ThemenGeschichte der Christen

Menno Simons und der linke Flügel der Reformation

Wer heute von der Re­for­mation spricht, denkt meistens an die großen Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin und an die aus ihrem Werk hervorgegangenen Kirchen, die lutherischen und die reformierten Kirchen. Für die Arbeit dieser Männer wollen wir dem Herrn dankbar sein! Was aber oft vergessen wird, ist, dass es neben ihnen noch andere gab, die es ebenso verdient hätten, in die Reihe der Großen eingereiht zu werden, die aber in der Vergangenheit – und oftmals heute noch – verachtet wurden. Um dem vorhandenen Ungleichge­wicht entgegen zu wirken, wollen wir Leben und Werk eines anderen Großen im Reich Gottes betrachten und daraus einige Lektionen für uns selbst lernen.
Es soll uns um Menno Simons gehen. Auch dessen Werk sollte bei uns in Ehren gehalten werden, denn auch er zählt zu den Menschen, von denen Daniel 12,3 sagt: „Und die da lehren, werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“

Im Zug der Reformation des 16. Jahrhunderts verschaffte sich eine Bewegung Raum, die man allgemein als den linken Flügel der Reformation oder auch die dritte Reformation bezeichnet. Ein Teil dieser Bewegung setzte sich vehement für die Großtaufe ein und geriet durch ihr radikales Auftreten mit den Obrigkeiten aneinander. Ein anderer Teil zeichnete sich durch ernsthaftes Bibelstudium, Gebet, Liebesdienst und die Nachfolge von Jesus Christus aus. Die bedeutendste Person dieser Gruppierung war wohl Menno Simons, auf den die heute in der ganzen Welt weit verbreiteten Mennoniten zurückgehen. Nach Kriegsende zählten sie 1949 weltweit 400.000 Glieder.

1. Menno Simons Leben

1.1 Von seiner Geburt bis zu seiner Bekehrung

Über Mennos Familienhintergrund und seine Geburt ist nicht allzu viel bekannt. Er wurde um das Jahr 1492 oder 1496 in Witmarsum in Friesland geboren, also noch bevor Martin Luther mit seinem Thesenanschlag an die Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 die Reformation einleitete. Über seine Jugendjahre wissen wir ebenfalls nicht viel. Seine Eltern waren wohl überzeugte Katholiken, die gerne wollten, dass aus ihrem Sohn einmal etwas wird. Deshalb gaben sie ihm eine Ausbildung, die ihm für die Zukunft einen glänzenden Weg eröffnete. Menno studierte Theologie. Als Student der römisch-katholischen Theologie lernte er Lateinisch und die Kirchenväter und studierte die Kirchengeschichte, bekam aber keine rechte Ausbildung in der Heiligen Schrift. Als er im Jahre 1524 zum Priester geweiht wurde und seine erste Stelle in Pingjum im Holsteinischen antrat, hatte er noch nie in der Bibel gelesen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war er ein überzeugter Katholik, der sich nicht im Geringsten träumen ließ, dass er einmal einer reformatorischen Bewegung beitreten würde. Es waren drei Ereignisse, die den Lauf seines Lebens dann entscheidend änderten.

Zweifel an der Lehre von der Trans­­substantiation

„Im ersten Jahr seiner Priesterschaft kam ihm plötzlich, während er die Messe zelebrierte, der Gedanke, dass die Lehre von der Transsubstantiation (der Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut von Christus) vielleicht nicht wahr sei. Menno war über diesen Angriff des Teufels – so deutete er diesen Gedanken – tief erschrocken und versuchte, ihn aus seinem Denken zu verbannen“.1

Er konnte aber diesen Gedanken nicht mehr los werden. Erschüttert und verunsichert suchte Menno Hilfe bei seinem Beichtvater und seinen Oberen. Sie wurde ihm aber nicht zuteil, und so wurde er mit dem allein gelassen, was er von Kindesbeinen an gelernt hatte und was das Konzil von Trient 1551 dann so formuliert hat (es hat bis heute in der katholischen Kirche Gültigkeit!):

