ThemenMission und Evangelisation, Zeitgeist und Bibel

Strategisch-Geistliche Kampfführung und evangelikale Missionsstrategie

Strategisch-Geistliche Kampfführung ist trotz ihrer Irrtümer in den Grundlagen populär, weil ihr Weltbild in weiten Teilen auch für den verbreiteten Evangelikalismus kennzeichnend ist.

Am Schluss dieser Studie sollten ihre Ergebnisse eigentlich deutlich geworden sein. Es bleiben nur noch ein paar Zusammenhänge herauszuarbeiten. Aber auch auf die Gefahr hin, dass es überflüssig erscheint, sei hier trotzdem eine ganz kleine Zusammenfassung erlaubt und sei es nur um denen zu helfen, deren Gedanken durch die lange und gewundene Reise der Argumentation ermüdet sind.

Die für die Strategisch-Geistliche Kampfführung (StGK) zitierten Belege sind sämtlich nicht überzeugend. Die Heilige Schrift bietet keinerlei Unterstützung dafür, der Animismus ist keine vertrauenswürdige Quelle und die „Fallstudien“ gleichen in ihrer Beweiskraft eher Anekdoten. Wenn Argumente nur gezählt und nicht auch gewichtet würden, wäre jeder Beweis leicht zu führen. Aber die vorliegenden Belege halten keiner Überprüfung stand. Das Fehlen irgendeines Beweises macht es zwar leicht, haarsträubende Hypothesen aufzustellen, aber auch beträchtlich schwerer überzeugende zu entwickeln.

Die meisten Gemeinsamkeiten zur Theorie der territorialen Dämonen finden sich in der apokryphen Literatur der Zeit zwischen Altem und Neuem Testament und in der Theologie des Mittelalters. Das Neue Testament hat die eine verworfen, die Reformation die andere.

Die stärksten Parallelen zur Praxis der Gebetskampfführung stammen aus der im 1. Jahrhundert und während des Mittelalters weit verbreiteten Magie. Das Neue Testament hat die eine verworfen, die Reformation die andere.

Am Ende der Prüfung kann man höchstens annehmen, dass hierarchische Strukturen unter den Geistern existieren, und dass diese nichtan bestimmte Gebiete gebunden sind (jedenfalls nicht in der Heiligen Schrift und weitgehend auch nicht im Animismus). Vielleicht sind einige dieser Geister Engelwesen und andere Dämonen. Wegen der dürftigen und unklaren Belege ist es aber nicht möglich, festzustellen, wie die angenommenen hierarchischen Strukturen differenziert sind.

Gebetskampfführung hat nicht den Hauch einer Unterstützung im Alten Testament und ist im Neuen ausdrücklich verboten (2Petr 2,10-12; Judas 8-10). Und außerdem verlieren wir nichts, wenn wir diese Technik verwerfen, weil wir es nicht nötig haben, mit dem Satan zu kämpfen. Christus hat ihn bereits besiegt und wird ihn eines Tages vernichten. Er benötigt keine Hilfe dabei! Und was wäre das auch für eine Unterstützung, die sterbliche Menschen gerade dann nicht anbieten können, wenn es darauf ankäme? Unsere Aufgabe ist es, Christus mutig zu verkünden, Dämonen auszutreiben, wenn sie sich zeigen, zu jeder Zeit den Versuchungen zu widerstehen und in Verfolgung standhaft zu bleiben. Damit haben wir genug zu tun und manchmal mehr als genug.

Wenn Strategisch-Geistliche Kampfführung so wenig Empfehlung hat, aber dafür beträchtliche Unruhe hervorruft, dann sollte sie nicht als ein einzelner Irrtum im ansonsten festen und verlässlichen Evangelikalismus angesehen werden. Auch sollten sich die Gegner der Strategisch-Geistlichen Kampfführung vor Überheblichkeit hüten, auch wenn sie ihr als teilweise Abweichung von der Schrift und vom Hauptstrom der christlichen Tradition widerstanden haben. Denn der größte Teil der Evangelikalen – die eingeschlossen, die am stärksten gegen die Lehren der StGK gekämpft haben – folgen der gleichen Methodenlehre und teilen die meisten der zugrundeliegenden Annahmen. Diese Ähnlichkeiten erklären auch weitgehend die schnelle Akzeptanz und Ausbreitung von StGK.

