: Es gibt eine Lösung, auch wenn wir nicht sicher sein können, sie in jedem Fall schon jetzt zu finden.
Beispiel 1: Mit wieviel Eseln zog Jesus in Jerusalem ein?
Mt 21,7 spricht im Zusammenhang mit Jesu Einzug nach Jerusalem von zwei Eseln („sie brachten die Eselin und das Füllen“), dagegen findet sich bei Mk 11,4/ Lk 19,33/ Joh 12,14 nur der Hinweis auf einen Esel. Wie kommt es zu dieser Differenz? Während letztere nur das bis dahin unbenutzte Fohlen erwähnen, auf dem Jesus tatsächlich in Jerusalem einreitet, findet sich bei Matthäus – der genauso wie Johannes als Augenzeuge dabei gewesen sein dürfte – eine zusätzliche Information: Die Eselsmutter war auch mit dabei. Es wird jedoch nicht gesagt, dass Jesus auch auf diesem zweiten Tier reitet. Vielmehr ist zu bedenken, dass sich ein junges, unerfahrenes Tier im Trubel der geschilderten Ereignisse ruhiger verhält, wenn das Muttertier in der Nähe ist. Zwischen den zitierten Schriftstellen besteht folglich kein Widerspruch, sondern Matthäus bietet eine Ergänzung, die sich als mit den Berichten der anderen Evangelisten durchaus kompatibel erweist.19
Dass zwei Berichte sich in dieser Weise ergänzen, ist ein bis heute übliches Phänomen. Man denke an zwei Berichte über dasselbe Fußballspiel: Während der Bericht in Zeitung A sich auf die Schilderung des eigentlichen Spielgeschehens beschränkt, bedient Zeitung B den Leser mit zusätzlichen Hintergrundinformationen, etwa über das Verhalten der Trainer am Spielfeldrand. Jeder einfältige Zeitungsleser, der beide Texte miteinander vergleicht, kann ohne Schwierigkeiten erkennen, dass sie sich nicht gegenseitig widersprechen, sondern ergänzen.
Beispiel 2: Hat Markus falsch zitiert?
Mit folgendem Text versucht Gerhard Hörster die Irrtumsfähigkeit der Bibel zu belegen.20 In Mk 1,2-3 wird ein Mischzitat aus Mal 3,1 und Jes 40,3 folgendermaßen eingeführt:
- (2) wie geschrieben steht im Propheten Jesaja: „Siehe, ich sende meinen Boten vor Dir her, der deinen Weg bereiten soll“ (Mal 3,1)
(3) „Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn …“ (Jes 40,3).
Von den beiden zitierten Quellen wird nur der bekanntere Prophet namentlich benannt. Es handelt sich also um eine unvollständige, nicht jedoch um eine eigentlich falsche Angabe, aus der ein echter Widerspruch resultierte. Dieselbe Zitationsweise findet sich auch in anderen Zusammenhängen:
- Mt 27,9-10 zitiert sowohl aus Sach 11,12f. als auch Jer 19,1- 13. Wieder wird nur der wichtigere Prophet, in diesem Fall Jeremia, explizit als Quelle angegeben.
- Auch die Bibelexperten des Herodes bedienen sich dieses Verfahrens, indem sie das Mischzitat in Mt 2,6 – das eine Kombination von Mi 5,1 und 2Sam.5,2 („der mein Volk weiden soll“) aufweist – allein auf einen Propheten, in diesem Fall dürfte Micha gemeint sein, zurückführen.
Daraus lässt sich schließen, dass es seinerzeit wahrscheinlich ein übliches Verfahren war, in der dargestellten selektiven Weise zu zitieren, zumal die alttestamentlichen Originalquellen vielen Menschen bekannt gewesen sind und die Verfasser somit sehr leicht eines „Fehlers“ hätten überführt werden können.21
Es ist für den Historiker aber nicht legitim, aus heutiger Perspektive die damaligen Verfasser mit bestimmten formalen Standards zu konfrontieren und bei deren Nichtbeachtung „Irrtum“ zu diagnostizieren.
Beispiel 3: In welcher Reihenfolge hat Jesus dem Satan die Zitate aus 5Mose vorgehalten?