„Durch die Weihe von Brot und Wein vollzieht sich die Wandlung der ganzen Brotsubstanz in die Substanz des Leibes von Christus, unserem Herrn, und der ganzen Weinsubstanz in die Substanz seines Blutes. Wer leugnet, dass im Sakrament der heiligsten Eucha­ristie wahrhaft, wirklich und wesentlich der Leib und das Blut zugleich mit der Seele und mit der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus und folglich der ganze Christus enthalten ist, und behauptet, er sei in ihm nur wie im Zeichen, im Bild oder in der Wirksamkeit, der sei ausgeschlossen.“2

An einem Tiefpunkt angelangt und voller Verzweiflung griff Menno zu einem Neuen Testament und begann, darin zu lesen. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass das Neue Testament die römisch-katholische Sakramentsauffassung nicht zu unterstützen schien. Daraufhin suchte er Rat in den Schriften Martin Luthers. 1528 kam er aufgrund Luthers Schriften zu der Überzeugung, dass die Verwerfung einer Lehre, die nicht in der Schrift gründet, nicht den ewigen Tod zur Folge hat.

Erste wichtige Lektion für uns heute

Die römisch-katholische Kirche schließt diejenigen aus, die gemäß dem Zeugnis der Heiligen Schrift glauben, dass sich die Elemente Brot und Wein bei der Feier des Abendmahls nicht in Fleisch und Blut von Christus verwandeln. 1. Korinther 11,24 bezeugt, dass es sich beim biblischen Abendmahl um ein Gedächtnismahl und nicht, wie nach katholischer Lehre, um eine Opferfeier handelt. Nachdem unser Herr Jesus Christus das Abendmahl feierlich eingesetzt hatte, spricht er durch die Feder des Apostels Paulus immer noch von „diesem Brot“ und von „dem Kelch“ (1Kor 11,26-27).

Wer heute meint, ökumenische Bestrebungen und die Rückführung in den Schoß der katholischen Kirche fördern zu sollen, der muss wissen, dass er damit seinen Herrn verrät! Er wird im Fall einer Wiedervereinigung mit der römischen Kirche nicht mehr am biblischen Abendmahl teilnehmen, sondern an einer katholischen Opferfeier. Er wird die angeblich in den Leib von Christus verwandelte Hostie anbeten müssen:

„So bleibt kein Zweifel, dass alle Christgläubigen nach der Weise, wie sie stets in der katholischen Kirche geübt wurde, diesem heiligsten Sakrament bei der Verehrung die Huldigung der Anbetung erweisen sollen, die man dem wahren Gott schuldet.“3

Wer aber ein Stück Brot anbetet, treibt Götzendienst! „Darum, meine Lieben, flieht den Götzendienst“ (1Kor 10,14). „Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener … werden das Reich Gottes ererben“ (1Kor 6,9-10). Deshalb: Hände weg von der katholischen Messfeier! Hände weg von Vereinigungsbestrebungen, die nicht auf der Grundlage der Heilige Schrift betrieben werden!

Die Hinrichtung Sikke Freerks Snijders

Das Jahr 1531 brachte das nächste Ereignis, das Menno Simons in seinem Herzen zutiefst erschütterte. Es kam ihm zu Ohren, dass ein Mann namens Sikke Freerks Snijder, der sich hatte „wiedertaufen“ lassen, hingerichtet wurde. Nie zuvor in seinem Leben hatte Menno etwas von einer zweiten Taufe gehört. Der Verdacht kam bei ihm auf, dass die katholische Lehre von der Taufe genau so falsch sein könnte, wie er es bei der Kommunion festgestellt hatte. Wieder zog er das Neue Testament und die Schriften der Reformatoren zu Rate, fand jedoch keine befriedigende Antwort, warum Kinder getauft werden. Als römischer Priester vollzog er immer noch die Säuglingstaufe, hörte Beichte und zelebrierte die Messe. Wir haben hier einen Mann vor uns, der auf der Suche nach der Wahrheit war. Seine Suche sollte nicht vergebens sein!