Die Heilige Schrift und Neuheiten

Als Evangelikale bestehen wir darauf, dass alle Dinge durch die Bibel belegt werden

Befürworter von StGK zeigen die typisch evangelikale Frömmigkeit im Hinblick auf die Heilige Schrift verbunden mit der verbreiteten evangelikalen Art für die eigenen Ideen Beweise in der Bibel zu suchen. „Bibeltreue“ ist aber nur dann eine Tugend, wenn sie auch mit dem Interesse an der eigentlichen Bedeutung des Textes verbunden ist. Ansonsten wird die Verehrung der Bibel – wenn auch unbeabsichtigt – zu einem Deckmantel unter dem Spekulationen das leichtgläubige christliche Publikum gefangen nehmen.

Als Evangelikale bestehen wir darauf, dass alle Dinge durch die Bibel belegt werden, sogar solche, von denen es in alter Zeit nicht die geringste Vorstellung gab. Diese Verehrung für eine abstrakte Auffassung von der göttlichen Offenbarung (mehr als für die konkret offenbarte Heilige Schrift) ist so stark, dass sie oft zu allerlei Verdrehungen auf der Suche nach einer Belegstelle führt, die irgendetwas stützen sollen, sei es nun Aerobic und Heilfasten oder Managementmethoden, Verkaufsstrategien und Psychologie.

In dieser Umgebung kann es nicht überraschen, wenn wir lesen, dass die StGK „von geringem Wert für die strategische Weltevangelisation ist, wenn man nicht einige biblische Unterstützung für ihre Annahmen findet“1 Die Suche danach wird dann von den erklärten Absichten geleitet:

  • In diesem Buch habe ich mein Bestes versucht, um die grundlegende Berechtigung für die Strategisch-Geistliche Kampfführung als Wille Gottes aufzuzeigen.2
  • Ich werde meine Belege so überzeugend wie möglich darlegen.3
  • Es ist nun zu meiner Aufgabe geworden ein Buch zu schreiben, das eine überzeugende Begründung für den Dienst der Strategisch-Geistlichen Kampfführung darstellt.4
  • Ich beabsichtige in diesem Buch die Strategisch-Geistliche Kampfführung als einen legitimen Dienstbereich der heutigen Gemeinde zu rechtfertigen.5

StGK ist eine bereits vorhandene Praxis auf der Suche nach einer Rechtfertigung. Sie findet auch, was sie sucht oder sie erschafft sich selber, was sie benötigt.

Alles was im biblischen Text nicht ausdrücklich steht, kann doch in ihn hinein gelesen werden. Die Formel „Ich glaube“ wird zur neuen Hermeneutik.6 In Abwesenheit einer ausdrücklichen biblischen Lehre, reicht es aus, Annahmen, Möglichkeiten, Meinungen und Erwägungen anzubieten.7 Da macht es auch nichts, dass kein Kommentar die angebotene Interpretation unterstützt. Die gleiche tendenzhafte Auslegung betrifft den Umgang mit der Geschichte und mit Erlebnissen.

Diese Einstellung bringt Ben Franklin’s Anmerkung in Erinnerung:

„Jedes Ding eignet sich zum vernünftigen Wesen, wenn es dir nur ermöglicht, eine Begründung für alles zu finden oder zu erfinden, was du gerade zu tun beabsichtigst“8.

Zugleich ist diese Methode aber nicht auf Strategisch-Geistliche Kampfführung beschränkt. Sie ist eher typisch als untypisch für alle evangelikalen Neuerungen.

Luther hat schon davor gewarnt, die Schrift künstlich heranzuziehen, um eine neue Lehre zu unterstützen

Jahrhunderte zuvor hat schon Martin Luther davor gewarnt, die Schrift künstlich heranzuziehen, um eine neue Lehre zu unterstützen.