Anlässlich der Auseinandersetzung mit dem Teufel in der Wüste überwindet Jesus den Widersacher durch einen dreimaligen Verweis auf Schriftbelege aus dem Alten Testament: „Es steht geschrieben.“
Dabei zitiert er in Mt 4 zunächst 5Mose 8,3 (Mt 4,4), als zweites 5Mose 6,16 (Mt 4,7) und zuletzt 5Mose 6,13 (Mt 4,10). Der Bericht bei Lk.4 verweist auf dieselben Belegstellen, auch das Anfangszitat (5Mose 8,3= Lk 4,4) entspricht der Reihenfolge bei Mt. Die beiden Texte aus 5Mose 6 werden jedoch in umgekehrter Reihenfolge angeführt: 5Mose 6,13 an zweiter und 5Mose 6,16 an dritter Stelle.
Eindeutig liegt also eine unterschiedliche Abfolge der Zitate vor – aber beinhaltet das schon einen Widerspruch? Bei genauerer Analyse sehen wir, dass aufgrund der verwendeten Konjunktionen in diesem Fall nur Matthäus den Anspruch einer chronologischen Darstellungsweise erhebt (Mt 4,5 „tote“; Mt 4,8 „palin“). Dagegen verbindet Lukas die verschiedenen Gesprächsstationen nur mit einem unspezifischen „und“ (Griechisch „kai“).
Bei ihm liegt wohl eine inhaltliche Gewichtung vor, weshalb er die in seinen Augen möglicherweise schwerste Versuchung als letzte benennt.22
Auch diese unterschiedlichen Berichtsweisen sind uns durchaus bekannt und mindern nicht im geringsten die jeweilige Vertrauenswürdigkeit der Schilderungen. Während Darstellung A ein 3-Gänge-Menü in der chronologischen Abfolge schildert – von der Vorspeise über das Hauptgericht bis zum Nachtisch – kann Darstellung B dasselbe Menü in inhaltlicher Anordnung wiedergeben: Man hebt das Hauptgericht als Höhepunkt hervor und fügt dann ergänzend Vorspeise und Nachtisch an. Obwohl beide Berichte sich in der Schilderungsreihenfolge unterscheiden, liegt zwischen ihnen kein logischer Widerspruch vor.
Beispiel 4: Was hörten und sahen die Begleiter des Paulus bei dessen Bekehrung (nicht)?
In der Apostelgeschichte dokumentiert Lukas die Bekehrung seines Hauptzeugen, Paulus, an drei verschiedenen Stellen: Es handelt sich um die Kapitel 9,22 und 26. Dabei erhalten wir auch Informationen darüber, was den Begleitern des Paulus in jenem Augenblick widerfuhr, als der spätere Apostel von Jesus Christ gerufen und von seinem Licht geblendet wurde.
Apg 9,7 berichtet: „Sie (die Begleiter) hörten wohl die Stimme, aber sie sahen niemanden.“
Apg 22,9 schildert dieselbe Situation mit diesen Worten:
„Sie sahen zwar das Licht, aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht.“
Diese beiden Berichte werden gern als Beispiel für innerbiblische Widersprüche angeführt. Im ersten Text hören die Begleiter und sehen nicht, im zweiten ist es genau umgekehrt: Sie sehen, aber hören nicht.
(1) Was sehen die Begleiter des Paulus: Sie sehen keine Person (9,7: „niemanden“), aber sie sehen das grelle Licht (22,9), welches den Paulus zwischenzeitlich erblinden lässt. Die beiden Verse beziehen sich also jeweils auf unterschiedliche Objekte des Sehens und ergeben keinen Widerspruch.
(2) Was hören die Begleiter des Paulus: Der Ausdruck „eine Stimme hören“ kann im Griechischen sowohl das akustische Wahrnehmen eines Geräuschs (ohne Verständnis des Inhalts) als auch das inhaltliche Verstehen von Worten und Wörtern bezeichnen. Im ersten Fall kann das Nomen (Stimme, griech. phoné) im Genitiv stehen, im zweiten Fall ist i.d.R. der Akkusativ zu erwarten.23 Dieser Befund legt nahe, dass in Apg 9,7 (phoné im Genitiv) von einem unverständlichen Geräusch die Rede ist, in Apg 22,9 (phoné im Akkusativ) dagegen von einem inhaltlichen Verstehen gesprochener Worte. Ersteres haben die Begleiter wahrgenommen, letzteres war ihnen verwehrt.
Diese Differenzierung wird durch den dritten Bericht eindrücklich bestätigt, wo es in Apg. 26,14 von Paulus heißt, dass er (! „hörte ich“) eine Stimme hörte (phoné im Akkusativ). Und dann folgt ein Zitat der Worte, die Jesus in dieser Situation zu ihm gesprochen und die Paulus eindeutig verstanden hat. Obwohl Paulus im unmittelbar vorausgehenden Nebensatz (V. 14a) noch von einer ihm und seinen Begleitern gemeinsamen Aktion berichtet („wir waren niedergefallen“), begrenzt er das verstehende Hören der Stimme ausdrücklich auf seine Person („hörte ich“, V. 14b). Das entspricht präzise der differenzierten Verwendung von phoné, wie wir sie für Apg. 9,7 und 22,9 festgestellt hatten.