 Der Tod von Mennos Bruder

„Im Jahre 1535 wurde sein eigener Bruder in den niederländischen Wirbel revolutionären Täufertums hineingerissen und verlor sein Leben im Kampf gegen die Obrigkeit. Sein Tod bewegte Menno sehr! Sein armer, verführter Bruder war Manns genug, für das zu sterben, was er als die Wahrheit ansah, während Menno die Wahrheit kannte und ihr nicht folgte! Da gab ein im Gewissen bedrängter Priester vor Gott in tiefer und ernsthafter Buße seinen Widerstand auf.“4 Menno beugte sich vor Christus, bekannte seine Sünden und übergab sein Leben ganz dem Herrn. Sofort erhielt er die Gewissheit, dass seine Sünden vergeben sind und dass sein Leben von allem Unrat gereinigt und geheiligt war.

Wie es scheint, hielt er dann noch neun Monate seine Stellung als Priester in der Hoffnung inne, seine Gemeinde zu derselben Erfahrung zu führen, die er gemacht hatte. Der Versuch, seine Gemeinde zu reformieren, schlug fehl. Es kam der 30. Januar 1536, ein Sonntag. Öffentlich verwarf Menno in Witmarsum den römisch-katholischen Glauben, legte sein Amt als römischer Priester nieder und schloss sich dem friedlichen Flügel der Täuferbewegung an.

Zweite wichtige Lektion für uns heute

Die Eingangspforte in die biblische Gemeinde ist gemäß Apostelgeschichte 2,38 immer die Buße und Bekehrung zu Jesus Christus und niemals eine sakrale Handlung, auch wenn sie gut gemeint ist. Demzufolge sind die „getauften Heiden“ überhaupt keine Christen im Sinne der Heiligen Schrift, und demzufolge sind auch die Großkirchen nicht Kirche bzw. Gemeinde im biblischen Sinn. Sie zu verlassen, wie Menno Simons es z.B. nach seiner Bekehrung tat, kann deshalb auch nicht Sünde sein.

1.2 Von Mennos Bekehrung bis an sein Lebensende

Der friedliche Flügel der Täuferbewegung wurde zur Zeit Mennos von Obbe Philips geführt. Menno wurde von ihm getauft und 1537 in der niederländischen Provinz Groningen zum Ältesten ernannt. Mit diesem Schritt entschloss sich Menno zu einem harten Leben, wusste er doch, dass die Täufer überall verfolgt und getötet wurden. Die Liebe zur Wahrheit galt ihm aber mehr als sein eigenes Leben.

Wie Martin Luther heiratete auch er bald nach seiner Bekehrung. Seine Frau hieß Gertrud. Die beiden hatten eine ganze Anzahl Kinder. 20 Jahre lang waren Menno und Gertrud verheiratet, bis der Tod sie von ihm riss.

Seit seiner Bekehrung entfaltete Menno eine rege Predigttätigkeit, die meistens in der Nacht stattfand. Die Versammlungen mussten heimlich abgehalten werden, da die Täufer ständig verfolgt wurden und eine offene, freie Predigttätigkeit oft nicht möglich war. Zunächst scheint Menno sieben Jahre in Holland gearbeitet zu haben. Danach wechselte er sein Arbeitsfeld und begab sich nach Norddeutschland, besonders ins Rheinland. Von 1546 an finden wir ihn wieder in Holstein. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Wüstenfelde, das zwischen Hamburg und Lübeck liegt. „25 Jahre lang wirkte er unter unbeschreiblichen Mühen und mit unermüdlicher Geduld durch Wort und Schrift in Norddeutschland, Friesland, Livland. Er wollte eine Gemeinde haben, die rein und untadelig sei und unanstößig vor denen, die draußen sind. ‚Eine Gemeinde ohne Bann’, sagte er, ‚die sei wie eine Stadt ohne Mauern, wie ein Acker ohne Graben und Zaun, wie ein Haus ohne Wand und Türen.’“5