„Wehe all euren Lehrern und Schriftstellern, die ihren geliebten Weg gehen und zusammenspinnen, was immer in ihrem Geist aufsteigt, und nicht zuerst zehnmal darüber nachdenken, um sicher zu sein, dass es auch aus Gottes Sicht recht ist! Diese denken der Teufel sei gerade weg für eine Weile in Babylon, oder er schliefe an ihrer Seite wie ein Hund auf einem Kissen. Sie denken nicht daran, dass er um sie herum ist mit all seinen listigen, brennenden Pfeilen, die er in sie schießt, so die überaus schönen Gedanken, geschmückt mit Heiliger Schrift, so dass sie nicht bemerken was passiert.“9

Wir Deutschen sind diese Art Leute, die auf alles Neue anspringen und sich daran klammern wie Verrückte

Genauso kommentiert er die Verlockung der theologischen Spekulation:

„Wir Deutschen sind diese Art Leute, die auf alles Neue anspringen und sich daran klammern wie Verrückte, und wenn uns jemand warnt, macht er uns nur noch verrückter danach; wenn uns aber niemand warnt, werden wir es bald selber satt haben und uns damit langweilen, und bald nach etwas anderem ausschauen, das neu ist. So hat der Teufel den Vorteil, dass keine Lehre oder Fabel so dumm sein kann, dass er keine Schüler dafür fände, und je dümmer desto schneller.“10

Wahrscheinlich ist diese Eigenschaft keine ausschließlich deutsche, sondern allgemein menschlich.

Solche Warnungen müssen neu gehört werden in einer Zeit, in der die Heilige Schrift meist weniger als Wegweiser zum Glauben denn als Quelle für Belegstellen angesehen wird, um Ansichten zu rechtfertigen, die vorher für andere Ziele und auf anderen Grundlagen gewonnen wurden. Wir brauchen weniger Verehrung der Bibel wie einen Glücksbringer und mehr Achtung vor ihr als Offenbarung Gottes, die gehört werden will und der man gehorchen muss.

Sicher, diese Art des Quellenmissbrauchs ist kein Monopol bekennender Christen, seien sie nun evangelikal oder nicht. Sie ist woanders ebenso offensichtlich, sogar unter Akademikern, die sich als Verteidiger der Wahrheit hervortun. Der Soziologe Irvin Horowitz warnte erst kürzlich vor einer Neigung unter Akademikern große Theorien zu konstruieren.11 Das Weltbild-Argument beweist gar nichts. Es zeigt nur allen Seiten deutlich, dass nicht eine bestimmte Interpretation der Fakten von vorn herein ausgeschlossen werden darf. Schlussfolgerungen sollten auf Fakten beruhen und nicht durch philosophische a priori vorher feststehen, seien diese nun rationalistischer oder spiritistischer Natur.

„Das Schlachtfeld der Ideen ist übersät von Leuten, die Systeme bilden wollten. Denn Menschen, die überzeugt sind eine besondere Ahnung von etwas zu haben, das nie zuvor auf der Erde gesehen wurde, sind nur zufrieden, wenn sie grandiose Theorien aufstellen … Um mit den allgemeinen Veränderungen Schritt halten zu können, ist es erforderlich, mit Tatsachen und Wahrheiten zu beginnen und mit Ideen und Meinungen zu enden. Diesen Prozess umzukehren, um mit großen Theorien zu beginnen, führt garantiert zum Fanatismus. Die letzte Versuchung des Theoretikers ist dann, die Realität in sein Model vom sozialen Leben einzupassen. Gibt der Forscher dieser Versuchung erst einmal nach, dann ist alles verloren. Eitelkeit ersetzt Bescheidenheit, und das Bedürfnis des Lehrers wird sein, sein Gesicht zu wahren statt seine Irrtumsfähigkeit und Begrenztheit zu erkennen.“12

Kreativität, Erfindungen und Neuerungen sind die Bedingungen für akademisches Ansehen und Fortschritt. Doch oft untergraben sie die Suche nach der Wahrheit und verdunkeln die Wahrnehmung der Realität.

Neuheiten zu belohnen eignet sich besser für harte Wissenschaft, wo Technologien sich ständig weiterentwickeln.