Damit liegt im Hinblick auf das Ergehen der Begleiter ein eindeutiger Befund vor:
- Sie sehen nicht die Person Jesu (9,7), aber nehmen ein helles Licht wahr (22,9).
- Sie hören das Geräusch einer Stimme (9,7: phoné im Genitiv).
- Sie verstehen jedoch nicht, was diese Stimme sagt (22,9: phoné im Akkusativ).
- Dieses Verstehen der Worte Jesu bleibt Paulus vorbehalten (26, 14b: phoné im Akkusativ).
Bei genauer Wahrnehmung der Textbefunde wird deutlich, dass die verschiedenen Berichte einander keineswegs widersprechen. Im Gegenteil bieten sie eine so präzise Differenzierung des Sachverhalts, dass es detaillierter grammatikalischer Kenntnisnahme bedarf, um diesen angemessen zu verstehen.
Suche nach Textharmonie fördert Präzision der Exegese
Die jeweiligen Lösungsvorschläge sind nicht das letzte exegetische Wort und müssen immer für neue und bessere Erkenntnisse offen bleiben. Sie können aber zeigen: Was auf den ersten Blick als historisch widersprüchlich erscheint, lässt sich bei gründlicher Betrachtung auch anders erklären und verstehen. Nicht immer ist eine einfache Lösung möglich und wir behaupten nicht, für jede Problemfrage eine Patentantwort vorlegen zu können. Manchmal fehlen uns einfach auch einzelne Informationen, die das Problem sofort in einem neuen Licht erscheinen lassen würden.
Prinzipiell gilt jedoch: Wer gründlich fragt und akzeptiert, dass alle Bibeltexte im ungebrochenen Sinne wahr sind, exegetisch mehr entdeckt und den Befund differenzierter wahrnimmt als jener, welcher der Heiligen Schrift Widersprüche und Irrtümer unterstellt. Das Vertrauen in die biblische Irrtumslosigkeit und die Suche nach Möglichkeiten der Harmonisierung erweist sich nicht als „Scheuklappe“, sondern als exegetisch außerordentlich konstruktiver Zugang.24 Wenn Gott, der eigentliche Autor der Bibel, für sich selbst vollkommene Wahrheit und Perfektion in Anspruch nimmt, dann gilt das auch für sein Offenbarungshandeln in der Heiligen Schrift. Noch mal sei erinnert, dass das Grundprinzip der Widerspruchsfreiheit, die antithetische Struktur der Wirklichkeit, nicht von Aristoteles erfunden, sondern vom Schöpfer selbst vorgesehen ist. Darum handelt es sich um eine unhaltbare Unterstellung, wenn man denen, die an der Irrtumslosigkeit der Bibel festhalten und aus Liebe zu Christus und seinem Wort alle Aussagen der Bibel als wahrhaftig annehmen wollen, vorwirft, sie ließen sich die Fragestellung ihrer liberalen Gegner aufzwingen.
Nein, nicht das Wort der Bibelkritiker steht am Anfang – sondern das Wort des lebendigen Gottes. Er offenbart seine Wahrheit ohne jeden Makel und erhebt implizit den Anspruch der Irrtumslosigkeit seines Wortes. Danach erst treten die Bibelkritiker auf den Plan und unterstellen der Heiligen Schrift Irrtümer und Widersprüche. Wenn wir dann bekennen, dass die Bibel makellos ist und das Irrtumsverdikt zurückweisen, dann nehmen wir nicht das Thema unserer Gegner auf, sondern berufen uns auf jenes Wort zurück, das der Herr am Anfang gesprochen und gegeben hat. Diesem Wort wollen wir treu bleiben – bibeltreu.
Beim theologischen Ringen um die Irrtumslosigkeit geht es nicht um kleinkarierten Streit, sondern um eine Grundhaltung, die Jesus Christus von seinen Jüngern fordert und die er in uns wachsen lassen will.
Beim theologischen Ringen um die Irrtumslosigkeit geht es nicht um kleinkarierten Streit, sondern um eine Grundhaltung, die Jesus Christus von seinen Jüngern fordert
Es geht um die Haltung unseres Herzens – und damit auch um die Prägung unseres Denkens durch Christus (2Kor 10,5), die sich dann in der exegetischen Vorgehensweise bewähren soll. Es geht also nicht nur, und nicht einmal in erster Linie, um eine intellektuelle Frage, sondern hier ist mein persönliches Verhältnis zu meinem HERRN gefragt. Bin ich bereit, die Bibel als das anzunehmen, als was ER sie mir in die Hand legt? Und ER hat gesagt:
„Die Schrift kann nicht gebrochen werden“ (Joh 10,35).