Im Januar 1561 wurde Menno ernsthaft krank. Als der 25. Jahrestag seiner Abkehr von der römisch-katholischen Kirche kam, erhob er sich noch einmal von seinem Krankenlager und ermahnte die um ihn Versammelten. Am Tag darauf, dem 31. Januar 1561, ging er heim zu seinem Herrn, dem er so lange hatte dienen dürfen. Es nimmt heute fast wunder, dass Menno angesichts der ständigen Verfolgungen der Täufer eines natürlichen Todes gestorben ist. Durch seinen Dienst wurde er zu einem der wichtigsten Führer des Täufertums. Deshalb wurden seine Glaubensgenossen später auch Mennoniten genannt. Diesen Namen tragen sie bis auf den heutigen Tag. „Der stille, fromme Sinn der Mennoniten verschaffte ihnen schon 1572 in Holland, später auch in Deutschland (Hamburg, Emden, Danzig, Elbing, Pfalz) sowie in der Schweiz Duldung und religiöse Freiheit … Eine vollständige Sammlung von Mennos Werken in niederdeutscher (plattdeutscher) Mundart geschriebenen, jedoch ins Holländische übersetzt, erschien 1646 zu Amsterdam.“6

2. Mennos Lehre

2.1 Glaube auf die Schrift gegründet

Menno Simons war nicht der Gründer der Täuferbewegung. Als er sich bekehrte, schloss er sich dieser Bewegung lediglich an. Die Täuferbewegung hatte bereits eine Lehrmeinung, die auch Menno übernahm. Radikale Elemente schied er jedoch aus und prägte damit entscheidend den friedlichen Flügel der Bewegung. Sein Einfluss ist nicht verkennbar. Eine ausführliche Darlegung der täuferischen Dogmatik würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Deshalb wollen wir nur auf die für Menno wichtigsten Punkte eingehen.

So begann er, im Laufe der Jahre eine rege schriftstellerische Tätigkeit zu entfalten, um den Gläubigen etwas an die Hand zu geben, woraus sie lernen konnten, was und warum sie etwas glaubten und um den Glauben der Täufer nach außen zu verteidigen. In den Jahren 1539 bis 1540 erschien Mennos wichtigstes Buch: sein Fundament der christlichen Lehre, das kurz Fundamentbuch genannt wird. Der ersten Ausgabe folgte 1554 eine plattdeutsche Bearbeitung, 1558 eine veränderte holländische Ausgabe. Für die Täufer in Süddeutschland und der Schweiz erschien das Buch in hochdeutscher Übersetzung zum ersten Mal 1575. Dieses Buch wurde später in die gesammelten Werke Menno Simons aufgenommen. Menno zog seine Argumente aus der Heiligen Schrift und ließ über sie hinaus keine Autorität gelten. Er war ein Mann, dessen Gewissen in der Schrift gefangen war.