Die Entwicklung von Theologie und Missionswissenschaft im Gleichschritt mit anderen akademischen Disziplinen werden in den gegenwärtigen Trends zu einer Not

In der Theologie und der Missionswissenschaft aber, den Disziplinen die auf der Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift beruhen und in der Geschichte arbeiten, ist Originalität nur in kleinen Portionen erträglich. Inzwischen herrscht aber der gleiche Druck an christlichen und nichtchristlichen Fakultäten: Ansehen, Ruhm und finanzielle Belohnung sind weitgehend an Neuerungen gebunden. Die Entwicklung von Theologie und Missionswissenschaft im Gleichschritt mit anderen akademischen Disziplinen und noch mehr der Versuch sie in der Öffentlichkeit populär zu machen, sollten eigentlich ein Segen für die Kirche werden, werden jedoch in den gegenwärtigen Trends eher zu einer Not.

Gott und Methode

Es gibt noch einen zweiten Punkt, in dem die Lehren der Strategisch-Geistlichen Kampfführung den Evangelikalismus widerspiegeln. Das ist der Gebrauch von Methoden. Vor mehr als einem Jahrzehnt machte der Soziologe James Hunter darauf aufmerksam, dass der Evangelikalismus durch die Kräfte der Moderne eine Umwälzung erfährt.13 Besonders nahe Verwandtschaft zeigt er zum sogenannten funktionalen Rationalismus oder einfacher ausgedrückt in der Anwendung technisierter Methoden.

Die Technisierung erlebte ihren ersten Aufschwung in den Fabrikhallen der frühen Jahre der Industrialisierung, hat sich aber heute in allen Bereichen des Lebens verbreitet. Ihre verschiedenen Erscheinungen zeigen einige gemeinsame Eigenschaften:

  1. das zahlenmäßige Erfassen von Erfolgen;
  2. das Anstreben von Effektivität durch die Anwendung von Methoden;
  3. das Aufkommen eines Expertentums, das Methoden entwickelt, beschreibt und ihre Anwendung trainiert.

Das Hauptproblem der Technisierung ist die Übertragung mechanisierter Methoden auf alle Bereiche des Lebens.

Auf Maschinen und Fließbänder angewandt werden diese durch ausgefeilte Methoden zu größerer Effizienz, geringeren Kosten und gleichmäßiger Produktqualität weiterentwickelt. Doch sind derartige Methoden auch effektiv und angemessen, wenn man mit Menschen umgeht? Neil Postman argwöhnt:

„In den Vereinigten Staaten haben wir Experten dafür wie man seine Kinder großzieht, wie man sie unterrichtet, wie man liebevoll wird, wie man Sex macht, wie man Menschen beeinflusst, wie man Freunde gewinnt. Es gibt keinen Aspekt menschlicher Beziehungen mehr, der nicht von technisierten Methoden erfasst und dadurch unter die Kontrolle von Experten gebracht wurde … Ich nehme an, ich muss meine Leser nicht erst davon überzeugen, dass es keine Experten gibt – und auch nicht geben kann – für die familiäre Erziehung der Kinder und das Liebesleben und die Pflege von Freundschaften. Das alles ist eine Erfindung entsprungen aus der Vorstellungswelt der Technopolisten.“14

Wenn mechanisierte Methoden im Umgang mit Menschen weder effektiv noch angemessen sind, sollten sie dann etwa eingesetzt werden, um Gott zu beeinflussen?

Soziologen sind sich darin einig, das Aufkommen der Technisierung als eine Form der Säkularisation anzusehen. Der theoretische Rationalismus verneint die Existenz Gottes durch eine naturalistische Wissenschaft und eine rationalistische Philosophie. Der funktionale Rationalismus wirkt durch die Anwendung technisierter Methoden. Egal welcher Weg, am Ende steht weitgehend das gleiche Ergebniss: Gott wird überflüssig. Wir waren durch die Auseinandersetzung mit dem „säkularen Humanisten“ so beschäftigt, dass uns die Ingenieure der Moderne bereits unbemerkt untergraben haben.

