Die Reher Bibelbund-Konferenz hat im Laufe der Jahre einen eigenen Charakter herausgebildet, der vielen Teilnehmern ein großer Gewinn geworden ist. Die Konferenz lebt von der guten Mischung aus geistlicher Gemeinschaft, tiefgründigen Bibelarbeiten, herausfordernden Lehrvorträgen, angeregtem Austausch in Seminargruppen, persönlicher Anteilnahme, Seelsorge, Ruhe und Erholung. Auch 2015 waren wieder mehr als 100 Teilnehmer und zusätzlich Tagesgäste aufmerksam dabei. Viele Teilnehmer haben sich den jährlich wiederkehrenden Termin Ende Oktober bereits fest im Kalender vermerkt und sind immer wieder dabei, andere kamen auf Empfehlung das erste Mal. Manche wissen das Besondere der Konferenz schon länger zu schätzen, andere machten die Erfahrung, weil gerade noch ein Platz frei war und sie auf der Suche nach einer Bibelfreizeit waren.
Aktuelles Thema
Das gewählte Thema „Eine Bibel für die ganze Welt” erwies sich als hoch aktuell. Ging es doch darum, wahrzunehmen, wie Gott mit der einen biblischen Botschaft und der einen Bibel von Jerusalem ausgehend die gesamte Welt erreicht. Dabei ist das Evangelium nicht in einer bestimmten Kultur gefangen, sondern geht so in die Welt und Kultur ein, dass es die Welt prägt, ohne von den menschlichen Irrtümern und Irrwegen verzerrt zu werden. Die gleiche Bibel trägt die Botschaft von der Rettung durch Jesus Christus zu den Menschen im Dschungel von West-Papua, in den Savannen Afrikas und in den Millionenstädten Asiens oder Europas. Ob Australien oder Amerika, es bleibt das gleiche Evangelium, wenn es auch in tausenden Sprachen zu hören und zu lesen ist.
Anfänge der weltweiten Gemeinde
Von daher gehörte es zur Konferenz, dass wir uns entlang einer Auswahl von Abschnitten aus der Apostelgeschichte mit dem Anfang der Ausbreitung des Evangeliums von Israel bis nach Athen befassten. Durch Gottes Wirken entstand das für Menschen anfangs Unfassbare: eine weltumspannende Gemeinde aus Juden und Nicht-Juden aus vielen Völkern, Sprachen und Nationen. Dabei war Gottes Heiliger Geist ebenso aktiv, wie die Heilige Schrift – erst noch des Alten Testaments – im Mittelpunkt der Verkündigung stand. Es ging nämlich um die wichtige Frage, ob die entstehende Christengemeinde wirklich das war, was Jesus Christus, der Sohn Gottes selber gewollt hatte. Es war für die ersten Christen, die alle Juden waren, fraglich ob und wie auch Nicht-Juden zum anbrechenden Reich Gottes gehören sollten. Es war schon damals die Frage, ob die Botschaft angepasst werden muss oder ob sie es im Gegenteil gar nicht darf, um ihre Wirkung nicht zu verlieren. Gott wirkte und ließ in dieser Zeit auch das Neue Testament entstehen.
Bibel in alle Sprachen
Der im Tschad erfahrene Bibelübersetzer Dr. Carsten Ziegert nahm seine Zuhörer mit auf eine Reise in die Herausforderung der Bibelübersetzung. Dabei zeigte er auf, dass es möglich und geboten ist, die ganze Botschaft in die jeweiligen Landessprachen zu übersetzen. Das ist keineswegs einfach, erfordert höchste Sorgfalt und gute Kenntnis des Originaltextes und des Zusammenhangs der ganzen Welt, aber es geht so, dass die Bibel ihre Kraft zur Erkenntnis des Herrn Jesus Christus dann selber entfaltet. Dr. Ziegert ging auch auf die Diskussion unter manchen Bibelübersetzern ein, die Gottessohnschaft von Jesus Christus wegen ihrer Anstößigkeit in islamischen Ländern in der Übersetzung zu verschleiern. Das kann im Grundsatz nicht richtig sein und führt auf einen Irrweg, selbst wenn die Motive verständlich sein mögen.
Aus Kulturen zu Kulturen
Dr. Berthold Schwarz gelang es, eindrücklich aufzuzeigen, dass die Bibel keineswegs kultur- oder zeitlos ist. Sie trägt Spuren uralter Kulturen, aber doch nicht so, dass diese untergegangenen Kulturen die Botschaft Gottes für heute unverständlich oder überholt gemacht hätten. Obwohl die Bibel in den Kulturen des Alten Orients, später der hellenistischen und römischen Welt entstanden ist und die Autoren Kinder ihrer Zeit waren, hat Gott dafür gesorgt, dass sein Wort nicht dadurch verzerrt oder unverständlich geworden ist. Das ist sicher ein Element ihrer Kraft, auch im modernen technischen Zeitalter aktuell geblieben zu sein.