2.2 Das Abendmahl als Zeichen

Neben anderem schreibt Menno auch über das Abendmahl. Er ist beunruhigt über die Tatsache, dass man sich im christlichen Lager über das Wie und Was beim Abendmahl streitet und darüber vergisst, warum das Zeichen eingesetzt wurde und auf wen es hinweist. Das Abendmahl sei ein Zeichen und weise auf Christus hin, sagt er. Brot und Wein symbolisieren Leib und Blut von Christus. Das Brot könne gar nicht der Leib des Christus sein und der Wein nicht das Blut des Christus, da Jesus ja leibhaftig in den Himmel aufgefahren ist und jetzt dort leibhaftig gegenwärtig ist. Wenn wir hier auf der Erde das Mahl des Herrn feiern, verkündigen wir dadurch die Liebe von Christus, die sich zu uns herabgelassen und uns gerettet hat. Das Abendmahl sei darüber hinaus auch ein Zeichen christlicher Einheit, christlicher Liebe und christlichen Friedens. Deshalb ist es nur für gläubige Menschen eingesetzt: „Es muss mit einem gebrochenen Herzen, wahrhaftiger Reue, einem demütigen Geist, … mit Frieden und Freude im Heiligen Geist gehalten und gereicht werden.“7

Wahrhaft gläubige Menschen setzen ihre Hoffnung auf das am Kreuz vollbrachte Erlösungswerk und nicht auf das, was angeblich bei der Eucharistiefeier geschieht. Das katholische Messopfer sei letzten Endes eine Verleugnung des versöhnenden Leiden und Sterbens von Jesus Christus. Der Gläubige esse das Fleisch von Christus und trinke das Blut von Christus nicht mit dem Mund, sondern im Glauben durch den Heiligen Geist.

2.3 Die freie Gemeinde

An dieser Stelle soll Mennos Haltung gegenüber der Frage der Kirchenverfassung eingegangen werden. Für ihn kann die Kirche nur aus Gläubigen bestehen, die sich freiwillig zu örtlichen Gemeinden zusammenschließen. Aus dieser Einsicht heraus verwarf Menno jegliche Einmischung der Obrigkeit und des Staates in die Angelegenheiten der Kirche. Diese Lehre wurde in einem Europa, in dem seit Jahrhunderten eine Allianz zwischen Kirche und Staat bestand, als große Ketzerei angesehen, verachteten die Täufer damit doch eine, wie man meinte, geheiligte Vereinigung von Kirche und Staat, die bis in die Zeit des Ediktes von Theodosius dem Großen und Gratian im Jahre 380 n. Chr. zurück reichte. Eine derartige Ketzerei musste aus der Sicht des Staates und der Staatskirche mit dem Tod bestraft werden. Menno und die Täufer bestanden jedoch darauf, dass das Neue Testament eine freie Gemeinde lehre und dass die Gemeinden der neutestamentlichen Zeit freie Gemeinden waren. Diese verschafften sich keine Anerkennung von Seiten des Staates noch riefen sie die Obrigkeit zu Hilfe, um den wahren Glauben durchzusetzen und durch Gesetz aufrecht zu erhalten und Andersgläubige mit dem Martyrium zu bestrafen.

Spätestens ab dem Jahre 1527 war man entschlossen, das Täufertum mit allen nur möglichen Mitteln auszurotten. Leider willigten auch die Reformatoren in die Verfolgung der Täufer ein. „In dem Blutbad des nächsten Viertel­jahrhunderts wurden Tausende von Wie­der­täufern getötet – in den katholischen Gebieten durch Feuer, unter protestantischen Regimen durch Ertränken und das Schwert.“8

Trotz dieser schwersten Verfolgungen blieben die meisten Täufer der Lehre der Bibel treu. 1539 schrieb Menno in seinem Büchlein: Warum ich nicht ablasse, zu lehren und zu schreiben:

„Diese sind wahrlich die rechten Gemeinden von Christus nicht, welche sich nur seines bloßen Namens rühmen. Diejenigen aber machen seine Gemeinde aus, welche recht bekehrt, von oben aus Gott geboren und in Herz und Sinnen erneuert sind, welche durch die Kraft des Heiligen Geistes, aus dem Hören des göttlichen Wortes, Gottes Kinder und ihm gehorsam geworden sind, welche ihr Leben lang oder von der Zeit ihrer Berufung an unsträflich in seinen heiligen Geboten und nach seinem gebenedeiten Willen leben.“9

