ThemenFrage & Antwort

Doppelte Einladung zum Hochzeitsfest?

War es zur Zeit von Jesus üblich, dass man doppelt zu einem Hochzeitsfest eingeladen wurde, wie das im Gleichnis Lukas 14 der Fall ist?

Frage:

Im Gleichnis von der Einladung zum großen Gastmahl (Lk 14, 16-24) ist erwähnt, dass die Gäste zweimal eingeladen werden. Erst eher allgemein und dann Vers 17 noch zur „Stunde des Gastmahls“. Weiß man etwas darüber, ob das eine „normale“ Vorgehensweise war und kann man dieses Detail des Gleichnisses auch übertragen?

Antwort:

Auch in Matthäus 22,3 – der parallelen Erzählung – findet sich das angefragte Detail. Der König, der die Hochzeit für seinen Sohn ausgerichtet hat, schickt seine Diener aus, um die offenbar schon früher Eingeladenen jetzt zur Hochzeit zu rufen. Über Einzelheiten antiker Hochzeitsbräuche wissen wir wenig und wenn, dann dabei geht es meist nur um die römischen und nicht um die jüdischen Sitten. Wie genau eingeladen wurde, ist auch nicht überliefert. Wir müssen also die Stellen selber im Zusammenhang der Bibel genau anschauen. Im Gleichnis bei Matthäus ist von einer Hochzeitsfeier für einen Königsohn die Rede und auch im Lukasevangelium, wo nur von einem Mann gesprochen wird, scheint es sich eher um einen höher gestellten, wohlhabenden Menschen zu handeln. Im römischen Reich heirateten die einfachen Leute viel schlichter und meist auch ohne große Feste. Eine Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12) konnten arme Leute sicher nicht ausrichten. Josef und Maria, die auch arm waren, scheinen keine Hochzeitfeier mit vielen eingeladenen Gästen veranstaltet zu haben.

Die Verlobung als öffentlicher Akt war zugleich die Ankündigung an alle Betroffenen über die spätere Hochzeit.

Eine Einzelheit dieser Geschichte führt aber meines Erachtens zu einer tragfähigen Antwort. Josef und Maria waren verlobt (Mt 1,18). Das war ein festes Eheversprechen, das nur durch Scheidung (Entlassungsbrief nach 5Mo 24,1-3) wieder gelöst werden konnte. Josef wollte das zuerst, weil seine Verlobte schwanger war. Klar ist, dass die Ehe in der Verlobungszeit noch nicht vollzogen war, man nicht zusammenlebte und auch keine körperlich intime Gemeinschaft hatte. Die Verlobung war aber zugleich eine klare Ankündigung: Wir werden heiraten. Diese Sitte war übrigens im römischen Reich auch verbreitet. Die Verlobung war dort – jedenfalls bei wohlhabenderen Rö­mern – mit dem Anstecken eines Ringes an den Ringfinger der lin­ken Hand verbunden. Dann einige Zeit später folgte die Hochzeit. Wie lang die Ver­lo­bungs­zeit genau war, scheint nicht allgemein festgelegt gewesen zu sein. Da die Verlobung immer ein öffentlicher Akt war, war sie aber auch mit einer Ankündigung an alle verbunden, die die spätere Hochzeit betraf. Wer verlobt war, würde nicht nur vielleicht, sondern bestimmt in absehbarer Zeit heiraten, auch wenn der genaue Termin noch nicht feststand. Wenn dann der Hochzeitstag geplant war, erhielten die Gäste auch die terminliche Ankündigung und persönliche Einladung. Das ist wohl der Hintergrund des Gleichnisses, das Jesus erzählt.

Wie die anderen Himmel­reichs­gleich­nisse hat auch dieses den Ausblick auf die Vollendung des Weges Gottes mit den Menschen. Es geht also darum, wer in Ewigkeit mit Gott feiert und wer für immer von ihm getrennt sein wird. Außerdem bereitet Jesus mit diesem Gleichnis vor, was die Apostel erst nach und nach begriffen: wegen der Ablehnung des Retters durch Gottes erwähltes Volk werden schließlich alle Völker eingeladen, beim Hochzeitsfest des Sohnes Gottes mitzufeiern (Röm 11,11+12).

Auch wenn das für die Deutung des Gleichnisses nicht notwendig wäre, weil nicht alle Elemente eines Gleichnisses auch einen Vergleichspunkt brauchen, die doppelte Einladung hat eine Vergleichsseite. Gott hat im Alten Testament das Kommen seines Retters immer und immer wieder angekündigt. Er hat auch in verschiedenen Prophetenreden angedeutet, dass er die Verbindung zwischen Ihm und seinem Volk mit einer Verlobung und Ehe vergleichen kann (Jes 62,5; Hes 23). Dass die Hochzeit des Sohnes die Verbindung mit der Brautgemeinde der Glaubenden sein wird, das war bei den Propheten nicht klar und auch Jesus sagt im Gleichnis nicht, wer die Braut ist. Aber im Verlaufe des Neuen Testaments ist die Sache dann klar (2Kor 11,2; Eph 5,31-32). Die alttestamentliche Ankündigung des Retters kann als die allgemeine Ankündigung der Hochzeit angesehen werden. Mit dem Kommen von Jesus Christus ist dann die konkrete Einladung zum Hochzeitsfest Gottes ausgegan­gen. Nachdem das Volk Gottes die Einladung nicht im Ganzen annahm, wurden alle Völker zur ewigen Verbindung mit Jesus Christus, dem Sohn Gottes, eingeladen.