In einem letzten Gedankengang ist noch an eine weitere Kategorie scheinbarer Widersprüche zu erinnern. Diese werden uns an die Grenzen der Zuständigkeit klassischer Logik führen.
4 Die exegetische Praxis (II): Umgang mit scheinbaren theologischen Widersprüchen
Die betroffenen biblischen Aussagezusammenhänge erweisen sich nicht als unlogisch, sondern als hochkomplexe Lehren, die wir mit den uns vertrauten Denkbewegungen nur teilweise einholen können. Hier stoßen wir auf Spannungsbefunde, die man nicht mehr vollständig harmonisieren kann und darf. Hier muss auch Aristoteles die Waffen strecken. Dennoch hat Gott auch diese Wahrheiten offenbart, damit wir ihnen – eingedenk unserer Grenzen – demütig und staunend nachzudenken versuchen. ER will uns schrittweise an diese Lehren heranführen, auch wenn wir sie in vollem Umfang erst im Himmel verstehen werden!25
Die Wahrheit der Trinität, wonach der eine Gott zugleich der Dreieine ist, sprengt den absoluten Anspruch des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten. Die Entweder- Oder-Struktur ist aufgehoben und überboten.
Gleiches gilt für die Wahrheit über den Mensch gewordenen Sohn Gottes, der sowohl ganz Mensch und ganz Gott ist. Das vere Deus wäre A, das vere homo Nicht-A. Dennoch offenbart Gott in der Bibel, dass beide Aussagen gleichzeitig wahr sind – gegen den Absolutheitsanspruch des Widerspruchssatzes.
Das nächste Beispiel betrifft die biblische Einordnung des Gebetes. Gott weiß und gibt souverän, was seine Kinder brauchen – noch bevor wir irgendeinen Gebetsgedanken gedacht haben (Mt 6,8). Zugleich sagt derselbe Gott, dass unser Beten fundamental wichtig ist – und dass wir oft nicht haben, weil wir nicht bitten (Jak 4,2). Gott ist völlig souverän, und zugleich ist der Mensch ganz verantwortlich. Beides gilt zugleich.
Erwählung und/oder Bekehrung ?
Einen der markantesten biblischen Spannungsbefunde stellt das Verhältnis von Erwählung und Bekehrung dar. In der evangelistischen Verkündigung wird deutlich, dass es ohne Umkehr und Glaube kein Heil gibt. Der Christ aber dankt Gott für seine Bekehrung und beansprucht kein Verdienst für seine Rettung. Er weiß: Ich durfte mich nur bekehren, weil Gott mich zu sich gezogen hat.26 Gott ist völlig souverän. Wir sind zu 100% auf sein Erwählungshandeln angewiesen. Zugleich wird der Mensch als voll verantwortlich angesprochen und zu bewusster Bekehrung und Glauben aufgefordert.
Wieder setzt das Neue Testament den Satz vom ausgeschlossenen Dritten souverän außer Kraft. Danach könnten die Fundamentalaussagen des sola gratia (allein die Gnade) und des sola fide (allein der Glaube) nicht gleichzeitig wahr sein. Entweder – oder, tertium non datur.
Demnach wäre es undenkbar, dass ein Mensch sein Heil ganz dem Erwählungshandeln Gottes verdankt (sola gratia) und zugleich allein durch den Glauben an Christus gerettet wird (sola fide).
Hier sprengt der allmächtige Gott unsere begrenzte Alltagslogik einfach auf
Das können wir gedanklich nicht mehr harmonisieren. Hier sprengt der allmächtige Gott unsere begrenzte Alltagslogik einfach auf. Und doch stürzt er uns damit nicht ins Ungewisse, sondern sagt genauso klar, wo wir sicheren Halt und unzerstörbaren Trost und eine ewige Erlösung finden: allein in Zuflucht zu Christus, dem Retter.
Naturwissenschaften leisten Verstehenshilfe
Aber sogar an dieser Stelle, wo wir den scheinbaren „Widerspruch“ nicht mehr auflösen und ermäßigen können, sogar hier, wo Gott uns diese Spannung zwischen seiner Souveränität und unserer Verantwortung mit voller Wucht zumutet, kommt er gerade uns Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts so weit entgegen, dass er uns eine Denkhilfe aus der Naturwissenschaft gibt.