Dritte wichtige Lektion für uns heute

Wenn die ab dem 18. und 19. Jahrhundert aufkommende Gemeinschaftsbewegung in der Vergangenheit an der etablierten Staatskirche festhielt, so ist das in gewisser Hinsicht im Licht der Tatsache verständlich, dass es in Deutschland bis 1918 keine Religionsfreiheit gab. Religionsfreiheit ist hierzulande eine noch recht junge Pflanze. Bis 1918 musste jeder, der sich nicht im Rahmen der verfassten Kirche bewegte, damit rechnen, mit Strafen belegt zu werden oder gar Haus und Hof zu verlieren. Menschlich gesehen ist es nachvollziehbar, dass man in der lutherischen und reformierten Lehre nach den Übereinstimmungen suchte und diese dann betont hat, um zu signalisieren, dass man „linientreu“ ist. Aber gerade die Geschichte der Mennoniten belegt uns eindrücklich, dass es durch die Jahrhunderte hindurch immer Gemeinden gab, die trotz schwerster Verfolgungen am biblischen Gemeindebild festhielten und dieses auch in die Praxis umsetzten. Wenn diese Gemeinden in Mitteleuropa in den vergangen drei Jahrhunderten so rar waren, dann liegt das daran, dass die meisten wegen der Verfolgungen nach Nord- und Südamerika ausgewandert sind.

Es ist beschämend für uns Heutige im Raum Gnadaus, dass wir nicht mehr Liebe zum Wort Gottes haben und meinen, landeskirchlich und freikirchlich ausgerichtete Gemeinden sowie landeskirchliche Gemeinschaften hätten alle die gleiche biblische Berechtigung. Es drängt sich der Verdacht auf, dass, wenigstens von den führenden Brüdern, die die biblische Wahrheit eigentlich kennen müssten, die enge Pforte breiter getreten wird, um auch für von der Heiligen Schrift nicht Abgedecktes Raum zu schaffen. In einer Zeit, in der es wirklich Religionsfreiheit gibt, sollte eigentlich kein Grund mehr bestehen, nicht nach biblischem Vorbild Menschen zur Bekehrung zu führen und diese dann in freien, unabhängigen Gemeinden zu sammeln, die ausschließlich von eigenen Ältesten geleitet werden!

Den klassischen Freikirchen wie Baptisten und Freien evangelischen Gemeinden, die ja das biblische Gemeinde­modell versuchen in die Praxis umzusetzen, muss an dieser Stelle zugerufen werden: Haltet, was Ihr habt! Sie alle sind in der einen oder anderen Weise in die ökumenische Bewegung mit eingebunden und marschieren gemeinsam mit den Großkirchen in Richtung Rom. Im Falle einer Wiedervereinigung mit der sogenannten Mutterkirche werdet Ihr alles verlieren, was Eure Väter erlitten und erkämpft haben.

Wenn der ökumenische Weg weiter so beschritten wird wie bisher, wird die Reformation bald völlig verraten und unser Herr völlig verleugnet sein! Deshalb gilt auch uns heute, was der Herr einst der Gemeinde in Philadelphia zugerufen hat: „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme“ (Offb 3,11). Ebenso gilt in Bezug auf falsche geistliche und kirchliche Systeme: „Geht aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an“ (2Kor 6,17).

2.4 Der Pazifismus

Menno Simons hatte in allem, was er lehrte, Christus vor Augen, wie er uns im Neuen Testament entgegentritt. Die Bergpredigt und der darin enthaltene Aufruf zur Liebe und das willige Leiden und Sterben von Jesus am Kreuz bestimmten seine Haltung in der Frage der Gewaltanwendung. Er lehnte von daher jegliche Anwendung von Gewalt ab. Damit unterschied er sich am auffälligsten von der traditionellen christlichen Ethik. Wohl alle Täufer folgten ihm in dieser Hinsicht, wenn man einmal von dem Reich der Wiedertäufer in Münster absieht, die mit Waffengewalt die Stadt gegen die belagernden Heere verteidigten.