Wenn man Arbeiter in ihrem Beruf managen kann, dann kann man auch die anbetende Gemeinde managen: eine Erweckungsbewegung mit Lobpreis- und Evangelisationstechniken war geboren

Arbeitsabläufe, die ursprünglich angewandt wurden um die Produktivität von Maschinen in Fabriken zu steigern, wurden zunächst auf die Verwaltungen der Fabriken übertragen, um die menschliche Effektivität zu steigern: eine Wissenschaft der Managementmethoden war geboren. Doch wenn man Arbeiter in ihrem Beruf managen kann, dann kann man auch die anbetende Gemeinde managen: eine Erweckungsbewegung mit Lobpreis- und Evangelisationstechniken war geboren. Wenn man die Bekehrung Einzelner beeinflussen kann, dann auch ihre Organisation in Gruppen: eine Gemeindewachstumsbewegung war geboren. Wenn man Gott beeinflussen kann, dann auch den Satan: Strategisch-Geistliche Kampfführung war geboren.

Nahezu alles, was die evangelikale Bewegung heute tut, wird zahlenmäßig erfasst, in kleinen Schritten systematisiert, in Handbüchern festgeschrieben und durch Trainingseinheiten normiert. Das Zeugnisgeben, die Bekehrung, Jüngerschaft, Stille Zeit, Gebet, das Erkennen von Gottes Willen, das Empfangen des Heiligen Geistes, Sprachengebet, das Erkennen geistlicher Gaben, Gemeindewachstum, Heilung, das Austreiben von Dämonen und die Evangelisierung der Welt: Effektivität im Dienst beruht nach dieser Überzeugung auf dem Erkennen und Anwenden der richtigen Methode.15 Experten veranstalten dann die erforderliche Seminare, um das nötige Training anzubieten. Auf diesen kann man gegen eine angemessene Teilnahmegebühr das Angebot ihrer anscheinend so effektiven Erkenntnisse begutachten.

Es stimmt also völlig überein mit der Weltsicht der meisten Evangelikalen, wenn sich Strategisch-Geistliche Kampfführung als „geistliche Technologie zur Erfüllung des Missionsbefehls in dieser Generation“ beschreibt.16 Oder wenn gewarnt wird,

„wenn wir unsere von Gott gegebene Autorität ‚den starken Mann‘ zu binden nicht nutzen und die Macht der territorialen Geister nicht neutralisieren … dann können diese Mächte weiterhin ihr Besitzrecht an ihren menschlichen Trophäen ausüben und sogar ganze Bevölkerungsgruppen in ihrer geistlichen Gefangenschaft halten. Es ist unsere Wahl, nicht Gottes“17 . Und es passt ins Bild, wenn sich StGK der Weltmission anbietet als „die größte Kraft, die seit der Zeit als William Carey 1793 nach Indien ging, freigesetzt wurde“18.

In gleicher Weise sind die technisierten Methoden in die Untertitel der Texte eingegangen, die StGK unterstützen: „Wie man Gottes Kraft und Schutz erhält in der Schlacht beim Bau Seines Königreiches“, „Wie man das Aufspüren territorialer Geister nutzt, um sein Gebet strategischer, effektiver und zielgerichteter zu machen“.

„Je geschickter wir beim Aufspüren der Geister werden, desto effektiver arbeiten wir“

Eine ähnliche Technisierung kommt in der Aufzählung der Vorteile zum Ausdruck, die Strategisch-Geistliche Kampfführung mit sich bringen soll. Christen müssen scheinbar „die Sprache, Prinzipien und Arbeitsweisen der Dimension der Geister“ erlernen, damit sie effektiver dienen können.

„Je geschickter wir beim Aufspüren der Geister werden, desto effektiver arbeiten wir“. Der Gebrauch dieser Methoden wird „die Städte und Länder der Welt von der Macht der Finsternis befreien“, und er wird „die Gefangenen Satans in das Reich Gottes bringen“19.

Wo es Technisierung gibt, da gibt es auch Experten, die die notwendigen Abläufe beschreiben, geistliche Ingenieure, die sicher stellen, dass Gottes Kraft effektiv eingesetzt und richtig angewendet wird. So gibt es dann vier „Regeln“ und ein „Gesetz“ um ein schwaches Gebet in ein machtvolles zu verwandeln.