Auch in der modernen Naturwissenschaft, vor allem seit Entwicklung der Quantentheorie, wird die klassische Logik an ihre Grenzen geführt und an bestimmten Stellen außer Kraft gesetzt. Dies lässt sich am Beispiel des Welle-Korpuskel-Dualismus demonstrieren, zu dessen Verständnis – ähnlich wie beim „Erwählungs-Bekehrungs-Dualismus“ – die Mittel der aristotelisch formulierten Grundgesetze nicht mehr ausreichen. Das Licht kann sowohl körperhaft (Teilchen) als auch als Wellenbewegung dargestellt werden. Obwohl beide Modelle sich nicht zur Synthese harmonisieren lassen, können sie nur miteinander auf das Ganze verweisen.27
Die Folgen dieser Einsicht für die Erkenntnistheorie hat Werner Heisenberg in einem Aufsatz über Sprache und Wirklichkeit in der modernen Physik (1959) benannt. Darin erläutert er, wie die Quantenphysik zu einer Relativierung der dogmatischen Gültigkeit des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten geführt habe. Es habe
„sich ergeben, dass das mathematische Schema der Quantentheorie als eine Erweiterung oder Modifikation der klassischen Logik gedeutet werden kann. Es ist insbesondere ein Grundaxiom der klassischen Logik, das offenbar abgeändert werden muss. In der klassischen Logik wird angenommen, dass, sofern eine Behauptung überhaupt einen Sinn hat, entweder die Behauptung oder die Negation der Behauptung korrekt sein muss. (…) Tertium non datur, eine dritte Möglichkeit existiert nicht … In der Quantentheorie muss offenbar dieses Gesetz tertium non datur abgeändert werden.“28
An anderer Stelle erinnert Heisenberg daran, „dass selbst in der exaktesten Wissenschaft, der Mathematik, der Gebrauch von Begriffen, die innere Widersprüche enthalten, nicht vermieden werden kann“29. Wenn man seine von der Alltagslogik geprägten Vorurteile zurücklasse und sich in die Spannungsbefunde hineindenke, werde zunehmend deutlich, dass diese nur „scheinbaren inneren Widersprüche“ (wie auch Heisenberg sie nennt!) zur differenzierten Beschreibung bestimmter komplexer Zusammenhänge unverzichtbar seien:
„Wer die Quantentheorie wirklich verstanden hat, würde aber gar nicht mehr auf den Gedanken kommen, hier von einem Dualismus [im negativen Sinn, WN] zu sprechen. Er wird die Theorie als eine einheitliche Beschreibung der atomaren Phänomene empfinden, die nur dort, wo sie zur Anwendung auf die Experimente in die natürliche Sprache übersetzt wird, recht verschieden aussehen kann. Die Quantentheorie ist so ein wunderbares Beispiel dafür, dass man einen Sachverhalt in völliger Klarheit verstanden haben kann und gleichzeitig doch weiß, dass man nur in Bildern und Gleichnissen von ihm reden kann [also nicht in einer letzten sprachlogischen Stringenz, WN]. Die Bilder und Gleichnisse, das sind hier im Wesentlichen die klassischen Begriffe, also auch ‚Welle‘ und ‚Korpuskel‘.“30
Wenn aber schon bei der Beschreibung des Lichts die Aussagemöglichkeiten der klassischen Logik an ihre Grenzen stoßen, wie viel mehr müssen wir damit rechnen, dass sie überfordert ist, wenn es um ewige Wahrheiten über den unendlichen Gott und sein Erlösungshandeln geht. Darauf hat der Physiker Bernhard Philberth verwiesen:
„Können wir denn erwarten, dass sich Gott, der Herr und Schöpfer der Welt samt allen Denkens und aller Denkgesetze und Denkmöglichkeiten, mit Denkoperationen umfassen lässt, die sich nicht einmal die Lichtquanten bieten lassen?“31
Wir werden daran erinnert, dass Gott nicht nur die Gesetzmäßigkeiten in die Schöpfung eingestiftet hat, wie sie Aristoteles im 4. Jahrhundert vor Christus formulierte. Sondern ER hat offensichtlich auch jene Strukturen geschaffen, die erst im 20. Jahrhundert nach Christus von der modernen Quantenphysik entdeckt wurden.