Aus diesem Eifer heraus, Christus ähnlicher zu werden, erwuchs auch Mennos und seiner Anhänger Ablehnung der Teilnahme an Regierungsgeschäften und dem Militärdienst. Die Täufer waren lieber bereit, zu sterben als zu töten. Daraus erklärt sich auch, warum staatliche und kirchliche Behörden in allen Teilen Europas Tausende von Täufern so leicht töten konnten. Die Leute haben wohl versucht, sich einer Festnahme zu entziehen, aber einmal festgenommen, wehrten sie sich nicht, welche Folterungen ihnen auch zugedacht waren. Sie trachteten danach, auch in schwerstem Leiden ihre Peiniger und Verfolger zu lieben, wie Jesus es tat.

1545 schrieb Menno in seinem Kurzen und klaren Bekenntnis:

„Sehet, meine lieben Freunde und Brüder, durch diese und andere Schriftstellen und Gründe werden wir gelehrt und gewarnt, das Ergreifen des buchstäblichen Schwertes weder zu lehren noch gut zu heißen (ausgenommen das gewöhnliche Schwert der Obrigkeit, wenn es angewendet werden muss), sondern nur des zweischneidigen, kräftigen, scharfen Schwertes des Geistes, das aus des Herrn Mund geht, nämlich des Wortes Gottes.“10

Abschließende Gedanken und Schlussfolgerungen

Wir sehen in Menno Simons einen Mann, der es verstand, den friedlichen Flügel der Täuferbewegung zu einen und ihm durch seine Schriften die entscheidende Wegweisung an die Hand zu geben, die es ihm ermöglichte, in den Wirren der Zeit durchzuhalten und zu überleben. Besonders herausstechend ist seine Liebe zur Wahrheit, sein Wille, den Weisungen der Heiligen Schrift kompromisslos und ohne Rücksicht auf Verluste zu folgen.

Die bewegenden Zeugnisse seiner Zeit sind eine ernste Mahnung an die Christen des 21. Jahrhunderts, ebenso der Heiligen Schrift bedingungslos Gehorsam zu leisten und ein Zeuge von Jesus Christus in einer verlorenen Welt zu sein. Sie sind aber auch ein nicht zu übersehendes Warnsignal, sich auf ein Leiden um für Jesus einzustellen und sich darauf vorzubereiten. Werden wir sogenannte Evangelikale daraus lernen und vorbereitet sein, wenn Verfolgung über uns hereinbricht? Werden wir uns von Unbiblischem getrennt haben, um unseren Weg unbeschadet und konsequent gehen zu können? Oder werden wir auf der Strecke bleiben? Möge der Herr uns Gnade schenken, seinen Willen in allen Punkten auszuführen!


  1. Wenger, Die dritte Reformation (1963), S. 43-44. 

  2. Bühne, Ich bin auch katholisch. Die Heilige Schrift und die Dogmen der Kirche (1992), S. 71. 

  3. Bühne, Ich bin auch katholisch. Die Heilige Schrift und die Dogmen der Kirche (1992), S. 72. 

  4. Wenger, Die dritte Reformation (1963), S. 44. 

  5. Oehninger, Geschichte des Christentums (1897) S. 318. 

  6. Kurtz, Kirchengeschichte für Studierende (1890), S. 166. 

  7. Opera Omnia Theologica, of alle de Godts­geleerde Wercken van Menno Symons. Amsterdam (1681), S. 28. 

  8. Dowley u. a. (Hrgs.),The History of Christianity. Berkhamsted (1977), S. 402. 

  9. Opera Omnia Theologica, of alle de Godts­geleerde Wercken van Menno Symons.Amsterdam (1681), S. 350. 

  10. Opera Omnia Theologica, of alle de Godts­geleerde Wercken van Menno Symons. Amsterdam (1681), S. 470.