Fünf „Zutaten“ braucht man für das gemeinsame Gebet. Sechs „Regeln“ um eine Stadt einzunehmen. Sieben „Prinzipien“ für eine machtvolle Gebetsversammlung. Zehn „Prinzipien“ für einen Gebetsmarsch …

Fünf „Zutaten“ braucht man für das gemeinsame Gebet. Sechs „Regeln“ um eine Stadt einzunehmen. Sieben „Prinzipien“ für eine machtvolle Gebetsversammlung. Zehn „Prinzipien“ für einen Gebetsmarsch. Aber da sind auch zehn „Fallen“, die zu dämonischen Gegenangriffen führen können. Halb so viele „Muss“ für diejenigen, die hören wollen, was der Heilige Geist heute sagt. Ein großer „Plan“ und ein „Handbuch“ für das Aufspüren territorialer Mächte. Diese Liste der Listen kann anscheinend immer so weiter gehen.20

Dass es solche Methoden geben muss, scheint dem evangelikalen Denken außer Frage zu stehen. Die Debatte dreht sich nur darum, welche der Methoden den Erfolg am besten befördert. Der Missionswissenschaftler David Hesselgrave zählt ein lange Liste evangelikaler Strategien und jede will anscheinend wieder neu „der beste Weg zur Evangelisierung der Welt sein, hat sie sich doch als ein Weg zur Erreichung des Ziels erwiesen und kann so eine weitere Methode abgeben, die zu dem Weg erhoben wird“21: Evangelisationskreuzzug, Evangelisation in die Tiefe, die Vier geistlichen Gesetze, Explosionsevangelisation, die Gemeindewachstums-Bewegung, Verteilung von Bibeln, Haus-zu-Haus-Evangelisation, eine ganze Nation zu Jüngern machen, einheimische Evangelisten, multinationale Evangelisationsteams, die Nutzung der Massenmedien.

Wenn aber jede dieser aufeinander folgenden Methoden ihre Versprechen nicht erfüllen konnte, dann ist die zugrunde liegende Annahme höchst fragwürdig. Aber die neurotische Jagd geht auf einer noch verrückteren Ebene weiter. Gerade jetzt, wo sich erste Anzeichen ergeben, dass die Strategisch-Geistliche Kampfführung ihre beste Zeit gesehen hat, da adelt das neue Buch von C. P. Wagner die persönliche Buße, die früher eher als Begleiterscheinung galt, als neuen Königsweg:

„Von allen Formen des Gebetes, die ich aufführen könnte, um einen Weg für die Verbreitung des Evangelium aufzuzeigen, hat keine das Potenzial des Gebets der persönlichen Buße“22.

Obwohl früher 2Kor 10,4 die Belegstelle für das Kampfgebet war, ist sie nun der Ruf, der zur persönlichen Buße ermutigt.

Hesselgrave mahnt zur Vorsicht gegen die Naivität, die in dieser nicht enden wollenden Aufbietung von Methoden zum Ausdruck kommt.

„Es sollte glasklar sein, dass ich dies nicht als Anklage gegen all jene Methoden schreibe. … Die Schwäche, die die Geschichte offenbart hat, ist nicht so sehr, dass diese oder jene evangelistische Methode fehlgeschlagen ist oder in die Irre führte. Die Schwäche ist vielmehr, dass diese oder jene Methode so schnell in eine allgemeingültige Strategie für die Weltevangelisation verwandelt wurde. Die Schwäche liegt nicht so sehr in der Methode an sich als vielmehr in unserem Hang zur Vereinfachung und darin, dass wir derart vernarrt darin sind, eine Methode oder Teilstrategie nach der anderen als die ultimative Strategie zu übernehmen.“23

Aber über Naivität und Hochmut hinaus beherrscht ein viel grundlegenderer und riskanterer Irrtum all diese Listen: die Annahme, es gäbe einen Schlüssel zum Erfolg und der läge in einer Methode.

Wenn es unsere Methode ist, die wirkt – egal welche Methode auch immer – dann hätten wir Gott gezähmt (was natürlich nur in unserer Einbildung möglich ist).