Gott hat nicht nur die Gesetzmäßigkeiten in die Schöpfung eingestiftet, sondern auch jene Strukturen geschaffen, die erst im 20. Jahrhundert von der modernen Quantenphysik entdeckt wurden
Beide Dimensionen finden wir in der Heiligen Schrift wieder: die Darstellung von historischen Zusammenhängen und „normalen“ Ereignissen entsprechend der klassischen logischen Denkweise – und die Überbietung jener Denkweise. Die Bibel lehrt uns viele Wahrheiten (über Gott und Gebet und Erlösung), die weit über die altvertraute Alltagslogik hinausgehen, die uns demütigen und zugleich staunen lassen und froh machen. Die Bibel führt uns in Bereiche, wo Aristoteles schon längst aufgeben muss. Erst im Himmel werden wir dies ganz begreifen.
So nimmt es die Heilige Schrift mit Aristoteles genauso souverän auf wie mit Heisenberg. Sie ist beiden in gleicher Weise überlegen – und ihr Autor hat doch beide erst möglich gemacht. Denn sowohl Aristoteles als auch Heisenberg konnten mit je ihren Mitteln in der Schöpfung nur wiederfinden, was der ewige Gott dort hineingelegt hatte. Und obwohl die Bibel uns an solche komplexen Wahrheiten heranführt, ist sie zugleich völlig zuverlässig, akkurat und irrtumslos selbst dort, wo sie über „normale“ geschichtliche Begebenheiten redet.
Ausblick
Darum tun wir gut daran, uns dieser Heiligen Schrift ganz zu unterstellen. Wir tun gut daran, auch immer wieder mit Argumenten die Widerspruchsfreiheit der Bibel zu begründen.
Wir tun einen Liebesdienst an jenen Zweiflern, denen man eingeredet hat, die Bibel sei voller Widersprüche
Das ist ein Liebesdienst an unseren Mitchristen, der ihren Glauben stärkt und ihre Freude am Bibelstudium fördert. Und es ist ebenso ein Liebesdienst an jenen Zweiflern, denen man eingeredet hat, die Bibel sei voller Widersprüche, und die es deshalb nicht wagen, ihren Worten zu vertrauen.
Die Gegner des Glaubens haben – mehr als manche Christen – ein Gespür dafür, wie leicht man mit dem Hinweis auf die vermeintlichen Widersprüche der Bibel Menschen vom Evangelium und dem lebendigen Gott abhalten kann. Hermann Samuel Reimarus, ein knallharter Bibelkritiker des 18.Jahrhunderts, hat es so formuliert:
„Wenn eine vorgegebene Offenbarung etwas enthält, das sich selbst klar und deutlich widerspricht … so mag auch ein Engel vom Himmel ein solches Evangelium predigen, wir können ihm dennoch unmöglich glauben.“32
Reimarus wurde bekannt dafür, dass er krampfhaft und eifrig nach Widersprüchen in der Bibel suchte.
Der heilige Gott hat es nicht nötig, dass wir sein Wort gegen Reimarus und Gleichgesinnte verteidigen müssten. Aber er hat uns den Auftrag gegeben, für seine Wahrheit zu kämpfen um der vielen willen, die sie heute noch hören müssen. Darum ist es so wichtig, dass der Bibelbund ein Turm in dieser Schlacht bleibt und sich in der öffentlichen Debatte vielleicht in Zukunft noch deutlicher und vernehmbarer äußert, als dies in der Vergangenheit geschah.
Nicht zuletzt im eigenen evangelikalen Lager wird es immer nötiger sein, dass wir als Bibelbund in der Schriftfrage Position beziehen. Unsere Satzung bietet dafür ein Banner, das wir immer wieder mutig hissen sollten:
„Sie [die Mitglieder des Bibelbundes] halten an der völligen Zuverlässigkeit und sachlichen Richtigkeit aller biblischen Aussagen – auch in geschichtlicher und naturkundlicher Hinsicht – sowie ihrer uneingeschränkten Geltung in ihrem heilsgeschichtlichen Zusammenhang fest. Sie bezeugen, dass die Bibel keine wirklichen Widersprüche enthält, sondern eine von Gott gewirkte Einheit ist.