Kraft zur Veränderung
Thomas Jeising schloss sich mit seinem Vortrag daran an und zeigte auf, welche Charakteristika der Bibel ihre zeit- und kulturübergreifende Kraft fördern. Er ging aus von der faszinierenden Geschichte, wie sich aus der christlichen Gastfreundschaft, die in bestimmten Lücken der römischen Gesellschaft fruchtbar wurde, sowohl das Hotelwesen als auch das Krankenhaus entwickelte. Der Name „Hospital“, der vom lateinischen „hospitalitas“ für Gastfreundschaft abgeleitet ist, erinnert noch daran. Es sind theologische Eigenschaften der Botschaft der Bibel, die auch ihre kulturübergreifende Wirksamkeit sicherstellen. Dazu gehört etwa die Überzeugung, dass die Botschaft immer in eine sündige Welt hineingesagt wird, die im Prinzip gegen Gott steht. Dadurch ist immer ein kritisches Element da, das zu keiner Zeit eine Kultur heiligspricht. Früher war eben nicht alles besser, aber heute ist auch nicht alles besser. Auch ein selbstkritisches Element der Bibel ist wichtig für ihre verändernde Kraft. Ihre Übersetzbarkeit in alle Sprachen gehört dazu. Auch die erstaunliche Tatsache, dass sich über die Jahrhunderte nie das Weltbild der jeweiligen Zeit mit der Botschaft verbunden hat, sondern immer von dem tatsächlich Beobachtbaren ausgegangen wurde. Das alles seien auch Hinweise auf die göttliche Inspiration, weil sich das in keinem bekannten Buch so findet.
Einflussreiche Bibel
Jürgen Thielmanns Vortrag entfaltete die vielfältigen Gebiete des menschlichen Umgangs miteinander, der Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, wie sie sich unter dem Einfluss der Bibel entwickelt haben. Weil er überraschend erkrankt war, trug Karl-Heinz Vanheiden die Ergebnisse seiner Untersuchung vor. Das aber minderte die Spannung nicht, mit der die Zuhörer verfolgten, welche weitreichenden Wirkungen der biblischen Botschaft sich weltweit nachweisen lassen. Wie sich zeigte, nimmt jemand, der in einer etwa vom Islam oder Hinduismus geprägten Gesellschaft gelebt hat, diese Wirkungen viel stärker wahr, als Menschen, die in einer über Jahrhunderte vom Christentum geprägten Kultur leben. Sie haben manchmal vergessen, woher die Wirkungen eigentlich stammen.
Indien, Tschad, Haiti, Italien, Deutschland und die Welt
Auch die Angebote an den Abenden waren sehr vielfältig. Zur Eröffnung hatte Michael Kotsch das Leben des Missionars William Carey aufleuchten lassen. Am Samstag wurden die Teilnehmer von Mark Schibli von der Zentralafrika-Mission mitgenommen auf eine Reise nach Afrika. Mit viel Liebe und Temperament konnten die Zuhörer anschließend die Geschichte einer Ausmalbibel für Kinder verfolgen, die, inzwischen in viele Sprachen übersetzt, Kindern einen ersten Zugang zum Bibellesen eröffnet. In Zusammenarbeit mit anderen Missionswerken hat die Bibelhilfe diese Bibeln inzwischen Kindern auf Haiti und vor allem im französischsprachigen Afrika geschenkt. Derzeit ist sie auch vielen Christen als Zugang zu Flüchtlingsfamilien, die nach Deutschland gekommen sind, eine große Hilfe.
Auch für Muslime die Wahrheit
Der Vortrag von Carsten Polanz „Muslime mit den Augen von Jesus sehen“ half den Zuhörern mit fundierten Informationen und praktischen Hinweisen, Muslimen in einer Art zu begegnen, die dem Evangelium von Jesus Christus entspricht. Das bedeutet dann, dass Christen weder von vorurteilsbeladener Feindseligkeit geprägt sind noch von blauäugiger Romantik. Sie sind sich bewusst, dass die Botschaft der Bibel, die Jesus als den Sohn Gottes und Retter für alle Welt verkündet, auch dem Muslim von nebenan gilt. Mit seinem Fachwissen und großer Freundlichkeit ermutigte Carsten Polanz, Begegnungen zu suchen und auf offene Türen für das Evangelium zu hoffen.
Gepflegte Gemeinschaft
Wo Christen zusammen sind, da soll die Musik nicht fehlen und so konnte erneut der Musiker und Musiklehrer Dietrich Georg mit seinem Klavierspiel zum gemeinsamen Singen ermutigen. Er leitete auch die Gebetstreffen am Morgen und beleuchtete in seinem Seminar Fragen der Gottesdienstgestaltung. Überhaupt boten die Seminare viel Gelegenheit auch Anliegen ins Gespräch zu bringen, die Teilnehmer aus ihren Gemeinden oder durch Herausforderungen in ihrem Leben mitgebracht hatten. Die intensiven Gespräche gingen dann bei Tisch weiter. Oder sie wurden bei einem Spaziergang in der herbstlichen Landschaft weitergeführt.
Die nächste Konferenz ist schon geplant und findet vom 28. Oktober bis 1. November 2016 mit dem Thema „Die Bibel wieder ernst nehmen“ statt.