Wenn es unsere Methode ist, die wirkt, dann hätten wir Gott gezähmt …

Guinness warnt:

„Mehr und mehr von dem, was man früher Gott überließ … wird nun durch die systematische Anwendung des Prinzips von Ursache und Wirkung bestimmt, berechnet und kontrolliert. Was in einer rationalistischen Welt zählt, ist Effizienz, Vorhersagbarkeit, Zählbarkeit, Produktivität, der Ersatz des Menschen durch die Technologie und von Anfang bis Ende die Ausschaltung jedes Unsicherheitsfaktors. Für die Religion ist das Ergebnis der Anwendung des Rationalismus das, was Weber ‚Desillusionierung‘ nannte … All das ‚magische und geheimnisvolle‘ des Lebens wird beseitigt. … Eine Religion, die so für die Praxis irrelevant wurde, ist selber praktisch irrelevant. Gott wird nicht mehr benötigt, nicht einmal mehr in der Kirche.“24

„Geistliche Technologie“ ist ein Widerspruch in sich, da macht es keinen Unterschied, ob die Methoden konservativ-evangelikal sind oder der Dritten Welle entstammen.

Dabei bräuchten wir uns das nicht von der Soziologie sagen zu lassen. Dass man sich die biblische Unterstützung selbst konstruieren muss, liegt doch nicht allein daran, dass die Methoden so neu sind, sondern vielmehr daran, dass die innere Logik der Methodenanwendung im Widerspruch zur Heiligen Schrift steht. Weder der Jesus der Evangelien noch die Jünger der Apostelgeschichte folgten in ihrem Dienst einer systematischen oder durchgängigen Methode. Genauso wenig bieten uns die Briefe auch nur einen, geschweige denn den Schlüssel zum erfolgreichen Dienst. Gesetzt den Fall der mechanische Einsatz von Methoden spiegelt eine bestimmte Weltsicht wider, dann eine Weltsicht, die im Widerspruch zur Heiligen Schrift steht.

Aber wenn der Evangelikalismus und die Strategisch-Geistliche Kampfführung beide dieses unbiblische Weltbild teilen, warum gibt es dann unter den Evangelikalen beträchtlichen Widerstand gegen StGK? Zum großen Teil weil bei prinzipiell gleicher Weltsicht die Paradigmen gewechselt haben.

Wo die Postmoderne die Moderne verdrängt, da macht die Objektivität der Subjektivität Platz, der Rationalismus der Emotionalität, die Wissenschaftsgläubigkeit dem Geisterglauben und die Herrschaft der Maschinen der Herrschaft der Schamanen. Mit anderen Worten: so wie die Gemeindewachstumsbewegung ein Ausdruck der modernen mechanistischen

Gemeindewachstumsbewegung ist Ausdruck der modernen mechanistischen Weltbildes – Strategisch-Geistliche Kampfführung ist Ausdruck des postmodernen spiritistischen Weltbildes

Weltbildes ist, so ist die Strategisch-Geistliche Kampfführung ein Ausdruck des postmodernen spiritistischen Weltbildes.25 Der gut gemeinte Versuch einen Fehler zu korrigieren führte zum direkten Absturz in einen anderen, denn das Paradigma hat zwar gewechselt, die prinzipielle Weltsicht blieb aber die gleiche.

Gemeindewachstum, Power Evangelisation und StGK wurden alle jeweils als „Methode, die funktioniert“ angepriesen. Genau das gleiche Zitat von Wesley sollte einmal die Gemeindewachstumsbewegung stützen und ein anderes Mal die StGK. Das Weltbild hat sich nicht grundlegend geändert, sondern nur sein Paradigma. Der Hauptunterschied ist, dass die Anpassung an die mechanistischen Methoden der Moderne durch Anpassung an die spiritistischen Methoden der Postmoderne ersetzt wurde.

Kurzgesagt: wer durch den zweckbestimmten Gebrauch von Heiliger Schrift, Geschichte und Erfahrung in der Begründung der StGK alarmiert ist, muss genauso hellhörig sein für die Verdrehung der Heiligen Schrift in seiner eigenen Tradition. Wer dem Spiritismus des postmodernen Christen mit seinen „Dritte Welle“ Methoden widerstehen will, ist verpflichtet dem mechanistisch denkenden Christen der Moderne mit seinen evangelikalen Methoden genauso zu widerstehen.


  1. C. Peter Wagner. „Territorial Spirits“, Wrestling with Dark Angels: Towards a Deeper Unterstanding of Supernatural Force in Spiritual Warfare.Ventura, CA: Regal, 1990. S. 78f. und C. Peter Wagner. Confronting the Powers: How the New Testament Church Experienced the Power of Strategic-Level Spiritual Warfare. Ventura, CA: Regal, 1996. S. 74. 