Durch sie schafft Gott den Glauben. Sie ist in allem, was sie sagt, uneingeschränkte göttliche Autorität und Norm für Lehre und Leben.“
Markenzeichen „bibeltreu“. Die Bibel richtig verstehen, auslegen, anwenden, Giessen/Witten 1990, 43-44. ↩
A.a.O., 44f.. Der biblische Befund legt eine andere Lösung nahe, siehe hier Beispiel 2 S. 24. ↩
Nicht auf der Schrift, sondern unter ihr, Lahr 2000, S.14/Fußnote 3. ↩
A.a.O., S. 86f. Vgl. dazu die berechtigte Kritik von R. Möller, An Bibeltreue nicht zu überbieten?, Dornach/CH 2001, S. 78-80. ↩
Hempelmann, op.cit., S. 30. ↩
Hörster konstatiert: „Alle, die für die Wahrheit der Bibel kämpfen wollen, haben sich den Begriff [irrtumslos] von den Gegnern aufdrängen lassen…… Welch ein falscher Ansatz.“ (Markenzeichen „bibeltreu“, S. 44). Ebenso wertet Hempelmann, dass bei den Vertretern der Irrtumslosigkeit „ein rationalistisches, philosophisch-heidnisches…Wahrheitsdenken“ vorliege, das Gott „vom Schriftsteller zum Buchhalter“ mache und darum „nicht bibeltreu“ sei (in: Gemeinsame Liebe: Wie Evangelikale die Autorität der Bibel bestimmen, Bad Liebenzell 2001, S. 33.51ff. u.ö.). ↩
Dem entspricht auf Seiten des Gläubigen die Einheit von persönlichem Vertrauen zu Gott (fiducia, bzw. fides qua), das sich auf die Kenntnis und Anerkenntnis objektiv vorgegebener biblischer Wahrheiten stützt (notitia, bzw. fides quae). ↩
Vgl. dazu H. von Siebenthal, „Wahrheit“ bei den Althebräern. Anmerkungen zur Diskrepanztheorie aus linguistischer Sicht, in: H. Stadelmann (Hg.), Liebe zum Wort, Nürnberg 2002, S. 72-93. Darin belegt er, „dass das uns geläufige Wahrheitskonzept den Althebräern nicht nur nicht fremd war, sondern in ihrem Leben eine geradezu zentrale Rolle spielte“ und dass demzufolge Wahrheit „als Übereinstimmung mit den Tatsachen“ zu verstehen sei (a.a.O., S. 92). ↩
Zum Schriftverständnis Jesu siehe ausführlicher meinen Aufsatz Die Vertrauenswürdigkeit der Bibel, in: BuG 1/02, 102. Jg., v.a. S. 5-10. ↩
Hier verfährt man getreu dem Motto: Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenschlagen und es klingt hohl, dann muss das noch lange nicht an dem Buch liegen. ↩
Von Immanuel Kant stammt die Feststellung, dass die Logik seit Aristoteles keinen Schritt rückwärts oder vorwärts getan habe, sondern mit ihm vielmehr vollendet zu sein scheine (Kritik der reinen Vernunft, Vorrede zur 2. Auflage). ↩
Vortragsmanuskript Widersprüche in der Bibel, S. 1 (noch unveröffentlicht). ↩
Siehe dazu W. Härle, Systematische Philosophie, München 1987, S. 70-73. ↩
Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist u. a. für das Schlussverfahren des indirekten Beweises wichtig. Wenn B widerlegt ist, muss Nicht-B gelten, da immer eine von beiden Aussagen Gültigkeit hat (tertium non datur). Beide Aussagen können nicht gleichzeitig falsch sein. ↩
Penseés, Reclam-Ausgabe 1621 [2], Stuttgart 1978, S. 136. ↩
Auf diese Fundamentalbegründung verweist auch Artikel XV der Chicago-Erklärung zur biblischen Irrtumslosigkeit: „Wir bejahen, dass die Lehre von der Irrtumslosigkeit in der Lehre der Bibel über die Inspiration ihren Grund hat. Wir verwerfen die Ansicht, dass man die Aussagen Jesu über die Schrift durch Berufung auf eine Anpassung oder auf irgendeine natürliche Begrenzung seiner Menschheit abtun könne“ (zitiert nach H. Jochums, Hg., Die Bibel ist Gottes Wort, Wuppertal 2000, S. 133). ↩
In diesem Rahmen sind keine ausführlichen exegetischen Untersuchungen möglich, die kurzen Hinweise zeigen jedoch an, in welcher Richtung nach fruchtbaren Lösungen zu suchen ist. Zur Vertiefung und für weitere Fallbeispiele verweise ich auf R. Schultz, Die sogenannten Widersprüche im Alten Testament, Teile 1 (BuG 4/1999, S. 273-283) und 2 (BuG 1/2000, S. 24-33). Als – wenn auch ergänzungsbedürftiger – Klassiker gilt G. L. Archer, Encyclopedia of Bible Difficulties, Grand Rapids 1982. Hilfreich (leider noch unveröffentlicht) ist die mir vorliegende Seminararbeit von Hermann Mühlich, Widersprüche innerhalb der Bibel?, Gießen 2000. Weiter zu beachten sind S. Holthaus/K.-H. Vanheiden (Hg.) Die Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel, Nürnberg: VTR 2001; W. Arndt, Bible Difficulties and Seeming Contradictions, St. Louis 1987; W. Gottwald, Fehler in der Bibel?, Bad Liebenzell 1975. Auch gründliche Bibelkommentare gehen i.d.R. auf die des Widerspruchs verdächtigten Passagen ein und bieten harmonisierende Lösungsvorschläge. ↩
Der Vergleich stammt von Richard Schulz, op.cit., Teil 1, S. 283. ↩
Man hat auch auf die alttestamentliche Verheißung Sach 9,9 verwiesen. Diese Aussage kann aber sowohl als hebräischer Parallelismus verstanden als auch auf zwei verschiedene Tiere bezogen werden. Beide Deutungen lassen sich mit dem neutestamentlichen Befund verbinden. ↩
Hörster, op. cit., S. 44-45. Seine These lautet: „Die Lehre von der Irrtumslosigkeit der Bibel in allen ihren Aussagen ist als Schutz gedacht, scheitert aber an der realen Gestalt der Bibel“ (a.a.O., S. 43). ↩
Vgl. Archer, Encyclopedia, S. 345:
„Nur der bekanntere Prophet wird namentlich genannt. Weil das die normale literarische Praxis des ersten Jahrhunderts nach Christus war, in dem die Evangelien geschrieben wurden, kann deren Autoren nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie sich nicht der modernen Praxis präziser Fußnoten bedienten“ (Übersetzung WN). ↩
Diese Lösung schlägt auch G. Maier vor:
„Da nur Matthäus die Worte ‚dann‘ oder ‚darauf‘ benutzt, während Lukas alle Teile durch ein schlichtes ‚und‘ verbindet, deutet Matthäus an, daß er tatsächlich eine Reihenfolge im Auge hat. Lukas aber will gar keine zeitliche Abfolge bieten. Statt dessen stellt Lukas die in seinen Augen schwerste Versuchung an den Schluß. Er gliedert also sachbezogen und inhaltlich, nicht chronologisch. Die schwerste Versuchung aber scheint für ihn diejenige gewesen zu sein, in der der Teufel das Heilige, nämlich die Heilige Schrift, den Tempel und die Gottesstadt mißbraucht“ (Lukasevangelium, 1.Teil, Neuhausen 1991, S. 167f.). Einen ähnlichen Vorschlag präsentiert Archer, op. cit., S. 320. ↩
So M. J. Harris, Art. „phoné“, in: The New International Dictionary of New Testament Theology, hg. von Colin Brown u.a., Bd. 3, Grand Rapids 1986, S. 114. Siehe ebenso die Argumentation von Mühlich, op.cit., S. 18. ↩
Das wird auch durch einzelne Probleme, für die sich noch keine befriedigenden Lösungen gefunden haben, nicht in Frage gestellt, wie die Verwerfung in Artikel XIV der Chicago-Erklärung zur biblischen Irrtumslosigkeit betont: „Wir verwerfen die Ansicht, daß angebliche Fehler und Diskrepanzen, die noch nicht gelöst wurden, den Wahrheitsanspruch der Bibel hinfällig machten“ (zitiert nach H. Jochums, Hg., Die Bibel ist Gottes Wort, S. 132). ↩
Die Verheißung von 1Joh 3,2 gilt auch für unser Erkenntnisvermögen. ↩
Eine ausführliche exegetische und systematische Behandlung dieses Spannungsbefundes und seiner Bedeutung für die evangelistische Verkündigung findet sich in meiner Dissertation: Erwählung und/oder Bekehrung? Das Profil der evangelistischen Predigt und der Testfall Martyn Lloyd-Jones, Aachen 2002. ↩
Zur Anwendung dieser Denkfigur auf die Verhältnisbestimmung von Erwählung und Bekehrung siehe a.a.O., S. 323-328. ↩
W. Heisenberg, Gesammelte Werke, Abteilung C, Band II, S. 175. ↩
Die Rolle der modernen Physik in der gegenwärtigen Entwicklung des menschlichen Denkens, in: a.a.O., S. 181-201, 195. Vgl. ferner Änderungen der Denkstruktur im Fortschritt der Wissenschaft, in: Gesammelte Werke, Abteilung C, Band III, S.350-358. ↩
Positivismus, Metaphysik und Religion, 1952, in: Gesammelte Werke, Abt. C, Bd. III, S. 284f. ↩
B. Philberth, Der Dreieine, Stein am Rhein 1974, S. 45. ↩
Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes, Bd. I, Frankfurt 1972, S. 54-55. ↩