  2. Ebd. S. 247. 

  3. Ebd. S. 164. 

  4. Ebd. S. 34. 

  5. Ebd. S. 37. 

  6. Ebd. S. 162, 163, 164, 186, 190, 191, 196, 208. 

  7. Ebd. S. 75, 163, 164, 166, 170, 171, 175, 176, 177, 188, 189, 193, 194, 200, 203, 204, 210, 213. 

  8. Benjamin Franklin. The Autobiography of Benjamin Franklin.Reprint. N.P.: Hougthon Mifflin, 1923. S. 62. 

  9. Luther. Werke 37,13-18. 

  10. Ebd. 37,19. 

  11. Symptomatisch für diesen Zugang ist das Weltbild-Argument der „Dritten Welle“. Ironischerweise sind es die gleichen Leute, die uns lauthals vor der zersetzenden Wirkung des rationalistischen Weltbildes warnen, die dann nur einen flüchtigen Blick auf die zerstörerische Wirkung eines spiritistischen Weltbildes werfen (z. B. Wagner. A.a.O. S. 49-50, 76-77). Das erste macht unleugbar die Menschen blind für das Übernatürliche, wo es wirklich in Erscheinung tritt. Aber das zweite bringt Menschen dazu Übernatürliches zu entdecken, wo es wirklich nicht in Erscheinung tritt. Jedes Mal wenn die Erfahrung des Dienstes in der Dritten Welt herangezogen wird, um vor den Gefahren des Rationalismus zu warnen, könnte sie in gleicher Weise herangezogen werden, um die Gefahren des Spiritismus zu unterstreichen. 

  12. Irving Horowitz. „Critical Responses to Friendly Critics“. The Democratic Imagination. Ed. By Ray Rist. New Brunswick, NJ: Transaction, 1994. S. 598. 

  13. Eigentlich geht diese Feststellung bis auf die Analysen von Max Weber zurück. Sie ist ein wichtiges Thema in den Schriften von Jacques Ellul und Peter Berger und wurde besonders von Os Guinness auf den Evangelikalismus angewandt. Was Hunter hinzugefügt hat, ist die Unterstützung der These durch eine große Zahl von Beispielen aus der Praxis der Evangelikalen. James Hunter. American Evangelicalism and the Quandary of Modernity.New Brunswick, NJ: Rutgers University Press, 1983. 

  14. Neil Postman. Technopoly: The Surrender of Culture to Technology. New York: Vintage, 1993. S. 88. 

  15. James Hunter. Evangelicalism. A.a.O. S. 74-84. 

  16. Wagner. Confronting. A.a.O. S. 96, 91, 30. 

  17. Ebd. S. 242-243. 

  18. Ebd. S. 46. 

  19. Formulierungen von C. Peter Wagner, George Otis jr. und Cindy Jacobs. 

  20. Formulierungen von C. Peter Wagner, Cindy Jacobs, Harold Caballeros und John Dawson. 

  21. David Hesselgrave. Scripture and Strategy: The Use of the Bible in Post-modern Church and Mission. Pasadena: William Carey, 1994. S. 88-89. 

  22. C. Peter Wagner. Praying with Power: How to Pray Effectively and Hear Clearly from God. Ventura, CA: Regal, 1997. S. 111-112. 

  23. Hesselgrave. Scripture. A.a.O. S. 88-89. 

  24. Os Guinness. Dining with the Devil: The Megachurch Movement Flirts with Modernity. Grand Rapids: Baker, 1993. S. 48-49. 

  25. Gene Veith’s Analyse der postmodernen Spiritualität (A Guide to Contemporary Culture. Leicester: Crossway, 1994. S. 191-221) unterstreicht drei Wesenszüge der Strategisch-Geistlichen Kampfführung: 1. die Berufung auf den Animismus und eine Ähnlichkeit zu ihm; 2. die Berufung auf persönliche Überzeugungen wo es keine harten Fakten gibt und der unbeabsichtigte Subjektivismus in der Auslegung der Heiligen Schrift; und 3. die Ablehnung jeder Kritik als Richtgeist und unchristlich.